Back to Life at least

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Ich spürte Hyunjins Blick auf mir, bevor ich mein Bewusstsein wieder erlangte. Er besaß diesen Blick, der einen bis ans Ende der Welt verfolgte. Vor allem wenn er unzufrieden oder wütend war.
Ich versuchte meinen Atem ruhig und gleichmäßig zu behalten, um nicht zu früh zu verraten, dass ich wieder unter den lebenden weilte.
„Wenn sie darüber nachdenkt, jemals nochmal bei einem Motorradrennen mitzumachen, ermutigst du sie nicht noch dazu, sondern gibst mir sofort Bescheid." hallte Hyunjins Stimme durch das Zimmer. Wenn er wütend war, hatte er diesen unheimlichen Klang. Er sprach in einem Flüsterton, doch immer noch so laut und mit einer Betonung das man jedes Wort gestochen scharf verstand.
„Ich habe gar nichts." Wehrte Bang Chan ruhig ab. „Es war alles ihre Entscheidung. Sie hätte mich nicht in Ruhe gelassen, bis ich eingeknickt wäre und das wissen wir beide, Hyun."
Hyunjin knirschte mir den Zähnen. Da seine Wolke der Wut von mir abwimmelte, widmete er jetzt höchstwahrscheinlich Chan seinen todesblick.
„Du hast sie gegen Seonghwa fahren lassen!" seine Stimme wurde zu einem zischen, heimtückischer als das jeder Schlange. „Er hätte sie fast umgebracht!"
Ein Stuhl wurde über den Boden gezogen.
„Diesen Freaks ist es verboten Rennen zu fahren. Wir sollten ihn melden, sie alle!"
Ruhe folgte.
Dass Chan mit im Zimmer war, bedeutete immerhin, dass Hyunjin mich nicht sofort umbrachte, sobald ich die Augen öffnen würde.
„Ich konnte nicht wissen, dass einer von denen da aufkreuzen würde. Die Namen wurden bis gestern Nachmittag geheim gehalten." Chans Gelassenheit mischte sich mit Hyunjins funkensprühender Tonlage. „Und selbst als du es wusstest, hast du es nicht für nötig gehalten mich..." Chan unterbrach ihn. „Er ist unter seinem Decknamen gefahren."
Schritte tappten über den Boden.
„Hyunjin, sie lebt. Lass den Rest nicht deine Sorge sein. Es war ein offenes Rennen, weder Cheonsa noch Seonghwa ist es verboten gewesen teilzunehmen."
„Sie hat es für dich getan, für euch beide. Bei dem Job wäre eine Menge Geld geflossen."
„Das Geld ist mir scheißegal, wenn es beinahe ihr Leben gekostet hat!" Hyunjins Stimme wurde lauter.
„Das hat es aber nicht." Mischte ich mich ein und öffnete mit flatternden Lidern die Augen.
Das Erste, das ich sah, waren in der Tat Bang Chan und Hyunjin.
Letzterer türmte sich über Chan auf, kurz davor ihn gegen die Wand zu schmettern und zu erwürgen.
Als Hyunjin meine Stimme wahrnahm verblasste alle Anspannung und Brutalität aus seiner Geste und er stolperte zu mir ans Bett.
„Hat er dich angerührt? Vergewaltigt? Schlimmeres?" Hyunjins Augen wurden glasig, als er meinen Blick fand. Sein Gesicht sah dem eines Geistes gleich. Blass, traurig und auf eine verstörende Art wunderschön.
Ich schüttelte den Kopf und hielt seinem Blick bestätigend stand.
„Seonghwa hat uns erzählt was passiert ist, nach dem du vom Motorrad gefallen bist." Chan hatte die Hände hinter dem Rücken versteckt, sein Gesicht verriet keine einzige Emotion. Ganz der Anführer, blieb er sachlich, zuvor im Konflikt mit Hyunjin, so wie auch jetzt.
„Er hat mich aus dem Wald geholt dann bin ich im Auto eingeschlafen. Er hat mich nicht angerührt."
Ich sah an mir herunter. Mein Arm ruhte in einem schwarzen Gips auf meinem Bauch. Mein Körper befand sich in einem Krankenhausbett unter einer dicken und fluffigen Decke.
Im Augenwinkel sah ich Chan nicken. „Genau das hat er mir auch erzählt." Stimmte er zu.
„Er kann sie unter Drogen gesetzt haben." Hyunjin griff nach meiner freien Hand. Ich drückte sie fest.
„Hyunjin schluss jetzt. Dank dir muss ich schon genug ausbaden." Drohte Chan.
Im selben Moment flog die Tür auf und Han sprang ins Zimmer.
„Oh Cheonsa ist wach!" stellte er mit einem aufgeregtem glitzern in seine Augen fest.
Ich schenkte ihm mein bestes ‚Ich bin grade von den Toten zurückgekehrt' Lächeln, dass ich herauskramen konnte.
„Scheiße Cheonsa, du hättest sehen müssen, wie Hyunjin Seongwa die Knarre an den Kopf gehalten hat, als er mit dir ausgestiegen ist." Changbin sprang hinter Han her. „Ich dachte echt er drückt ab! Als der dann noch meinte, dass du ihm gesagt hast er soll nach Hyun fragen, habe ich seinen Finger schon zucken sehen." Changbin formte seine Hand zu einer Pistole und tat so, als würde er auf Han schießen, der so tat als würde er getroffen werden und zu Boden gehen.
Ich kicherte, während Hyun wirklich danach aussah, die beiden abzuknallen und Chan sich schwer atmend den Kopf hielt.
„Schaltet doch bitte einen Gang runter, Cheonsa ist grade wach geworden." Minho folgte den beiden und schallte sie einem ernsten Blick konnte diesen aber auch nicht lange aufrecht halten, als er mich sah.
„Herrgott Mädchen was machst du?" stellte er mich bekümmert zur Rede und setzte sich neben Hyunjin an mein Bett.
„Versuchen nicht zu sterben." Konterte ich grinsend und hielt meinen eingegipsten Arm hoch.
Han, Changbin und Minho lachten. Hyunjin und Chan sahen mich mahnend an. „Darüber macht man keine witzle, du hättest draufgehen können." Hyunjin ließ meine Hand los und fuhr sich durch seine langen schwarzen Haare. So zerzaust wie sie aussahen, musste er das in den letzten Stunden oft gemacht haben.
Dunkle Ringe zierten sich unter seinen Augen, seine Augen drohten jede Sekunde zuzufallen.
„Mensch Hyun. Sei doch nicht immer so verklemmt..." forderte Changbin ihn auf.
„Ich werde dir gleich verklemmt, wenn ich dir deine Eier..."
„LALALALA" machte Han ganz laut wie ein kleines Kind, was Chan nur noch mehr im Boden versinken ließ.
„Ihr spinnt doch alle." Schnaubte Hyunjin kopfschüttelnd. „Wie eine Spinne." Strahlte Changbin.
„Wie auch immer. Cheonsa. Ich glaube so sehr wir uns alle..." Minho wurde unterbrochen.
„BROWNIES!" Die letzten drei der Bande stürmten in mein Zimmer. Felix mit seiner
Zartbitterschokoladenstimme voran, in seinen Händen eine riesige Backform, die den ganzen Raum in derselben Sekunde mit ihrem Duft einnahm.
Auf Felix folgten Seungmin und Jeongin, die sich, ohne groß nachzudenken, auf das folierte leere Krankenbett neben meinen schmissen. „Verdammt, wenn du das nächste Mal an 'nem Rennen teilnimmst, gib mir Bescheid, dann ziehen wir alle ab!" verlangte Jeongin von mir und nickte mir begrüßend zu. „Ein nächstes Mal wird es erstmal nicht geben." Ich wank mit meinem Arm.
„Es gibt keine Drogen, die den Schmerz nicht auch betäuben können."
Jetzt sah es danach aus, dass Chan und Hyunjin Seungmin an die Gurgel gehen wollten.
„Jedenfalls...!" versuchte Minho seinen Faden wieder aufzugreifen, während Felix seine legendären Brownies auf den Tisch im Zimmer bugsierte.
„Ich glaube wir sind alle froh, dass dir nichts Schlimmes passiert ist, Cheonsa." Erhob er seine Stimme feierlich.
„Aber dennoch..." änderte er plötzlich seine Tonlage.
„Hätte es alles anders ausgehen können, dieser Seonghwa hätte mich kalt machen können und anstatt Brownies wären es sonst Blumen für meine Beerdigung gewesen." Vervollständigte ich seine Predigt augenrollend.
„Warte der Seonghwa?" Felix große runde Augen starrten erschrocken zwischen Chan und Minho und mir hin und her.
„Der einzig wahre." Bestätigte Changbin aus voller Inbrunst. Felix schluckte, während Chans Blick nachdenklich an die Decke ging. Hyunjin neben mir rückte näher an mich heran. Seungmin und Jeongin starrten auf den Boden und Han's sonst unergründliche gute Laune wich aus seinem strahlenden Blick.
Eine schreckliche Ruhe brach auf einmal im Zimmer aus.
Ich nutzte sie ablenkend, um aus dem Fenster zu sehen. Draußen schien die Sonne. Aus meinem Krankenhauszimmer hatte ich einen perfekten Blick auf das Meer von Busan.
War ich die Einzige, die noch nie von diesem Seonghwa gehört hat?
Das Hyunjin seine Knarre gegenüber jedem Mann aus unserer Liga zog, der mir zu nahe kam, das war mir nichts neues. Aber dass er laut Han und Changbin wirklich abgedrückt hätte, wirkte falsch. Hyunjin, wider seinem Sein, verachtete Gewalt, wenn sie nicht sein musste.
„Wer ist dieser Seonghwa?" stellte ich in den Raum und sah alle acht anwesenden Männer nacheinander an.
Hyunjin als ersten, Chan als letzten.
Er hatte sich inzwischen die hinterste Ecke des Zimmers verdrückt und sah nun grübelnd auf den Boden.
„Han?" forderte ich Han auf zu reden.
Seine treudoofen Augen sahen in meine, sein Mund öffnete sich, nur damit er dann zu Chan sah, der mit dem Kopf schüttelte. Han presste die Lippen zusammen und blickte betreten zu Boden.
„Bangie?" ich schielte zu ihm.
Felix, Jeongin, Seungmin und Changbin drucksten.
Chan verzog mürrisch das Gesicht.
„Hyun?" ich sah hilfesuchend zu ihm, doch er hatte seinen Blick von mir abgewandt.
„Seonghwa ist jemand, der kein gutes Zeichen bedeutet, wenn er sich in der Öffentlichkeit zeigt." Verriet mir Minho und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
„Er und seine Leute tauchen nie unter einem guten Stern auf. Sie bewegen sich tief im Untergrund der Organisation."
Er suchte meinen Blick und besah mich eindringlich. „Das du noch am Leben bist grenzt in der Tat an ein Wunder. Hyunjin hat alles Recht der Welt, außer sich zu sein."
Minho deutete mit seinem Kinn auf meinen ältesten Freund neben mir.
„Seonghwa gehört den Guerilla an." Seufzte Chan. „Einer Gruppe der Organisation die unter Verschluss gehalten wird, aus gutem Grund." Er kratzte sich an der Nase und wechselte von einem Bein aufs andere.
„Sie sind für einen Großteil der Entführungen innerhalb und außerhalb der Organisation zuständig. Nur selten überlebt jemand eine eins zu eins Begegnung mit ihnen." Han's Augen flatterten zu mir. „Du musst Seonghwa an einem echt guten Tag erwischt haben." Flüsterte er bedenklich.
„Aber wie kommt es, dass ihr alle seinen Namen kennt und wer er ist, aber ich nicht?" harkte ich spöttisch nach.
„Weil wir alle das ein oder andere Mal von denen ganz oben angeworben wurden Teil einer Guerilla Auswahlprüfung zu werden." Murmelte Hyunjin neben mir.
„Selbst wenn du sie ablehnst, bist du gezwungen anwesend zu sein. Was sie da machen, geht gegen jede Moral, die uns noch bleibt."
„Als Guerilla bist du gezwungen jegliche Menschlichkeit abzuschalten, über die du noch verfügst. Die meisten von ihnen wurden in ihren Camps so erzogen und herangezüchtet. Andere bekommen wie wir das Angebot uns anzuschließen." Erklärte Han, der seinen Sonnenschein immer noch im Regen suchte.
„Hyunjin hat recht, deren Aufnahmeprüfung übersteigt alles, was wir durchmachen mussten. Ein Haufen Soziopathen und Psychopathen werden in ein Labyrinth geworfen, mit ihnen unschuldige, Kinder, Frauen, Männer. Das Verfahren ähnelt dem einer Purge. Wer innerhalb der vorgegebenen Zeit am grausamsten und ungeschöntesten ist, wird aufgenommen. Alle anderen Teilnehmer werden genauso grausam von den Anwärtern hingerichtet."
Bei dem Gedanken einen meiner engsten Freunde in so einer Prüfung zu verlieren, drehte sich mir der Magen um.
„Genug schwarzgemalt, wir essen jetzt alle erstmal einen Brownie und bekommen bessere Laune." Felix riss sich als erstes aus der Stille und friemelte an seiner Backform herum. Nacheinander, angefangen mit mir, endend mit sich selbst, verteilte er sein Gebäck im Zimmer. Jeongin und Seungmin regten sich künstlich darüber auf, wie unfreundlich die diensthabende Krankenschwester war, da sie Felix nicht mit den Brownies auf die Station lassen wollte. Han und ich stiegen ein, wie sie sicherlich nur keinen guten Tag hatte, während Changbin mit der Tür ins Haus fiel und behauptete der Chefarzt habe sie in der Nachtschicht einfach nur nicht zu hart rangenommen. Hyunjin hatte zur Ausnahme keinen seiner mörderischen Blicke, sondern knabberte im friedlichen Schweigen seinen Brownie. Minho gab sein bestes um Felix klar zu machen, dass nicht er die Schuld dafür trug, das die Krankenschwester keine Ahnung von gutem Essen habe.
Chan stand wie üblich an der Seite und beobachtete uns nacheinander.
Als er zu mir blickte verriet mit der trübe Schleier in seinen sonst so berechnenden Augen, dass das letzte Rennen mit Seonghwa noch lange nicht gefahren war.

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