Minho tauchte als erster auf, nachdem ich aufgewachte. Er stellte sicher, dass es mir gut ging. Nüchtern, ganz weit entfernt von der rohen Wut die er Jeongin und Seungmin entgegen schmetterte.
Han trug ihm zu, was Seungmin versuchte, kurz bevor ich die Nerven verlor.
Nachdem das geklärt war, stellte er mit die gleichen Fragen vom Vortag. Was ich zu dem Tod des Lieferanten zu sagen hatte, was ich mit Seonghwa in Tokyo suchte. Ob und was mir der Name Lee Chaerin sagte.
„Meine beste Freundin heißt Chaerim, ich glaube ihr verwechselt da jemanden." Schien laut Minho nicht die richtige Aussage zu sein.
Es stresste ihn, dass ich ihn an der Nase herumführte, dass ich auf einmal abweichende Antworten vom Vortag aufbrachte, ihm Gegenfragen stellte.
„Wieso hast du Felix und Hyunjin von damals erzählt?" war meine Antwort auf „Was hattest du mit Chaerin in Japan zu tun?"
Minho nachzugeben wäre für mich förderlicher gewesen, aber ich wollte sehen, wie weit ich ihn pushen konnte, bis er mit mir die Fassung verlor. Das passierte immer nur wenn mir etwas widerfuhr, nie wenn ich es ihm gegenüber drauf anlegte.
Mir gegenüber, noch mehr gegenüber Han, blieb er die Ruhe in Person.
„Cheonsa, so kommen wir nicht weiter." Seufzte er und fuhr sich durch die Haare. „Du kannst dich nicht ewig zwischen Gegenfragen und losen Antworten winden."
Ich lachte auf und verzog unter den Schmerzen in meinem Hals mein Gesicht.
„Aber du dich zwischen Han's Beinen?" schoss es aus der Pistole aus mir heraus.
„Meine Privaten..."
„Belange haben mich nicht zu interessieren." Zitierte ich den Satz den er in den letzten Stunden immer wieder brachte, sobald ich Han ins Spiel brachte.
„Dann haben dich meine mit Seonghwa nicht zu Interessieren. Er ist seinem Job nachgegangen und dafür wird er nicht belangt." Machte ich Minho klar.
Er knirschte mit den Zähnen. „Ich habe nicht gesagt, dass er dafür belangt wird."
„Wurde er das nicht schon?" führte ich Minho in die Ecke. „Du hast ihn mit Chans Psychos allein gelassen."
Er sog die Luft ein und lief eine weitere Runde durch mein Zimmer. „Ich habe ihnen in keiner Weise gesagt, dass sie ihm oder dir körperlichen Schaden..."
„Und dennoch haben sie es." Ich deutete auf meinen Hals, auf den Schmetterling auf meinem Hals, ausgemalt von blauen Handabdrücken, die ihm einen Hauch von Aquarellfarben verliehen.
„Die Guerillas haben nichts weiter gemacht, als ihrem Befehl Kai gegenüber auszuüben und du lässt sie bluten?"
Ich musste unter meinen Halsschmerzen Husten, doch war noch lange nicht fertig.
„Was würde Kai dazu sagen?" ich deutete auf meinen zerschnittenen Körper, die Überbleibsel von Jeongins Teaser.
„Willst du mir weismachen, er würde dir und Chan eine Medaille dafür aushändigen mich so zugerichtet zu haben."
Ich zeigte Minho die blauen Flecken an meinem Schlüsselbein, die mein hochgeschnittener Pullover verdeckte.
Minho sah schweigend aus dem Fenster und blieb eine Weile ruhig.
„Wir waren das nicht." Bemerkte er kühl.
„Nein, aber du hast ihnen die Anweisung gegeben mich auszuhorchen." Ich verengte die Augen und sprang vom Bett auf. Minho hob den Kopf und drehte ihn zurück zu mir.
„Ich habe ihnen nicht den Freibrief gegeben dich zu Foltern. Cheonsa ich... ich konnte nicht wissen das... sie wussten nicht, dass..." er rang nach Worten, doch fand sie nicht, hüllte sich stattdessen in Schweigen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Genau das ist der Punkt. Sie wissen gar nichts. Ihr alle wisst gar nichts von mir." Fauchte ich.
„Ihr glaubt zu wissen mich zu kennen, zieht Urteile über mich, Urteilt über mich, als wäre ich eine Schachfigur. Ihr hüllt mich in Watte, aber wisst ihr was? Ich brauch das alles nicht mehr."
Minho neigte den Kopf, als wäre es eine Einladung weiter zu reden.
„Ich bin dir Dankbar, dass du mir damals mein Leben gerettet hast. Ich bin Chan dankbar, mich zu den Strays geholt zu haben, Changbin dafür dass ich mich ausleben durfte, Han dafür, dass er immer positiv mit allem war, aber... das war einmal. Ich war einmal."
„Etwas in mir ist gestorben und neugeboren worden, nachdem Kai mir diesen Ring angesteckt hat, Minho." Führte ich ihm vor Augen und hielt meine linke Hand demonstrativ unter seine Nase.
„Ich werde nicht mehr von außen zusehen, was man mit mir macht. Ich werde mich von innen heraus wehren und zeigen, dass ich keine Puppe mehr bin. Ich stehe für mich selbst. Etwas, was ihr alle nicht verstehen wollt. Etwas das Hyunjin und Felix schon immer wussten und ihr alle unterdrückt habt." Ich hob den Kopf und hielt Minhos Blick stand.
„Wenn du für dich alleinstehst, wieso hast du dich dann bei den Guerilla so heimisch gefühlt?" Er zog die Augenbrauen hoch.
„Willst du mir den lieber nicht verraten, wieso du uns nie gesagt hast, dass du Teil der Guerilla warst?" konterte ich.
Ich wollte Minho auf seine Frage nicht antworten, wenn er mich eh nicht verstand.
„Meine Vergangenheit hat damit überhaupt nichts zu tun." Brummte Minho. „Sie tut überhaupt nichts zur Sache mit der Tatsache, dass du dich hinter ihren Wänden versteckt hast, wie ein kleines zickiges Kind."
Ich lächelte Müde und setzte mich wieder aufs Bett und entschied mich jedes weiter Wort von Minho zu ignorieren.
Er gab schnell auf gegen die Wand zu reden und verließ das Zimmer kurz danach wieder.
Genauso machte ich es mit Chan und Changbin, die mich nacheinander heimsuchten und mich ebenfalls zu den letzten Wochen befragten. Die gleichen Fragen wie Minho, nur auf einer emotionaleren Ebene.
Mir lagen unzählige Worte auf den Lippen, die ich ihnen entgegen bringen wollte. Aber ich bezweifelte ihre Gehirne würden so komplex verknüpft sein, um mich zu verstehen.
Han trottete am späten Nachmittag ein, um nach den Schnittwunden und Brandstellen zu schauen.
Er redete nicht mit mir. Eine willkommene Abwechslung zu den anderen dreien.
„Was siehst du in Minho, dass du dich entschieden hast mit ihm zusammen zu sein." Murmelte ich, bevor er aus der Tür verschwand.
Ich erwartete, dass er meinen Kommentar ignorierte und wortlos verschwand.
Han drehte sich zu mir um und schmunzelte, in seinen Augen ein pinkes glitzern.
„Er ist seltsam." Antwortete er mir nicht sonderlich aufschlussreich. „Das ist er, seit wir uns das erste Mal begegnet sind. Er hat mich mit einer Knarre am Kopf begrüßt." Auf seinem kindlichen Gesicht fand sich ein melancholisches Lächeln ein. „Minho steckt voller Gegensätze und Widerstände. Ich habe die Gabe durch sie durchzusehen und er umgekehrt durch meine." Han so erwachsen reden zu hören fühlte sich fremd in meinen Ohren an. Er führte sich immer auf wie ein zu großgeratener verzogener Schuljunge.
„Wir... ergänzen uns auf einer Ebene, die schwer zu erklären ist. Er versteht mich Blind. Wir denken füreinander mit, ohne dass der andere Bescheid weiß." Beschrieb Han.
„Dich hier zu halten ist seine bizarre Art dich zu beschützen. Du bist... Minho..." Han stammelte und suchte nach den richtigen Worten, die seine folgende Aussage nicht seltsam wirken ließen. „Für Minho bist du wie die kleine Schwester, die er nie hatte. Damals wie heute. Er tut sich schwer damit zu sehen, wie du dich veränderst."
Wenn Minho mich beschützen wollen würde, hätte er mich nie von den Guerilla entführt, er hätte mich in Tokyo einfach ignoriert und seinen Abend mit Han genossen.
Ich erinnerte mich nicht daran Geschwister zu haben. Aber ich würde meine kleine Schwester oder jemanden den ich als solche sah, nicht foltern lassen, nicht betäuben lassen und schon gar nicht so sehr in die Enge drängen, dass selbst die Hölle nun lukrativer schien, als noch länger hier zu bleiben.
„Er hätte mich mehr geschützt, wenn..."
Han seufzte. „Hätte er nicht. Kai ist hinter dir her. Er weiß, dass du von der Bildfläche verschwunden bist. Wenn er dich vor uns bei den Guerilla erwischt hätte..." Er formte mit den Händen die Geste einer Waffe und schoss in die Luft.
„Wir waren noch nett zu ihnen, im Gegensatz zu dem, was er ihnen angetan hätte." Flüsterte Han und lehnte sich gegen die Tür.
„Und was habt ihr jetzt vor? Nachdem ihr mich erfolgreich zurückbeschafft habt? Mich ihm auf dem Silbertablett servieren?" Ich zog eine Augenbraue hoch.
Er schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Wir warten bis er sein Interesse verloren hat und dann..."
„Minho hat gesagt er vermutet ich habe den Fahrer umgebracht. Du erzählst mir etwas komplett anderes." Stellte ich Han zur Rede und stellte mich auf.
Han spannte sich an, die lockere Haltung von eben ließ er fallen.
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God's Menu
FanfictionIch hörte das klicken einer Waffe und haschte mit meinem Blick zu Chan. Nicht nur mein Arsch ging mir plötzlich auf Grundeis, Chan wurde sichtlich unruhig und fuhr herum. Einer von Kai's Leibwächtern hielt ihm eine Pistole direkt an die Schläfe. Pa...