Not a forever goodbye

55 4 0
                                    

„Sammie!" donnerte eine tiefe rauchige Stimme durch die Tür meines Schlafzimmers.
„Sammie!!" Ich griff blind nach einem meiner Kissen, butterte es mir über meinen Kopf und versuchte zurück in meinen Schlaf zu finden.
Höchstwahrscheinlich war es zu früh, um die Augen überhaupt aufzumachen.
„Verdammt Felix halt die Klappe, Cheonsa schläft!" pfefferte Hyunjin hinterher.
Stimmt, da war was. Hyunjin hatte Felix letzte Nacht mit nachhause geschleppt.
Ich musste wirklich tief geschlafen haben, wenn ich die beide während ihrer Praktiken nicht hörte.
„Oh shit, stimmt! Han hat sie nach Hause gebracht!" Felix wurde in seiner lauten Tonlage nicht leiser.
„Ihr könnt aufhören zu flüstern ich bin wach!" ließ ich die beiden wissen und öffnete meine Augen.
Nach dem gestrigen Zusammenstoß mit Kai, war ich sofort ins Bett gefallen und hatte, laut meiner Uhr bis beinahe um 10 Uhr geschlafen.
Ich schreckte hoch. Schmerz stieß durch meinen eingegipsten Arm.
Genauso schmerzlich sah ich in die aufgerissenen und leeren Schränke. Kais Leute hatten so viel Kleidung zurückgelassen, dass ich mich für heute noch umziehen konnte.
„Cheonie?" Felix und Hyunjin steckten beide ihre Köpfe in meine Tür und schielten ins Zimmer.
„Haben wir dich geweckt?" Felix funkelte mich aus seinen großen runden kindähnlichen Augen an.
Ich lächelte müde und schüttelte den Kopf. „Ich habt mich nicht geweckt, ich bin grade selbst wach geworden." Murmelte ich, gähnte und rieb mir die Augen.
Ich wollte nicht, dass sich die beiden an diesem Tag für irgendetwas rechtfertigen mussten. Das würden sie in den nächsten zwei Monaten genug müssen.
Schweigend betrachtete ich meinen besten Freund und Felix. Was auch immer er für Hyunjin war.
Die beiden tappten in mein Zimmer, alle beide in nicht mehr als einer tiefliegenden Jogginghose.
Das nannte ich einen guten Start in den Tag. Unweigerlich musste ich lachen. „Konntet ihr euch nichts anziehen?"
Hyunjin zuckte mit den Schultern und legte sich neben mich.
„Es ist zu zeitig für Kleidung." Tat er ab.
Immerhin roch er nach frisch geduscht und nicht nach irgendwelchen Körperflüssigkeiten.
„Kann mir egal sein, ich habe zwei super Aussichten für heute."
Felix druckste und verschränkte die Arme vor seiner Sammlung an Tattoos auf seinem Bauch.
„Immerhin können wir dir so den Tag versüßen." Hyunjin nahm mich in seine Arme.
Ich schloss die Augen und wollte keinen Abschied nehmen.
„Hat Han euch Bescheid gegeben?"
Ich hörte die beiden zustimmend brummen.
„Es tut mir Leid, dass ich..."
„Hör auf." Fiel ich ihm ins Wort. „Ich will keine Entschuldigungen hören. Er hätte mich eh zu fassen bekommen." Lieber hatte ich Kai in Anwesenheit der anderen um mich, als wäre er gestern einfach in meiner Wohnung aufgetaucht.
„Aber ja Han hat uns Bescheid gegeben. Minho die Ratte ist dran." Grummelte Felix und fuhr Minho in Gedanken bereits über den Haufen.
„Keiner von euch tut ihm was."
Minho tat, was alle anderen genauso hätten tun sollen. Kai bedingungslos jedes Wort abkaufen und nachkommen.
„Cheonsa, das ist nicht dein Ernst." Hyunjin sah mich verärgert an.
„Das ist es sehr wohl. Wäre er nicht wäre ich jetzt nicht mal mehr am Leben. Keiner von euch rührt ihn an!" befahl ich den beiden. „Und das stellt ihr an die anderen durch."
Felix und Hyunjin brabbelten beide vor sich hin, dass mich meine Schmerzmittel wohl durch den Wind brachten. In diesem Moment war ich bei voller Verfassung. Außerdem wussten die beiden, ich hatte recht.
„Ich geh Frühstück machen." Beschloss Felix, seufzte, als er meine leergeräumten Schränke sah und stackste aus dem Zimmer.
Schweigend schmiegte ich mich an Hyunjin, der beschützend seine Arme um mich legte.
„Ich bringe ihn um, Cheonsa. Irgendwann bringe ich Kai um." Schwor er mir und gab mir einen Kuss auf meine Schläfe.
„Lass das meine Aufgabe sein Hyunjin." Flüsterte ich und genoss die Wäre, die von ihm ausging.
„Das letzte was ich tun werde, bevor wir abhauen, wird sein ihm das Leben zu nehmen. Ich werde die letzte sein, die er sehen wird, bevor er ins Gras beißt." Versprach ich mir und schloss meine Augen.
Ich wollte nicht weinen, nicht an das denken, dass Kai mich hatte durchleben lassen. Den Himmel auf Erden den er mir schenkte und die Hölle, in die er mich schmiss und zurückließ.
„Willst du es mir endlich erzählen?" Harkte Hyunjin nach.
Ich schüttelte den Kopf. „Es ist besser, wenn ihr alle nichts wisst." Bestand ich, während ich innerlich zu zerbrechen drohte.
Ich wollte dass wenigstens eine Person außer Minho wusste, zu was Kai in der Lage war. Ich wollte mit jemanden über das alles reden, der mich verstehen würde und mich nicht verurteilte.
„Hyunie?"
Ich öffnete meine Augen und war Blind vor Tränen. „Mach keinen Scheiß, wenn ich weg bin. Halte dich an die Regeln, arbeite in Ruhe weiter dran das Geld zu besorgen." Wies ich ihn an.
Seine wunderschönen dunklen Augen blickten von mir weg in mein Zimmer. „Ich werde es versuchen."
Er atmete tief durch. „Du versuchst schnell wieder auf die Beine zu kommen. Wir werden jeden Tag telefonieren oder funken, je nachdem."
Ich schmunzelte und nickte.
„Auf jeden Fall."
Eine Weile lagen wir so in meinem Bett. Ich in Hyunjins Armen, stumme Tränen die mir aus den Augen rinnen, so lange bis der Schmerz von damals aus meinem System geflossen waren.
„Stört es Felix gar nicht, dass du so bei mir bist?"
Ich sah zu Hyunjin hoch. „Er kennt es doch nicht anders. Ihm ist bewusst, dass er bei mir immer hintenanstehen wird, wenn es um dich geht. Außerdem ist das, was offenes." Erzählte er mir leichtfüßig. „In unserer Welt hat sowas keine Zukunft."
„Wenn er mitkommt, hat es das." Argumentierte ich.
Dieses ganze halbgeheime hin und her zwischen den beiden ging, seit sie sich durch eine der Prüfungen kennenlernten. In was für einer Lage die beiden genau steckten hatten sie mir nie verraten.
„Das sagst du nur, weil du ihn jeden Morgen genauso gern oben ohne sehen willst wie ich." Hyunjin piecktse mir in die Seite.
Ich schrie kichernd auf. „Das stimmt doch gar nicht!" wehrte ich ab, obwohl Hyunjin nicht ganz unrecht hatte. Er selber war aber auch eine pure Augenweide.
Ich wollte nicht das dieser Morgen endete. Am liebsten wäre ich den Rest des Tages mit Hyunjin im Bett liegen geblieben. Das wäre definitiv nicht das erste Mal gewesen. Wenn Felix da war, machte er für gewöhnlich Frühstück, ließ uns was in der Küche und verschwand klamm und heimlich.
Ich bezweifelte, dass dies heute der Fall sein würde. Er ließ sich Zeit.
Aus der Küche hörte ich es klimpern, fluchen und brutzeln. Hyunjin hatte sich inzwischen dazu gerungen aufzustehen und nach ihm zu sehen.
Davor half er mir in ein paar frische Sachen und leistete mir Hilfe beim Setzen in den Rollstuhl.
„Sammie!" hörte ich Felix donnern, als Hyunjin aus meinem Zimmer verschwand.
Ich rollte die Augen und meinen Rollstuhl zum Fenster.
Von Hyunjin und mir hatte ich beim Einzug das größere Zimmer bekommen, das war kurz nachdem alles mit Kai eskalierte.
Drei Jahre war das alles her und obwohl es mir wesentlich besser ging als damals, wusste ich, diese Wunde würde für immer bleibende Narben hinterlassen, die anders als die in Kais Gesicht nicht verblassten.
„Sammie!" Felix Stimme wurde mir mit einmal eine Oktave zu sinnlich für Kochverhältnisse.
Ähnliche Geräusche folgten und irgendwas flog zu Boden.
„Hyunjin und Felix!" spie ich durch die Wohnung. „Auf meinen Küchenplatten wird nicht gefickt!"
Dass Felix Hyunjin überhaupt mit seinem Decknamen ansprechen durfte grenzte an einem Wunder, und wenn dann fast immer in dieser penetrant tiefen Tonlage.
„Dann solltest du jetzt lieber noch eine Sekunde in deinem Zimmer bleiben!" Felix klang Gott sei Dank wieder einigermaßen gefasst.
„Wollt ihr mich verarschen? Ich bin direkt hier! Meine Tür ist angelehnt!"
Die beiden waren wie die Hasen!
„Reg dich ab, es ist nichts passiert!" Hyunjin klang, als wäre er auf dem Weg in sein Zimmer.
Ich rollte durch mein Zimmer und zu den Fenstern, die auf die Skyline Busans, so wie auf das Meer blicken ließen.
Felix rief noch etwas durch die Wohnung. Ich nahm seine Worte wahr, aber erwiderte nichts.
Ich sah mich in meinen vier Wänden um und erfasste mich im Spiegel.
Meine dunklen Haare standen zerzaust vom Schlaf in alle Seiten ab.
Der Rollstuhl stand mir nicht. Ich hasste es lange zu sitzen, wenn es nicht sein musste. Er fühlte sich an wie ein Gefängnis.
Das schwarz von meinen eingegipsten Gliedmaßen ließ meine durch den Sommer gebräunte Haut blasser wirken.
Seufzend drehte ich mich in dem verdammten Ding zu meiner Tür und rollte aus dem Zimmer in die offene Stube mit der Küche.
Felix stand am Herd und bugsierte seine Brownies aus dem Ofen. Von Hyunjin war keine Spur.
Ich rollte mit den Augen und mich an den Tisch im Küchenbereich, auf dem Felix die Brownies platzierte.
„Darf ich welche mitnehmen?" fragte ich und sog den Duft warmer Schokolade ein.
„Ich habe noch ein zweites Blech nur für dich in Arbeit. Hyunjin muss aber nochmal los und ein paar Zutaten holen."
Felix stellte mir eine Tasse Kaffee vor die Nase. „So wie du ihn immer trinkst." Teilte er mir mit und setzte sich auf den Stuhl schräg gegenüber von mir.
Hyunjin würde, wenn er gleich vom Supermarkt wiederkam, Felix gegenübersitzen.
Neben den Brownies häuften sich auch Rührei, Croissants und andere kleine Knabbereien auf dem Tisch.
„Iss ruhig." Motivierte Felix mich und schob mir die Schüssel mit dem Ei entgegen.
„Du hast heute nicht die Zeit zu warten." Erinnerte er mich.
Ich nickte und begann schweigend zu essen.
„Was hat Han Hyunjin alles erzählt, also von gestern?" fragte ich wenig später und nahm einen Schluck von meinem Kaffee.
Felix stieß die Luft aus. „Das er nicht sicher war, ob Kai dir gegenüber Handgreiflich geworden ist und dass du nach Jeju musst."
„Er hat mir nichts getan." Zumindest nichts, dass äußerlich sichtbar war.
„Willst du mir erzählen, was im Wettzimmer vorgefallen ist?"
Ich zuckte die Schultern und sagte nichts.
„Konnte ich mir denken." Felix lächelte mir verständnisvoll zu und biss in eines der Crossaints.
„Die hat Hyunjin übrigens in der Nacht noch gemacht, bevor wir ins Bett sind." Krümelte er mit vollem Mund.
Ich nahm mir eins und legte es zu den Rühreiern, dass ich in der Zwischenzeit auf meinen Teller gegeben hatte.
Unschlüssig überlege ich, ob ich zuerst nach süß oder herzhaft langen sollte.
Ich entschloss mich für das Croissant von Hyunjin, biss hinein und konnte mir ein aufstöhnen nicht verkneifen. Die Teile waren himmlisch. Perfekt knusprig und sanft und weich im Kern und mit Marmelade gefüllt.
„Mein Sammie galt vorhin übrigens nicht Hyunjin, sondern den Croissants." Klärte Felix mich auf und ich konnte ihn durchaus verstehen.
„Woher kommt das eigentlich, dass du ihn so beim Decknamen nennen darfst?" fragte ich beiläufig und schob mir eine beladene Gabel mit Rührei in den Mund.
Das war zwar komplett versalzen, aber das ließ ich mir nicht anmerken.
Verschwörerisch und hinter einer kindlichen Fassade versteckt grinste Felix mich an. „Das ist eine sehr lustige Geschichte, nämlich..."
Die Tür zur Wohnung flog auf und hereingetrottet kam Hyunjin, gefolgt von Jeongin, Seungmin, Changbin, Chan und Han. Alle beladen mit noch mehr Essenskram zum Frühstück.
„Überraschung!" riefen alle sieben aus strahlenden Gesichtern.
„Felix?" erklang Han so überrascht über seine Anwesenheit in der Wohnung, wie ich mich fühlte den ganzen Haufen hier zu sehen.
„Was machst du denn schon hier?"
Hyunjin huschte an den anderen vorbei. „Er war eher hier, weil er mir noch beim Vorbereiten Helfen musste, du Idiot." Kommentierte er schnippisch und wies Felix mit einem Blick, dass er immer noch nur in Jogginghose in der Wohnung saß. Dieser sprang auf und verschwand aus der Wohnküche mit einer beinahe zu offensichtlichen Kehrtwende von Hyunjins Zimmer ins Gästezimmer.
„Hat da etwa jemand letzte Nacht Körperwasser zu trinken bekommen."
„Jeongin, du nicht auch noch!" fauchte Hyunjin.
Die anderen kicherten. Chan sah erst Hyunjin, dann Jeongin und dann mich neben der Spur an. Von seinem gestrigen Wutausbruch im Keller war nichts mehr zu sehen.
„Körper was?" Harkte er verdattert nach und stellte die riesige Tüte in seinen Händen auf dem Küchentresen ab.
„Das erklärt dir Seungmin ein andern Mal." Grätschte ich rein, bevor noch eines meiner Fenster in der Wohnung zerschmettert werden würde.
Chan bestand einige Sekunden darauf, dass ihm jemand erklären würde, was hier wieder hinter seinem Rücken vor sich ging, bis Hyunjin allen anwies sich zu setzen.
Er holte noch einen Stapel an Tellern und Besteck aus den Schränken, während Felix mit einem Oberteil wiederkam und Han die ganzen Knabbereien auf dem Tisch verteilte.
„Wir wollten dich alle noch mal sehen." Grinste Chanbin, der sich Hyunjins Gewohnheitsstuhl neben mir einkrallte.
Han setzte sich mir gegenüber. „Zwei Monate sind eine lange Zeit, wir wollten sicherstellen, dass du unsere Gesichter gut in Erinnerung behältst." Verschmitzt lächelten die beiden mich an, so dass ich gar nicht anders konnte als ehrlich ergreifend zu lachen.
Jeonin lehnte sich hinter mich auf meine Schultern. „Außerdem gibt es essen. Und da wo das Essen ist, bin ich auch."
Chan lehnte sich an Jeongins Schulter. „Wohl eher, da wo der Ärger ist, bist du auch." Brummte dieser, worauf munteres Geplapper und Diskutieren ausbrach.
Minho, die Tatsache, dass er mich gestern an Kai übergeben hatte und das er mich später holen würde, wurde mit keiner Silbe erwähnt.
Wir alle waren Meister darin die kleinen und Bedeutsamen Momente richtig auszukosten.
Dennoch erwischte ich mich während des Frühstücks, aus dem mittlerweile ein Brunch geworden war, wie ich immer wieder zu Han und Chan sah.
Zu Han, weil er sich eine Wohnung mit Minho teilte und sich die beiden am nächsten standen. Zu Chan weil ich irgendwo versuchte hinter seine Mauer aus Schauspiel zu blicken. Aber der diskutierte grade ausgiebig mit Jeongin darüber, wieso es damals nicht okay von ihm gewesen ist auf einer Mission neben dem Gegenstand, den wir brauchten auch noch einen diamantenbesetzten Zigarrenschneider einzustecken.
„Das ist auf meinem Mist gewachsen." Gestand ich Jahre nach dem Vorfall.
„Ich habe mit ihm gewettet, dass er sich nicht trauen würde, den teuersten Gegenstand im Raum mitgehen zu lassen."
Chan und Hyunjin entgleisten die Gesichtszüge. Changbin und Han lachten lautstark auf.
„Von allein wäre er auch nicht draufgekommen, einen verdammten Zigarrenschneider zu stehlen." Scherzte Seungmin.
„Hinter jedem Meisterdieb, steht eine Frau, die ihm die richtigen Tipps gibt." Tat ich mir zu und prostete den anderen mit meinem Orangensaft zu.
„Erinnert mich daran, euch in Zukunft nicht mehr zusammen zu stecken." Chan fasste sich an den Kopf. Er saß mittlerweile mit am Tisch und stützte die Ellenbogen ab.
„Was habe ich mir damals eigentlich überlegt euch zu übernehmen."
„Nichts!" kam es gleichzeitig von Jeongin, Han und Changbin.
„Du hast dir nichts überlegt." Bestätigte Felix drucksend.
Hyunjin saß nun neben mir und rollte so laut mit den Augen, dass es jeder im Raum hörte.
„Ich habe mir sehr wohl etwas dabei Gedacht." Chans Blick ging nacheinander über jeden von uns. Auf seinen vollen Lippen ein lächeln, so stolz wie ein Vater auf seine Kinder.
„Mir muss wohl entfallen sein was."
„Das kommt mit dem Alter." Riss Jeongin das Steuer herum.
„Ist aber auch so. Ich habe heute vergessen, was ich gestern gemacht habe, einfach weil ich einen ganzen Tag gealtert bin." Setzte Seungmin hinterher.
Chan biss die Zähne zusammen und nickte mit einem Lächeln, hinter dem er am liebsten tausend Sachen auf den Tisch geschmettert hätte.
„Das bekommt ihr irgendwann wieder."
„Wenn du dich bis dahin noch erinnern kannst." Brachte ich mich ein und erneut artete alles in energiegeladenen Konversationen aus, die bis zum Nachmittag anhielten.
Bis um zwei war die Stimmung ähnlich ausgelassen wie am Morgen und Vormittag.
Ab dann kippte sie. Keiner würde wissen, wann Minho auftauchte.
Sein Buschfunk funktionierte so gut wie gar nicht. Bis auf Han wusste manchmal keiner, wo er sich überhaupt aufhielt.
„Minho ist in einer viertel Stunde hier." Teilte er kleinlaut mit und zeigte den Chatverlauf in die Runde.
Davor zeigte er eine Reihe von Bildern von Jinji, die Minho an Han gesendet hatte.
„Wusstest du, dass er Cheonie abtreten wird?" fragte Changbin und sah betreten in die Runde.
Han druckste herum, unschlüssig wie er antworten sollte.
„Nachdem Kai es plötzlich eilig hatte aus der Werkstatt zu kommen und Chan mit sich mitgeschleppt hat konnten es Felix und ich uns denken."
„Ich hab mich in ihre Frequenz gehackt und ..."
„Dann musste er mit mir noch die Teststrecke abfahren, um zu schauen ob alles funktioniert." Endete Hyunjin und sah mich entschuldigend an.
„In der zwischenzeit hab ich nen Anruf von Chan bekommen, dass Cheonsa mit Kai allein ist.
Ich hab Bescheid gegeben, dass ich in Felix Namen an ihrem und Minhos Ohr dran bin."
Changbin sah wie beim Tennis von rechts nach links, während der gestrige Abend durchgekaut wurde.
„Ich bin dann rüber in den Keller mit Jeongin und wir haben gewartet, bis sich ein geeigneter Moment ergeben hat zu stören." Endete Han.
„Was genau wollte er von dir, Cheonsa."
Ich straffte den Rücken. „Hat er dir weh getan?" plobste Changbin und ballte die Fäuste.
Ich schüttelte den Kopf und sah zu Han, um ihn anzuweisen die Klappe zu halten über alles was ich nicht erzählen würde.
„Kai... Er wollte mit mir die Geschichte vom Rennen durchkauen. Dann hat er mir gesagt ich wäre für seinen Zweig zu wertvoll, als dass er mich entsorgen könne und die Sache mit Jeju hat euch Han wohl schon alle zugetragen." Fasste ich das Gespräch von gestern mit ein paar entscheidenden Lücken zusammen.
Minho schrieb Han um Punkt drei Uhr, dass er unten auf mich warten würde. Er sei allein, aber Kai habe ein festes Zeitfenster für den Jet, der nach Jeju flog.
„Ich bring ihn um." Brodelte Seungmin und Changbin gleich mit ihm.
Chan schüttelte den Kopf. „Das macht ihr nicht. Er hat seine Geschichte, wie jeder von uns und auch seine Gründe so zu handeln."
„Und die wären?" türmte sich Changbin auf und stemmte beim aufstehen die Hände in die Hüften.
„Wie er uns alle und vor allem Cheonsa am besten ans Bein pissen kann und er bei dir damit davon kommt?" Setzte Jeongin mit ein und baute sich ebenfalls auf.
„Ich geh mit runter und klatsch den Kaputt!" verkündete Changbin brummelnd und machte sich auf den Weg zur Wohnungstür.
„Ich halt ihn für dich fest!" sprang Jeongin hinterher. „Felix und ich sitzen daneben und essen Popcorn." Elegant schob sich Hyunjin eine Weintraube in den Mund.
Chan fluchte.
„Das ist ja wie im Kindergarten." Flüsterte Chan und donnerte mit der Faust auf den Tisch.
„Ihr drei setzt eure Ärsche sofort wieder an diesen Tisch!" befahl er und sah Jeongin, Seungmin und Changbin toternst an.
Das Drachentattoo, dass sich von seinem rechten Arm über seinen Rücken bis auf den linken Arm zog spannte sich unter seinen Muskeln mächtig an.
„Hier wird niemand kaputt geklatscht!" Changbin und Jeonin feixten über Chans zitierweise, welcher erneut den Tisch zum beben brachte.
„Minho wird in Ruhe gelassen. Er ist ein Teil unserer Gruppe. Wenn ich erfahre, dass einer von euch dümmlichen Hühnern ihm ein Haar krümmt, könnt ihr euch gern das nächste Mal vor Kai rechtfertigen!" machte er klar.
Die drei stolperten zurück an den Tisch und als wäre nichts gewesen legte Chan seine Spannungen ab und schenkte mir ein Herzbrechendes trauriges Lächeln.
„Und jetzt würde ich gern wollen, dass wir uns alle in Frieden von Cheonsa verabschieden, damit Hyunjin sie runterbringen kann."
Die Stimmung blieb gekippt, aber als sich alle nacheinander bei mir anreihten wie zum Gratulieren an Geburtstagen versuchten sie wenigstens sich nichts anmerken zu lassen.
In der großen Tüte, die Chan auf den Tresen gestellt hatte waren kleine Präsente, die mir die kommenden Wochen angenehmer machen sollten.
Von Felix bekam ich ein neues paar von den von ihm und Han eigens entwickelten Ohrsteckern, die gleichzeitig als Kommunikation zwischen uns allen funktionierte.
„Die Soundqualität ist besser." Erläuterte Felix, während Han das ganze wissenschaftlich beschrieb, weshalb ihn und die anderen nun in einem klaren Bassound hören würde und nicht mehr in billigem Stereo.
Als Han mich umarmte, hielt er die Umarmung sehr lang.
Changbin gab mir einen Schlagring mit auf den Weg. Nicht dass ich in meinem Zimmer eine ganze Schublade von ihm mit den Dingern hatte, aber dieser war dezent.
Er war aufgebaut wie verschiedene einzelne Silberringe, die alle mit einem dünnen und stabilen Material zwischen den Fingern zusammengehalten wurden.
„Für den Fall das dir da jemand auf die Nerven geht." Zwinkerte er mir zu.
Ich lachte und probierte ihn sofort an. Er passte perfekt.
Von Hyunjin, Felix und Chan bekam ich eine Sammlung meiner Lieblingsknabbereien und Kosmetikprodukte, so wie die Croissants und Brownies, die übrig blieben und die Hyunjin und Felix extra noch mal gebacken hatten.
Seungmin und Jeongin hatten ebenfalls zusammengelegt, doch insgeheim graute es mir davor was sie mir auf den Weg gaben.
Lächerlicher und gleichzeitig süßerweise war es ein Bild von uns dreien, kurz nachdem ich sie nacheinander in einem Trainingskampf fertig gemacht hatte.
„So wollen wir zugerichtet werden, wenn du wieder da bist." Grinsten die beiden dümmlich.
„Haltet still und ich kann Changbins Schlagring gleich mal testen." Scherzte ich und ballte meine gesunde Hand zur Faust.
Munteres lachen brach aus, bevor es dann endgültig zum Abschied kam.
Es wäre kein langer, aber war definitiv ein schwerer, den wir alle mit mehr oder weniger Tränen hinter uns brachten. Changbin und Jeongin lagen sich in den armen, als würde ich nie wieder kommen, der Rest ertrug es menschlich.
Als Hyunjin mich nach unten brachte schienen wir beide die plötzliche Ruhe auszukosten.
Bis zum Foyer sagte keiner ein Ton von uns.
„Ein Wort, dass sie dir da versuchen weh zu tun und ich bringe jeden da um."
Hyunjins Drohungen waren lose, aber er würde auf jeden Fall zu mir kommen um mich da raus zu holen.
„Du bleibst hier." Mahnte ich ihn.
„Kai will euch und mich testen und er wird das gründlich prüfen."
Deshalb hatten wir vorab nebenbei vereinbart, das jegliche Kommunikation nur über die Ohrstecker passierte, da nicht mal unsere Handys sicher sein würden.
Hyunjin brabbelte wenig begeistert vor sich hin und musste sich mit bester Manier beherrschen, als Minho ihn ankeiferte, dass er schon lange mit mir unterwegs sein solle.
Hyunjin schwieg ihn eisig ein, parkte meine Präsente im Kofferraum und hob mich aus dem Rollstuhl.
Er drückte mich an sich, als würde sein Leben an mir hängen. Wir zwei waren, seit wir uns im Kinderheim kennenlernten, nie länger als eine einzige Woche getrennt. Und wenn wir uns nicht sahen, waren wir wenigstens immer in der Nähe voneinander oder wussten wo sich der andere aufhielt und wussten uns sicher.
Schweren Herzens und auf Druck Minhos setzte Hyunjin mich auf dem Rücksitz von Minhos Wagen ab.
Er ließ sich seine Zeit mich anzuschnallen und mich erneut zu drücken.
Ich spürte, wie er begann zittrig zu atmen und ein Schluchzen unterdrückte.
Hyunjin hatte ich in unserer ganzen gemeinsamen Zeit auch nur einmal weinen sehen.
„Ich werde dich vermissen, jeden einzelnen Tag, Cheonie."
Automatisch begann ich mit ihm zu weinen. „Wir werden jeden Tag reden. Sobald ich auf Jeju allein bin, tauschte ich die Ohrstecker aus, dann ist es als hättest du mich auf deiner Schulter sitzen." Scherzte ich und versuchte zu lachen, doch es kamen nur mehr Tränen heraus.
Minho räusperte sich.
„Ich will dich nicht in meinem Ohr haben, ich will dich bei mir haben." Hauchte er und schmiegte sich noch mehr an mich.
„Felix wird sich gut um dich kümmern." Versuchte ich ihn aufzumuntern und zwickte ihm in die Seite.
„Sieh es mal so, ihr zwei habt die Wohnung für euch. Wenn ihm Chan zu anstrengend wird kann er zu dir."
Hyunjin sah mich an und lächelte ein wenig.
Ich seufzte theatralisch. „Ich erlaube es euch sogar es in meiner Küche zu treiben." Verkündete ich ihm.
Jetzt musste er lachen. „Ich verspreche dir, ich werde jede Fläche, auf der wir waren desinfizieren."
„Tu mir einfach bitte nur den Gefallen und erstens sagt mir nicht, wo ihr Felix Körperwasser überall verteilt habt und zweitens mein Zimmer ist Sperrzone!"
Jetzt hatte ich das Leuchten in Hyunjins Augen wieder zurück.
„Hört alle auf mit diesem Körperwasser Ding!"
Jetzt lachte ich, drückte ihn nochmal. Zum finalen Abschied küsste er meine Wange, ich seine. Auf eine erneute Bemerkung von Minho ließ er mich gehen.
Minho stieg ein und startete den Wagen kurz darauf. Hyunjin stand am Eingang zum Wohnkomplex und winkte mir aufmunternd lächeln zu.
Er verschwand erst wieder im Gebäude, als Minhos Wagen außer Sichtweite geriet.

God's MenuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt