Dunkles Schicksal Kapitel 73

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Dunkles Schicksal


Kapitel 73



Am Abend klopfte es an der Tür von Serenas Haus. Merlin öffnete die Tür und nickte dem dunkelhaarigen Vampir zu, trat zur Seite und ließ ihn ein. Sethos nickte kurz und trat ein und beide gingen in das Wohnzimmer des Hauses, wo Serena schon wartete. Ernst sah sie den zwei Männer entgegen.

„Sethos", sagte sie und neigte kurz den Kopf „Es ist gut, das du jetzt hier bist."

„Ja, wenn auch der Anlass nicht so schön ist", antwortete er und nahm das Glas Whiskey entgegen, das Serena ihm reichte.

„Danke."

Sie setzten sich in die großzügige Sofa Sitzgruppe und sahen Sethos angespannt an, doch warteten, bis er einen Schluck von seinem Whiskey trank. Endlich sprach er.

„Also, ich habe nachgeforscht und musste feststellen, das ein Vampirclan, der hier in der Nähe ist, auch Leute vermisst. Sie sind einfach nicht mehr aufgetaucht. Es gibt auch keine Leichen oder sonst eine Spur. Als hätten sie nie existiert."

„Genau wie bei meinen beiden Hexen", sagte Serena „Sie sind auch wie vom Erdboden verschwunden, so wie die Lykaner und einige Nymphen. Ich bin mir fast sicher, das auch andere unserer Art verschwunden sind, nur habe ich keinen Kontakt. Es...ist schwierig, denn obwohl wir alle zu der Mythenwelt gehören, sind einige Rassen sozusagen verfeindet. Andere sind misstrauisch und trauen anderen Clans nicht."

„Das mag ja sein", sagte Merlin jetzt „Doch haben wir im Moment alle das gleiche Problem. Jemand entführt Wesen aus der Mythenwelt, denn anders kann ich mir das nicht erklären. Und das geht uns alle an und nicht nur einzelne Fraktionen. In diesem Fall sollten wir zusammenarbeiten. Es gibt keine Leichen, wie Sethos schon sagte. Also scheinen sie noch zu leben. Und zumindest das ist ein gutes Zeichen, denn es heißt, das sie uns für etwas brauchen."

„Aber zu welchem Zweck?", fragte Serena „Wer hat denn schon Interesse an den übernatürlichen Wesen?"

„Menschen", sagte jetzt Sethos nüchtern „Serena, es stimmt, das wir im Verborgenen leben, doch die Menschheit entwickelt sich weiter. Natürlich glaubt die Mehrheit nicht an uns, doch ich hörte Gerüchte. Einigen scheint wohl klar zu sein, das wir existieren. Und ich bin mir fast sicher, das es nicht nur Gerüche sind. Jetzt, nach diesen mysteriösen Vorkommnisse."

„Und was?"

„Ein Bekannter, er ist menschlich, sagte mir vor Kurzem etwas, was ich nicht wirklich ernst nahm, doch anscheinend ist es das sehr wohl. Er sagte, das es einen Menschenbund gibt, der über uns Bescheid weiß und das sie gefährlich sind. Ihr Ziel ist es, die auszurotten, die sie als potenzielle Gefahr sehen...uns. Nun ja, ich nahm das nicht so ernst, schließlich sind es nur Menschen, doch anscheinend habe ich die Situation sehr unterschätzt."

„Was?" Serena sah ihn geschockt an.

„Menschen haben Angst vor dem, was sie nicht verstehen. Und sie sehen oder wissen, das wir ihnen überlegen sind. Vampire sind ihnen kräftemäßig überlegen, dazu kommen noch die unterschiedlichen Fähigkeiten. Hexen haben Magie, die sehr stark ist, sowie Nymphen und Feen. Lykaner verwandeln sich in übergroße Wölfe. Gestaltwandler können jede beliebige Form annehmen. Doch wir alle sind ihnen überlegen und dieser Menschenbund, der sich der Orden nennt, hat uns den Kampf angesagt. Denn anders kann ich mir das nicht erklären. Unsere Leute verschwinden ja nicht einfach so spurlos."

„Aber warum?", fragte Merlin.

„Mein Bekannter sagte, das sie in uns eine Gefahr für die Menschheit sehen und das wir alle abartig sind. Menschen fürchten, was sie nicht erklären können, dazu kommt, das sie nicht in der Lage sind, zu kooperieren. Sie sind zu sehr eingenommen von der Angst oder dem...Hass auf uns. Ich tippe mal auf Fanatiker, die uns den Kampf angesagt haben."

Merlin breitete die Arme aus.

„Was wollen sie? Sie können unmöglich gewinnen, wenn sie es darauf anlegen."

„Uns ausrotten", antwortete Sethos „Und deshalb verschwinden einige von uns. Und unterschätze sie bloß nicht. Sie mögen keine Kräfte haben, doch vielleicht andere Mittel."

„Aber verdammt nochmal", sagte Serena „Du sagtest gerade, das wir ihnen überlegen sind. Wie können sie dann diese Geschöpfe einfangen, ohne in Gefahr zu kommen?"

Sethos schüttelte den Kopf.

„Ich weiß es nicht. Doch die Welt hat sich verändert. Es gibt Dinge...Technik, hoch entwickelt. Vielleicht haben sie etwas gefunden, das ihnen die Möglichkeit gibt, unsere Kräfte zu dämmen. Das ist nur eine Vermutung, doch anders kann ich mir das nichts vorstellen. Kein normaler Mensch kann einen Vampir besiegen oder so jemand wie euch. Also, sollten sie die Vermissten wirklich eingefangen haben, dann hatten sie etwas sehr Effektives."

Einen Moment sprach niemand, dann sagte Merlin nachdenklich.

„Okay, gehen wir mal davon aus, das du recht hast, Sethos. Dann müssten sie so etwas, wie eine geheime Basis haben, wo sie die Wesen hinbringen. Und sie müssten erhebliche Mittel haben, um das durchzuziehen. Geld, Einfluss. Denn je höher die Technik entwickelt ist, umso teurer."

Sethos nickte.

„Ja und ich bin mir fast sicher, das es genau so abläuft. Jemand mit Macht und Geld zieht in der Hinterhand die Fäden. Und wir müssten versuchen, denjenigen ausfindig zu machen."

„Ich denke nicht, das es so einfach werden wird", warf Merlin ein „Da das ja eine geheime Operation ist, wird das auch so geheimnisvoll ablaufen. Dort hineinzukommen würde sehr schwierig werden. Ich meine...als Außenstehender."

„Noch wissen wir ja nicht, was sie mit den Entführten tun wollen, sollte es so sein", antwortete Sethos „Doch ich fürchte...nichts Gutes."

„Und was tun wir jetzt", fragte Serena und stand auf, ging nervös hin und her „Ich werde Maya und Tess nicht aufgeben. Ich will sie zurück. Und ich werde alles tun, was ich kann, um das zu erreichen."

Merlin nickte grimmig.

„Ja, auf jeden Fall. Ich werde sie suchen."

Sethos hob die Hand und schüttelte den Kopf.

„Merlin, du kannst nicht allein losziehen. Es wäre falsch, jetzt einfach zu handeln und auf gut Glück zu suchen. Wir sollten etwas planen. Es betrifft nicht nur die Hexen, sondern auch andere Arten."

Serena blieb stehen und sah ihn an.

„Was schwebt dir denn vor?"

Sethos dachte nach und presste seine Augen zusammen. Er sprach, doch es hörte sich so an, als redete er mit sich selbst. Doch er sprach auch zu den beiden.

„Wir müssen versuchen, die Anführer der anderen Spezies an einen Tisch zu bekommen. Auch wenn sie es vorziehen unter sich zu bleiben oder gegen andere einen Argwohn haben, müssen wir versuchen, jetzt zusammenzuarbeiten", er sah Serena an „Du sagtest, das im Bayou Werwölfe leben und auch einige vermissen? So wie die Nymphen?"

Sie nickte.

„Hier in der Nähe leben nur Lykaner und Nymphen, so weit ich weiß. Doch du sagst, bei den anderen fehlen auch Leute?"

Sethos nickte.

„Das ist richtig. Ich werde versuchen, auch die anderen einzuweihen. Sie leben teilweise in anderen Städten oder Länder. Doch du musst mit denen, die hier leben Kontakt aufnehmen und wir müssen uns zusammensetzen, Serena."

Serena sah ihn einen Moment an, dann zu Merlin und wieder zu Sethos.

„Das wird nicht einfach werden."

„Nein. Doch unumgänglich. Wir werden das allein nicht geregelt bekommen und erst recht nicht durch ein Mann Team", sagte Sethos und sah Merlin an „Du magst ein mächtiger Hexer sein, doch bedenke, das sie die anderen auch geschnappt haben. Hexen und Werwölfe und andere, die sich hätten locker wehren können."

Nach einem Augenblick nickte Serena.

„Gut, ich werde versuchen, das sie alle kommen."

„Wähle einen neutralen Ort. Mache ihnen klar, was wir vermuten. Und das es wichtig ist, jetzt an einem Strang zu ziehen."

Die rothaarige Hexe nickte leicht.

„Ich weiß auch schon wo. Hier außerhalb auf halben Weg ins Bayou gibt es eine Hütte. Sie ist verlassen und dort wird uns niemand stören. Sie liegt an einem kleinen See, eigentlich schon in der Wildnis. Ich werde einige Tage brauchen, um das zu organisieren. Und wie gesagt; ich weiß nicht, ob sie sich darauf einlassen."

Sethos nickte und stand auf und sah zu Merlin.

„Wir werden sehen. Ich werde noch einige Nachforschungen betreiben. Wir brauchen Informationen, wo die Drahtzieher dieses Menschenbundes sind. Ich muss mit einigen Leuten reden und fliege gleich los. Sobald ihr alle in dieser Hütte habt, ruft mich an. Ich möchte dabei sein. Bis dahin weiß ich vielleicht mehr. Irgendjemand muss etwas wissen, wenn auch nur ansatzweise. Wir müssen, bevor wir auf eine sinnlose Suche gehen, zumindest einen Anhaltspunkt haben."

Merlin nickte und stand auf, begleitete Sethos an die Tür.

„Danke für deine Hilfe", sagte er zu dem ägyptischen Vampir. Sethos blieb stehen und sah ihn an.

„Hundertdreißig Jahre sind vergangen, seit ich dich so beschämt habe. Und noch immer fühle ich mich so. Und ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Doch ich bin wirklich froh, das du mir verziehen hast."

„Natürlich", lächelte Merlin „Das wäre mir viel zu anstrengend, eine Unendlichkeit das nachzutragen. Das ist Schnee von gestern, Sethos und verdammt lange her. Ich kann mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern", sagte Merlin, doch Sethos lächelte wissend.

„Lügner. Ich bin sicher, das du noch jede Einzelheit weißt. Du hast den Vampir verloren, der dir alles bedeutet. Und du hast gesehen, wie er dich betrogen hat, einschließlich mir. So etwas vergisst man nicht."

Merlin bemerkte sehr wohl, das Sethos nicht in der Vergangenheit sprach und sagte.

„Bedeutet hatte."

Sethos schüttelte den Kopf und lächelte.

„Hör auf, dir etwas vorzumachen und mir auch. Du liebst ihn immer noch."

Merlin sah zu Boden, doch dann hob er den Blick.

„Du kennst mich gut. Doch jemanden lieben und zusammen sein, funktioniert nicht immer. Tja", seufzte er „Verloren habe ich ihn nicht. Er sucht immer noch nach mir. Vor fünf Wochen war er hier, aber zum Glück ich nicht. Er wird wohl nie aufhören. Warum kann er es nicht einfach lassen und sein Leben leben?"

„Nein, das wird er nie tun", antwortete Sethos „Er wird nie aufhören. Obwohl er kein Rückgrat hat, scheint er dich wirklich zu lieben, abgesehen davon, das du sein Gefährte für die Ewigkeit bist. Ich muss gestehen, das ich Arthur und auch die anderen seit damals nicht mehr gesehen habe. Ich hatte mich komplett zurückgezogen. Wie ist es allen ergangen?"

„Lance und Maria, sowie der Clan leben im Moment in Paris. Maya und Tess waren dort zu Besuch, bevor sie verschwanden. Und Arthur scheint nicht oft dort zu sein; er ist immer unterwegs, laut Maria. Kommt nur ab und an vorbei. Und nebenbei gesagt, betrachte ich mich nicht mehr als seinen Gefährten und ich halte mich auch nicht daran. Ich habe genug Affären. Wenn er denkt, das ich abstinent lebe, dann denkt er falsch."

Sethos nickte nachdenklich, während er Merlin musterte. Er wusste, das Merlin Arthur immer noch liebte, doch bewies er wirklich Haltung und seine Einstellung klang sicher. Doch wie würde es sein, wenn er Arthur wieder gegenüber stand; nach über hundert Jahren? Würde er dann immer noch so hart sein? Das blieb abzuwarten.

„Er wird dich eines Tages finden, Merlin. Die Welt mag groß sein, aber nicht unendlich. Vielleicht durch einen Zufall, wenn du nicht daran denkst."

„Mag sein, aber ich werde mich nicht wieder auf ihn einlassen. Im Moment habe ich mein Leben im Griff, abgesehen davon, das jetzt diese Sache wichtiger ist. Wir müssen die Wesen finden und etwas gegen diesen Orden tun. Sollten deine Vermutungen stimmen, wird das nicht einfach werden."

„Ja, ich muss los, sonst schaffe ich es nicht bis zum Morgen. Wir sehen uns", sagte Sethos und trat hinaus in die sommerliche Nacht. Dann erhob er sich und verschwand blitzschnell am dunklen Horizont. Merlin sah ihm nach. Er machte sich Gedanken und Sorgen. Das alles nahm beunruhigende Formen an.



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Serena nahm nach Sethos Besuch Kontakt zu den einzelnen Fraktionen der verschiedenen Wesen auf. Sie kannte eine Hexe in New Orleans, die den Werwölfen schon öfter geholfen hatte und der sie einigermaßen vertrauten. Nymphen traf sie in der Stadt, zumindest wenn man wusste, wie sie aussahen. Sie waren alle sehr grazil, schmal und sehr hübsch mit langen, wallenden Haaren. Nymphen zogen die Männer wie die Motten das Licht an und sie waren sexuell sehr animiert. Im Klartext hieß das, das sie meistens auf Sex aus waren, wenn sie unterwegs in der Stadt waren und sie immer zu ihrem Ziel kamen. Darüber hinaus waren sie die einzige Spezies, die ein Portal erschaffen konnten; außer Merlin. Er konnte das auch; Serena war darüber immer noch etwas fassungslos, denn das war eine sehr spezielle Magie.

Fünf Tage später rief sie Sethos an und sagte ihm, das alle kommen würden, zumindest alle Anführer. Sie würden sich Samstagabend, wenn die Sonne untergegangen war, dort in der Hütte treffen. Es war eine Hütte an einem kleinen See, die früher einmal als Jagdhütte genutzt wurde, doch nun langsam verrottete. Seit den Gerüchten, das angeblich riesige Wölfe durch das Bayou streiften, trauten sich die Jäger nicht mehr dorthin. Obwohl eigentlich nie etwas passiert ist, zumindest nichts, was das bestätigte. Menschen waren dort verschwunden, aber es konnte ihnen viel passiert sein. Man fand nie nur eine Spur, was angeblich die riesigen Wölfe anging; doch hielten sich die Gerüchte umso hartnäckiger. Sethos sagte zu, das er am Samstag käme und Neuigkeiten hatte. Serena war es oft ein Rätsel, woher er seine Informationen bekam. Gut, er hatte Möglichkeiten in der Gilde, die inzwischen auch technisch auf dem allerneusten Stand war. Doch sie war immer wieder überrascht, trotz das er viertausend Jahre alt war und genug Zeit für alles hatte.

Als die Sonne noch nicht untergegangen war, gingen Serena und Merlin los. Mit jedem Schritt, den sie in diese Wildnis machten, wurde es dunkler. Die beiden gingen allein, sie nahmen niemanden vom Haus mit. Schweigend kämpften sie sich durch den Wald, bis sie die Hütte sahen. Inzwischen war es dunkel geworden, der Mond warf sein gespenstiges Licht auf diese wilde Landschaft. Wo niemand zu sehen war und die doch lebte. Seltsame Laute kamen aus den Wälder oder dem Sumpf und Merlin sah sich ständig um, leuchtete mit einer Taschenlampe, fuhr ruckartig herum, wenn es hinter ihm raschelte.

„Nervös?", fragte Serena, als sie stehen blieben und zur Hütte sahen.

„Nun ja, ich weiß von der Existenz der anderen, doch habe ich sie noch nie gesehen. Nervös? Ja. Aber auch sehr neugierig."

Sie nickte.

„Also gut. Dort ist die Hütte und sie liegt im Dunkeln, doch lass dich nicht täuschen. Sie sind schon da. Sie warten und bleiben misstrauisch."

Merlin sah sich um. Natürlich sah er nicht so gut im Dunkeln wie die Lykaner. Doch er konnte sich vorstellen, das sie irgendwo lauerten und der Gedanke ließ ihm einen Schauer über den Rücken rieseln. Also gut. Heute würde er endlich auch andere aus der Mythenwelt sehen. Sie gingen weiter und erreichten die Hütte. Merlin hörte Frösche quaken und andere nicht eindeutige Laute drangen aus dem dunklen Wald. Er fühlte sich etwas unwohl; hier war es schon ein wenig gruselig. Serena trat in die Hütte und machte eine Lampe an, die dort auf dem Tisch stand. Elektrisches Licht gab es hier draußen in der Wildnis nicht.

Merlin sah sich um. Die Hütte war alt, die Tür schief und krumm, als er sie schloss. Drinnen ein großer Raum mit einer Feuerstelle, ein kaputtes Bett. Darauf so etwas, was einer Matratze mal nahe kam. Regale, einige Dosen, die total verstaubt waren und leere Flaschen. In einer Ecke standen veraltete Angelruten und eine Axt, an der der Rost nagte. Hier war schon sehr lange niemand mehr gewesen. Serena nahm so etwas, was einem Tuch ähnelte und wischte über den Tisch und die Stühle. Staub wirbelte auf und sie verzog die Nase.

„Igitt", sagte sie „Zumindest sind die Stühle jetzt etwas besser. Der Treffpunkt ist ja nicht schlecht, aber schmutzig."

Sie hörten Schritte und erstarrten. Merlin sah angespannt zur Tür, als jemand auf die knarrende Veranda kam und langsam die Tür öffnete. Da Serena jetzt auch eine zweite Lampe gefunden hatte, sah er jetzt viel besser. In der Tür stand eine unglaubliche schöne Frau. Grazil und schlank mit einer Haut, die aus Samt zu bestehen schien. Sie hatte langes Haar, das ihr fließend über den Rücken fiel und fast weiß schimmerte. Die großen, grünen Augen sahen Serena und Merlin wachsam an, als sie mit wallendem Kleid in die Hütte trat und den Kopf leicht senkte.

„Ich bin die Führerin der Wassernymphen...Melite. Und das ist eine meiner Schwestern...Ornia."

Eine zweite Nymphe trat ein, dunkles, langes Haar und nicht minder schön. Merlin starrte sie an, unfähig etwas zu sagen. So standen sie eine Weile, sahen sich nur an, bis Serena zu Merlin sah und reagierte.

„Willkommen in Frieden. Ich bin Serena, aus dem Clan der Hexen und das hier ist Merlin. Ich finde es sehr schön, das ihr gekommen seid."

„Der Anlass ist weniger schön und deshalb stimmte ich dem Meeting zu", antwortete sie.

Die weißhaarige Schönheit lächelte und musterte jetzt Merlin, der sie immer noch anstarrte.

„Kann er nicht reden?"

Merlin erwachte aus seiner Starre und sah zu Serena, die ihn auffordernd ansah. Dann neigte er den Kopf und sagte.

„Ich bin Merlin...Hexer. Willkommen in Frieden."

Das musste er sagen. Serena hatte ihm genaue Anweisungen gegeben, wie das so in der Mythenwelt funktionierte, wenn man sich wirklich einmal traf. Doch er war zu überrascht, um daran zu denken. Noch immer starrte er die beiden Frauen an und dachte darüber nach, wo er jemals so schöne Frauen gesehen hatte. Sie schienen ihn magisch in den Bann zu ziehen und er sah weg, wenn auch widerwillig. Kein Wunder, das ihnen die Männer wortwörtlich hinterher liefen. Selbst Merlin fühlte diesen Drang, diese Frauen zu besitzen. Verrückt. Grazil und anmutig setzten sie sich an den Tisch, nachdem ihnen Serena einen Platz angeboten hatte.

Wurde die Tür zuvor vorsichtig und sanft geöffnet, dann jetzt nicht mehr. Diesmal wurde sie aufgerissen und Merlin erstarrte wieder in der Bewegung und sah die nächsten Besucher mit offenem Mund an. Denn in der Tür stand ein großes Muskelpaket. Mit einer verwaschenen Jeans und einem T Shirt bekleidet, schaute der Mann mit den langen, schwarzen Haaren Merlin intensiv an. Dann trat er durch die Tür, hinter ihm noch zwei dieser Muskelpakete mit langen, teils blondem Haar. Der mit den schwarzen Haaren kam auf Merlin zu und blieb vor ihm stehen. Merlin musste den Kopf etwas anheben, um ihm in die Augen zu sehen und was er sah, ließ ihn den Atem anhalten. Er hatte Augen, die an Bernstein erinnerten, die ihn taxierten. Merlin schluckte...Werwölfe.

„Ich bin Dante, der Leitwolf des Black River Rudels", sagte er mit angenehmer Stimme, die Merlin ein Schauer über den Rücken liefen ließ. Schon wieder. Er zeigte auf die anderen beiden und sagte.

„Meine Begleitung...Lucien und Dorian. Und wer bist du?"

Merlin schluckte. Er sagte das so, das er erwartete, eine Antwort zu bekommen.

„Merlin...Hexer...Will...Willkommen in Frieden", er zeigte auf Serena „Serena, meine Clanführerin."

„Willkommen in Frieden", sagte sie auch und er grinste.

„Ja, ja...wenn es nicht so wäre, dann könntet ihr jetzt nichts mehr sagen."

„Glaubst du?", rutschte Merlin heraus und Dante sah ihn ruckartig an.

Doch Merlin erwiderte seinen Blick. Er hatte nicht gerade Angst, aber sehr wohl fühlte er sich auch nicht, doch er würde keine Anzeichen von Angst zeigen. Wäre ja noch schöner. Diese Lykaner waren schon beeindruckend und traten so auch auf.

Dante taxierte Merlin und sah dann zu den beiden Frauen am Tisch, die sich jetzt auch vorstellten. Er grinste.

„Meine Damen", sagte der Lykaner, doch es klang nicht vornehm „Angenehm."

Auch sie setzten sich jetzt an den Tisch. Es war eine angespannte Atmosphäre in dem Raum, während sich alle misstrauisch musterten. Nach einer Weile sagte Dante.

„Und? Was nun?"

„Wir warten noch auf Sethos", antwortete Merlin „Er vertritt die Vampire."

Die Wölfe verzogen das Gesicht und Dante sagte abfällig.

„Vampire? Auch das noch."

Er wusste von Serena, das Vampire nicht sehr beliebt waren. Und dazu kam noch, das sich Werwölfe und Vampire gar nicht riechen konnten. Na gut, das würde noch lustig werden. Nach einiger Zeit anstrengendem Schweigens verzogen die Werwölfe wieder das Gesicht und schnüffelten. Dann sagte Dante erneut in einem abfälligen Ton.

„Der Vampir ist hier. Ich kann seinen Gestank schon riechen."

Sethos stand in der Tür und grinste. Das hatte er gehört.

„Nun ja", sagte er ruhig „Ich habe auch schon den Hund auf einige Meilen gerochen."

Die drei Werwölfe sprangen knurrend auf und standen vor Sethos, der nicht im Geringsten eingeschüchtert war, obwohl er auch seinen Kopf heben musste, um dem Werwolf in die Augen zu sehen. Er war mindestens zwei Meter groß. Schließlich sagte Sethos lächelnd.

„Also gut. Da wir jetzt fertig mit dem Austausch der Höflichkeiten sind, können wir jetzt vielleicht über Wichtigeres reden. Oder nicht, Wolf?"

Dante sah ihn noch einen Moment an, dann zeigte er mit einem Wink seines Kopfes, das die anderen beiden sich wieder setzen sollten. Danach setzte er sich auch und Merlin fuhr sich fahrig durch die Haare. Er hoffte, das sie alle in einem Stück hier wieder herauskamen. Er musterte Dante. Dieser Mann war sehr attraktiv und anziehend, wenn auch sehr groß und von Muskeln bedeckt. Ohne das er es wollte, fragte er sich, wie er wohl als Wolf aussah. Nachdem Sethos auch die Nymphen begrüßt hatten, denen die anderen beiden Werwölfe lüsterne Blicke zuwarfen, setzte sich jetzt Sethos an den Tisch.

„Also gut", begann er ohne Umschweife „Diese ganze Vermutungen haben sich bestätigt. Es gibt eine Gruppe von Menschen, die unsere Leute entführt haben. Diese ganze Geschichte ist leider wahr, denn inzwischen fehlen noch andere. Ich hatte gehofft, das ich mich irre."

Sethos erzählte kurz den anderen, was sie schon vermutet hatten. Und was sich jetzt als Wahrheit bestätigt hatte. Alle hörten ihm schweigend zu, bis er geendet hatte.

„Wo sind sie?", fragte Dante und es klang wie ein Knurren.

„Das weiß niemand. Anscheinend haben sie eine streng geheime Basis, wo sie unsere Leute gefangen halten. Das habe ich nicht herausbekommen."

„Also gut", sagte nun die Nymphe, ihre Stimme hell und klar „Was sollen wir tun?"

Sethos schüttelte den Kopf.

„Im Moment? Nichts. Wir können erst handeln, wenn wir wissen, wo unsere Leute sind."

„Soll ich hier herumsitzen, während meine Rudelmitglieder irgendwo gefangen gehalten werden, Vampir?", fuhr der Wolf Sethos an. Der nickte nur.

„Genau das. Bis wir wissen, was Sache ist. Was bleibt sonst? Du kannst nicht auf gut Glück losziehen und etwas suchen, wenn du keinen Ansatzpunkt hast. Ich weiß, das ihr gleich losschlagen wollt...typisch Wolf."

„Denkst du, Vampir?"

„Ja, ihr denkt nicht nach und stürmt drauf los."

„Pass auf, was du sagst, Vampir", knurrte Dante.

„Also bitte", sagte jetzt die Nymphe mit einem abschätzenden Blick „Könnten die Herren Wolf und Vampir ihre Testosterone mal für euch behalten und sich auf das Thema konzentrieren?"

„Also gut", sagte Dante nach einer Weile „Ich bin ganz Ohr, Vampir. Was willst du tun?"

Sethos sah zu Merlin und dann wieder zu den Nymphen und den Wölfen.

„Ich werde Merlin schicken. Die Spur führt nach London, England. Er ist der Einzige, der nicht in der Menschenwelt auffällt. Da diese Menschen über unsere Welt Bescheid wissen, werden sie Lykaner und Nymphen, sowie meine Wenigkeit gleich erkennen. Nun ja", grinste Sethos „Bei mir vielleicht nicht so. Ich habe nicht die typische Blässe von Vampiren."

„Ja, Leichenblässe, um genau zu sein", sagte Dante sarkastisch.

„Eher zu wenig Sonne", grinste Sethos süffisant zurück „Was ist dein Problem, Wolf?"

„Vampir...eine tote Kreatur, die sich von Blut ernährt. Das ist mein Problem. Und der süßliche Geruch, den du ausströmst. Widerlich."

Merlin sah ihn erstaunt an, dann zu Sethos. Einen süßlichen Geruch hatte er noch nie wahr genommen, bei keinem Vampir. Doch das hier waren Lykaner. Halb Tier und halb Mensch und so wie es aussah, mit allen tierischen Eigenschaften auch als Mensch, wie Geruchssinn, gutes Sehvermögen und die angeborene Aggression. Na klasse.

„Ach ja?", sagte jetzt Sethos „Und was ist mit dir? Reißt du nicht deiner Beute das blutige Herz heraus und frisst es? Und ich muss sagen, das ihr auch sehr übel riecht. Nach...nassem Hund", grinste der Vampir.

Die Wölfe knurrten und Merlin sagte das erste Mal etwas. Man sollte nicht denken, das die beiden erwachsen waren. Was sie jetzt nicht brauchen konnten, waren ein Vampir und Wolf, die sich an die Kehle gingen. Er wandte sich an den Wolf und Sethos.

„Okay, wir haben es kapiert. Ihr mögt euch nicht sonderlich. Aber können wir jetzt mal die Feindseligkeiten beiseite lassen und uns um unser Problem kümmern?"

Dante sah ihn abschätzend an.

„Was bist du denn für ein Hexer?"

„Einer, der dir Probleme machen kann", antwortete Merlin, ohne den Blick von Dante zu nehmen. Der grinste ihn plötzlich an und sagte.

„Okay, Hexer. Dann leg mal los. Was sollen wir nach deiner Ansicht tun?"

Sie einigten sich darauf, das Merlin auf die Suche ging, denn er fiel gar nicht auf. Die Wölfe, die zuerst losschlagen wollten, sahen ein, das sie abwarten mussten. So auch die Nymphen. Sie beschlossen, das Serena einmal in der Woche hierher kam, um ihnen die neusten Entwicklungen zu berichten. Mitten in der Nacht verließen sie die Hütte. Merlin stand am Ufer des kleinen Sees und schaute über die ruhige Oberfläche, als Dante neben ihn trat.

„Du denkst, das du an die Hintermänner herankommst?"

Der Hexer sah ihn an.

„Ich versuche es. Ich denke, das sie eher misstrauisch gegenüber Fremden sind. Doch ich habe einen Plan."

„Und wie sieht dieser aus?"

Merlin grinste.

„Vielleicht bleibt die einzige Möglichkeit, das ich mich fangen lasse, um in diese Einrichtung zu kommen."

Dante sah ihn etwas verwirrt an.

„Und das soll helfen? Dann sitzt du auch fest und wir wissen immer noch nicht wo."

„Das lass meine Sorge sein", antwortete Merlin „Ich werde mir etwas einfallen lassen. Sethos meinte, das sie etwas besitzen, das unsere Kräfte unterdrückt. Wir werden sehen. Sollte der Standpunkt feststehen, dann könnt ihr geschlossen angreifen. Und ich meine alle, nicht nur die Wölfe. Deshalb denke ich, das du deine Feindseligkeiten gegenüber Vampiren auf Eis legst. Sie können sehr hilfreich sein."

„Kennst dich wohl aus, was?"

„So kann man es nennen. Ich war mal mit einem zusammen."

„Mit einer toten Kreatur?"

Merlin sah ihn grimmig an.

„Toleranz liegt wohl nicht in den Genen von Wölfen. Leben und leben lassen."

„Vampire leben nicht. Sie sind tot."

Merlin musterte den Lykaner, während er sagte.

„Lykaner sind Hybriden, halb Mensch, halb Wolf. Sie können sich in übergroße Wölfe verwandeln. Auch nicht gerade normal, wenn auch nicht tot. Wir alle sind einzigartig, jeder auf seine Art und sollten nicht urteilen. Wichtig ist jetzt, das wir zusammenhalten, denn wir werden angegriffen und zwar alle, die in der Mythenwelt leben. Streitereien untereinander können wir uns jetzt nicht leisten...tot oder nicht tot"

Dante grinste.

„Du gefällst mir. Du hast eine unumstößliche Meinung, was das angeht und zierst dich nicht, das auch zu sagen. Ich schätze Ehrlichkeit. Er oder sie?"

„Was?"

„Der Vampir?"

„Er."

„Interessant."

„Inwiefern?", fragte Merlin.

„Ich dachte eher, du stehst auf die Nymphen. Sie sind heiße Feger im Bett."

„Und das weißt du, weil...?"

Der gutaussehende Wolf grinste ihn an, dann sagte er.

„Ich hörte davon."

„Keine Erfahrung?"

Dante schaute über den See, bevor er antwortete.

„Nein. Hast du einen Gefährten?"

„Nein", antwortete Merlin „Hast du eine Gefährtin?"

Er schüttelte den Kopf. Merlin konnte nicht glauben, das er mit einem Werwolf solch ein Gespräch führte. Am Anfang war er etwas eingeschüchtert. Nun ja, die Wölfe waren auch schon sehr imposant. Reine Muskelkraft und teilweise mit Schönheit gepaart. Eine sehr interessante Spezies. Doch auch menschlich, mit all den Problemen, die Menschen auch hatten, wie die Wahl der Gefährten.

„Wenn ich mich jemals binden werde, dann nicht mit einer...", er sah Merlin bedeutend an „Gefährtin."

Oh hach. Anscheinend stand der Anführer des Black River Rudels nicht auf die schönen Nymphen. Was für eine Überraschung, aber auch nicht. Merlin wusste, das viele in der Welt, zu der er jetzt auch gehörte, sich mit jedem vergnügten. War wohl so etwas wie eine Sitte oder Eigenschaft. Werwölfe waren unsterblich und wahrscheinlich suchten sie auch Abwechslung. Seltsam. Merlin dachte vor nicht allzu langer Zeit über eine Abwechslung mit einem Werwolf nach. Bevor er sie kannte und sie das erste Mal sah und der Gedanke mit diesem hübschen Wolf etwas Spaß zu haben, war für ihn gar nicht so abwegig. Und natürlich war da die reine Neugier, wie das so sein würde. Er hatte mit Vampiren geschlafen, nun ja...mit einem. Und mit Hexen und Menschen, aber noch nie mit einem Lykaner. Als ob Dante seine Gedanken las, grinste er.

„Wann reist du ab?"

„In drei Tagen, denke ich. Ich muss noch Vorbereitungen treffen."

„Interessiert mir vor deiner Abreise nochmal einen Bericht zu geben?"

Merlin sah ihn an, sah zu Serena, die sich mit Sethos unterhielt, während die beiden anderen Lykaner den Nymphen hinterher schmachteten, was denen anscheinend gefiel. Sie flirteten mit den beiden.

„Warum nicht?"

„Dienstag Abend um zehn, hier an der Hütte", sagte Dante und drehte sich um. Ohne ein weiteres Wort verschwand er im dunklen Wald mit seinen beiden Kameraden. Merlin schlenderte zu Sethos und Serena, während die Nymphen auch verschwanden.

„Was wollte der Wolf?", fragte Sethos misstrauisch.

„Nichts", sagte Merlin „Wenn du sie nicht magst, muss das ja nicht auf mich auch zutreffen. Ich fand sie sehr...beeindruckend."

„Ja und mit einer frechen Hundeschnauze", sagte Sethos abfällig „Sie sind sehr arrogant."

Merlin kicherte.

„Und das aus dem Mund eines Vampirs. Ich kenne keine Spezies, die arroganter wie die Vampire sind. Ist doch irgendwie witzig, das du das sagst. Warum seid ihr so nett zueinander?"

„Vampire und Wölfe können sich nicht riechen."

„Das habe ich bemerkt."

„Diese Feindschaft besteht schon seit Äonen. Warum? Das weiß ich nicht, ich bin nicht allwissend. Dabei war Dante noch einer der zivilisierten Art; ich kenne auch noch andere."

Serena legte die Arme fröstelnd um die Schultern und sagte nun.

„Lass uns gehen. Hier in den Sümpfen ist es feucht kalt. Du bleibst, Sethos?"

Er nickte.

„Ja, es ist zu spät. Ich reise morgen Abend ab."

„Dann sei mein Gast. Können wir?"

Die beiden Männer nickten, dann gingen sie durch den Wald nach Hause. Niemand bemerkte den großen, schwarzen Wolf, der sie mit hellen Bernsteinaugen beobachtete und dann übergangslos mit den dunklen Schatten im Wald verschmolz.



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Dex Malcolm klappte zufrieden den Laptop zu und nahm sein Glas, trank einen Schluck der hellen Flüssigkeit. Er hatte gerade mit seinem Leiter in der Basis gesprochen. Alles lief zur vollsten Zufriedenheit. In der geheimen Basis, die inzwischen so ziemlich gefüllt mit den abartigen Kreaturen war, ging alles nach Plan.

Dex war der Chef des Ordens, den er ins Leben gerufen hatte. Mit mächtigen Verbündeten an seiner Seite, die stille Mitglieder waren, hatte er alles, was er benötigte, um diese Organisation aufzubauen. Geld, Macht, Einfluss und den Hass auf die Kreaturen, die abartig waren und die Menschheit infiltrierten, war er nicht allein. Sie alle wussten, was sie waren und zu was sie imstande sein konnten, zu tun.

Die geheime Basis hatte die Aufgabe, die Schwachpunkte der Kreaturen zu finden, um sie bekämpfen zu können. Wissenschaftler, Ärzte und Forscher arbeiteten und forschten an den Kreaturen, um das Geheimnis ihrer Macht zu finden. Denn nur dann konnten die Menschen sie besiegen. Die Menschen...ja...

Dex machte ein angewidertes Gesicht. Neunundneunzig Prozent der Menschheit wusste noch nicht mal, das sie existierten. Doch er schon. Seit dem Tag, da er in einer dunklen Gasse beobachtete, wie ein Vampir jemandem das Blut aussaugte. Danach, nachdem er wusste, nach was er Ausschau halten musste, fing er an nachzuforschen. Nur um festzustellen, das sie nicht die einzigen waren. Die Welt war voll von Monster.

Er leerte das Glas und schnaubte abfällig.

Abschaum. Monster und untote Kreaturen. Hexen und Nekromanten. Seelenlose Geschöpfe, die eine Gefahr für die Menschheit darstellten. Manche würden sagen, er und seine Anhänger wären Fanatiker. Und bei Gott, das war er. Er würde nicht ruhen, bis dieser Abschaum von der Welt getilgt war. Er hatte schnell Leute gefunden, die selbst Seltsames gesehen oder durchgemacht hatten. Durch seine hohe Stelle in der Regierung, hatte er schnell Kontakte, die er brauchte.

Sein Handy klingelte und er ging an den Schreibtisch und nahm es vom Tisch.

„Ja."

„Sir, ich wollte ihnen mitteilen, das wir ziemlich belegt sind, was die Kreaturen angeht. Das heißt, das wir sie zusammenlegen müssen."

„Dann tun sie das", sagte er schnippisch, während er über die Skyline des abendlichen Londons schaute „Es können bis zu vier in den Zellen hausen."

„Natürlich", sagte der Mitarbeiter „Ich wollte nur nochmal nachfragen, da sich manche der Kreaturen ja nicht verstehen."

„Das sollte uns nicht interessieren. Tun sie, wie ich sagte. Ich werde in drei Wochen da sein."

„Ja, Sir."

Malcolm legte das Handy auf den Schreibtisch und ging ins Schlafzimmer seines Penthouses. Dort ging er durch eine Verbindungstür in seinen begehbaren Kleiderschrank und suchte sich Kleider für den heutigen Abend. Es war Wochenende und er würde diverse Clubs aufsuchen und einige seiner Partner treffen. Einiges war zu bereden und angenehme Gesellschaft würde er auch nicht von der Hand weisen.

Angenehme menschliche Gesellschaft.

Er begann sich anzukleiden.



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Pünktlich um zehn stand Merlin Dienstag Abend wieder an dem kleinen See und schaute über die ruhige Wasseroberfläche. Er fragte sich, wieso er hier stand. Hier an dieser alten Hütte in den Sümpfen und mitten in der Nacht. Er hatte lange darüber nachgedacht, ob er dieser Einladung folgen sollte und letztendlich stand er jetzt hier.

Es knackte hinter ihm und er fuhr herum und presste die Augen zusammen, um besser zu sehen. Dante schälte sich aus dem Dunklen und kam auf ihn zu, wieder bekleidet in einer Jeans und T Shirt. Er lächelte, als er vor Merlin stehen blieb.

„Du bist also gekommen."

„Warum auch nicht?", antwortete Merlin „Ich werde es doch nicht bereuen, oder?"

Dante lachte leise.

„Du bist ein Hexer. Sag du es mir. Noch weiß ich nicht, was du kannst."

„Ist das hier ein Treffen, um die Kräfte zu testen?", fragte Merlin.

„Nein. Wann brichst du auf?"

„Morgen. Ich habe einen Flug nach London gebucht. Dort treffe ich Sethos, der vielleicht noch Informationen hat."

„Hast du immer noch diesen Plan, dich gefangen nehmen zu lassen?"

„Wenn sonst nichts geht...ja. Schließlich wollen wir unsere Leute zurück und wenn möglich in einem Stück. Wie viel von deinen Leuten fehlen denn?"

„Zwei, beide männlich. Sie waren in der Stadt und dann verschwunden."

Merlin nickte.

„Ja, wie bei uns. Zwei unserer Schwestern waren in Paris und kamen nicht nach Hause. Doch anscheinend konzentrieren sie sich nicht nur auf uns hier in New Orleans. Anscheinend sind auch aus anderen Länder und Städten Leute verschwunden."

„Wer noch?"

Merlin schüttelte den Kopf.

„Ich weiß es nicht. Es gibt so viele in unserer Welt. Ich habe noch niemanden außer euch getroffen."

Dante setzte sich auf ein Stück Holz.

„Mit Hexen sind wir vertraut. Doch wir leben hier im Bayou. Was nicht heißt, das wir nicht in die Stadt gehen. Doch wir sind Wölfe und lieben es in unserer Wolfsgestalt durch die Wälder und Sümpfe zu streifen. Nur ein Stadtleben käme für uns nicht in Frage."

„Ich verstehe."

Dante schwieg einen Moment, dann stand er auf und blieb vor Merlin stehen.

„Menschen sehen in uns etwas Böses, Gefährliches. Etwas, was sie nicht verstehen und erklären können. Je nachdem, was du bist und was du kannst, ist es schwierig oder leicht in der Welt zu leben. Wir fallen als Menschen nicht auf. Gut, wir sind groß und vielleicht exotisch, doch manche Menschen sind das auch. Doch kann ich schlecht als Wolf durch London oder New Orleans rennen", lächelte er „Du dagegen siehst ganz normal aus, aber kannst unvorstellbare Dinge tun."

„Normal aussehen und normal sein ist ein Unterschied", sagte Merlin „Und doch wollen wir auch nur leben, glücklich sein und uns verlieben. Wir sind keine Monster; wir haben Gefühle. Können weinen, lachen, traurig sein und Angst haben, wie meine Schwestern, wo immer sie auch sind."

„Ja. Aber Menschen sehen in uns nur das Monster", erwiderte Dante.

Merlin dachte an Arthur und die Zeit, als er Merlin das immer und immer wieder vorgeworfen hatte; damals auf dieser verfluchten Reise nach Moskau. Es schien Merlin, als wäre das ein anderes Leben gewesen. War es ja auch gewesen...noch. Bevor er feststellen musste, das er Magie hatte und unsterblich war. Und sich für die Menschen in die Reihen der Monster eingegliedert hatte. Damals dachte Merlin, das Arthur ein Monster war. Und jetzt? Jetzt gehörte er dazu.

Dante lächelte und strich ihm eine feuchte Locke aus seiner Stirn, denn es fing an zu regnen. Einer dieser kurzen, warmen Schauer, die typisch für Louisiana waren. Diese Geste war so zärtlich und sanft, etwas was Merlin ihm nicht zugetraut hatte. Er schaute den Wolf verwundert an, anscheinend hatte der Wolf beschlossen, ihn zu mögen. Ihn sehr zu mögen.

„Wolf und Hexer? Etwas gewagt", sagte er mit belegter Stimme.

Es wäre gelogen, wenn Dante ihn nicht anziehen würde. Er war groß, attraktiv und diese hellen Augen, die jetzt im Mondlicht zu leuchten schienen, hatten etwas. Obwohl er vor Muskeln nur so strotzte, war er schlank. Sein schwarzes Haar fiel ihm wild um die Schultern, gaben ihm ein verwegenes und gefährliches Aussehen und ließen ihn eine Spur sexy wirken.

„Warum nicht? Interessiert?"

„Warum nicht?", lächelte Merlin zurück „Nur der Zeitpunkt ist natürlich nicht gut."

„Das ist es meistens nicht. So etwas kommt, wenn man nicht daran denkt. Zumindest bei mir."

Nun ja, Merlin dachte noch vor nicht allzu langer Zeit darüber nach, es mal mit einem Lykaner zu versuchen. Wenn auch nur so dahin gesagt, schien sein Wunsch in Erfüllung zu gehen. Und da er für alles offen war und so verdammt neugierig, abgesehen davon, das der Wolf heiß war, wies er diese Herausforderung nicht von sich.

Er sah den Wolf schweigend an und Dante beugte sich etwas hinab und küsste ihn. Erst sehr sanft, doch als Merlin sich nicht wehrte, zog der Wolf ihn in seine Arme und küsste ihn stürmisch und forsch. Mit einem leisen Knurren verschaffte er sich dominant Einlass zwischen Merlins Lippen und Merlin seufzte in seinen Mund. Oh ja...dieser Wolf konnte küssen und sein leises, wildes Knurren stellte etwas mit Merlin an. Er schmiegte sich noch enger an Dante, spürte die Muskeln und wie dominant er Merlin hielt. Gott; dieser Mann konnte einem schon den Kopf verwirren.

Er löste sich kurz von Merlins Lippen und fragte.

„Gut?"

Merlin leckte sich über seine Lippen.

„Mehr als das."

Dante küsste ihn wieder und strich über seinen Rücken, bis hinunter zu seinem Hintern. Merlin stöhnte leise und presste sich an ihn. Doch Dante ließ ihn los und grinste.

„Nicht so schnell, Hexer. Wohl keine Geduld."

„Ich verreise morgen und vielleicht sterbe ich, ohne das ich..."

„Wirst du nicht", sagte Dante „Versprich mir, das du vorher nochmal mit mir sprichst, bevor du etwas Dummes tust. Du kannst mich über Serena erreichen."

Merlin nickte.

„Versprochen."

Dante zog ihn wieder an sich und küsste ihm die Seele aus dem Leib, dann ließ er Merlin los und sagte.

„Halt deinen Arsch aus der Schusslinie."

Ohne weitere Worte verschwand er in den Schatten des Waldes und war verschwunden. Merlin stand noch einen Moment am Ufer des Sees und fuhr sich durch die feuchten Haare.

Soviel zu seinen Wünschen. Schienen irgendwie immer wahr zu werden. Dante und er? Wolf und Hexer?

Das würde noch interessant werden. Merlin lächelte leicht, dann machte er sich auf den Heimweg. Morgen früh würde er nach London fliegen.

Die Mission begann.

Serena schaute ihn etwas verwirrt an, als er ins Haus kam. Nass und feucht und durch den Wald etwas schmutzig, fragte sie.

„Wo warst du denn?"

„Im Bayou."

„Wieso?"

Merlin machte sich einen Brandy und lächelte, als er sich umdrehte.

„Ich hab mich mit Dante getroffen."

„Mit dem Leitwolf der Lykaner? Warum solltest du dich mitten in der Nacht mit diesem..."

Sie machte ein erstauntes Gesicht und sagte nur.

„Oh. Im Ernst?"

„Anscheinend hat er einen Narren an mir gefressen", lächelte Merlin.

„Na hoffentlich nicht im wörtlichen Sinne. Aber ich muss sagen, das der Wolf schon heiß ist. Und du hast noch immer so unverschämtes Glück, das sie auch Männer mögen."

„Erfolg und Glück sind auf der Seite der Narren", antwortete Merlin etwas geknickt und trank aus „Vielleicht verschwinde ich auch spurlos, also gönne mir das bisschen Glück. Ich gehe duschen. Bis später."

„Ich gönne dir alles, Merlin. Das weißt du nur zu gut", rief sie ihm hinterher. Sie wusste, das Merlin gerne mit ihr schlief, aber viel mehr würde das nicht geben. Und das war auch gut so, denn Serena wollte sich nicht wirklich binden. Merlin hob nur die Hand und verschwand.

Serena sah ihm nach. Sie machte sich Sorgen; nicht nur um die beiden Mädchen, sondern auch um Merlin. Es war gefährlich, was er tat, musste getan werden. Und Merlin würde sich auch nicht aufhalten lassen. Dazu war er im Begriff, sich auf etwas mit einem Lykaner einzulassen. Arthur würde das gar nicht, aber auch so was von gar nicht gefallen, zumal die beiden Rassen sich eh nicht riechen konnten.

Sie hoffte, das der blonde Vampir nie herausfinden würde, das Merlin sich mit einem Lykaner traf. Das könnte unschön werden, so wie sie Arthur kannte.

Und Dante.

Dunkles SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt