Zwei Stunden später saßen Hyunjin und ich in unseren Bettdecken eingekuschelt und mit indischem Essen auf dem Sofa und sahen uns irgendeine Trash-Reality Show an.
„Manchmal würde ich ihn gerne umbringen." Brummte Hyunjin aus dem Nichts, als er sich einen Happen Naan in den Mund schob.
„Felix?" harkte ich erschüttert nach und spuckte beinahe meinen Orangensaft wieder aus, als er mich anblickte, als habe ich eben sein Lieblingskuscheltier missbraucht.
„Gott nein. Eher bringt er mich um. Aber das hat ganz andere...Was auch immer." Hyunjin starrte auf das Stück Brot in seinen Händen und bekam ganz rote Ohren.
„Ich meine Chan." Stellte Hyunjin richtig und riss nun frustriert an dem Naan herum.
Ich schob eine Gabel Curry in meinen Mund und nickte zustimmend. „Er ist anstrengend, seit ich Kai wieder an der Backe habe."
Hyunjin biss frustriert auf dem Brot herum. „Genau meine Worte zu Felix heute!" beteuerte er. Als er Felix Namen in dem Mund nahm zuckte er, als täte ihm etwas weh.
„Klar sind wir alle besorgt darum, inwiefern er in deinen Alltag eingreift. Aber dich einzukerkern..." Er überlegte, wie er sich am besten ausdrückte. „... Das ist keine gute Idee."
Hyunjin griff nach seinem Wein auf dem Tisch und nippte an dem Glas.
„Erklär ihm das mal." Seufzte ich und zog Hyunjin das Glas aus der Hand.
Ich stürzte die Hälfe des Weins herunter und stellte das Glas auf seinen Platz zurück.
„Hattest du nicht erstmal genug Alk für den Rest des Jahres?" neckte Hyunjin mich.
Ich schüttelte den Kopf. „Nie!"
Wir beide lachten.
„Ich kann dich Morgen in die Uni bringen, wenn du willst. Felix und ich wir..."
Hyunjin friemelte sein Brot auseinander und legte es zurück auf den Teller.
Ich ließ das vergewaltigte Brot aus den Augen und blickte zu ihm. „Ihr...?"
Hyunjin presste die Lippen aufeinander und entwich meinem Blick. „Wir... hatten wieder eines dieser Gespräche..."
Ich unterdrückte ein Seufzen und machte mich daran Hyunjin aufrichtig und mit vollster Aufmerksamkeit zuzuhören.
„Es fing damit an, dass er mir erzählt hat, wie du ihn auf die Intensivstation bekommen hast."
Felix hatte sich als Hyunjins Freund ausgegeben.
„Fee...Felix meinte was denn so schlimm daran wäre. Es... es würde sich ja nicht viel ändern." Stammelte Hyunjin und spielte mit dem Ende der Decke in seiner Hand.
Da besaß Felix nicht unrecht. Aber für beide glich das Thema feste Beziehung einem Pulverfass.
„Da hat er ja generell recht, aber was ist... was ist, wenn das alles nur eine Phase ist?"
Er richtete seinen Blick fragend an mich und sah mich aus großen Rehaugen an.
„Was ist, wenn dieses ganze hin und her aufhört, sobald wir uns wirklich fest binden? Es ist schön so wie es jetzt ist." Beharrte Hyunjin.
„Wir sehen uns sporadisch, wir... wir schlafen miteinander, weil uns danach ist und der Sex ist der..."
Ich fiel ihm ins Wort. „Ich verstehe, ich verstehe."
Hyunjin schmunzelte amüsiert.
„Wenn wir das alles fest machen, fühlt sich das vielleicht alles an wie ein Zwang. Ich will das nicht. Ich will ihn nicht sehen, weil ich muss. Ich will nicht mit ihm ins Bett springen, weil es jeder erwartet." Hyunjin ruderte mit seinen Armen herum und sprach immer und immer schneller.
„Hyunjin..."
„Außerdem ist dieses ganze Schwulsein oder Bisein in unserer Profession total verhasst. Wenn wir das alles in die Öffentlichkeit tragen, dann lassen sie uns nirgendwo mehr rein. Keine Casinos, keine Straßenrennen mehr, keine Clubs, die bringen uns um und ich will ihn doch nur beschützen..."
„Hyunjin!"
Er zuckte aus seinem Gedankenschwall heraus und sah mich verdutzt an, als habe er vergessen, dass ich ihm zuhörte.
„Hast du es ihm so erklärt?" stellte ich ihn zur Rede.
Hyunjin blinzelte überfordert und schüttelte den Kopf. „Ich habe etwas schreckliches gesagt und dann ist er einfach gegangen."
Hilflos blickte er zu mir.
Das im Fernseher grade ein amerikanisches Paar dabei war vor der Kamera hässlich herumzuknutschen entging ihm. Dabei hatte er zuvor noch darauf gepocht, dass die beiden sich hassen würden.
„Was hast du zu ihm gesagt?"
Ich nahm seine Hände in meine und drückte sie sanft.
Hyunjin brauchte einen Moment, um sich zu sammeln.
„Ich habe... ich habe gesagt, warum wir es denn nicht einfach so belassen können, wie bei dir und Changbin."
Ich fasste mir innerlich an den Kopf, aber Hyunjin holte Luft und setzte der ganzen Schiene noch einen obendrauf.
„und... und dann hab ich gesagt, dass... dass es das optimalste ist. Rein, raus, fertig, aus und dann so weiterleben, als wäre nichts weiter. Keine Zwänge, keine Bindung... nur... nur vögeln herummachen und Freunde sein."
Ich beäugte das Brot und überlegte Hyunjin damit so lange den Mund zu stopfen, bis er wieder klar dachte.
„Ich... ich habe mich sofort entschuldigt, aber... aber da war es schon zu spät."
Hyunjin sah auf unsere verschränkten Hände. „Ich habe ihn noch nie so wütend gesehen. Wenn ihn etwas stört und wir uns streiten, dann wird er nie laut. Das lässt seine Stimme nicht zu, sie bricht weg, wenn er zu laut ist." Hyunjin blickte ins Nichts und in seinen schrecklichen Nachmittag versunken. „Er hat gar nichts gesagt. Er ist einfach aufgestanden, hat seine Sachen zusammengesammelt und die Tür geschmissen. So laut wie er mich wohl gerne angeschrien hätte."
Hyunjin sah zur Wohnungstür und atmete tief durch.
„Du hast mächtig scheiße gebaut." Stieß ich und lehnte meinen Kopf gegen die Sofalehne. Hyunjin ahmte mich nach und schloss die Augen. „Ich weiß." Gestand er sich ein.
„Und dann stand Chan auf einmal vor der Tür und wollte wissen, wo du bist... Ich bin komplett ausgerastet." Er schlug die Augen wieder auf. Seine Hände hingen lose in meinen.
Ich massierte seine Handrücken sanft mit meinen Daumen.
„Fahr morgen zu ihm und rede mit ihm."
Hyunjin schüttelte den Kopf. „Ich kann ihm nicht in die Augen sehen. Nicht nach dem Spruch."
Seine Hände begannen zu zittern. „Dann fährst du morgen zu ihm, so wie ich in die Uni fahre, machst du hier los."
Er schüttelte erneut den Kopf. „Du... du hast sein Gesicht nicht gesehen, Cheonie..."
„Und wenn du dieses Problem nicht schleunigst aus der Welt schaffst, wirst du von ihm kein anderes mehr sehen."
Hyunjin lachte bitterlich auf. „Dann muss ich es wohl so hinnehmen."
„Ihr zwei frisst meine aller letzten Nerven." Seufzte ich und gähnte.
Als hätte ich nicht schon genug Probleme, vergriff Hyunjin sich seinem eigentlich fast schon Partner mächtig im Ton.
Wir alle wussten die Sache mit Changbin und mir spielte Welten entfernt von dem, was Felix und Hyunjin verband. Changbin und ich bildeten ab und an, heute seltener als damals, eine Zweckgemeinschaft. Bei Felix und Hyunjin war es weitaus mehr als das.
„Warst du heute wirklich mit Chaerim im Industriegebiet?" Hyunjin lenkte vom Thema ab und ich ließ ihn.
Ich schüttelte den Kopf.
Er nickte. „Wusste ich es doch." Murmelte er mit einem selbstgefälligen Lächeln. „Chaerim und du holt mich immer mit ins Boot, wenn ihr nach der Uni etwas unternimmt."
Weil sie auf Hyunjin bestand, als einziges Mitglied meines Lebens, dass ich an sie heranließ.
„Mit wem warst du dann dort?"
„Ich kann dich anlügen oder anschweigen, aber die Wahrheit bekommst du von mir nicht."
Hyunjin gähnte nun und löste seine Hände aus meinen, um einen Arm unter seinem Kopf auf der Sofalehne zu schieben.
„Dann sag nichts." Bestand er auf mein Schweigen. „Ich vertraue dir, Cheonsa. Weshalb auch immer du da warst, hatte sicherlich seine Gründe."
Die hatte es auf jeden Fall. Gründe, die in Zukunft für viele Veränderungen schuld werden.
„Genauso wie du deine anderen Geheimnisse... geheim ...hältst" Hyunjin blinzelte mich fast schon im Schlaf an und schob seinen anderen Arm ebenfalls unter seinen Kopf. Er kuschelte sich gegen die Lehne und seufzte.
„Wenn du irgendwann bereit bist über alles zu... zu reden. Über Kai, die Sache weshalb du Samstag rausmusstest..."
„Wende ich mich an dich." Ich tätschelte ihm die Schulter und wischte ihm die zerzausten blond-roten Strähnen aus dem Gesicht.
„Schlaf schön, Hyunie," ich beugte mich zu ihm und küsste behutsam seine Wange. „Und vergiss nicht, das mit Felix wieder richtig zu stellen."
„Mhmm" machte er halb im Schlaf.
Ich schaltete den Fernseher aus, räumte unsere leeren Essensboxen und das Brot von Hyunjin weg, so wie sein Weinglas.
Wäre Felix hier, hätte er Hyunjin jetzt ins Bett getragen. Mir war er um Welten zu schwer, auch wenn er nicht danach aussah.
Ich kramte den Funker aus meiner Jackentasche auf der Kücheninsel.
„Es tut ihm schrecklich leid, Fee." Versuchte ich für Hyunjin Vorarbeit zu leisten. Felix ließ meine Leitung offen und antwortete wenige Sekunden später.
„Das ist mir egal." Brummte Felix durch die Frequenz. „Was er gesagt hat, ist nicht zu entschuldigen. Ich habe normal mit ihm geredet und dann kam er mir so!" Felix hatte Mühe seine Stimme ruhig zu halten.
„An dir und Changbin ist absolut nichts verwerflich. Das wissen wir alle, aber die Art wie er..."
Er stieß die Luft aus.
„Hyunjin kommt morgen Früh vorbei und dann redet ihr miteinander."
„Dann werde ich ihn nicht zu mir lassen. Wenn ich für ihn nicht mehr bin als eine Fickzweckgemeinschaft, dann will ich auch nicht mit ihm reden."
Wo waren die Tage an dem sie auf diesen Begriff noch stolz waren... Wieso mussten Gefühle immer alles zerstören?
„Du wirst ihn zu dir lassen, weil ich euch sonst beide an euren Schwänzen zusammenknote, bis ihr miteinander redet." Zischte ich, schnappte mir mein Handy und verschwand in mein Zimmer.
„Das klingt schmerzhaft." Felix bittere Stimmung brach mit einem angewidertem, aber amüsiertem Lachen.
„Das wird es auch." Versprach ich ihm und schmunzelte.
„Ihr zwei wart einfacher zu handhaben, als ihr euch kennengelernt habt. Ich wusste nie, ob ich damals einfach in Hyunjins Zimmer konnte, oder ob ihr wieder aufeinander gehockt habt."
Felix lachen wurde nun aufrichtig und nostalgisch. „Du warst so rot, wenn du uns erwischt hast."
Ich seufzte. „Ich werde lieber vor Scharm rot euch beim Vögeln zu erwischen, als wegen euch vor Wut rot zu werden, weil ihr euer Gefühlschaos nicht auf die Ketten bekommt."
„Vielleicht wird es in Zukunft auch gar nicht mehr passieren, dass du uns beim Vögeln erwischt." Felix klang nicht wirklich überzeugt davon Hyunjin laufen zu lassen.
„Ihr habt zu viel Dreck durch, um euch auseinanderzuleben."
Felix seufzte. „Das haben du und Chan auch und jetzt sieht euch an." Er kappte die Verbindung und reagierte auch nicht auf meine kommenden Kontaktversuche.
Ich hatte keinen Plan wie es anatomisch möglich gemacht werden sollte, aber in diesem Moment erschien es mir am logischsten die beiden tatsächlich an ihren Schwänzen in einem Raum aneinander zu knoten und den Raum abzuschließen, bis sie sich wieder im Klaren waren.
Ich verzog mich in mein Zimmer und zückte mein Handy.
Seonghwa hatte mir geschrieben.
„Yeosang hat eine Anwendung auf deinem Handy installiert. Wenn du sie aktivierst, kannst du deinen Standort jederzeit Manipulieren und es sieht aus, als wärst du wirklich vor Ort."
Gott sei Dank, dass wenigstens eine kleine Sache sich klärte.
„Vielen Dank." Schrieb ich Seonghwa zurück und öffnete den Chat mit Changbin.
„Wenn Hyunjin morgen vor der Tür steht, lass ihn rein und sorge dafür, dass er mit Felix redet." Changbin saß sicherlich im Keller an seinen Fitnessgeräten. Da hasste er es vom Plappern in seinem Ohr gestört zu werden.
„Die beiden haben sich wieder verkracht?" erklang Changbins Stimme prompt in meinem Ohr.
Dann hatte ich mich wohl getäuscht.
„Hmm. Hyunjin hat Mist gebaut." Teilte ich ihm mit.
„Die bekommen das schon wieder hin." Blieb er optimistisch.
„Übrigens habe ich heute einen sehr interessanten Chat mit einem von den Guerilla geführt."
Seonghwa hatte Changbins Nummer wirklich weitergegeben.
„Dieser Stumme und die beiden die die Leiche abgeholt haben, sind am Samstag mit dabei."
erklang er aufgeregt wie ein kleines Kind.
„Du bist mir noch eine Erklärung schuldig." Schwang er plötzlich in einen selten so ernsthaften Ton um.
„Warum hast du heute rotgesehen und das zweimal?"
Changbin schien der Einzige zu sein, der sich Freunde mit den Guerilla machte und einsah mit ihnen zu kooperieren. Ich wusste ihm zu erzählen, wo ich heute war, würde er fest unter Verschluss halten.
„Und dass, nachdem wir das ganze Wochenende daran gearbeitet haben, dass es eigentlich nicht so schnell wieder passieren sollte."
„Du vertraust mir doch oder?" lenkte ich ein wenig ab.
Changbin brummte zustimmend.
„Hast du die Sache mit Chan wieder mitbekommen?"
„Hmm... Das er den halben Tag in Busan gewesen ist, ohne dass er uns gesagt hat, wo, oder dass er dir aufgelauert ist?"
„Letzteres, aber über ersteres würde ich gerne mehr wissen."
„Ich erzähl dir von eins, wenn du mir von zwei erzählst."
Ich biss auf meiner Wange herum und überlegte ob es nicht zu früh wäre Changbin einzuweihen.
„Ich bin am Wochenende als erstes gekommen, also schießt du jetzt als erster ab."
Changbin grollte vor Lachen am anderen Ende der Leitung.
„Aber nur für den Spruch, Cheonie." Gab er nach.
„Also, Chan ist heute einfach verschwunden, irgendwann gegen Nachmittag, ohne ein Wort und einfach so. Dann kam er irgendwann wieder, war gut gelaunt, bis zu dem Zeitpunkt, als er dann wieder losgezischt ist, weil du nicht da gewesen bist, wo er wollte das du bist."
Wow. Changbin das waren keine sonderlich aufschlussreichen Informationen.
„Jetzt bist du am Schuss. Wo warst du heute, dass Chan wieder dicke Hose spielen musste."
Ich lachte leise und atmete drei Mal tief durch, bevor ich Changbin die komplette Wahrheit über den heutigen Tag anvertraute.
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God's Menu
FanfictionIch hörte das klicken einer Waffe und haschte mit meinem Blick zu Chan. Nicht nur mein Arsch ging mir plötzlich auf Grundeis, Chan wurde sichtlich unruhig und fuhr herum. Einer von Kai's Leibwächtern hielt ihm eine Pistole direkt an die Schläfe. Pa...