Dunkles Schicksal
Kapitel 55
Serena kam in den Salon, in dem Maria, Merlin und Merit saßen. Auch einige der jungen Hexen, die es inzwischen aufgegeben haben, Merlin in ihr Bett zu locken. Einige probierten es immer noch, wollten nicht aufgeben. Doch allgemein nahmen sie ihn nun als Kollegen ihrer Zunft auf. Serena erzählte ihnen, das ein Feind ihre Magie gebannt hatte und sie hier sind, um das zu ändern. Zwei Wochen waren vergangen, in dem Sabrina ihre vielen, dicken Bücher gewälzt hatte, manche sahen sehr alt aus.
„Ich hab es", begrüßte sie die Gruppe und kam mit einem dicken Buch in der Hand herein „Oh man, hätte ich das gewusst, wären wir schon durch. Der Zauber steht in den Chronicle von Larada del sol."
Maria reckte den Kopf und sah auf das Buch, auf dem Bilder und Sprüche waren. Sie fragte.
„Was sind die Chronicle Larad...Wie heißt das noch? Ein Hexenbuch?"
Serena lächelte.
„Ja. Larada del Sol war ein mächtiger Hexenzirkel in Spanien. Vor achthundert Jahren hatten sie ihre mächtigste Zeit. Der Zirkel bestand nicht nur aus Hexen. Er war einmalig in seiner Art. Denn auch Magiere, Zauberer und Nekromanten gehörten zu ihnen. Eine geballte Macht von Magie verschiedener Art."
„Gibt es denn Unterschiede?", wollte Merlin wissen „Ich meine die Magie."
„Natürlich", antwortete Serena „Hexen praktizieren meistens schwarze Magie. Sie ist gefährlich, wenn man nicht damit umgehen kann. Es gibt auch weiße Hexen, die weiße Magie praktizieren. Sie beschränken sich meistens auf die Energie aus der Natur. Manche sind sehr mächtig. Magiere sind oft Seher. Sie sind übersinnlich, was Vorsehungen angeht. Zauberer arbeiten oft mit verblüffenden Tricks, doch benutzen auch Zaubersprüche. Magiere und Zauberer gibt es nicht mehr viele. Und sie sind nicht unsterblich."
„Sind Hexen die Mächtigsten?", fragte Maria.
„Das kommt darauf an. Es gibt Hexen mit wenig Magie, andere sind sehr stark, so wie ihr. Starke Zauberer gab es früher einmal, aber heute sind sie nicht mehr so zahlreich. Hexen können Mixturen für sämtlichen Anlässen zaubern, aber auch mit Zaubersprüche sofortige Magie anwenden. So was", sagte Serena und machte eine Bewegung mit dem Finger und flüsterte etwas.
Merlins Brandy fing Feuer und er sprang auf und warf das Glas auf den Tisch. Dabei fluchte er nicht sehr adelig. Serena und die anderen lachten und Maria sagte belustigt.
„Das ist gut. Vielleicht trinkt er dann weniger. Ich denke, das dies das Erste ist, was ich lernen werde."
„Wie lustig", antwortete Merlin zynisch und wischte über seine Hose, auf der ein Teil des Brandys gelandet war. Er setzte sich wieder und Serena sprach weiter.
„Nekromanten beschäftigen sich fast ausschließlich mit Totenbeschwörung. Sie können Tote zum Leben erwecken und sie am Leben halten. Sie sind grenzwertig, das heißt, diejenigen, die wirkliche Magie haben, verachten sie und erkennen ihre Magie nicht wirklich an. Obwohl es auch Magie ist, schwarze Magie."
„Und dieses Buch gehörte diesem Zirkel?", fragte Merit.
„Ja."
„Und wieso haben sie es nicht? Ich gehe mal davon aus, das jeder Zirkel auf die Bücher akribisch aufpasst. Oder nicht?"
„Natürlich, sie sind sehr wichtig und werden von einer Führung zur nächsten weitergegeben. Doch der Zirkel ist ausgestorben. Sie wurden verfolgt und hingerichtet. Der Zirkel existiert nicht mehr und ich sag es lieber nicht, wie ich zu dem Buch gekommen bin. Es war auch grenzwertig.Ist auch egal, jedenfalls ist es voll mit sehr mächtiger Magie", sie schüttelte den Kopf und schaute Merlin an „Ich habe absolute Hochachtung vor deinen Eltern. Du kannst dir nicht vorstellen, wie mächtig sie waren. Dieser Zauberbann...nicht viele können den anwenden. Dafür braucht man sehr viel Magie und sie kannten den Zauber aus der alten Zeit. Wahnsinn...Silver Lunera war das absolute Highlight, was Magie anging."
Die Mädchen waren gegangen und so konnte Serena offen sprechen.
„Wir werden den Zauber in zwei Tagen durchführen. Ich muss einige Vorbereitungen treffen und ich werde die Hilfe von all meinen Hexen brauchen, denn die Magie ist stark. Bereit dafür?"
Merlin und Maria wechselten einen Blick, doch dann nickten sie. Maria stand auf.
„Dann ist ja alles klar. Merit, komm...lass uns an den Strand gehen. Noch einmal relaxen, bevor der Stress losgeht."
Merit nickte und sie wandte sich um zu Merlin.
„Kommst du mit?"
„Nein, ein andermal. Viel Spaß."
Nachdem Serena und Merlin allein waren, sah sie ihn prüfend an. Ihr war nicht entgangen, das er die letzten Wochen still und nachdenklich gewesen war. Und auch, das er nicht so unternehmungslustig wie Maria war. Sie hatte sich bestens eingelebt und mit den anderen Mädchen, die in ihrem Alter waren, hatte sie viele Gemeinsamkeiten. Und sie hatte sich schon in die Reihen eingereiht, als hätte sie nie etwas anderes getan. Merlin wusste, das sie es genoss mit Anderen in ihrem Alter zusammen zu sein. Sie hatte sehr einsam auf der Hazienda gelebt und Merlin war nicht viel da gewesen. Und er hatte ja auch nicht die gleichen Interessen wie Mädchen.
Im Haus ging es immer turbulent zu. Die Mädchen untereinander verstanden sich gut und hatten Maria sofort akzeptiert. Für sie war das toll, sich auszuzauschen, was eben junge Damen so interessierte. Sie tauschten untereinander Kleider und Schuhe, probierten dieses und jenes aus, ganz im Sinne einer jungen Frau, die jetzt genug Ihresgleichen traf.
„Merlin, du warst sehr still die letzten Wochen. Ist irgendetwas?"
Er seufzte.
„Ich habe einiges, mit dem ich klar kommen muss. Es verarbeiten und abhaken. Das alles ist nicht so leicht."
„Dann rede doch mit mir oder Maria. Es hilft oft, wenn man darüber redet. Zumindest besser, als vor sich hin zu grübeln."
Er lachte und schüttelte den Kopf.
„Mit Maria? Ich will sie nicht da mit hineinziehen. Sie ist glücklich und freut sich hier zu sein, abgesehen davon, das ich nicht so gerne mit meiner Schwester darüber rede. Ich war noch nie der Typ, der sich gerne offenbart hatte. Ist nicht so mein Ding."
„Dann rede mit mir, Merlin. Wir sind jetzt ein Team, das heißt, das wir füreinander da sind, wenn jemand Probleme hat. Und ich kenne deine Geschichte", sie sah ihn einen Moment an „Okay, gehe ich in der Annahme richtig, das es sich um einen gewissen Vampir handelt?"
Er zögerte einen Moment, dann nickte er und schaute sie an.
„Also gut. Vielleicht hast du recht. Ich sollte mich anpassen. Reden wir. Warum hast du mir nicht gesagt, das Arthur hier mit den Mädchen geschlafen hat. Ich fass es nicht, das er einfach dort weitermachte, wo er aufgehört hatte. Und ich frage mich ernsthaft, was ich ihm bedeutet habe. Wahrscheinlich war ich ein Zeitvertreib gewesen. Einer dieser blöden Menschen, die ihm nachgelaufen sind", sagte er bitter.
Serena seufzte. Hat ja nicht lange gedauert, bis die Wahrheit ans Licht kam. Aber so war es besser, als diese Geheimniskrämerei.
„Ich wollte es dir ja in Sevilla sagen. Auf der Terrasse, doch du wolltest es nicht hören. Es belastet dich noch immer. Diese ganzen Geschichten und Arthur selbst."
Merlin machte eine hilflose Geste.
„Es ist nicht so leicht, das einfach abzuhaken. Ich habe ihn so geliebt und nun höre ich selbst am anderen Ende der Welt, das er sich hier auch amüsiert hatte."
„Was belastet dich so? Der Bruch mit ihm oder das er sich amüsiert hatte?"
Merlin sah sie an.
„Beides, Serena. Sieh mal, wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihn zu retten. Dafür mussten wir ihn erst mal haben und glaube mir, das war nicht leicht. Sethos suchte ihn unentwegt. Und ich wurde entführt und habe schreckliche Dinge miterlebt, inklusive Arthur, der in seiner Bösartigkeit mich zum Vampir machen wollte. Dank Sethos ist das nie passiert. Und was macht er? Anstatt dankbar zu sein, was wir alles ertragen haben, um ihn zu retten, ignoriert er uns, nachdem er gesund war. Vor allem mich."
Er schüttelte in Gedanken den Kopf.
„Wir hätten einiges aufzuarbeiten gehabt. Wir hätten reden müssen, über sie Zukunft und uns beide. Ich habe ihm das nie übel genommen, Arthur hatte Schlimmes erlebt und ich liebte ihn, tue ich noch. Doch sieh, was passiert ist. Während ich zu Hause hoffte, das er es schafft und wartete, das er bald zurück kam, fand ich heraus, das er monatelang bei Sethos war und sie zusammen gevögelt haben. Keine Nachricht, nichts, als würde ich nicht existieren. Ich war ihm wohl so ziemlich egal. Und nun höre ich, das er auch hier sich in Betten herumtrieb. Es tut weh, wie wenig er an mich dachte und ohne zu zögern jeden beglückte, der danach verlangte. Ich bin so enttäuscht.Verstehst du das?"
Serena setzte sich neben ihn. Sie seufzte.
„Ich verstehe dich ja, Merlin. Aber Vampire sind anders als Menschen. Sie sehen das viel lockerer. Und Sethos sagte mir mal, das Vampire ein größeres Bedürfnis an Sex haben, als Menschen. Und sie sind...", sie lächelte „Ich sag mal anders darin. Im Klartext...wahre Meister. Doch für sie ist das nur Sex, ohne Emotionen. Spaß eben. Das hat nichts mit ihrem Gefährten zu tun, die sie lieben. Und sie sind auf keinen Fall Wesen, die sich sexuell nur an einen binden, auch wenn sie Gefährten haben. Du kannst das nicht verstehen, weil Menschen das anders sehen. Einmal verheiratet, gehen sie nie mehr; zumindest die meisten; mit anderen ins Bett. Du bist verletzt, weil du das so siehst. Er hätte dir das von Anfang an sagen sollen. Denn dann hättest du die Wahl gehabt. Das zu akzeptieren oder nicht. Doch ich sage dir; an seiner Liebe zu dir hätte sich nichts geändert."
„Ich bin so erzogen worden. Soll ich mir das zum Vorwurf machen? Er hatte schon recht, als er sagte, das ich moralisch gebunden bin. Aber ich bin eben so."
„Hättest du es denn akzeptiert, wenn er dir es gesagt hätte?", wollte Serena wissen.
„Ich weiß es nicht. Es würde bedeuten, das ich zulasse, das andere ihn berührt hätten und das sehr intim. Es wäre ein riesiger Sprung über meinen Schatten gewesen und ich weiß nicht, ob ich das ertragen hätte. Vielleicht ist es wirklich besser so."
„Ja, klar. In diesem Fall sicher. Aber auch du wirst dich ändern, glaube mir. Du wirst sehr schnell in der Unsterblichkeit merken, wie eintönig das sein kann. Stell dir doch mal vor, das du fünfhundert Jahre nur mit deinem Gefährten schläfst. Das geht schon nicht aus dem Grund, weil das der Beziehung irgendwann den Kick nimmt. Dann wird das so ziemlich alltäglich. Ich weiß das, denn ich bin auch schon fünfhundert Jahre alt. Die Vorstellung, nur noch mit einem Mann zu schlafen ist für mich unvorstellbar. Daher haben unsterbliche Hexen selten Gefährten, es sei denn, sie verstehen einander, was das angeht. So wie Sethos und Anchar. Sie sehen das eher locker, doch sie lieben sich. Verstehst du das? Dann fängst du an, nach hunderte von Jahren nach anderen Herausforderungen zu suchen, was deiner Liebe zu deinem Gefährten nicht schmälert. Vampire unterscheiden das sehr genau...Sex ist Spaß. Liebe ist der Gefährte."
„Was willst du denn damit sagen?", fragte er.
„Ich sage damit und ich bin sicher, denn ich lernte Arthur hier kennen. Arthur wird nie ein Mann sein, der nur mit seinem Gefährten schläft. Er wird immer andere Optionen suchen, doch er liebt seinen Gefährten und würde für ihn sterben. Was er braucht, ist ein Gefährte, der das versteht und toleriert. Und Sethos und Anchar haben ihm das vorgelebt, wie unkompliziert so etwas sein kann. Vielleicht war er deswegen so komisch drauf, als du ihn wiedergesehen hast. Er ging wohl davon aus, das du es verstehst. Und natürlich hat er da mit einem Menschen ein Problem, denn sie sehen das aus einem moralischen Aspekt, so wie du jetzt. Aber vertrau mir, das wird sich ändern."
„Ich war nicht sein Gefährte. Wir waren ja erst zusammengekommen."
„Aber er hat dich als seinen Gefährten gesehen, Merlin. Arthur hat dich wirklich geliebt. Nur kamst du mit seiner Lebensweise nicht klar und hast dich getrennt. Vielleicht besser so. Besser für dich. Und da du Probleme hast, ein Vampir zu werden, was du jetzt nicht mehr brauchst, weil du sowieso unsterblich bist, wäre das eines der größten Sorgen gewesen. Wenn du nur ein Mensch wärst. Arthur wusste das, denn bei einem Menschen bleibt die Zeit nicht stehen, doch er wollte dich für immer, deshalb dieses Drängen, dich zu verwandeln. Das kannst du ihm nicht übel nehmen. Verständlich. Doch wenn du Probleme mit ihm hattest, dann ist es besser so. Du wirst es überleben."
Merlin nickte seufzend.
„Ja, nur dieser blonde Vollidiot ging mir wirklich unter die Haut und es erweist sich als sehr schwer, ihn dort wieder herauszunehmen."
Serena streichelte seinen Arm und lächelte.
„Du wirst bald keine Zeit mehr haben, um darüber zu grübeln. Wir fangen sofort mit dem Training an. Und es wird nicht leicht, frag die Mädchen. Du musst viel lernen, allen voran die normalen Zaubersprüche. Später Tinkturen machen für sämtliche Anlässe, geschweige das, was du von Natur aus von deiner Magie mitbringst. Ich weiß, das deine Eltern sehr mächtige Hexen waren und euch das vererbt haben. Das ist Neuland für mich, denn ich habe noch nie so starke Hexen getroffen. Und ich bin wirklich neugierig, zu was du imstande bist."
Er nickte.
„Das ist gut. Viel Arbeit, das wird mich ablenken."
Serena zog ihn vom Sofa.
„Auf, lass uns einkaufen gehen. Ich brauch einen Diener, der alles trägt. Dann kommst du auf andere Gedanken."
„Sehr lustig", lächelte Merlin, doch er ging bereitwillig mit ihr.
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Nachdem Sethos nach Hause ist, änderte sich nicht wirklich etwas. Arthur lebte sein Leben weiter und Leichen säumten seinen Weg. Lance verließ fast die Hoffnung, das es jemals anders würde. Er wusste, er kam einfach nicht mit Merlins Verlust klar, auch wenn er zuvor groß herumschrie, das der Mensch ihm am Arsch vorbei ginge. Niemand anders als Lance wusste, das er sich nur etwas vormachte. Er liebte den jungen Mann und sein Verlust ließ ihn fast durchdrehen.
Doch solange er sich das nicht eingestand und dann versuchte, damit klar zu kommen, solange würde sich nichts ändern. Lance hatte es versucht, doch Sethos sagte vor seiner Abreise, das er mit ihm gesprochen hatte und Arthur nun den ersten Schritt tun musste. Lance wartete auf den Augenblick. Er würde seinen Freund mit allem unterstützen, nur nicht die Sache mit dem Sex. Das würde er auf keinen Fall tun.
Inzwischen vergnügte er sich mit Noel. Nicht jede Nacht, wie Arthur. Doch es stellte sich heraus, das Noel ein unkomplizierter Partner war, was das anging. Und wie sich Lance das vorgestellt hatte. Sie sahen das beide locker und es gab keinerlei Besitzansprüche, wie es oft bei Vampiren war. Die Fronten waren geklärt und sie konnten sich der Sache hingeben.
Für Lance war es auch nicht leicht, die Sache mit Maria zu verarbeiten. Er hatte sie geliebt, doch Lance versuchte das eher rational zu sehen. Sethos hatte ihm unbewusst geholfen, als er sagte, das er sie nicht sterben sehen wollte. Maria hatte auch gezögert, ein Vampir zu werden, vielleicht wäre sie den Schritt nie gegangen. Aus dieser Sicht versuchte Lance das zu sehen und wusste, das es besser war, das es so ausgegangen ist.
Er hatte eine ruhigere Art das alles zu verarbeiten und drehte nicht durch wie Arthur, der munter weiter vögelte und seine Leichen entsorgte.
Hoffentlich hatte das bald ein Ende. Leichen gab es immer bei Vampire, doch nicht in dem Umfang, wie im Moment. Er hoffte, das Sethos Gespräch mit Arthur bald fruchten würde. Inzwischen ignorierte er Arthur weiter, unternahm viel mit Noel, auch außerhalb des Bettes. Sie gingen oft gemeinsam aus oder auf die Jagd. Nur das diese Menschen danach noch lebten, mit ein bisschen weniger Blut. Doch Arthurs Benehmen belastete ihn, obwohl er sich nichts anmerken ließ. Und die Tatsache, das er ihn vermisste.
Und Lance wartete. Wartete, das Arthur den ersten Schritt tat.
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Zwei Tage später war das Geschwisterpaar mehr als nervös. Die letzten beiden Tagen war es ruhig im Haus gewesen, die Hexen bereiteten sich auf einen schwierigen Zauber vor und sammelten ihre Kräfte. Serena hatte im großzügigen Keller einen Raum umgestaltet, der in Zukunft ein Beschwörungsraum war. Das war besser, als im Salon, den man immer räumen musste, auch wegen ihrer Tarnung.
Merlin und Maria saßen in ihrem Zimmer, beide hatten eine lange schwarze Kutte an, darunter waren sie nackt. Er ging unruhig im Zimmer herum. Merlin war nervös, knetete seine Finger, während er hin und her ging.
Maria in ihrem Zimmer saß auf ihrem Bett und starrte vor sich hin. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf, auch die Frage, ob sie sich richtig entschieden hatten. Doch das Wissen, das dies das Vermächtnis ihrer Eltern war, verscheuchte den Gedanken. Auch sie war nervös, ihr Herz klopfte ihr im Hals. Sie sah auf, als es klopfte und Tessa rief.
„Maria; es ist soweit. Kommst du nach unten?"
„Ich komme", antwortete sie und stand auf. Draußen hörte sie Merlin reden, anscheinend war er auch auf dem Weg nach unten.
Im Keller war der Raum mittelgroß, ohne Fenster. Rote Kerzen brannten in den Ecken auf großen Ständer. Die Wände waren mit schwarzen und dunkelroten Tücher abgehängt, was dem Raum einen mystischen Touch gab, sowie das große Pentagramm, das mit blutroter Farbe in der Mitte auf dem Boden gemalt war.
Die beiden traten ein und sahen sich um. Das würde ab jetzt ihre Welt sein. Eine Welt mit Magie und Zauber, die ihr Leben erleichtern, Feinde zerstören und Freunde beschützen konnte. Tessa sagte ihnen, das sie sich auf den Boden in die Mitte des Pentagramms legen sollten, dicht nebeneinander und sich an den Händen halten sollten.
Maria und Merlin hoben den Kopf, als alle Hexen hereinkamen, alle in dunkelroten Kutten gekleidet, die Kapuze über dem Kopf. Schweigend traten sie ein und verteilten sich um den Kreis. Ernst und konzentriert setzten sie sich dorthin. Kein Herumalbern oder Kichern, wie sie sich sonst gaben. Marias Herz klopfte im Hals, drohte herauszuspringen. Serena trat ein, auch sie so gekleidet wie ihre Hexen und ernst. Sie hielt das Buch mit dem Hexenzauber in der Hand. Sie trat zu den beiden und setzte sich in die Hocke vor sie.
„Merlin, Maria", sagte sie leise zu ihnen „Ihr müsst euch unbedingt an den Händen halten, denn ich werde zuerst einen Bindungszauber sprechen. So hab ich die Möglichkeit, den Zauberbann in euch beiden aufzuheben. Da der Zauber schwierig ist und unsere Kraft begrenzt, klappt das dann bei euch gemeinsam, erst recht, da ihr Geschwister seid. Der Bindungszauber hebt sich auf, wenn wir erfolgreich sind."
„Wird es weh tun?", fragte Maria und wunderte sich, das ihre Stimme so piepsig war.
„Ich weiß es nicht, doch ich denke nein. Es wird auch nicht weh getan haben, als eure Eltern den Bann sprachen. Ich glaube nicht, das sie euch Schmerzen zufügen wollten", sie lächelte leicht „Es wird schon gut gehen. Versucht euch zu entspannen."
Tja, das war leicht gesagt. Für sie beide war diese Welt vor Kurzem noch etwas sehr Unwahrscheinliches gewesen und jetzt waren sie mittendrin und lagen in einem Hexenpentagramm und es wurde ein Zauber an ihnen durchgeführt. Entspannen? Das war wohl zu viel verlangt. Doch sie hielten sich fest an den Händen, als würden sie sich gegenseitig festhalten.
Dann stand sie auf und reihte sich in die Reihen der Hexen ein, die jetzt im Schneidersitz um das Pentagramm saßen und sich an den Händen hielten. Sie summten einen Singsang, der sich unheimlich anhörte.
Serena legte das offene Buch vor sich und kniete sich hin. Sie sprach laut und deutlich in einer Sprache, die schon lange verloren schien und vervollständigte den Bindungszauber zwischen den Geschwistern. Sie waren jetzt verbunden, was einem passierte, das passierte auch dem anderen. Dieser Magie war einfach, doch nun nahm sie die Hände ihrer Hexen rechts und links, vervollständigte den magischen Zirkel.
Auch hier, wie bei Arthur, brauchte sie die Macht und Magie all ihrer Hexen, die sie kanalisierte und zu ihrer Kraft machte. Serena schloss ihre Augen, tauchte tief in ihre Magie ein und sprach den Lösungszauber für den Bann. Ihre Worte hallten in dem Raum, wurden mit Macht ausgesprochen. Serena hatte so eine Magie noch nie praktiziert und sie wusste nicht, was passieren würde und ob sie es schaffte. Sie war mächtig, doch hatte sie auch ihre Grenzen, so wie ihre Hexen.
Zuerst passierte nichts, doch dann begannen Merlin und Maria in einem rötlichen Schimmer eingehüllt zu sein, der sich verstärkte. Er schien sich über sie beiden zu legen, wie eine Halbkugel, hüllte sie komplett ein. Zu dem Rot kam ein Schwarz dazu, das sich über das Rot legte und ein blendendes Weiß, das sich um das Schwarz legte.
Serena öffnete ihre Augen und sah sich das Ganze an. Der Bann war dreifach ausgeführt. Die einzelnen Farben symbolisierten die einzelne Magie. Serena war beeindruckt. Rot war die Magie von sehr mächtigen Hexen. Das war die Magie ihrer Eltern, dazu war der zweite Ring schwarze, starke Magie und der weiße Ring war weiße Magie. Serena fühlte ihre Stärke, die zusammen den mächtigen Bann bildeten, der die Magie der beiden einsperrte.
Mein Gott, sie hatte noch nie so einen komplexen Zauber gesehen, der Kraft ausstrahlte. Merlins Eltern waren Meister ihrer Magie gewesen, denn nur mächtige Hexen könnten so etwas Komplexes entstehen lassen. Und es bestätigte ihr, das sie sich nicht nur in ihrer Magie auskannten.Wahnsinn.
Serena konzentrierte sich und zog die Kräfte zusammen und begann den Lösungszauber. Ihre Stimme war laut, beschwörend, während sie den ersten Ring zu lösen versuchte. Und wirklich, der weiße Ring pulsierte und wurde schwächer, bis er sich auflöste. Serena sprach unentwegt in beschwörendem Ton weiter. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, den dieser Zauber forderte sein Tribut. Auch die Hexen stöhnten, fingen an zu schwächeln, doch versuchten, ihre Macht zu erhalten.
Der schwarze Ring pulsierte. Die Magie war stark, weigerte sich aufzugeben. Serena sprach lauter, inzwischen lief ihr der Schweiß an der Stirn entlang. Die Mädchen stöhnten gequält, gaben all ihre Kraft Serena. Endlich wurde der schwarze Ring blasser und verschwand letztendlich. Auch die zweite Barriere war geknackt. Doch nun kam der rote Ring, die Macht von Merlins Eltern.
Serena spürte diese geballte Kraft und stöhnte auf. Sie hatte jetzt berechtige Zweifel, ob ihre Kraft reichte. Einige Mädchen waren in sich zusammen gesackt, versuchten durchzuhalten. Auch sie waren alle schweißnass. Serena sprach den letzten Teil des Zaubers, der den Bann auflöste. Sie zitterte, ihr Körper schwach. Sie schwankte, doch versuchte ihre Position zu erhalten. Wenn sie jetzt abbrach, war der Zauber gebrochen.
Jetzt nicht aufgeben, sonst war alles umsonst.
Der rote Ring fing an zu pulsieren, verlor aber nicht an Intensität. Er war der stärkste Bann, der stärkste Zauber. Und um ihn zu knacken, mobilisierte Serena ihre letzten Kräfte und zog auch die verbliebene Macht aus ihren Hexen, die alle kurz davor waren, zusammenzubrechen.
Sie schrie die Sprüche, es hörte sich verzweifelt an. Lange würde sie es nicht mehr schaffen. Nach endlosen Minuten wurde der Ring durchscheinender und Serena sprach zitternd den letzten Teil. Beschwörend und machtvoll und dann...dann war der Ring verschwunden und Serena brach zusammen. So wie auch die Mädchen und es war totenstill im Raum. Nur die Kerzen flackerten unruhig, noch immer von der Magie, die hier freigesetzt wurde.
Merlin hörte alles, doch wagte nicht die Augen zu öffnen. Doch als der dritte Ring fiel, spürte er etwas sehr Seltsames. Etwas geschah in seinem Körper, raste durch seine Blutbahnen und erfüllte ihn mit Kraft. Sein Körper begann zu kribbeln, das sich langsam komplett über ihn verteilte, so als würden Tausende von Ameisen in seinen Venen krabbeln. Das Gefühl verstärkte sich und er hörte Maria neben sich stöhnen, anscheinend machte sie das Gleiche durch. Dann verebbte das Gefühl, zurück blieb nur dieses Empfindung, das etwas tief in Merlin seine Kraft schürte.
Nach einiger Zeit fühlte er sich wunderbar. Ein Gefühl, das er nicht wirklich erklären konnte. Das Gefühl, das etwas in ihm war und ihm Wohlbefinden vermittelte und Kraft. Er hatte sich noch nie so wohl gefühlt, so unendlich wohl. Er öffnete die Augen, als Serena ihn ansprach.
„Alles in Ordnung, Merlin?"
„Ja", sagte er und sah in das müde, abgespannte Gesicht von Serena.
Ihre grünen Augen waren glanzlos, sie sah furchtbar aus, doch die lächelte, als Maria sie auch anblickte. Die Mädchen waren fort, hatten sich in ihre Zimmer geschleppt und würden vierundzwanzig Stunden schlafen.
„Wie fühlt ihr euch?", wollte sie wissen.
„Gut, sehr gut. Ich fühle mich...ich kann es nicht sagen", antwortete Merlin. Serena nickte.
„Vollständig", ergänzte sie „Der Bann ist gebrochen, eure Magie frei. Ich kann sie spüren, mächtig und stark."
„Ich bin so müde", sagte Maria leise.
„Das Ganze war auch für euch anstrengend. Und eure Körper müssen sich an die Magie gewöhnen, sie war lange inaktiv", sagte Serena und sah auf, als Merit herein kam. Ihre Magie war so anders, das sie nicht mitwirken konnte.
„Hat es geklappt?"
Serena nickte und rappelte sich auf. Sowie Merlin und Maria, der den Arm um seine Schwester legte.
„Ich will nur noch schlafen", sagte Serena müde. Merit nickte.
„Ja, du siehst scheiße aus."
„Danke."
„Ich schlage vor, ihr geht alle schlafen. Ich halte die Stellung", sprach Merit „Wir sehen uns dann in zwei Tagen."
„Wieso?", fragte Maria erschöpft.
„Weil ihr solange schlafen werdet."
„Glaub ich nicht", antwortete Maria und sie gingen langsam nach oben. Merlin stützte seine Schwester.
Er war so müde, so unendlich müde und hatte ernsthafte Bedenken, die Treppe zu schaffen. Doch oben angekommen, wankte Serena wortlos in ihr Zimmer. Merlin legte Maria in ihr Bett und deckte sie zu, küsste sie auf die Stirn, doch sie schlief schon. Er schleppte sich in sein Zimmer und fiel in sein Bett. Merlin deckte sich noch zu, doch so richtig bekam er das nicht mehr mit.
Er schlief sofort ein und eine unnatürliche Ruhe breitete sich im Haus aus.
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Zwei Tage später war im Haus wieder munteres Treiben. Die jungen Hexen hatten sich relativ schnell erholt, nur Serena schlief etwas länger. Sowie Merlin und Maria. Merit hatte nicht gelogen, sie hatten fast zwanzig Stunden geschlafen. Doch jetzt kam Merlin die Treppe herunter, frisch gebadet, rasiert und in lockerer Kleidung. Er fühlte sich wohl und ausgeruht. Und tief in ihm etwas, was ihm ständig Kraft gab. Seine Magie, die durch ihn sanft pulsierte, er konnte es spüren. Es fühlte sich einfach nur gut an. Er ging in die Küche, denn er hatte Hunger, furchtbaren Hunger und Durst. Der Gedanke an einen heißen Kaffee war angenehm.
Serena und zwei Hexen saßen am Tisch und lächelten, als er herein kam. Der Tisch war reichlich gedeckt mit allerlei Leckereien, die man zum Frühstück aß. Es war später Morgen. Und der Kaffee duftete herrlich.
„Guten Morgen", sagte Merlin „Der Kaffee duftet toll. Ich brauch jetzt wirklich was zu essen."
„Schläft Maria noch?", fragte Serena, nachdem sie ihm auch einen guten Morgen gewünscht hatte.
„Nein, ich bin auch hier. Und ich habe furchtbaren Hunger", ertönte es von der Tür.
Die Geschwister setzten sich an den großen Tisch, der gedeckt war und Merlin sah zu Serena. Die Hexe sah immer noch abgespannt aus.
„Geht es dir gut?"
„Nun ja, eigentlich schon. Du lieber Himmel, dieser Bann war sehr stark gewesen. Ich dachte wirklich zum Schluss, ich schaff es nicht. Die Mädchen waren auch ziemlich fertig. Eure Eltern, mein Gott...die hätte ich gerne mal getroffen. Ich bin schon vielen sehr mächtigen Hexen begegnet, aber das hier, das übertraf fast alles."
„Wieso?", fragte Maria.
„Eure Eltern hatten den Bann kombiniert mit anderer Magie. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Ohne das Buch von den Larada del Sol hätte kein Zauberspruch den Bann knacken können. Meine Hochachtung an eure Eltern. Sie waren die Meister schlechthin."
Merlin sah zu der Kaffeekanne und streckte die Hand aus. Gerade als er sagen wollte, das Serena ihm die Kanne reichen sollte, wackelte sie und flog auf ihn zu. Merlin, der auf so etwas nicht vorbereitet war, wich erschrocken aus und die Kanne krachte zu Boden, zersprang in tausend Teilen und der Kaffee ergoss sich über den Boden. Es herrschte absolutes Schweigen im Raum. Alle sahen Merlin an, der mit schreckensbleichem Gesicht da saß. Endlich sprach Maria.
„Was...Was war das denn?"
„Ich...Ich weiß es nicht", gab Merlin Antwort und sah zu Serena.
Diese runzelte die Stirn, sah von Merlin zu Maria und wieder zu Merlin. Die beiden Hexen am Tisch sahen Merlin genauso an. Sie fragte, während ein Mädchen aufstand, um das Desaster wegzuräumen.
„Was hast du getan, Merlin?"
Er zuckte die Achseln.
„Nichts. Ich wollte den Kaffee und...keine Ahnung. Ich wollte dich gerade fragen, ob du mir die Kanne reichst."
„Okay, was hast du gedacht, Merlin?"
„Nichts Besonderes. Ich wollte den Kaffee."
Serena sah zu Maria und sagte etwas verwirrt.
„Siehst du die Brötchen? Strecke die Hand aus und denke, das du eines haben willst."
Maria tat es, aber nichts geschah. Serena schaute verwundert wieder zu Merlin.
„Jetzt du. Mach das Gleiche wie vorhin. Denke, das du das Brötchen willst."
Merlin nickte und streckte die Hand aus. Das Brötchen im Korb zitterte leicht, dann flog es in Merlins Hand. Da er darauf vorbereitet war, fing er es mit seiner Hand und schaute verwirrt auf das Brötchen.
„Ich glaub es nicht", sagte Serena „Was waren deine Eltern und welche Magie hatten sie?"
„Keine Ahnung", sagte Merlin.
„Okay, wahrscheinlich hast du diese Gabe und Maria nicht. Oder sie braucht etwas länger. Den Geschichten zufolge, ist der männliche Nachkomme immer stärker als der weibliche. Das heißt, das du der Stärkere bist, was Magie angeht. Und du musst verdammt vorsichtig sein, was du tust. Ab jetzt kann jede deiner Handlungen etwas auslösen", sie wandte sich an Maria „Bei dir auch, Maria. Solange ihr das nicht unter Kontrolle habt, denkt nicht an Feuer oder Erdbeben oder so was."
„Soll das ein Witz sein?", fragte Merlin aufrichtig und erschreckt.
„Nein, ihr seid im Moment eine Zeitbombe, die jederzeit hochgehen kann. Denn ihr seid mit verdammt mächtiger Magie ausgestattet und habt absolut keine Kontrolle darüber. Kein Wunder, das eure Eltern sie gebannt hatten, ihr hättet als Kleinkinder die Hazienda zerstört oder sonst was. Sieh, ich kann das auch, aber ich muss einen kurzen Spruch flüstern."
Serena streckte die Hand aus, flüsterte etwas und das Brötchen flog in ihre Hand.
„Siehst du, Merlin. Ich kann das auch, aber ich muss einen Spruch sagen. Du hingegen brauchst nur zu denken, das du es haben willst. Verdammt soll ich sein, so etwas habe ich noch nie gesehen."
„Ist das gut oder schlecht?", wollte er wissen.
„Das ist der Wahnsinn, Merlin. Nur pass auf, was du denkst."
„Das geht ja schon gut los", er grinste „Na, zumindest kommt mein Brandy jetzt zu mir."
„Unterstehe dich, ich werde ihn wie Serena in Flammen aufgehen lassen", sagte Maria tadelnd „Du trinkst sowieso zu viel."
„Ach was."
„Doch."
„Nein."
„Natürlich tust du es", sagte Maria giftig.
„Schluss jetzt, alle beide", rief Serena „Bevor ihr euch wirklich streitet und meine Küche verwüstet ist. Haltet euch ruhig, heute beginnt das Training. Je schneller ihr alles unter Kontrolle habt, umso ruhiger werde ich sein. Himmel, zwei mächtige Hexen im Haus, die ihre Magie nicht unter Kontrolle haben. Ein absoluter Alptraum", seufzte Serena.
„Ich hab frischen Kaffee gemacht", sagte eines der Mädchen.
Merlin nickte und wollte die Hand ausstrecken, doch Serena schlug sie weg und sagte zu der jungen Hexe.
„Schenk ihm schnell ein, sonst machst du wieder neuen Kaffee."
Alle lachten und Merlin trank von seinem Kaffee. Das konnte noch heiter werden.
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Das Training war hart und lang. Beide mussten kleine Zauber machen, doch ihr Hauptmerkmal war Kontrolle. Serena wusste, das sie sehr viel anrichten konnten, wenn sie keine Kontrolle hatten. Inzwischen konnte Maria den Trick mit der Kaffeekanne auch, auch wenn sie etwas länger brauchte. Ihre Kräfte waren genauso gefährlich wie die von Merlin, auch wenn sie etwas schwächer war.
Merlin wirkte aufgekratzt und nervös. Während Maria den Stress mit ihren Freundinnen abbaute, indem sie an den Strand ging oder auf Einkaufstour, oft auch abends in einer der Tavernen, blieb Merlin zu Hause. Serena kam an so einem Abend in den Salon. Sie musterte ihn einen Moment.
„Du solltest dich mal etwas abreagieren, Merlin. Es tut dir nicht gut, du bist nervös. Seit Wochen trainieren wir, doch es muss auch Zeit sein für anderes. Sieh dir deine Schwester an, sie macht es richtig. Nicht nur lernen und trainieren, du musst auch mal abschalten."
„An was hattest du gedacht? Ich bin kein so Sonnenanbeter wie Maria, bekomme zu leicht Sonnenbrand. Und in den Shops herumzulaufen, tja; ist nicht so eine Männersache. Was bleibt denn noch?"
Sie lächelte.
„Vielleicht Sex? Du kannst die Anspannung dort abbauen. Jeder braucht das und es ist kein Geheimnis."
„Nun ja, ich dachte schon daran, doch..."
„Wie lange ist es her?", fragte sie.
Er nickte andächtig.
„Schon eine Weile."
Er wusste, das er das letzte Mal auf der Reise etwas in dieser Art hatte und das war lange her. Davor die Horrornacht mit Arthur. Inzwischen war viel geschehen. Er hatte sich von Arthur getrennt, seiner ersten und einzigen Liebe. Und er hatte herausgefunden, das er kein Mensch war. Er war ein Hexer und unsterblich und hatte nach Serena wohl sehr mächtige Magie. Er schaute sie an, weil Serena auf eine Antwort wartete.
„Ja, aber ich habe Angst, das etwas passiert. Weil...Du weißt schon, weil du irgendwann nicht mehr klar denkst. Was ist, wenn ich die Kontrolle verliere?"
„Ich denke, du bist stabil genug, um das zu kompensieren. Du solltest es tun. Hier im French Quarter gibt es eine Taverne, in der du findest, was du suchst. Sie heißt Even Horizont. Überlege es dir. Es wäre besser, wenn du ausgeglichener wärst."
Dann ging sie und ließ Merlin nachdenklich zurück. Er hatte sich die ganze Zeit zurückgehalten, weil er Arthur nicht hintergehen wollte. Doch jetzt kam ihm das wirklich unsinnig vor, denn er hatte solche Gedanken nie gehabt, wenn Merlin bedachte, was er hier im Haus und später getrieben hatte. Und er war sich sicher, das er jetzt sein Leben voll genießen würde. Er war ein Idiot, wenn er darauf noch Rücksicht nahm. Zumal das Thema Arthur abgehakt war und er stetig daran arbeitete, das es so war. Das wäre vielleicht der erste Schritt, endlich dieses Thema loszuwerden. Merlin stand auf und verließ das Haus.
Er fand die Taverne nach einigem Suchen und Fragen der Leute auf der Straße. Sie lag in einer der vielen Seitenstraßen und das Schild über der Taverne sagte ihm, das er hier richtig war. Er blieb davor stehen und atmete tief ein. Dann betrat er die Taverne.
Drinnen war Musik und ein bunt gemischtes Völkchen, doch Merlin bemerkte sehr schnell, das die meisten so wie er waren. Es gab auch normale Pärchen und genug Frauen. Er stellte sich an die Tresen und bestellte sich einen Brandy. Es dauerte nicht lange, als ein junger Mann ihn ansprach. Er sah nicht schlecht aus, hatte braune Haare und dunkle Augen. Na, Gott sei Dank war er nicht blond und hatte blaue Augen. So war es einfacher.
„Hallo. Du bist neu hier, nicht wahr? Ich habe dich hier noch nie gesehen."
„Ja, ich besuche hier Bekannte und werde ein Weilchen bleiben."
Er lächelte und es wirkte charmant und sexy.
„Du kommst...Woher? Dein Akzent verrät dich."
Merlin lächelte und trank einen Schluck von seinem Brandy.
„Spanien."
„Wow, da war ich schon mal. Granada. Kennst du das?"
Merlin nickte.
„Ich komme aus Sevilla, ist nicht so weit weg von Granada."
„Schön. Und gefällt es dir hier in New Orleans? Wo wohnst du denn?"
„Ja, es ist schön, so anders. Wohnen tue ich bei Freunden."
Er lächelte.
„Ich heiße Chris", sagte er und reichte Merlin die Hand.
„Merlin."
„Schöner Name und so gar nicht spanisch."
Merlin lachte.
„Mag sein, doch anscheinend mochten meine Eltern ihn."
Sie unterhielten sich schon ein Weilchen zwanglos, als Chris ihm die Frage stellte. Merlin wusste schon länger, das er so wie er war. Die Art wie er Merlin ansah, verriet ihn. Na gut, deswegen war er ja gekommen und der junge Mann war ihm sympathisch.
„Hättest du Lust, irgendwo anders hinzugehen?"
„Und wohin?"
Er lächelte und Merlin wusste, was als Nächstes kam.
„Vielleicht zu mir nach Hause? Ich wohne nicht weit von hier. Ich bin Maler und verkaufe meine Werke auf der Straße an Touristen, hier im French Quarter. Kann man gut davon leben. Willst du?"
Das war eindeutig. Doch trotzdem zögerte Merlin und er wusste, auf Teufel komm raus nicht warum. Chris war nett, charmant und sah nicht schlecht aus. Dieser bemerkte sein Zögern und beugte sich zu ihm, sprach jetzt leise.
„Du solltest dir nicht anmerken lassen, warum du hier bist. Ich denke mal, das es auch in Spanien nicht gerne gesehen wird, wenn...du weißt schon. Hier ist das nicht anders. Doch wenn wir jetzt gehen, dann komm etwas später an die Ecke. Ich warte dort. Es wäre zu offensichtlich, wenn wir jetzt zusammen gehen würden. Du verstehst das bestimmt."
Merlin nickte. Oh ja, wenn es niemand verstand, er schon. Er hatte sich sein Leben lang verstecken müssen, was das anging. Vor allem in seiner Gesellschaft. Doch Chris hatte recht, außerhalb war es nicht besser. Menschen, die sich mit Gleichgeschlechtlichen einließen, waren verachtet. In manchen Ländern sogar verboten. Obwohl es wie hier einige Orte gab, wo sie sich trafen, war es doch so offensichtlich, das sie es doch im Verborgenen taten.
Ob es jemals eine Zeit gab, in der sie sich ganz öffentlich zeigen oder zusammen sein konnten. Merlin wusste es nicht, doch da er ja jetzt unsterblich war, hatte er gute Voraussetzungen, das jemals festzustellen. Der Gedanke, das er sich in irgendeiner Zukunft nicht mehr zu verstecken bräuchte, zumindest was seine Sexualität anging, hatte etwas Verlockendes.
Chris bezahlte und ging, während Merlin sich noch einen Brandy bestellte. Also war es nicht nur in Spanien so. Auch hier taten sie es mehr im Verborgenen. Er wägte das für und wieder ab, Chris dort an der Ecke zu treffen. Arthur kam ihm wieder in den Sinn. Bilder von ihm und Sethos geisterten durch seinen Kopf. Er trank leer und bezahlte. Scheiß drauf. Warum sollte er sich nicht auch amüsieren, der verdammte Vampir tat es mit Sicherheit auch. Chris wartete auf ihn und lächelte.
„Schön, das du kommst. Es ist nicht weit, nur zwei Straßen weiter. Du wirst es nicht bereuen. Gehen wir?"
Als Merlin keine Antwort gab, trat Chris einen Schritt auf ihn zu. Er wirkte ernst und aufrichtig.
„Du bist dir nicht sicher, nicht wahr? Ich weiß ja nicht, warum du zögerst, aber ich möchte dir hier nicht den Eindruck vermitteln, dich dazu zu überreden. Wenn du nicht willst, ist es auch gut", er lächelte „Doch ich würde es bedauern."
Merlin sah ihn einen Augenblick an, dann lächelte er.
„Du hast recht; ich würde es auch bedauern. Hast du Brandy zu Hause?"
„Sicher."
„Dann lass uns gehen", sagte Merlin.
Irgendwann im Morgengrauen kam Merlin zurück zum Haus. Es war still, alle schliefen noch. Leise ging er die Treppe hoch und lächelte. Chris hatte sich gewundert, das sein Spiegel gesprungen war. Merlin wusste, das er das gewesen war. Und bereut hatte er das wirklich nicht. Chris war ein aufmerksamer, liebevoller Liebhaber gewesen und sie hatten viel gelacht und sich natürlich bestens amüsiert. Und er wusste jetzt, wie sehr er das vermisst hatte. Und die Angst, das etwas passierte, was seine Magie angeht, war er auch beruhigt. Außer einem Spiegel gab es keinen weiteren Schaden. Mehr war nicht passiert. Zum Glück. Serena hatte recht gehabt, er fühlte sich ruhiger, ausgeglichener und befriedigt.
Gutgelaunt legte er sich in sein Bett. Er würde in Zukunft nicht mehr lange überlegen. Er war frei, ein Hexer und unabhängig. Er würde keinen Gedanken mehr daran verschwenden, einen gewissen Vampir zu hintergehen. Das war idiotisch, so zu denken. Zumal er wusste, das Arthur da keine Skrupel hatte. Wahrscheinlich würde er ihn nie mehr wiedersehen. Die Welt war groß und ab jetzt sein ganz persöhnlicher Spielplatz und das über Generationen.
Ein neuer Lebensabschnitt begann hier und er würde alles alte zurücklassen.
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Noel betrat die Taverne und schaute sich um. Es war ein Wochentag und es war nicht viel los. Ein paar Gäste saßen an den Tischen, auch draußen einige. Heute gab es keine Musik. Noel entdeckte an dem hinteren Tisch etwas abseits Arthur. Zwei Männer und eine Frau saßen bei ihm und unterhielten sich mit ihm. Es stand außer Zweifel, das sie sehr viel Interesse an Arthur hatten. Als Arthur ihn sah, sagte er etwas zu den Menschen am Tisch und stand auf. Noel drehte sich um und trank seinen Wein. Der blonde Vampir trat neben ihn und bestellte sich einen Bourbon.
„Heute alleine hier?", fragte er Noel.
„Warum nicht?", antwortete er mit einer Gegenfrage, ohne Arthur anzusehen.
„Nun, ich dachte, da du und Lance nun ein Paar sind, das..."
Noel sah ihn an.
„Das sind wir nicht. Wie kommst du zu der Annahme, das wir zusammen sind?"
Arthur sah ihn verwundert an.
„Seid ihr nicht? Ich dachte, da du öfter mit ihm das Bett teilst, das du..."
Noel machte ein erstauntes Gesicht, sagte spöttisch.
„Oh, seit wann drückst du dich so gewählt aus?"
Arthur schaute ihn etwas grimmig an.
„Scheiße, Noel. Na gut, wie du willst. Dann Klartext. Du fickst ihn öfter, da ging ich von der Tatsache aus, das ihr zusammen seid. Und behandle mich nicht so von oben herab. Ich habe dir nichts getan."
Noel nickte.
„Ja, gut. Entschuldige, war nicht so gemeint. Und nein, wir sind kein Paar. Wir haben ein lockeres Verhältnis. Keine Verpflichtungen."
„Okay. Dann lag ich eben falsch. Kann passieren."
Noel sah ihn an.
„Was ist mit dir?", fragte er und sah zu dem Tisch „Sitzt dort hinten am Tisch eines deiner potenziellen Opfer für heute Nacht?"
„Vielleicht, ich konnte mich noch nicht entscheiden."
Noel lachte leise.
„Und warum stehst du dann bei mir? Sag mir jetzt nicht, das du etwas mit mir vor hast. Das du dich heute Nacht dazu entschließt, es mal mit einem von deiner Sorte zu tun?"
„Und wenn es so wäre?"
„Dann würde ich sagen, scher dich zum Teufel", antwortete Noel.
„Und warum? Du bist Lance nicht verpflichtet."
Noel lachte wieder. Es klang spöttisch.
„Nein, aber dir auch nicht. Du bist mein Meister und ich habe dir zu folgen. Das schließt aber nicht ein, das du über meinen Körper verfügen kannst, zumal ich davon ausgehe, das du Lance eins auswischen willst, wenn du mich anbaggerst. Vergebliche Liebesmüh, Arthur. Ich möchte nicht auf deiner Strichliste von Eroberungen landen, die deine Eskapaden überlebt haben."
Arthur lachte.
„Okay, klare Worte. Aber ich hatte das eigentlich nicht vor."
„Ach wirklich?"
„Ja, wirklich. Ich wollte nur mal sehen, wie du reagierst."
„Sehr lustig. Und zufrieden mit meiner Reaktion?", fragte Noel „Obwohl, das hättest du dir denken können, oder?"
Arthur gab keine Antwort und bestellte ihnen beiden noch etwas zu trinken. Nach einer Weile sagte er.
„Wie geht es Lance?"
Noel sah ihn wieder an.
„ Traurig, das du das fragst, wenn man bedenkt, das ihr im gleichen Haus wohnt, nur ein paar Türen voneinander getrennt. Aber auf deine Frage zurückzukommen...Wie wohl, Arthur? Er macht sich Sorgen um dich. Du solltest wirklich mit ihm reden, wenn möglich ohne das du ihn bedrängst oder es wieder im Streit ausartet. Was denkst du, warum er noch hier in Wien ist? Weil es hier so toll ist? Lance hätte jederzeit gehen können, nachdem du hier so eine Nummer abgezogen hast. Er ist nur wegen dir hier, trotz allem. Trotz allem. Und wenn du mich fragst, hat er das nicht verdient. Er mag seine Fehler haben, doch das hier hat er nicht verdient."
„Ist er noch sauer wegen Maria?", fragte Arthur.
„Sauer ist wohl das falsche Wort. Er leidet unter dem Verlust wie du auch, doch er verarbeitet das zivilisierter, zumindest ohne jede Menge von Leichen."
„Dafür nimmt er dich mit in sein Bett. Auch ein untypisches Verhalten von ihm", argumentierte Arthur „Zumal er nicht auf Männer steht."
Noel schüttelte den Kopf.
„Scheinbar kennst du ihn nicht wirklich, Arthur. Warum sollte er nicht auf Männer stehen? Dann würde er sich nicht darauf einlassen. Wie du schon bemerkt hast, tut er nichts, was er nicht wirklich will. Und glaube mir, er weiß genau, was er tut. Das ist keine Verzweiflungstat, so wie du es tust. Lance mag Männer in seinem Bett, er zieht eben Frauen vor, so wie du Männer. Du schläfst ja auch mit Frauen, also? Trotz allem ist er allein. Und er könnte seinen besten Freund gut gebrauchen. Vielleicht mag es ja so gekommen sein, wie es jetzt ist. Niemand kann die Zukunft vorherbestimmen. Doch Arthur, verliere nicht deswegen deinen besten Freund."
„Er wird mich zum Teufel jagen, wenn ich bei ihm auftauche."
„Das denke ich nicht", antwortete Noel „Wenn er so denken würde, wäre er schon längst gegangen. Natürlich, wenn du wieder mit dem Scheiß kommst, ihn ins Bett zu bekommen, dann wird das nicht funktionieren. Versuche normal mit ihm zu reden, so wie früher. Behandle ihn als deinen Freund und nicht als möglichen Partner für die nächste Nacht."
Noel sprach eindringlicher.
„Arthur, du brauchst und vermisst ihn auch. Du musst nur mit ihm reden, er wird dich anhören."
„Denkst du?"
„Nein, ich weiß es. Und versuche deinen Lebensstil etwas zu ändern. Niemand sagt etwas, wenn du jemanden mitbringst. Selbst wenn du sie nicht am Leben lässt. Doch jede Nacht diese Leichen; selbst für einen Vampir übertreibst du es wirklich. Lass das dir von einem Freund sagen, denn das bin ich. Bin ich immer gewesen. Du hast mich aufgenommen und ich bin sehr dankbar, das ich weiß, wo ich hingehöre."
Er lachte ungläubig.
„Siehst du es denn nicht, Arthur? Egal was du tust, deine Freunde stehen dir zur Seite. Es mag sein, das sie dich verurteilen, doch sie halten dir die Treue. Wer kann das schon von sich behaupten? Du weißt nicht, was du eigentlich hast. Verliere das nicht auch noch, denn dann...dann bist du ganz allein. Und ich weiß von was ich rede und du willst das nicht sein, glaube mir. Du bist wirklich reich, nicht an materiellen Dingen. Du hast Freunde, wirkliche Freunde. Verliere sie nicht auch noch."
Noel trank aus und verließ die Taverne und ließ einen nachdenklichen Arthur zurück. Und nach all der Zeit, nach all den Nächten, in denen Arthur nie allein nach Hause kam...
Ging er etwas später ohne Begleitung nach Hause. Das erste Mal nach Monaten.
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Dunkles Schicksal
FantasiaNach dem Tod seiner Eltern, die von Vampiren getötet wurden, wird der junge spanische Graf Merlin del la Vega zum Jäger. Sein Hauptmerkmal ist ein vermögender, hoch angesehener Vampir, den er für den Mörder seiner Eltern hält. Erbittert jagt er ihn...