Rushed farewell

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Ich verließ das Hotel am Morgen, während Seonghwa schlief. Ich verbat es mir zu lange in seinen Armen zu dösen, ihn zu lange beim Schlafen zu beobachten. So vorsichtig wie möglich pellte ich mich aus seinem Griff und hielt bei jeder kleinen Bewegung seinerseits inne.
Leise zu sein stellte für mich keine Herausforderung dar. Es wurde mir anerzogen, machte es leichter meine Opfer ins Jenseits zu senden und mich aus Hotelzimmern zu schleichen.
Nicht das es mir leicht fiel Seonghwa, ohne ein verabschiedendes Wort zurückzulassen. Doch der schweigende Abschied machte es uns beiden leichter.
Ohne ein paar letzte Worte überließ ich ihn aber nicht ins ungewisse.
Ich suchte das Hotelzimmer nach Stift und Papier ab und fand welches in seiner Tasche.
In einer Mappe ruhte ein ganzer Block an schwarzem Papier. Jenes mit dem er mir immer seine kleinen Nachrichten zukommen ließ.
Mit einem Schmunzeln löste ich eines der Blätter und setzte mich an den Schreibtisch im Hotelzimmer.
Meine Augen flogen zu dem friedlich schlafendem Seonghwa. Die Decke hing über seiner Hüfte, enthüllte seinen Oberkörper. Auf den ersten Blick erschien er erstaunlich zierlich, seine Hüfte so schmal, dass fast schon ein wenig neidisch auf ihn war. Erst durch die Schatten, die das Sonnenlicht auf seinen Oberkörper warf, fiel auf... Seonghwa trainierte in der Tat sehr viel.
Seine Tattoos, nur von einigen kannte ich die Geschichte hinter ihnen, mein liebstes war die Sanduhr. Die Zeit mir mehr über die anderen zu erzählen, die war nun abgelaufen. Unsere Sanduhr glich der zersplitterten auf seinem Körper.
Ich musste mich zusammenzureißen die richtigen Worte für Seonghwa zu finden und nicht gleichzeitig wieder zu ihm zurück zu klettern. Er sah so friedlich und ungestört aus, wie er im Bett lag.
Der eine Arm, auf dem ich lag, noch ausgestreckt, sein Gesicht auf die Höhe gewandt, dass er mich direkt nach dem Aufwachen ansah.
ich schloss die Augen, schüttelte den Kopf und schrieb die nächsten Worte.
Der Stift glitt ohne Schwierigkeiten über das Papier, nur fiel es mir schwer meine Gefühle in Worte zu verpacken.
Liebe... ich liebte Seonghwa... ein Gefühl so befremdlich und gleichzeitig befreiend. So neu und doch bereits zerstört.
Ich blickte ein weiteres Mal zu ihm ins Bett herüber und hielt inne.
Bei unserer aller ersten Begegnung wollte er mich umbringen. Jetzt teilte ich ein Bett und Gefühle mit ihm, Geheimnisse, die uns beiden das Leben kosten konnten und die Last einander gehen lassen zu müssen.
Ich stibitzte mir ein zweites Blatt, ein drittes Blatt... hörte erst auf zu schreiben, als die weiße Tinte des Stifts ins Stocken geriet. Es gab noch so viel mehr zu sagen, doch ich sah dies als mein Zeichen einen Halt zu finden.
Jede Sekunde, die ich länger blieb, riskierte ich, dass Seonghwa aufwachte und mich davon abhielt zu gehen.
Ich platzierte den Brief neben ihm auf dem Bett, so dass er das erste war, dass er sah und nachdem er realiserte, dass ich fort war.
Bevor ich das Zimmer verließ, beging ich einen folgeschweren Fehler. Ich gab mir nach und fuhr durch seine Haare. Diese schwarzen, langen Haare, die immer so weich waren, so viel besser gepflegt als meine strohigen und sturen Locken.
Meine Hand strich über seine Wange, ich prägte mir das Gefühl seiner Haut auf meiner Hand ein, auf meinen Lippen, als ich zum finalen Abschied seine Wange küsste und aus dem Bett schlich, bevor er durch meine Geste aufwachte.
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, nahm mir meine Tasche und lief mit bleischweren Schritten zur Tür.
Mit letzter Kraft sog ich die Luft an und hielt sie an, während sich in meinem Hals von ganz unten ein Schluchzer anstaute. Ich wollte nicht gehen. Ich wollte nicht aus diesem Hotel gehen und mich in mein altes Leben stürzen.

In einem Ruck, so schnell wie ein Pflaster abzureißen, stürmte ich aus dem Zimmer und ließ die Tür leise ins Schloss fallen.
Dann erst ließ ich meinen Schluchzer raus und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür.
Ich rutschte an ihr herunter, verlor die Kraft in meinen Beinen und griff mir in die Haare, kratzte über meine Kopfhaut so sehr bis es wehtat und ich glaubte Blut an meinen Fingern zu spüren.
Meine Hände tasteten nach der Tasche, nach der kleinen Box mit dem Schlüssel.
Darauf der Code für meine Wohnung. Mein Safespace, wie Seonghwa umschrieb. Meine Höhle in der mich niemand fand. Ein Ort den ich für mich hatte. Das aller erste Mal, dass ich nicht teilen musste, wo ich lebte.
Ich nahm den Boden aus der Box heraus, darunter ein kleiner Zettel mit der Adresse und eine Zugangskarte.
„Danke." Flüsterte ich und wischte mir unelegant meine Nase an meinem Mantel ab.
„Danke für alles Hwa."
Ich nahm ein paar letzte feste Atemzüge und schob mich dann wieder auf die Beine.
Am ganzen Körper zitternd fand ich den Weg in den Aufzug und trat den Weg nach unten an.
Ich musterte mich im Spiegel.
Mein Make Up hing überall in meinem Gesicht, doch nicht da wo es hingehörte. Ich tastete nach meinen Lippen, glaubte fast noch Seonghwas schwach auf ihnen zu spüren. Irgendwo zwischen tröstenden berührungen und beruhigendem austauschen von Küssen, musste ich eingedöst sein.
Ich zuckte aus meinen Gedanken, als der Fahrstuhl aufsprang und zwei Personen in den Fahrstuhl eintraten.
„Wir müssen nach oben." Erklang die Stimme eines jungen Mädchens, nicht älter als vierzehn oder sechzehn.
Ich blickte zu den beiden. Es waren die zwei von gestern Abend, die ich in der Lobby beobachtete.
Ihre Mutter sah aus der näher noch gebrechlicher aus, als gestern in dem festlichen Kleid.
„Ich muss nach unten." Hauchte ich und drückte mich in die letzte Ecke des Fahrstuhls.
„Das ist nicht schlimm, wir haben Zeit." Die Mutter lächelte mir wärmstens zu und legte einen Arm um die Schulter ihrer Tochter.
Die beiden sahen sich sehr ähnlich. Dieselben weichen Gesichtszüge, volle dunkle und wunderschöne Haare.
„Ist den alles okay bei Ihnen?" fragte mich das Mädchen und ihre großen braunen Rehaugen füllten sich mit sorge.
Ich nickte. „Ja." Hauchte ich aus und schmierte mir ein Lächeln in den Mund.
Sie legte den Kopf schief. „So sehen Sie aber nicht aus." Stellte sie trotzig fest.
„Miyeon!" mahnte ihre Mutter in einem zischenden Ton und blickte sie aus zurechtweisenden Augen an.
Miyeon.
Mir drehte sich der Magen um. Ich fühlte mich plötzlich grün um die Nase.
Ich musste raus aus diesem Fahrstuhl.
„Hier." Miyeon, deren Züge sich nun zu einem seichten Lächeln verzogen, hielt mir eine Packung Taschentücher hin. „Die war eigentlich für meinen Bruder. Er weint immer, wenn wir uns sehen. Aber... ich glaube Sie brauchen Sie mehr."
Die Tränen in meinen Augen bahnten sich ihren Weg zurück. In meinem Hals formte sich ein Kloß.
Dieses Lächeln wie sich ihre Lippen zogen, sie ihre Zähne zeigte, die Augen so voll von Herz aufleuchteten.
Sie und Seonghwa teilten genau das gleiche Lächeln. Seine kleine Schwester war sein Ebenbild, sie war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.
Beide das Abbild ihrer Mutter, als ich zu ihr sah. Die Ähnlichkeit nun nicht mehr abzustreiten.
„Ich... ich bin mir sicher... dein Bruder... er braucht sie mehr als ich." Lehnte ich ihre zu freundliche Geste ab.
In ihren Blick kehrte Sorge zurück.
Mein Blick glitt zu der Anzeige mit den Etagen. Noch fünf Etagen bis in die Lobby.
Der Aufzug fühlte sich plötzlich noch enger an. Mein Puls so laut, dass ich glaubte er schrieb mir auf die Haut, was ich Miyeons Bruder eben antat, dass ich Seonghwas Familie eben, wie durch einen Fluch gegenüberstand.
Sie waren hier. Wohlmöglich um mich kennenzulernen. Jetzt verschwand ich ohne, dass sie je wussten, wer ihnen hier gegenüberstand.
„Dein Bruder... du siehst ihn nicht oft, oder?"
Miyeon schüttelte den Kopf. „Er... hat einen schwierigen Job. Aber er hat uns diese Reise hier zu Weihnachten geschenkt. Wir sind auf dem Weg zu ihm, weil wir ihn zum Frühstück abholen wollen."
Er hatte nicht mit einem Wort erwähnt, dass seine Mutter und seine Schwester sich unter demselben Dach aufhielten, wie wir.
Die munter-freche kleine Miyeon. Seine kleine Schwester, die unbedingt Tänzerin werden wollte.
„Er möchte uns jemanden Vorstellen, bestimmt seine Freundin, wenn Sie mich fragen... ich kann mir nicht vorstellen, dass diesen Idiot irgendjemand haben will."
„Miyeon, es reicht. Das interessiert die junge Dame überhaupt nicht." Seonghwas Mutter kniff Miyeon in die Schulter und entschuldigte sich im Namen ihrer Tochter.
Es interessierte mich in der Tat, was sie über Seonghwa dachte. Wie seine Schwester ihn wahrnahm. Wie die beiden miteinander in einem Raum interagierten.
Doch so wie die Tür zur Lobby aufsprang, nahm ich die Beine in die Hand und raste aus der Lobby, durch den ekeligen Schneeregen zu meinem Wagen in der letzten Parkreihe.
Ich schmiss die Tür zu und schrie, tobte, schlug gegen das Lenkrad, warf die Parkscheibe gegen das Fenster und schlug mit meinem Kopf gegen die Kopflehne, bis ich mir alles weh tat.
Seonghwa wollte mich seiner Familie vorstellen. Die Menschen in seinem Leben, die er über alles liebte, für die er dieses Leben auf sich nahm.
Ich fühlte mich miserabel, schrecklich, widerlich.
Als steuere mich jemand anderes bekam ich es hin den Wagen zu starten und vom Parkplatz zu fahren, doch nicht ohne einen letzten Blick auf den Eingang zu werfen.
Mein Herz brach und eine unbändige, wilde Menge an Menschen zertraten es im Gleichschritt.
Seonghwa, grade mal eine Hose an, drückte die Tür nach draußen auf, hinter ihm seine Mutter und Miyeon.
In seiner Hand mein Brief.
Er drückte ihn Miyeon in die Hand und sprintete Barfuß über den matschigen Boden des Parkplatz.
Ich machte, dass ich vom Parkplatz kam und sah zu wie Seonghwa, in sich zusammensackend und im eisigen Matsch kniend in meinem Rückspiegel immer kleiner wurde.
Ich kam erst wieder in die Macht meines eigenen Körpers, als ich den Weg zu dem Apartment fand, dass Seonghwa mir letzten Abend schenkte.
Es überblickte das Meer und war doch gleichzeitig am anderen Ende als die Wohnung in der ich mit Hyunjin hauste.
Sie war gemütlicher eingerichtet, kleiner. Kein Penthouse mit Glaswänden.
Ein wenig erinnerte sie mich an die von Han und Minho. Voll von Wärme und mit Liebe und sorgfalt eingerichtet.
Sie bestand aus zwei Badezimmern, drei Schlafzimmern, einer Wohnstube, einer Küche mit Essbereich und einem Balkon. Jedes Zimmer war eingerichtet in Pastelltönen und handausgewählter Dekoration.
Ich steuerte eines der Bäder an, durchkramte die Schränke und fand alles Lebensnotwendige. Handtücher, Make-Up in genau meinen Farbtönen.
Sogar darauf hatte Seonghwa seine Augen geworfen? Auf die Produkte, die ich nutzte?
Alles war für mich ausgelegt. Nirgendwo der Hauch, dass ich hier jemals eine weiter Person rein ließ, bis auf die mehreren Zimmer.
Ich stieg in die Dusche und blieb dort, so lange bis ich das Gefühl hatte das heiße Wasser verbrühte mich bis auf die Knochen, bis meine Tränen versiegten und ich die letzten Spuren von Seonghwa von mir wusch.
Nachdem ich fertig war, durchsuchte ich die Zimmer nach Kleidung. Ich fand nur Loungekleidung. Bequeme Jogginghosen und lockere Oberteile, Unterwäsche in meiner Größe. Keine Ausgehkleidung oder Waffen befanden sich in den Schränken des Masterbedrooms. Nichts das über meine blutige Herkunft vermuten ließ. Dieser Ort diente voll und ganz, dass ich für mich sein durfte.
In dem größeren der beiden Bäder befand sich eine kleine Sauna.
In der Stube lag ein Flyer mit den Angeboten des Hauses.
In der Tat verfügte ich über einen eigenen Poolbereich und einem eigenen Fitnessraum irgendwo auf dieser Etage.
Zutritt hatte ich ebenfalls mit der Karte aus der Box.
Eingehüllt in warmer Kleidung, pellte ich mein Handy hervor.
Kais Nummer tauchte unzählige Male auf, an Nachrichten sparte er ebenfalls nicht.
Hongjoon hatte mir eine Bestätigung zukommen lassen, dass mir ein komplett neuer Trupp Guerilla zugewiesen wird.
Ich wählte Suhos Nummer.
„Ich habe das Problem beseitigt, Suho. Du kannst die Waffen wegpacken." Präsentierte ich ihm.
„Das ging schnell." Bemerkte er nüchtern. Ich lachte auf.
„Wenn es mir um Menschen geht, die ich Liebe ist das so üblich." Ich blickte nach draußen und hörte ihn bitter auflachen. „Liebe ist ein großes Wort Cheonsa. Pflicht und Ehre sind dies ebenfalls."
„Kai zu heiraten hat mit keins von beidem zu tun. Das passiert nur des Geldes und seines Rufs wegen." Entgegnete ich ihm kühl.
„Für ihn nicht. Er wird sich gut um dich kümmern. Du wirst sehen, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist Seonghwa zu verschonen."
Ich wollte Suho die Selbstgefälligkeit aus dem Gesicht schlagen, bis er nicht mehr aufstand.
„Du hast mir doch keine andere Wahl gelassen, Suho."
Schweigen folgte.
„Ich wünsche mir wirklich das junge wilde Mädchen von früher zurück."
„Weil sie leichter zu manipulieren war?"
„Nein. Weil sie zu schätzen wusste, was es für sie bedeutete von dem Oberhaupt der Ssang Young Pa aufgenommen zu werden. Wir haben dich immer, wie eine von uns behandelt. Du warst unsere kleine Schwester."
Ich biss die Zähne zusammen, schloss die Augen und konnte die Wellen in der Ferne hören. Das Geräusch beruhigte mich ein wenig, dennoch hörte ich den Puls in meinen Ohren toben, wie einen Sturm.
„Ich war eure Waffe. Ihr habt mich nur so behandelt, weil ich euren Müll entsorgt habe."
Stille folgte.
„Die einzigen, die mich als Mensch sahen, waren Hyunjin, Felix, Chan, Han und Minho." Noch immer hielt Suho den Mund.
„Es tut mir leid, dass du dieser Annahme glauben schenkst, Cheonsa. Ich kann dir versichern, dass es nie so war. Ich hoffe du wirst deinem Schicksal nun endlich gebührenden Respekt zollen." Ohh und wie ich das werde...
Ich legte auf, sammelte mich kurz und rief anschließend Kai an, lud ihm zum Frühstück in die Stadt ein. Ich hatte so einiges mit ihm zu bereden.
So wie die Ssang Young Pa mich manipulierten, konnte ich den Spieß umdrehen. Doch diesmal würde ich meinen Müll entsorgen und am Ende auf ihre Gräber scheißen.

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