I just don't understand

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Seonghwa tauchte am Montag nicht in der Uni auf. Er meldete sich nicht bei mir und rief mich auch nicht an, um Bescheid zu geben, dass er mich allein ließ. Nicht das ich irgendeine Interaktion seiner Seite nach dem Wochenende erwartete.
Lediglich Hongjoon hatte meine Nummer in die Hände bekommen und verfluchte Seonghwa und mich dafür absolut nicht gemeinschaftsfähig zu sein.
Ich hatte seine Nachricht ignoriert, so wie die weiteren die folgten, ob es neue Informationen gab, was Kai mir im Vertrauen weitergab, ob ich von neuen Lieferungen erfuhr. Immerhin behielt er es bei, mir gegenüber professionell zu agieren. Ebenfalls entschuldigte er sich im Namen von Jongho für den Übergriff an Changbin vom Freitag.
Chaerim blieb der Uni ebenfalls fern.
Sie schrieb mir sie würde den Tag mit San verbringen und mich morgen über alles auf den neuesten Stand bringen. Aus dem Tag wurde die ganze Woche. Ein Update erhielt ich nicht.
Ich tat hellauf überrascht über die Wendung, als ich ihrer Nachricht antwortete.
Changbin blieb mein einziges Licht während der Uni. Er blieb den ganzen Tag über in meiner Frequenz und hielt mich über seinen Tagesablauf auf dem Laufenden.
Mir brannte es auf der Zunge ihm von dem Vorfall mit Minho und seinem Vater zu erzählen. Doch Minho würde mich ungeschönt kalt machen und Han dafür sorgen, dass mein Verschwinden von niemandem zu früh bemerkt wurde.
Die restlichen Ereignisse vom Wochenende hielt ich ebenfalls unter Verschluss. Wenn er erfuhr, dass ich Kai freiwillig an mich heranließ, dass ich seine Küsse an mir von Freitag auf bizarre Art genoss, brannte er durch. Ich brauchte niemanden der mir bestätigte, dass sich mein Hirn da auf einem schmalen Grat bewegte.
Han meldete sich Sonntagabend und wollte wissen, wie ich das Wochenende überstand. Minho und er hatten die Zeit gemeinsam verbracht. Auch entschuldigte er sich für seine Schimpftirade, die er mir entgegenschmetterte, als ich ihn über Seonghwas Nummer anrief. Wieso er Seonghwas Nummer besaß, die Frage ließ ich unausgesprochen im Raum hängen.
Tatsächlich blieb die ganze Woche ereignislos.
Ich setzte die außergewöhnlichen Vorlesungen aus und sorgte dafür in die für meinen Studiengang relevanten Kurse zu kommen. Mit ein wenig Hilfe von Felix, der nachvollzog, wie langweilig der Witz wurde immer in irgendwelchen unnötigen Kursen zu harzen.
Es brachte mich am aller wenigsten weiter.
Von Seonghwa hörte ich die ganze Woche nichts.
Chaerim hatte die Uni ebenfalls für sich abgeschrieben. Ich blieb als einzige übrig und zog allein durch die Gänge.
Da mein Motorrad wieder funktionierte, war ich nun auch nicht mehr auf Hyunjin als mein Taxiservice angewiesen. Er hatte einen neuen Job für sich an Land gezogen ein sehr bekanntes Bild als Fälschung in einen Kunstraubring zu geben. Felix war davon wenig begeistert, aber Hyunjin überredete ihn, dass es nicht das erste Mal sei bei so etwas mitgewirkt zu haben und erfolgreich gewesen zu sein.
Ich ging in der Woche das erste Mal seit dem Start des Semesters meinen Aufzeichnungen nach.
Nach den Vorlesungen blieb ich bis spät am Nachmittag in der Bibliothek und arbeitete nach, was ich zuvor in den relevanten Kursen verpasste.
Trotz dass ich immer etwas zu tun hatte oder mit Arbeit für die Uni oder in der Wohnung suchte, fühlte ich mich entspannt. Seit ich von der Reha aus Jeju zurückkam hatte ich Zeit zum Durchatmen, auch wenn die Kontakte zu den anderen Jungs abbrachen.
Zu Chan so oder so. Er hatte sich nach seiner Rettungsaktion von Freitag nicht mehr blicken lassen. Der Dämon in mir hätte gern gewusst, was er zu meinem Blutbad von jenem Abend zu sagen hatte.
Doch irgendwie begann ich ihn zu vermissen. Bis zu dem Rennen mit Seonghwa war er wie ein ständiger Wachhund. Bedacht uns alle in Sicherheit zu wissen und laut bellend, wenn uns jemand versuchte zu drohen. Innerhalb kürzester Zeit brach er unter Kais Herrschaft mehr als ich über Jahre.
Auch begann ich Seonghwa zu vermissen. Seine ständigen perversen Bemerkungen, die Versuche mich aus der Haut springen zu lassen oder einfach nur die unerwartet einfachen und freundlichen Gesten. Er war wie ein Schluckauf. Er nervte, wenn er anwesend war, doch man merkte sofort, wenn er nicht mehr vorhanden war, wartend darauf dass er wiederkam.
Ich erwischte mich während der Vorlesungen mehrmals, wie mein Zeigefinger über unseren Chat flog, mit dem Gedanken irgendetwas zu schreiben. Eine Entschuldigung, auch wenn ich nicht wusste wofür.
Seonghwa hatte sich seine vorschnelle Meinung über Kai zusammengereimt, er verwehrte mir Wissen über meine Leute, er baute auf diese Zusammenarbeit, darauf dass ich Kai nahe kam und tat dann auf eifersüchtiger Bursche weil es Momente gibt in denen Kai an seinen Menschenverstand appellierte?
Woher sich Seonghwa überhaupt das Recht nahm so etwas wie Eifersucht als Guerilla an sich heran zu lassen, das wollte ich gar nicht erst wissen.
Viel lieber wollte ich wissen, was er die Woche trieb. Wen er im Namen der Organisation umbrachte, ob es sich lohnte mich dafür in der Uni im Stich zu lassen.
Ich erwischte mich in der Mensa, wie ich immer wieder zur Schlange sah, hoffend, dass er oder Chaerim auftauchten und sich zu mir setzten.
Ich hoffte zu viel. Nichts der Gleichen geschah.
Als ich am Freitag mit dem Motorrad zur Wohnung zurückfuhr, spielte mein Unterbewusstsein mir einen Streich und lenkte mich in die Richtung der Halle.
Ich bemerkte meine Unvorsichtigkeit und führte mich zurück auf den richtigen Weg.
Besaß ich überhaupt das Recht sauer auf ihn zu sein, dass er sauer auf mich zu sprechen war?
Es wäre das Beste, dieses eigenartige und unausgesprochene Problem ein für alle Mal zu beheben. Mein Stolz besaß jedoch seinen Stolz und sah es nicht ein nachzugeben, wenn Seonghwa derjenige sein sollte, der sich professionell zu verhalten hatte. Er trug zu meinem Schutz bei. Sein Kindergarten gehabe ging gegen den Strich seines Jobs.
Das gleiche konnte ich auf der anderen Seite auch von Chan behaupten.
Ich rollte in die Tiefgarage des Wohnkomplexes und platzierte mein Motorrad in der Nähe von Hyunjins Maserati, der dunkel und elegant im düsigen Licht erglänzte.
Ich griff nach dem Funker in meiner Lederjacke, die die ich von Seonghwa bekommen hatte. Er hatte mir nie verraten, was dieses schwere Stück besonders machte, nur dass ich sie weitgehend an mir behalten sollte.
Im annähernden Winter gestaltete sich das schwer. Bald müsste ich sie gegen einen Mantel austauschen und am Haken hängen lassen.
„Ich bin auf dem Weg nach oben. Wenn ihr bis dahin nichts anhabt oder dabei seid mein Sofa zu vergewaltigen, schmeiß ich euch raus." Meldete ich mich bei Hyunjin an, als ich im Fahrstuhl die Etagen zur Wohnung hochfuhr.
„Ich sehe du hast aus den letzten Tagen gelernt." Erklang mein ältester Freund erheitert
Ich verzog anwidert das Gesicht, als ich vor meinen Augen sah, wie Felix Hyunjin über einen der Barhocker in der Küche drapiert hatte.
„In meinem Leben bin ich schon mit genug traumatisierten Bildern geplagt. Der Barhocker hätte am Mittwoch echt nicht sein müssen."
„Wir halten es kreativ Cheonie. Immer nur die gleichen drei Positionen nehmen den Reiz." Hörte ich Felix grinsen.
Ich griff mir in die Haare und schüttelte schnaufend den Kopf. „Erspart mir die Details."
Beide lachten.
Immerhin gestaltete sich ihr Zusammenleben als friedlich. Zu friedlich für die letzten Wochen.
„Übrigens hat Han Minho zu einem gemeinschaftlichen Filmabend im Katzenpalast genötigt." Informierte Felix über seine Frequenz in meinen Ohren. Hyunjin gab einen wenig begeisterten Laut von sich und nieste demonstrierend.
„Wie kommt das?" Ich stieg aus dem Fahrstuhl und lief über den Gang.
„Han vermisst uns alle und will, dass wir nach der ganzen Scheiße von letzter Woche alle miteinander Zeit verbringen."
Unweigerlich erinnerte ich mich an Han's Fluchtirade. Er war wie ein anderer Mensch gewesen.
Nicht selten hatte ich mich gefragt, welcher der beiden Fassaden die war, die er nicht aufsetzte.
„Kommt Chan auch?" fragte ich und tippte den Pin an der Tür ein.
Sie sprang auf und vorsichtshalber betrat ich die Wohnung mit Händen vor den Augen. Ich trat die Tür hinter mir zu und spähte durch meine Finger in die offene Einrichtung.
Hyunjin stand an der Staffelei an der Fensterwand. Felix zockte nebenbei auf dem Fernseher.
„Er hat nicht abgesagt, zugesagt aber auch nicht." Hörte ich seine Stimme in meinem Ohr und in meiner Wohnung unweit von mir entfernt.
Ich deaktivierte die Leitung, legte meinen Motoradhelm auf die Garderobe und streifte Jacke und Schuhe ab.
„Vermutlich wird er sich in sein Loch aus Selbstmitleid verkriechen, wie gewöhnlich." Brummte Hyunjin konzentriert und zog einen perfekt angelegten Pinselstrich auf seiner Leinwand.
„Oder in das Loch seiner Freundin." Scherzte Felix trocken.
Ich zog unerwartet die Augenbrauen hoch Hyunjin lachte nüchtern auf.
„Han und Minho und Filmabend, da waren wir stehen geblieben." Erinnerte ich die beiden.
„Han wollte sich bei dir melden, meinte, aber er gibt dir nach der Uni Bescheid. Er wollte dich nicht stören."
Eher wollte er nicht, dass ich den Vorfall vom Wochenende ihm gegenüber erwähnte.
„Ich bin dabei." Gab ich meine Zusage. Sehr zu Hyunjins missfallen.
„Wollt ihr beide mich verarschen?" nörgelte er in der Tonlage eines kleinen Kindes.
„Ich würde die anderen schon gerne mal wieder sehen. Wir haben uns seit einer Woche komplett aus dem Sinn verloren. Seungmin hat mir erzählt er bringt nen guten Horrorfilm mit."
Hyunjin warf Felix einen einschüchternden Seitenblick zu, der tippte unangerührt auf seinem Spielhebel herum.
„Aber die ganzen Katzen... und da sind überall Haare und es riecht nach Tierurin."
Der letzte Punkt war gelogen. Die Wohnung der beiden roch nach sauberer und immer frischer Luft.
Hyunjin nieste erneut, allein bei den Gedanken an die ganzen flauschigen Löwen.
Ich grinste in mich hinein, als ich meine Tasche von der Schulter nahm.
„Dann nimm deine verdammten Allergietropfen und höre auf zu jammern!" Felix legte seinen Controller aufgebracht zur Seite.
Da hatte er in der Tat recht.

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