Dunkles Schicksal Kapitel 52

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Dunkles Schicksal


Kapitel 52



Serena und Merit erreichten drei Tage später Sevilla. Sie hatten sich Pferde besorgt und wie es sich herausstellte, war das der beste Weg gewesen, diese Strecke zurückzulegen. Unterwegs verbrachten sie die Nächte in kleinen Dörfern, manchmal sogar im Stall. Jetzt ritten sie in die Stadt hinein und natürlich blickten ihnen alle neugierig hinterher. Es fiel sofort auf, wenn Fremde in die Stadt kamen.

„Gott, mir tut der Hintern weh. Bin ich froh, wenn wir endlich da sind", jammerte Merit.

Serena lachte.

„Mein Gott, du hältst ja gar nichts aus. Mit dem Schiff wird dir schlecht und auf dem Pferd tut dir dein sexy Körperteil weh. Sag jetzt nicht, das du auch noch luftkrank bist. Für jemand, der viel reist, bist du nicht belastbar."

„Ja, irgendwie bin ich nicht so gut drauf. Doch luftkrank bin ich nicht. Wir hätten fliegen sollen. Du kannst das ja gut."

„Sicher und wir wären gar nicht aufgefallen, wenn wir auf einem Besen gelandet wären. Ich glaube, sie hätten den Scheiterhaufen schneller aufgestellt, als wir sehen könnten. Gerade hier, in dem sehr religiösen Spanien, hätten sie uns schneller verbrannt, als uns lieb ist. Und ich habe keine Lust, nochmal dort zu landen. Das Endergebnis wäre ein Sevilla mit toten Einwohner gewesen, denn weder du noch ich hätten uns freiwillig verbrennen lassen.

Merit schaute sie überrascht an.

„Du warst schon auf einem Scheiterhaufen?"

„Ja, vor fast dreihundert Jahren und er hatte schon gebrannt. Da kam Sethos und rettete mich vor dem Feuertod. Damals war ich eine junge Hexe und noch nicht sehr mächtig, was dem Mob erleichterte, mich zu fangen. Heute würde ich sie alle töten, doch das ist nicht das, wofür wir herkamen."

„Ein Vampir rettet eine Hexe? Das habe ich ja noch nie gehört. Vielleicht solltest du diese Geschichte mal meinem Vater erzählen", sagte Merit. Serena schaute sie an, während sie langsam durch die Stadt ritten.

„So unrecht hat er nicht, Merit und er will dich nur beschützen. Vampire sind mit Vorsicht zu genießen. Sie töten ohne Skrupel. Sethos mag eine Ausnahme sein, doch sie sind nicht alle so. Du darfst das nie vergessen."

„Tu ich nicht. Doch manchmal übertreibt er."

„Nein, er hat schon recht, dein Vater. Vampire sind und bleiben unberechenbar. Sethos, so nett er auch sein mag, ist er auch so tödlich und Arthur...", sie lachte leise „Arthur ist ein Vampir, dem du begierig in die Arme rennen würdest, nur um ihn zu berühren und er dich damit schon hat."

„Wie meinst du das?"

„Seine Ausstrahlung und Anziehungskraft ist extrem, sowie sein Aussehen. Er ist die Erfüllung jedes Mädchentraums und damit so tödlich und gefährlich wie jeder Vampir. Nur hat er es wesentlich leichter, seine Beute zu bekommen."

„Du machst mich direkt neugierig", sagte Merit „Ich würde ihn gerne mal sehen."

„Vielleicht. Sollten er und Merlin zusammen sein, wirst du ihn treffen."

Serena zeigte auf ein Hotel und sie ritten darauf zu.

„Ich schlage vor, wir übernachten hier und essen erst mal etwas. Außerdem müssen wir in Erfahrung bringen, wo sich dieser Merlin aufhält."

„Oh ja, ein Bett und ein Bad und danach etwas essen. Gute Idee", seufzte Merit.

Sie betraten das Hotel und gingen zur Rezeption. Der junge Mann dahinter schaute zweimal, als die beiden Frauen auf ihn zukamen. Beide waren sehr hübsch, unterschiedlich, doch beide attraktiv. Serena mit ihrem feuerroten Haar fiel natürlich sofort auf und auch mit ihren jadegrünen Augen. Merit dagegen hatte dunkles, langes Haar und haselnussbraune Augen.

„Guten Tag", sagte er in spanisch.

Serena antwortete in englisch und er lächelte.

„Beherrschen sie unsere Sprache, denn wir sprechen kein spanisch?", fragte sie. Er nickte.

„Natürlich", sagte er mit einem spanischen Akzent „Wir sind ein internationales Hotel. Wie kann ich behilflich sein?"

„Wir möchten ein Zimmer."

„Natürlich."

Er gab ihnen einen Schlüssel und Serena unterzeichnete die Dokumente. Danach gingen sie die Treppe hoch, sich bewusst, das der Mann ihnen nachsah. Doch im Moment wollten sie nur baden und frische Kleider anziehen. Später aßen sie in einer Taverne zu Abend. Natürlich zogen sie die Blicke auf sich.

„Geht dir das nicht manchmal auf die Nerven, Serena? Diese lüsterne Blicke der Männer?"

„Nein, denn wenn es nicht so wäre, würde ich mir wirklich Sorgen machen", schmunzelte sie.

„Auch wieder wahr. Wie bekommen wir denn heraus, wo dieser Merlin wohnt?"

„Durch genau diesen lüsternen Männer. Sie werden uns gleich ansprechen. Also spiele mit, bis wir unsere Information haben. Danach schicken wir sie fort."

Und wie immer hatte Serena recht. Zwei junge Männer kamen an ihren Tisch und sagten in spanisch etwas, doch beide schüttelten den Kopf.

„Ah, keine Spanierinnen?", sagte er in schlechtem Englisch.

„Nein", antwortete Serena.

„Darf ich den Damen einen Drink spendieren?"

Merit nickte und antwortete.

„Ja und sie könnten uns etwas Gesellschaft leisten. Setzen sie sich doch."

Das brauchte sie den beiden nicht zweimal zu sagen. Sie setzten sich und die Hexen begannen ein lockeres Gespräch. Nach einer Weile fragte Serena.

„Hier ist sehr viel Adel ansässig, ja?"

Der junge Mann, der sich mit dem Namen Antonio vorgestellt hatte, nickte.

„Ja, aber nicht in so einer Taverne. Sie halten sich meistens dort auf, wo es etwas feudaler ist. Warum fragen sie?"

„Wir haben eine Lieferung abzugeben und suchen einen Conte Merlin del la Vega. Wissen sie zufällig, wo dieser wohnt?"

Er lächelte.

„Natürlich weiß ich das. Sie müssen wissen, ich arbeite auf dem Bürgeramt. Der Conte war noch vor kurzem da, mit seiner Schwester wegen einer Frage."

Bingo, das waren die beiden, aber um ganz sicher zu gehen, fragte Serena.

„Seine Schwester ist die Contessa Maria del la Vega?"

„Ja", sagte er überrascht „Woher wissen sie das?"

„Sie hat Kleider nähen lassen, die wir ihr bringen. Wo wohnen die Herrschaften?"

„Nun, nicht in der Stadt. Der Conte hat eine große Hazienda, ungefähr eine Stunde von der Stadt entfernt, wenn sie Pferde haben. Sie reiten in südliche Richtung aus der Stadt und immer den Weg entlang. Ist nicht zu verfehlen. Sie sehen das herrschaftliche Haus schon von Weitem."

Serena schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

„Vielen Dank."

„Werden sie noch länger in der Stadt verweilen? Vielleicht könnten wir uns wiedersehen", sagte sein Freund, der Xavier hieß.

Merit schaute Serena an und verdrehte leicht die Augen. Es war ja so klar, das sie das fragen würden. Doch im Moment hatten sie andere Aufgaben, obwohl die beiden jungen Männer nicht so übel waren. Doch Serenas Augen wurden dunkler, als sie eine Bewegung mit der Hand machte und fast beschwörend sagte.

„Sie beide werden jetzt aufstehen und sich verabschieden. Danach werden sie nach Hause gehen und schlafen. Und morgen werden sie sich an nichts erinnern, außer das sie wahrscheinlich zu viel getrunken haben."

Die Blicke der beiden wurden ausdruckslos und sie standen auf.

„Wir müssen jetzt gehen. Auf Wiedersehen."

Sie verließen ohne Verzögerung die Taverne und verschwanden.

„Eigentlich schade", meinte Merit „Sie waren süß."

„Wir haben andere Prioritäten, Merit. Es wird sehr wahrscheinlich nicht einfach, den beiden beizubringen, wer sie in Wirklichkeit sind."

„Das sagst du so dahin, nachdem du deinen Spaß auf dem Schiff gehabt hast."

Serena lachte leise.

„Es ist doch nicht meine Schuld, das dir zu schlecht war, um zu vögeln."

Auch wieder wahr. Beide gingen danach in ihr Hotel. Sie waren erschöpft, denn es war eine lange Reise und sie hatten nicht viel geschlafen.

Morgen würden sie zu der Hazienda reiten.



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Maria stand gedankenverloren vor den Gräber auf dem kleinen Friedhof in der Nähe des Hauses. Namen standen auf den Grabsteinen, Namen, die jetzt keine Bedeutung mehr hatten. Der Gedanke, das sie diese Gräber pflegte, kam ihr jetzt irrsinnig vor. Denn dort lag niemand. Ihre Eltern hatten diese Gräber unter Vorsatz falscher Angaben hier errichtet, um eine Welt aufrecht zu erhalten, die es nicht gab. Denn dort lagen nicht ihre Großeltern. Hier war nichts.

Merlin trat neben sie, denn er hatte sie gesucht und sich fast gedacht, das sie hier ist. Maria sah nicht auf, als sie sagte.

„Es ist unvorstellbar, das dies alles hier nicht real ist. All die vielen Jahre und sie haben uns nie die Wahrheit gesagt. Und nun ist es zu spät."

Da Merlin nichts sagte, schaute sie auf und ihn an. Er hatte getrunken, das sah sie sofort. Es war nicht leicht für sie beide. Im Moment war gar nichts leicht. Sie trauerte um Lance und Merlin ging es nicht besser, was Arthur betraf. Er sagte es nicht, doch Maria wusste, das er litt. Dazu kam jetzt auch noch, das sie beide nicht mehr wussten, wer sie waren. Das sie ein Leben gelebt hatten, das eine Fiktion war. Auch das war alles sehr belastend und natürlich wollten sie wissen, wer sie waren und wer ihre Eltern waren. Der Gedanke, das sie ihren Vater und ihre Mutter eigentlich nicht gekannt hatten, tat weh.

„Du wirst doch nicht wieder zu trinken anfangen, Merlin?"

„Nein, aber heute habe ich es gebraucht. Alles ist nur noch Mist. Zuerst Arthur und nun das hier." Er zeigte auf die Grabsteine.

„Du vermisst ihn, nicht wahr?"

Er seufzte.

„Es vergeht keine Minute, in der er nicht in meinen Gedanken ist. Warum zum Teufel kann ich das nicht einfach abhaken?", fragte er genervt „Es ist vorbei und wir haben jetzt andere Sorgen", er lachte „Zum Beispiel, wer ich und du wirklich sind?"

„Weil du ihn liebst. Trotz allem, Merlin und das sagt mir, das er die eine Liebe ist, die man im Leben hat. All das Furchtbare, das dir wegen ihm widerfahren ist, macht dir nur halb zu schaffen, wie sein Verlust. Und das ist Liebe, diese klassische Liebe, die du in Büchern findest, die Mädchen so gerne lesen."

Er lachte leise. Es klang traurig.

„Ja, nur das sich mein Liebesroman in ein Drama verwandelt hat und sich die Mädchen die Augen ausweinen würden, wenn sie es lesen.", er schaute sie an.

„Was ist mit dir, Maria?"

Sie seufzte.

„Auch nicht das Wahre. Auch ich denke zu oft an Lance und kann ihn nicht vergessen. Wahrscheinlich ist meine Geschichte auch ein Drama."

„Du hättest mit ihm gehen sollen. Wenigstens einer von uns, der glücklich ist."

Sie strich ihm über seine Wange, zärtlich wie auch ihr Blick war.

„Ach, Merlin. Du denkst doch nicht wirklich, das ich dich hier einsam und allein und unglücklich zurückgelassen hätte. Wir bleiben zusammen, denn wie es sich herausgestellt hat, werden wir beide gegenseitig die einzige Stütze sein, die wir haben. Wir teilen das gleiche Schicksal und anscheinend den gleichen Kummer."

Merlin nahm Luft.

„Ehrlich? Ich weiß im Moment nicht, wie es weitergehen soll. Ich bin so ohne Antrieb, möchte am liebsten den ganzen Tag im Bett liegen."

„Es wird besser werden. Die Zeit wird uns helfen und wir werden sie vergessen."

Er schüttelte den Kopf.

„Wir werden sie nie vergessen und wenn wir beide dann sterben...werden wir allein sein. Begraben mit einem Namen, der gekauft wurde und unwissend, wer wir wirklich gewesen sind. Ich bin so wütend, das Vater und Mutter uns zurückgelassen haben, ohne ein Wort zu sagen. Und nun bricht unsere ganze Existenz wie ein Kartenhaus zusammen und sie sind nicht da, um es aufzuhalten."

Sie legte einen Hand auf seinen Arm.

„Sprich doch nicht so über sie, Merlin. Sie wollten doch nur in die Oper und nicht sterben. Vielleicht hätten sie es uns eines Tages gesagt, wenn nicht..."

„Ja, vielleicht. Ist jetzt nicht mehr zu ändern und wir müssen damit leben. Auch ohne unsere Liebe des Lebens", er schaute sie an „Wir schaffen das...zusammen."

„Ja und vielleicht treffen wir ja noch einmal jemanden, der uns etwas bedeutet."

Merlin schüttelte den Kopf.

„Nein, ich kann mich nicht mehr binden, denn jeder wäre nur ein mittelmäßiger Ersatz und würde den Vergleich mit Arthur nicht standhalten. Ich werde einsam und allein sterben und Arthur wird an meinem Grab stehen. Jung und schön und so..."

Er sprach nicht weiter, denn seine Stimme versagte und er bemühte sich um Haltung. Er hatte noch nie geweint und vor allem nicht in Gegenwart seiner Schwester. Er würde damit jetzt nicht anfangen.

Maria nahm ihn wortlos in ihre Arme und hielt ihn. Seltsamerweise war sie jetzt die starke Seite von ihnen beiden, obwohl sie auch Kummer hatte. Doch Merlin hatte viel Schlimmes erlebt, was ihn noch immer belastete, wenn auch mehr im Unterbewusstsein. Trotzdem hätte er Arthur verziehen, wenn der ihm nur ein wenig entgegen gekommen wäre.

Maria dagegen hatte nur schöne Erinnerungen an Lance. Ob er auch diverse Abenteuer hatte, wusste sie nicht. Doch sie war ziemlich sicher, das er die nicht hatte, während sie beide zusammen waren. Das war nicht Lances Art. Er war zu Arthur das reine Gegenstück. Doch nun war er frei und konnte tun was er wollte. Der Gedanke, das er irgendwann andere mit in sein Bett nahm, tat weh. Doch sie würde ihm das nicht übel nehmen.

Sie hatte ihn frei gegeben. Merlin löste sich und nahm ihre Hand.

„Lass uns zurückgehen. Du musst etwas essen und ich auch. Ich werde nicht wieder anfangen zu trinken...versprochen. Heute war nur so ein furchtbarer Tag."

Sie nickte, warf noch einen letzten Blick auf die Gräber, die keine waren. Sie würde nicht mehr hierher kommen. Hier lag nichts, was sie interessierte. Keine Familie.

Ihre Familie war Merlin und da war sonst niemand mehr. Sie hatten nur noch sich beide.



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Natürlich sahen die beiden Hexen die Hazienda schon von einiger Entfernung. Das Haus war groß und herrschaftlich, sowie die Ställe und die Nebengebäude. Ein großer Torbogen bildete den Eingang zu dem Haus, das malerisch in den Gärten lag. Ein gepflegter Weg führte durch Bäume hinunter zum Haus. Bunte Blumen und auch Sträucher, sowie ein Springbrunnen gaben dem Ganzen einen idyllischen Anblick. Männer waren damit beschäftigt, den Garten in Ordnung zu halten oder kümmerten sich um andere Dinge. Auf der angrenzenden Weide standen edle Pferde, dösten in der Nachmittagssonne.

„Mein Gott; ist das schön hier", sagte Merit, die auf dem Schimmel saß „Er scheint nicht arm zu sein."

Serena, die neben ihr ritt, nickte.

„Anscheinend. Der Clan war nicht arm und wenn das Paar wirklich diejenigen waren, was wir glauben, so hat sein Vater wohl einen Plan gehabt."

„Wie meinst du das?"

Serena schwieg einen Moment, weil ihr Pferd unruhig war, doch nachdem es wieder ruhig neben dem Schimmel trottete, sprach sie weiter.

„Es muss wohl schon zuvor Streit mit der Schwester gegeben haben. So etwas kommt ja nicht aus heiterem Himmel. Sie wird wohl schon zu Lebzeiten des Vaters Streit um die Führung des Clans angezettelt haben. Doch die Regeln stehen fest, der Erstgeborene wird Nachfolger."

„Was wäre geschehen, wenn sie zuerst geboren worden wäre?", fragte Merit.

„Dann wäre sie die Anführerin geworden. Es ist egal, ob männlich oder weiblich. Ich führe ja auch meinen Clan, der meilenweit davon weg ist, was der Silver Lunera Clan war. Aber wie gesagt, gab es wohl schon Spannungen, bevor der Vater starb. Anstelle des Bruders hätte ich auch einen Notfallplan gehabt; bei so einer Schwester."

Merit trieb ihr Pferd an, so das sie neben Serena kam, da es kleinere Schritte machte und fragte.

„Du meinst; sie sind geflohen mit dem Vermögen des Clans?"

Die rothaarige Hexe nickte.

„Er wäre schön blöd gewesen, ihr alles zu überlassen. Wahrscheinlich hat er die Konten geräumt, bevor sie untergetaucht sind. Oder er hatte das Geld schon auf diverse Konten an eine andere Bank transferiert. Wie auch immer; Merlins Vater war nicht auf den Kopf gefallen. Er wusste wohl, das...", sie schaute Merit an und machte einen nachdenklichen Eindruck „ Ich denke, er wusste sehr genau, wenn sein Vater starb und er an die Führung kommen würde, seine Schwester das nicht so hinnehmen und es Streit geben würde. Er hatte sie gut gekannt...dieses Miststück. Aber er dachte wohl nicht, das es so ausarten würde. Das sie ihren Bruder und dessen Frau eiskalt getötet hätte."

„Sie wird sauer gewesen sein, das sie entkommen sind."

„Wahrscheinlich. Der Bruder mit seiner Frau entkommen und die Konten leer. Dazu, wenn die Geschichte stimmt, hatte sie Narben im Gesicht, die sie mit Magie nicht ausbügeln konnte. Und sie sinnte auf Rache. Ich vermute, deswegen sind sie untergetaucht und haben ein unauffälliges Leben geführt. Außerdem; ich machte mir so meine Gedanken, glaube ich, sie haben der Magie abgeschworen...sie nicht mehr benutzt."

„Du denkst, sie haben keine Magie mehr praktiziert?"

Serena nickte andächtig.

„Sie haben ein großes Opfer für ihre Kinder gebracht. Ihnen ein normales Leben ermöglicht, obwohl das nicht normal ist. Sie haben beide die Magie ihrer Eltern. Und da du gesagt hast, das dieser Mann nicht wusste, das er Magie hatte...vermute ich stark, das sie die Magie in ihren Kindern gebannt haben, damit sie nicht in Gefahr kommen. Ja...", sagte sie nachdenklich „Für so einen mächtigen Hexer und seine Frau, die wohl nicht minder Magie hatte, war es ein großes Opfer, die Magie zu verleugnen."

Merit sagte nichts. Beide wussten, das es für eine Hexe nichts Schlimmeres gab, als der Magie zu entsagen. Sie war ein Teil von ihnen, ein fast lebendiger Teil, den diese Eltern amputiert hatten, aus Liebe zu ihren Kindern. Ja, das war ein sehr großes Opfer gewesen. Merlin und Maria würden vielleicht eines Tages erahnen können, was ihre Eltern für sie getan hatten.

Sie erreichten das Tor und ritten zum Haus. Niemand hielt sie auf, doch die Männer beobachteten sie. Vor dem Haus kam ein junger Mann und hielt ihre Pferde, als sie abstiegen und auf die schöne Veranda traten.

„Okay", sagte Serena leise und nahm Luft „Gehen wir es an."

Dann klopfte sie an die Tür. Ein Diener öffnete und sagte nach einem Moment.

„Sie wünschen?"

„Wir möchten Conte del la Vega sprechen", sagte Serena.

Der Diener musterte sie. Merit liebte bunte Kleidung und Serena war eigentlich sehr förmlich gekleidet. Schwarze Hose und Stiefeln, darüber eine weiße, blusenartige Tunika. Merit mit ihrem bunten Stirnband in den Haaren und allerlei Farben an sich, wirkte neben ihr wie ein bunter Papagei. Zumal sie beide Hosen trugen, was nicht gerade damenhaft war, doch den Hexen egal. Sie trugen, was sie mochten.

„In welcher Angelegenheit?", fragte er, in seinem Gesicht geschrieben, was er dachte und nun sagte.

„Wir kaufen nichts von fahrenden Händlern."

Serena ignorierte das, bevor sie ihn in einen Frosch verwandeln würde und sagte höflich.

„Sagen sie ihm; wir haben einen gemeinsamen Bekannten...Arthur Pendragon."

Der Diener nickte und schloss wieder die Tür.

„Verdammt", sagte Merit „Sind alle Adligen so blöd?"

„Das war nur ein Diener. Er dachte wohl, das Zigeuner ihm etwas verkaufen wollten", sie musterte Merit „Hattest du nicht etwas...Unauffälligeres in deiner Reisetasche?"

Sie sah an sich herunter.

„Wieso? Das sieht doch gut aus."

„Nicht für ihn und hast du gesehen, wie er unsere Hosen anschaute?", fragte Serena.

„Wer ist denn so blöd und reitet in Kleidern?", antwortete Merit mit einer Gegenfrage.

„Adlige Damen und natürlich im Damensitz."

„Schwachsinn", meinte Merit und wollte noch etwas sagen, als die Tür wieder aufging und der Diener lächelte, zur Seite trat und sie beide mit der Hand einlud.

„Bitte. Kommen sie mit in die Bibliothek. Der Conte wird sie gleich empfangen."

Sie traten in das Haus und sahen sich um. Das Foyer war groß und alles zeugte von Reichtum. Sie gingen über weiche Teppiche und der Diener führte sie in einen Raum mit großen Fenstern. Regale mit Büchern, einige sehr wertvoll und alt säumten die Wände. Ein Schreibtisch stand an der Fensterseite, ordentlich aufgeräumt, etwas weiter links eine großzügige Bar mit diversen Getränken. In der Mitte ein Sofa mit Tisch. Das alles sah wertvoll aus, auch die Kristallgläser und die Teppiche, sowie die Bilder an den Wänden. Sie setzten sich auf das Ledersofa, vor dem ein kleiner Tisch stand.

„Der Conte wird gleich kommen", sagte der Mann und ging.

„Hat der einen Besen verschluckt", fragte Merit „Dann verhexe ihn und lerne ihn fliegen", sagte sie lachend „Oder ich werde es tun."

„Benimm dich", grinste Serena. Merit sah sich um.

„Wow...hier kann man das Geld fast riechen."

Die Tür ging auf und ein junger, sehr gutaussehender Mann kam herein. Okay, alles klar. Serena konnte Arthur verstehen, wenn man auf Männer stand, so wie sie. Er war wirklich eine Augenweide. Groß, schlank mit vollem, dunklem Haar und hellblaue Augen. Und als er lächelnd näher kam, war er umwerfend. Das also war Arthurs große Liebe, dachte Serena. Verständlich, das er nach Hause wollte.

„Guten Tag", sagte Merlin „Ich bin Conte del la Vega."

Beide standen auf und jetzt erst erkannte Merlin Merit. Erstaunt schaute er sie an.

„Kennen wir uns nicht?", fragte er automatisch in englisch.

„Ja, sicher", antwortete sie „Budapest, diese Taverne? Sie sagten, sie glauben nicht an Magie."

Er lachte und wies wieder auf das Sofa, was heißen sollte, das sie sich wieder setzen sollten. Was sie auch taten. Merlin setzte sich ihnen gegenüber in einen der Sessel.

„Ja, genau. Merit war der Name, wenn ich mich nicht täusche. Ich hatte unser Gespräch genossen und es war eine wirkliche Überraschung."

„Fand ich auch so", sagte Merit und in der Tat; es war eine gewesen.

„Und wer sind sie?"

„Serena. Eine Freundin von Merit und auch von Arthur Pendragon."

„Nun", sagte Merlin, während ein Diener ihnen Getränke servierte, die sie gewünscht hatten „Sie sagten das ja schon. Woher kennen sie Arthur Pendragon?

Merit schaute Serena an. Ihr Auftritt. Doch bevor Serena anfing, ihm davon zu erzählen, sagte sie.

„Wäre es möglich, das ihre Schwester uns Gesellschaft leistet? Es betrifft sie auch."

Merlin zog überrascht die Augenbrauen hoch, doch ließ ein Diener Seniorita de la Vega rufen. Einen Augenblick später trat Maria ein. Sie stand ihrem Bruder an Attraktivität in nichts nach. Etwas kleiner, schlank mit einem schönen Gesicht, das umrahmt von dunklem, lockigen Haar war, das ihr bis über die Schultern fiel.

„Guten Tag", sagte sie und setzte sich neben Merlin auf den anderen Sessel.

Ein Diener brachte Gebäck und Tee herein und verschwand wieder. Nachdem sie sich alle vorgestellt hatten, beugte sich Serena etwas nach vorne, als sie begann.

„Nun, wir beide haben eine beschwerliche Reise auf uns genommen, um sie beide zu sehen. Wir kommen aus New Orleans."

„Von Amerika?", fragte Maria überrascht. Sie nickte.

„Nun, was hat das mit Arthur zu tun?", fragte Merlin. Maria schaute ihn an.

„Arthur?" Dann sah sie zu den Frauen.

„Nun, Arthur war bei mir in New Orleans. Wie sie wissen, hatte er schlimme Probleme. Sethos, mit dem ich befreundet bin, brachte ihn zu mir, damit ich ihm helfe, dieses Böse loszuwerden. Und das habe ich letztendlich getan; mit Hilfe von Sethos."

Merlin sah sie überrascht an.

„Er war in Amerika? All diese ganze Zeit?"

Natürlich hatte Arthur sein Versprechen gehalten, das war Serena klar. Merlin wusste nicht, wo er gewesen war.

„Ja, bis Sethos ihn abholte."

Ein Schatten huschte über Merlins Gesicht, der jedoch so schnell verschwand, wie er gekommen war. Er wollte etwas sagen, doch Maria hob die Hand.

„Verzeihung, aber wie haben sie Arthur geholfen?"

Okay, nun kam der schwierige Teil.

„Mit Magie", antwortete sie und machte eine kurze Pause, bevor sie hinzufügte „Und ich bin eine Hexe."

„Was?", rief Maria „So etwas gibt es nicht."

Serena lächelte.

„Aber es gibt doch auch Vampire und sie glauben und wissen es. Arthur ist ein Vampir und auch Sethos."

Jetzt waren die Geschwister überrascht und Serena sprach weiter.

„Ich wurde dreizehnhundertdreiunddreißig geboren. Mein Vater war ein Hexer und meine Mutter eine Hexe. Sie beide fanden den Tod auf dem Scheiterhaufen. Jahrhunderte später sollte auch ich diesen Tod finden, doch Sethos rettete mich und schenkte mir sein Haus in New Orleans. Dort baute ich mir einen Hexenclan mit fünfzehn Hexen auf, die nicht wussten, wo sie bleiben sollten. Sethos fragte mich, ob ich helfen könnte, Arthur zu retten. Und ich tat es, indem ich einen starken Zauber fand. Arthur kann das alles bestätigen."

Jetzt hob Merlin die Hand. Er schaute sie ernst an.

„Also; sie wollen uns weismachen, das sie Magie haben und...unsterblich sind? Denn dann wären sie ja fast fünfhundert Jahre alt", er schaute zu Merit mit einer hochgezogenen, fragenden Augenbraue, so das sie sagte.

„Ja, ich auch. Nur das meine Magie von...nun, sie ist anders. Und nicht so stark wie die von Serena. Sie hat sehr viel Macht. Und ich bin nicht annähernd so alt wie sie."

Merlin kniff die Augen zusammen, die rothaarige Frau war schön und hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Doch sie sah nicht älter als Merlin selbst aus. Vampire waren es nicht, sie kamen am Nachmittag und die Sonne schien. Und diese Frau sollte so alt sein? Und die andere auch? Sie sah auch gut aus, anderer Typ und mehr Bräune im Gesicht. War das ein Witz?

Die Geschwister sahen sich an, doch dann sagte Maria in einem nicht freundlichen Ton.

„Hören sie. Mein Bruder hat die letzte Zeit sehr viel durchgemacht und dementsprechend ich auch. Was wir nicht gebrauchen können, sind zwei Frauen, die uns etwas verkaufen wollen, was unmöglich ist. Es ist vielleicht besser, wenn sie gehen. Wir haben keine Zeit uns irgendwelche Fantasiemärchen von ihnen anzuhören."

„Ich sagte es schon. Es wird schwierig, sie glauben nicht an Magie", warf Merit ein.

Serena sagte nichts dazu, sie sprach weiter.

„Sie denken, das ich lüge?", fragte Serena „ Okay, ich werde es ihnen beweisen. Ich weiß, das sie Neigungen haben, die...nun sagen wir mal, nicht standesgemäß sind. Nicht in ihren Kreisen, noch außerhalb und sie sich zu einem gewissen, blonden Vampir stark hingezogen fühlen, was auf Gegenseitigkeit beruht", sie wandte sich an Maria „Und sie, meine Gnädigste, haben eine Liaison mit einem Vampir namens Lance. Arthurs Freund."

„Woher wissen sie das alles?", fragte Maria überrascht.

„Wie ich schon sagte, von Sethos und auch von Arthur selbst. Und um wieder auf die Magie zurückzukommen; bitte rufen sie einen der Diener. Ich versichere ihnen, es wird ihm nichts geschehen. Doch anscheinend muss ich sie überzeugen, indem ich ihnen Magie vorführe."

Einen Augenblick geschah nichts, dann sprang Merlin auf und rief.

„Das hier muss ich mir nicht antun. Verlassen sie mein Haus. Was immer sie vorhaben; es wird nicht gelingen."

Doch Maria griff nach seiner Hand und sagte, indem sie die beiden anschaute.

„Warte. Ich will das sehen, Merlin. Wenn sie recht hat, dann solltest du dir den Rest anhören. Sie weiß viel zu viel Einzelheiten für jemanden, der lügt."

Merlin schaute die beiden an, dann nickte er grimmig. Wenn die beiden ihn hier verarschen wollten; in seinem eigenen Haus, dann würden sie etwas erleben. Er war sowieso mies drauf. Schließlich nickte er und rief einen der Diener, der sofort kam.

„Senior?"

Serena konzentrierte sich, ließ ihre Magie fließen und hob die Hand. Ihre Augen wurden dunkler, als sie etwas murmelte und plötzlich der Mann schrumpfte, sich verformte und ein Frosch auf dem Teppich saß, wo zuvor noch der Mann stand. Sie schüttelte den Kopf.

„Verzeihung, sollte eigentlich eine Kröte werden, aber so geht es auch. Bin wohl etwas erschöpft von der Reise."

Der Frosch quakte und Merlin wie Maria starrten ihn mit Entsetzen an. Merlin fasste sich als Erster und fragte.

„Können sie das wieder rückgängig machen?"

„Natürlich."

Einen Moment später stand der Diener wieder in der Bibliothek, der etwas verwirrt dreinschaute, bis Merlin sagte.

„Sie können gehen."

Der Diener verschwand und Merlin setzte sich wieder, zog erschreckt den Kopf ein, als eines der Bücher an seinem Kopf vorbei schwebte.

Die Bücher aus den Regalen schwebten im Raum herum und fanden wieder ihren Platz, während andere wiederum sich in die Luft erhoben. Merlin schaute dem ganzen Spektakel mit offenem Mund zu, während Maria nach seiner Hand griff und erstarrt zu den Bücher schaute. Serena beendete den kleinen Zauber, der einfach war. Alle Bücher standen wieder dort, wo sie sein sollten. Sie lächelte und wartete ab.

„Wenigstens sind sie nicht schreiend davon gerannt", murmelte Merit.

„Wie ist das möglich?", hauchte Maria voller Ehrfurcht.

„Magie. Wir sind Hexen. Hören sie, sie glauben und wissen, das es auch Vampire gibt. Sie sind tot und doch existieren sie. Auch das ist eine Art von Magie", erklärte Serena „Und auch, das sie fliegen können und andere Fähigkeiten besitzen. Warum sollten sie dann nicht glauben, das es auch Magie gibt, die wir Hexen anwenden? Das hier war einfache Magie und wir wollen ihnen auch nichts tun. Ich tat es nur, um zu beweisen, das wir keine Lüge erzählen."

Merlin erinnerte sich an das Gespräch mit Sergio, damals auf der Reise, als sie in diesem Frühstücksraum saßen. Hatte er nicht das Gleiche gesagt? Nach einer bedeutungsvollen Pause sagte jetzt Merlin.

„Gut, nehmen wir mal an, das dies alles stimmt. Was hat das mit uns zu tun?"

Serena stand auf und ging zu ihm, blieb vor Merlin stehen, der sie erwartungsvoll und misstrauisch ansah. Doch er blieb sitzen, als sie sagte.

„Geben sie mir ihre Hand."

Merlin sah zu Maria, die leicht nickte. Er streckte ihr seine Hand hin, die sie nahm und die Augen schloss. Ja, da war sie. Magie. Und genauso, wie Merit es beschrieben hatte. Mächtige, alte Magie, doch irgendwie verschleiert. Serena konnte sie nicht richtig fassen. Sie lag wie unter einem Tuch, wallte und pulsierte, doch war inaktiv. Und trotzdem fühlte sie diese gewaltige Magie, die nur leicht strahlte. Merit hatte recht. Die volle Kapazität der Magie würde sie überrollen, wenn sie frei wäre. Serena fühlte so etwas wie ein mächtiger Zauber, der die Magie bannte.

Das Gleiche fühlte sie bei seiner Schwester, die ihre Hand auch in die von Serena legte. Ja, das war mächtige Magie und alt. Sie erschauerte, als sie die Hände losließ und sah beide einen Moment an. Mein Gott, sie hatten tatsächlich Nachkommen der Silver Lunera gefunden. Diese Magie war anders als alles, was sie je gefühlt hatte und stärker als sie selbst. Sie schaute zu Merit und nickte und diese nahm hörbar Luft. Du lieber Himmel, sie hatte sich nicht getäuscht.

„Und was soll das Ganze jetzt?", fragte Merlin „Sagen sie mir auch, das ich viel Lebenskraft habe?"

„Nein, aber so wie das aussieht, stammen sie von einem mächtigen Hexenclan ab und sie beide vereinen mächtige Magie in sich. Sie sind eine Hexe", sagte sie zu Maria und zu Merlin „Und sie ein Hexer."

„Soviel zu langsam heranführen", murmelte Merit und ergriff das Wort an Merlin gerichtet.

„Ich habe sie gespürt. Damals in dieser Taverne. Doch da sie nicht daran glaubten, hielt ich den Mund. Ich erzählte Serena davon und nun sind wir hier."

„Das soll wohl ein Witz sein", sagte Merlin und sprang auf „Denken sie nicht, ich würde etwas spüren, wenn es so wäre? Das ist wohl das Haarsträubendste, was ich je hörte. Magie? Ich kenne mich nicht aus damit, aber würde ich das nicht fühlen oder irgendwie wissen?"

„Es ist die Wahrheit", erwiderte Selena ruhig „Ich kann sie jetzt auch noch spüren. Schwach, aber sie ist da. Tief vergraben in ihnen beiden und gebannt. Versteckt, wenn ich es mal so sagen will, inaktiv."

Beide sagten nichts. Sie starrten nur die beiden Frauen an, als wären sie Gespenster. Bis Serena weitersprach.

„Ich erzähle ihnen jetzt eine Geschichte, die sich genau, nun ja...wahrscheinlich so abgespielt hatte, denn niemand weiß es genau. Setzen sie sich wieder", sagte sie zu Merlin, der ohne Widerworte gehorchte. Wahrscheinlich waren die Geschwister zu geschockt, um etwas zu sagen. Sie starrten die beiden Frauen nur an, unfähig zu begreifen, was da gerade vor sich ging. Serena setzte sich wieder und begann.



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Nachdem sie die Geschichte beendet hatte, herrschte Schweigen. Die Geschwister schauten sie nur an. Obwohl Merlins Gehirn auf Hochtouren arbeitete, sah man es ihm nicht an. Maria legte ihre Hand auf seine. Sie war erschreckend weiß im Gesicht und ihre Augen starrten immer noch groß die beiden Frauen an. Als ob die Zeit still stand, herrschte Schweigen und Merit rutschte unruhig auf dem Sofa herum. Endlich sprach Merlin.

„Sie wollen damit sagen, das...das unsere Eltern dieses junge Paar waren, die fliehen mussten? Das sie die Anführer eines mächtigen Clans waren?"

„Ja."

Merlin schaute zu seiner Schwester, die ihn jetzt ansah. Nach allem was sie heraus gefunden hatten, könnte das durchaus sein. Seine Schwester schien das Gleiche zu denken, denn sie sagte leise.

„Merlin, die Paraellen sind erschreckend gleich. Es ist immer noch mysteriös, wo sie herkamen und sie hatten so viel Geld und..."

Sie brach ab, denn Serena hatte ihnen auch ihre Vermutungen erzählt. Merlin rang mit sich. Er war sich nicht sicher, ob er den beiden Frauen von seiner Familie erzählen sollte. Doch hier hatten sie vielleicht die Möglichkeit, die fehlenden Puzzelteile einzufügen, was ihre Familiegeschichte anging. Vorausgesetzt, das stimmte alles. Doch wenn er ehrlich war, sahen diese „Hexen „ nicht aus, als würden sie ihn anlügen.

Sie kamen von weit her und sie kannten Arthur und Sethos. Niemand wusste hier in Sevilla von ihrer Verbindung, nicht wirklich. Und erst recht niemand, der so weit weg wohnte. Serena beschrieb Arthur und auch Sethos sehr genau und wusste auch, das sie Vampire waren. Er sah seine Schwester an, die nachdenklich schien, doch ihm zunickte. Sie verstanden sich oft ohne viele Worten. Er wandte sich jetzt an Serena.

„Also gut. Wir haben auch etwas zu erzählen."

Merlin und auch Maria erzählten ihnen, was sie herausgefunden haben. Nachdem sie geendet hatten, nickte Serena.

„Ich bin mir ganz sicher, das ihre Eltern dieses Paar waren, das geflohen war. Das kann kein Zufall sein. Ihr Vater", wandte sie sich an beide „Er hatte es gewusst, das es so kommen würde und hat Vorkehrungen getroffen. So wie das aussieht, mussten sie fliehen, um nicht getötet zu werden, doch er nahm das gesamte Vermögen des Clans mit. Seine gestörte Schwester stand vor Nichts, abgesehen davon, das sie blutige Rache geschworen hatte."

„Was meinen sie damit?", fragte Maria.

„Sie machte ihrem Vater die Führung streitig, was unter Hexenclans unterste Schublade ist. So etwas ist verboten und erst recht, einen Clan zum Aufstand gegen die eigenen Leute anzustacheln. Silver Lunera war für alle anderen ein abschreckendes Beispiel", sie kniff die Augen zusammen „Wie sind ihre Eltern ums Leben gekommen?"

„Vampire", sagte Merlin und ein bitterer Unterton war in seiner Stimme „Vampire aus Russland, die durch das Land streiften, haben sie getötet. Offiziell war es ein Unfall."

Sie seufzte, denn Serena hatte gerade ihre Antwort auf all ihre Vermutungen bekommen. Merlin fragte, denn ihm war ihr Seufzen und ihr kummervolles Gesicht nicht entgangen.

„Was ist?"

„Sie wissen nicht ansatzweise, was ihre Eltern für sie beide getan haben.'", sagte sie, doch eigentlich wollte sie das nicht sagen. Aber es würde nichts nützen und sie hatten ein Recht auf die Wahrheit. „ Sie sind geflohen und untergetaucht, hier in Sevilla. Kauften sich einen anderen Namen und ein idyllisches, einsames Plätzchen. Und ihre Kinder schützten sie mit ihrem Leben."

„Wie? Ich verstehe nicht", sagte jetzt Merlin.

„Ihre Eltern wussten, das sie in Gefahr wären, wenn die Magie in ihnen erwacht. Ich weiß ja nicht, wie stark eure böse Tante war oder ist, doch vielleicht hätte sie euch gefunden und getötet. Sie hatte das ihnen ja angedroht. Also versteckten ihre Eltern eure Magie tief in euch, bannten sie und ließen sie inaktiv. Sie wollten, das sie beide ein ganz normales Leben führen und..."

„Was nicht möglich ist, weil...", sagte Merit, doch Serena hob die Hand.

„Später.", sagte sie nur und widmete sich wieder den beiden.

„Also, um das zu gewährleisten, schworen sie der Magie ab. Sie haben euch versteckt. Das Feuer...das waren sie gewesen."

„Mein Vater war vielleicht einiges, aber kein Brandstifter", sagte Merlin anklagend.

„Nein, er hatte genug Magie, um die ganze Stadt anzuzünden. Und er musste nicht mal vor Ort sein. Das war wohl das letzte Mal, da er seine Magie nutzte, bevor er ihr abschwor."

„Was?"

„Ja, dadurch, das alles verbrannt war, existierten sie nicht. Fremdes Land, fremder Name, abgelegenes Heim, Kinder, die nicht existieren und ein unauffälliges Leben. Genau das hatten ihre Eltern beabsichtigt. Sie selbst schworen der Magie ab und lebten wie gewöhnliche Menschen. Sie haben alles für euch getan und selbst ihr Leben gegeben. Sie müssen sie beide sehr geliebt haben."

„Wieso?", fragte Maria verzweifelt. Serena schüttelte bedauernd den Kopf.

„Sie waren mächtig genug, um es mit einem ganzen Vampirclan aufzunehmen", sagte sie mit Bedacht, denn das war jetzt hart für die beiden „ Sie haben es nicht getan und gaben ihr Leben. Vielleicht hätte die Schwester seine Macht gespürt? Das kommt oft bei Geschwistern vor, das sie die Magie ihres Bruders oder Schwester spüren. Ich weiß es nicht. Sicher ist, das sie sich leicht mit Magie gegen Vampire hätten wehren können. Es...tut mir leid."

Maria schaute mit einem verzweifelten Blick zu Merlin und Tränen liefen ihr die Wangen hinab. Das war zu viel für sie. Der Tod ihrer Eltern war für sie schon ein Alptraum gewesen. Und nun sagte diese Frau, sie wären für sie beide gestorben. Selbst Merlin starrte die beiden geschockt an. Mein Gott. Sein Leben geriet jetzt völlig aus der Bahn. Was als tragisches Familienschicksal begann, entpuppte sich zu einem absoluten Alptraum. Ihre Eltern starben für sie beide. Maria weinte leise, denn ihr war das mehr als nur bewusst.

Serena stand auf und nahm Merit mit sich. Sie zogen sich in eine Ecke zurück, gaben den beiden Privatsphäre und einen Moment.

„Du musstest ja gleich mit der Kelle rein schlagen", klagte Merit Serena leise an „Konntest du das nicht langsam und schonender den beiden beibringen? Was war mit dem Spruch, sie langsam darauf vorbereiten?"

„Nein, es ist besser, wenn sie wissen; was oder wer sie sind und warum das alles geschah. Es wird sie am Leben halten."

„Das ist wirklich witzig", antwortete Merit leise und sarkastisch, sah zu ihnen rüber. Merlin hielt Maria im Arm, sprach tröstend auf sie ein „Sie sind unsterblich. Ihre Magie könnte sie am Leben erhalten, selbst wenn sie so groß wie Drachen wären. Sie ist übermächtig."

„Das weiß ich ja. Deshalb solltest du das noch nicht sagen. Es wäre zu viel für sie."

Merit sah sie fassungslos an und griff sich an ihren Kopf.

„Was?", sagte sie leise „Du erzählst ihnen so einfach, das ihre Eltern starben, um sie nicht zu verraten und das hältst du für nicht zu viel? Das soll mal einer verstehen."

„Jetzt lass sie doch erst mal das hier verarbeiten, bevor du jetzt mit der Unsterblichkeit Nummer kommst", antwortete Serena „Es ist doch schon schwer genug für sie. Das alles hier. Wir wurden so geboren und als Hexen aufgezogen, lernten alles von unseren Eltern. Sie dagegen wurden gerade ins kalte Wasser geworfen und zwar mit Eiszapfen darin. Ich möchte nicht mit ihnen tauschen."

Bevor Merit etwas sagen konnte, rief sie der Conte und sie setzten sich wieder. Maria hatte sich beruhigt, doch noch immer schaute sie sehr kummervoll vor sich hin.

„Also gut. Gibt es sonst noch irgendwelche Hiobsbotschaften, die sie mir zu sagen haben? Fassen wir mal zusammen", sagte er und rieb sich durch sein Gesicht. Das alles konnte nur ein Alptraum von der schlimmsten Sorte sein.

„Wir sind also...Wie sagten sie nochmal?"

„Hexe und Hexer", sagte Merit.

„Okay. Wir beide haben also Magie, die nicht aktiv ist?"

„Richtig."

„Und so wie sie sagen, muss das sehr mächtige Magie sein."

„Auch richtig."

„Und unsere Eltern sind...waren die verschollenen Anführer eines Clans, der nicht mehr existiert."

„Ja."

„Und was ist mit der missratene Familienangehörige?"

„Niemand weiß, wo sie abgeblieben ist."

Merlin seufzte. Noch so etwas, was er absolut nicht gebrauchen konnte. Eine Tante, die zur mordgierigen Furie mutiert ist und sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, ihre Familie auszulöschen.

„Sie könnte also noch leben?"

Merit wechselte wieder einen Blick mit Serena, das Merlin natürlich nicht entging. Er nahm Luft und machte ein grimmiges Gesicht.

„Also, meine Damen...raus damit. Was verheimlicht ihr uns noch? Ihr habt gerade unsere Welt total auf den Kopf gestellt. Noch schlimmer geht es nicht. Also...warum noch Geheimnisse?"

„Also gut. Wenn sie nicht irgendwie zu Tode kam, durch Mord oder Unfall, lebst sie bestimmt noch."

Maria sah auf.

„Wie meinen sie das? Durch Mord oder Unfall?"

Merit nahm hörbar Luft und sah Serena an, als sie die rothaarige Hexe bat.

„Sag es ihnen."

„Nun; sie ist sehr wahrscheinlich unsterblich."

Merlin sah sie lange an. Zu lange, denn Serena wurde unruhig. Schließlich sagte er mit belegter Stimme.

„Heißt das etwa...das wir das auch sind? Unsterblich?"

Maria holte hörbar Luft und spannte sich an, als Serena antwortete.

„Ja. Sie sind zu mächtig, um sterblich zu sein. Selbst jetzt, da die Magie nicht aktiv und frei ist, hat sie die Macht dazu. Sie werden ab dem achtundzwanzigsten Lebensjahr nicht mehr altern. Ihre Schwester auch nicht", fügte sie leise hinzu „Hexen haben verschiedene Magiestärken. Manche ist nicht stark genug, um sie unsterblich zu machen. Doch ihre Magie...Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so mächtig ist, die solch mächtige Magie haben, wie sie beide."

„Was ist mit meinen Eltern? Waren sie auch unsterblich?"

Sie nickte.

„Wie sahen sie denn aus?"

„Nicht ihrem Alter entsprechend. Mutter sagte immer, das sie eben gute Gene hatten und nicht sehr alt aussehen würden. Vater ließ sich einen Bart wachsen, dadurch fand ich, sah er älter aus und..."

Merlin stockte. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Mein Gott, sie hatten versucht älter auszusehen. Auch seine Mutter. Sie trug nach Marias Aussagen solche altmodische Kleidung und immer sehr dunkel. Das alles ergab jetzt einen Sinn und Merlin war sich sicher, das ihre Eltern sie eines Tages aufgeklärt hätten. Sie mussten es eines Tages tun, da ging kein Weg daran vorbei. Doch dann kamen die Vampire; in der Nacht, als sie nie mehr nach Hause kamen.

Maria meldete sich jetzt mit fester Stimme. Sie war sehr stark, fand Merlin. Er selbst musste die Haltung wahren, als Conte und Mann. Doch die Tatsache, das seine Eltern für sie starben, erschütterte ihn bis ins Mark. Sie fragte.

„Wie geht es jetzt weiter?"

„Nun", antwortete Serena „Wenn sie ihre Magie wollen; wenn sie ihre Magie haben und anwenden wollen, könnte ich den Bann vielleicht aufheben. Dazu muss ich aber nach Hause, denn dort sind meine Zauberbücher. Es ist ein sehr starker Bann auf eurer Magie. Das muss ich nachschlagen."

„Warum sollten wir das wollen?", fragte Merlin.

„Weil es ein Teil von euch ist und weil eure Magie euch schützt. Vor allem. Sie bräuchten nie mehr Angst um ihre Schwester zu haben, denn sie könnte sich sehr effektiv verteidigen. Selbst in den dunkelsten Ecken wäre sie jedem Gegner hoch überlegen, selbst Vampiren gegenüber oder anderem Übel."

Das war allerdings ein schlagfertiges Argument, denn Merlin hatte immer Angst um seine kleine Schwester. Vor allem, wenn sie gegen Abend in die Stadt fuhr. In Sevilla trieb sich genug Gesindel herum, die ihr Furchtbares antun konnten.

„Aber wir wissen nicht, wie wir sie anwenden. Ich vermute mal, das man auch viel Schaden damit anrichten kann, wenn man sie nicht beherrscht", schlussfolgerte er.

„Ja, das stimmt. Sie müssen das lernen und es wird dauern. Gerade sie beide müssen sie wirklich im Griff haben. Ich...könnte sie lehren, sie zu gebrauchen. Dafür allerdings müssten sie mit mir nach New Orleans kommen und dort leben. Bei mir", antwortete Serena.

Merlin sah fragend zu Maria, doch Serena meinte.

„Sie sollten darüber reden und sich sicher sein, was sie wollen. Es ist spät und wir müssen zurück in die Stadt."

Merlin stand auf und schüttelte seinen Kopf.

„Nein, sie sind meine Gäste. Das ist das Mindeste, was ich für sie tun kann. Und keine Widerrede. Wir haben bestimmt noch Fragen an sie."

Er rief einen Diener, der gleich angelaufen kam.

„Richte meinen Gästen zwei Gästezimmer her."

Der Diener verschwand und Merit sagte.

„Wir haben unser Gepäck in Sevilla."

„Dann werde ich jemanden schicken, der es abholt. Sie sind meine Gäste, solange sie wollen. Haben sie Hunger?"

Beide nickten.

„Dann werde ich etwas herrichten lassen. Ich denke, wir haben alle eine Stärkung verdient."

Sie sagten nichts. Beide konnten sich gut vorstellen, was in den Geschwister vor sich ging. Ihre Welt hatte sich gerade in Luft aufgelöst und zurück blieb Chaos und Unglauben.

Und die Gewissheit, das sie von Menschen so weit entfernt waren wie...Vampire. Nur mit dem Unterschied, das sie lebten. Ihr Herz schlug und sie waren Menschen, bis zu einem gewissen Grad.

Denn der Rest gehörte in die Mytenwelt. Sie waren mystische Wesen; Hexen oder Magiere, wie Menschen sie gewöhnlich nannten. Und unsterblich. Was Merlin sich immer erträumt hatte. Unsterblich zu sein und mit Arthur bis ans Ende der Zeit zusammen zu sein. Und das ohne ein Vampir zu werden, ohne sein Leben zu opfern.

Leider zu spät. War ja klar. Warum sollte es auch anders laufen?

Merlins Leben war jetzt komplizierter als es jemals hätte sein können. Und auch Maria musste sich damit auseinandersetzen. Sich töten lassen und ein Vampir zu werden, wäre wesentlich einfacher gewesen.

Aber das wäre nie eine Option gewesen. Nicht für ihn.

Trotz Arthur, obwohl er nicht aufhören konnte, ihn zu lieben.

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