„Du kommst mit mir." Chaerin deutete nach der Erklärung von ihr und Hongjoon auf mich und zeigte auf eine der Kabinen.
Seonghwa hinter ihr schluckte. Ich nickte, schnallte mich los, stand aus meinem Sitz auf und folgte ihr ohne wiederworte.
Als ich an den Guerilla vorbeitrat, fasste Seonghwa meine Hand, zog mich unvorbereitet an sich und empfing mich mit einem Kuss. Ein wenig überfordert riss ich meine Hände hoch und ließ sie ratlos in der Luft verharren, während für den Bruchteil weniger Sekunden mein ganzer Schwall an Fragen gegenüber Chaerin und den nächsten Tagen abklang.
Ich entschied meine Arme um seinen Nacken zu legen und ihn an mich zu ziehen. Genauso wie eine innerliche, wohltuende Beruhigung, würde dies einen anstehenden Abschied bedeuten.
„Das reicht." Forderte Chaerins kühle, herrische Stimme, mich daran erinnernd, dass wir nicht allein waren.
Ich lehnte meine Stirn an Seonghwas, dessen Augen genervt zu Chaerin sahen, dann sprangen sie zu meinen zurück.
„Cheonsa." Schmunzelte er.
„Seonghwa." Erwiderte ich.
„Ich will dich nicht gehen lassen." Er legte seine Hand an mein Gesicht.
Wie konnte man so schnell süchtig, nach einer solch simplen Berührung werden?
„Es sind nur ein paar Stunden." Flüsterte ich fuhr durch seine Haare im Nacken, alles andere um uns ausblendend.
Hongjoon räusperte sich und bekam einen Todesblick von mir zugeworfen, den er ähnlich kühl wie einen von Chaerin widerspiegelte.
„Wenn alles gut läuft ist alles morgen um diese Uhrzeit vorbei." Erinnerte ich ihn mit einem tröstenden lächeln und löste mich unter zu vielen aufmerksamen Augenpaaren von Seonghwa.
Wooyoung und Soojin tauschten ebenfalls einen vertrauten Abschied, bevor sie mit Jinni in eine der Kabinen verschwand.
Seonghwa ließ erst von meiner Hand ab, als ich nicht mehr in seiner Reichweite war.
Kaum, dass ich schalten konnte, packte Chaerin mich an meiner Schulter und zog mich mit sich mit.
Ich erwartete einen bissigen Kommentar. Irgendwas wie „Du wirst ihn noch seinen tot kosten." Aber sie blieb ruhig, als sie die Türen einer der Kabinen aufschob und mich vor sich in den kleinen Raum ließ.
„Ich stelle dir die Wahl, die ich jeder meiner Mädchen und Jungs lassen, wenn sie auf einen Auftrag solcher Natur sollen." Chaerin blickte mich durchdringend an, als versuche sie erneut mein Seelenleben nach außen zu stülpen.
„Möchtest du das wirklich machen oder aussitzen?"
Ihrer und Hongjoons Plan war hässlich. Wären es die Strays, würde selbst ich sie für bescheuert erklären. Sie und Hongjoon hingegen hatten eine Art dem Wahnsinn Worte und Überzeugung zu verleihen, dass ich wusste, nichts würde schief gehen.
„Wenn ich aussteige, hast du mich doch genau dort wo du haben willst." Ich besah die kleine Kabine. Vollgestopft mit Frauenkleidung, Make-up und Schuhen.
„Das bedeutet?" harkte sie nach und deutete mir, mich auf den Hocker an der kleinen Kommode zu setzen.
„Ich bin dabei. Ich werde euch helfen die Mädchen da rauszuholen. Koste es, was es wolle."
Chaerins schmale Lippen suchten ein teuflisches Lächeln heim, das beinahe Sympathie mir gegenüber durchblitzen ließ.
„Ich habe auch nicht erwartet, dass du kneifst. Cheonsa." Sprach sie mich das erste Mal direkt an und wühlte sich in aller Gelassenheit durch die Kleider durch.
„Seonghwa hat mich wissen lassen, dass du keine Kleider trägst." Erwähnte sie nebenbei und hielt eines der knappen Stofffetzen in die Höhe.
„Einen Jumpsuit konnte ich auf die Schnelle leider nicht auftreiben, aber ich habe auch gehört, dass Rot deine Lieblingsfarbe ist." Chaerin legte das Kleid in ihren Händen auf das beladene Bett zurück und wühlte nach einem anderen Fetzen Stoff.
Nach einigen Momenten hielt sie ein rotes Satinkleid hoch. Es besaß mehr Stoff als die anderen Kleider, entblößte meiner Meinung nach aber dennoch zu viel.
Die Farbe gefiel mir. Es war blutrot. Früher hätte ich es mit Freude getragen, meinen Körper und mich stolz präsentiert.
„Ich habe noch so ein ähnliches und werde sie dir zusammenpacken, wenn du nach der Landung abgeholt wirst." Ließ Chaerin mich wissen und legte das Kleid zur Seite.
Dann begab sie sich an eine der großen Taschen, die auf dem Boden standen und zog den Reißverschluss auf. Sie packte eine Airbrushmaschine aus und setzte sie auf der Kommode ab. Es folgten weitere kleine Näpfchen mit verschiedensten Farbtönen.
„Ich werde deine Tattoos übersprühen müssen." Verkündete sie und wies mir mich zu entkleiden.
Ich hielt Inne und kam ihrer Bitte nicht nach. Chaerin war optisch perfekt, ihr meinen mit Tattoos und Narben gezeichneten Körper zu enthüllen, wenn sie mich zudem nicht gut leiden konnte, ließ meinen Dämon den Vorgang blockieren.
Sie könnte mich an Ort und Stelle umbringen, wissend, dass ich angreifbar, verwundbar wäre ganz ohne Kleidung, meinen Körper und meine Narben ihr gegenüber enthüllt.
Chaerin schien mein Misstrauen zu verstehen und nickte.
„Entschuldige mich kurz." Müde, aber mit Verständnis lächelte sie mir zu und rauschte aus dem Zimmer.
Ich nutzte die Sekunde der Ruhe und ließ den Plan noch einmal durch meinen Kopf gehen, nur um nach wenigen Sekunden ein weiters mal festzustellen, dass ich vollkommen bescheuert sein musste, um dem allem hier zugestimmt zu haben.
Mich komplett entwaffnet, wider meiner Persönlichkeit zu entblößen, wenn auch nur für ein paar Stunden und aus gutem Grund. Aber Teufel weiß was könnte passieren. Der Plan könnte uns genauso gut auf den Kopf fallen und mein aus bedeuten.
Es war nichts, was ich noch nicht getan hatte, nur nicht in einem fremden Umfeld, mit Leuten, die ich kaum kannte.
Seonghwa würde ich, wenn alles gut ging, morgen erst wieder sehen um alles seinen Lauf zu lassen, aber davor...
Die Tür zur Kabine ging ohne Vorwarnung auf und ich schreckte aus meinem Gedanken.
Seonghwa steckte mit einem breiten Grinsen den Kopf rein. „Sieht so aus, als sehen wir uns doch noch mal." Verkündete er und trat ein.
Chaerin hatte ihn geschickt, um meine Tattoos zu übersprühen. Sie mischte die Farbe, angepasst an meinen Hautton gekonnt binnen weniger Minuten an und ließ uns dann beide allein mit der strengen Warnung unsere Zweisamkeit nicht auszunutzen.
Wenn ich daran dachte, was mich noch erwartete, verging mir in der Tat jegliche Lust nach Sex.
Seonghwa agierte ebenfalls bei Verstand, als ich meine Kleidung nach und nach ablegte und er die Airbrushpistole vorbereitete.
„Die Orchideen." Er deutete auf das Tattoo an meinem Unterleib.
„Willst du sie selbst übersprühen?" Ich besah mich in dem Ganzkörperspiegel in der Kabine.
„Mach du." Flüsterte ich.
Es würde merkwürdig werden mich ohne Tattoos zu sehen. Sie erzählten, wer ich bin, was ich erlebte, wofür ich stand oder nicht mehr meinen Kopf hinhielt. Sie erzählten die Geschichten meines Lebens, meine Träume und dunkelsten Geheimnisse.
Ich sah und hörte, wie Seonghwa die Pistole ablegte und zu mir kam.
Er umarmte mich behutsam von hinten und hüllte mich in seiner Wärme ein, die wirklich immer von ihm ausging. Es wunderte mich, dass er in der Tat Winterkleidung besaß, wenn er eine wandernde Heizung darstellte.
Ich atmete seinen Vanilleduft ein und schloss die Augen, stellte mir vor mit ihm in seinem Zimmer zu sein, ganz unter uns und fern ab von diesem Wahnsinn.
„Wir können nach dem ganzen noch ein paar Tage in Tokyo bleiben." Flüsterte Seonghwa mir zu und hauchte sanft einen Kuss in die Beuge zwischen meiner rechten Schulter und meinem Hals. Ich entspannte gänzlich in seinen Armen.
„Oder wir fahren nach Osaka, wohin du willst." Schlug er vor.
„Wohin ich will, klingt gut." Ich schmunzelte und öffnete die Augen wieder.
Ich spürte Seonghwas Kopf auf meiner Schulter und sah im Spiegel, wie er zu mir hochblickte, mich von seinem Winkel aus ansah, als wäre ich es wert angebetet zu werden.
Es wäre eine Lüge, gestünde ich mir nicht ein, dass ich es genoss, wie er mich ansah. Seonghwa sah mich nicht als Bedrohung, Waffe oder wechselwütige junge Frau, er sah mich, wie ich war.
„Wohin willst du?" Seine Hände wanderten sanft und in beruhigenden Gesten an meiner Taille auf und ab, so dass ich Gänsehaut bekam und leise seufzte, mich gegen ihn lehnte.
„London."
Ein typisches Reiseziel für viele, dessen war ich mir bewusst. Aber die Stadt faszinierte mich, seit ich sie das erste Mal in einem Bond Film gesehen hatte. Der Trubel der Menschen, die Tradition der Monarchie, eine der angesagtesten Städte der Welt, voll von Winkeln und Gassen, die es zu entdecken gab.
„Ich will nach London. Irgendwann mal."
Seonghwa hob seinen Kopf und begann meinen Hals vorsichtig mit Küssen zu beflügeln. Ich genoss die Wärme seiner Hände, seiner Lippen, seines Körpers, sein Parfüm in meiner Nase. Das alles beruhigte mich und nahm mir gleichzeitig die Angst.
„Cheonsa, ich verspreche dir, ich werde dich in diesem Flugzeug nach London bringen. Das wird das erste, das wir machen, sobald Kai tot ist."
Ich zuckte innerlich auf, als Seonghwa seinen Namen nannte und mich gleichzeitig so nahe bei sich hielt. Die friedliche Cheonsa geriet ins Wanken und die kleine Cheonsa brach wutentbrannt aus ihrem Gefängnis aus. Was viel mir ein mich Seonghwa hinzugeben, wenn ich doch mit Kai verlobt war, wenn wir heiraten würden, wenn genau das passierte, was sie immer wollte.
Sie ließ mich in Seonghwas Armen erstarren.
Er dachte zu weit. Seit einer Woche redeten und handelten wir im Jetzt. Der Gedanke, weiter als bis zum Türrahmen zu denken hatten wir zwei erfolgreich verworfen. Dieses unausgesprochene Tabu hatte er nun gebrochen.
„Ich... ich sollte..." Seonghwa bemühte sich nicht anmerken zu lassen, dass etwas zu Herzzerreißendes und gleichzeitig unangebrachtes gesagt hatte. Er ließ zu, dass ich mich aus seinen Armen löste, aber nicht ohne, dass ich die friedliche Cheonsa dazu bringen konnte, ihm entschuldigend einen Kuss auf die Wange zu geben.
Seonghwa schmunzelte, wurde rot und fasste sich an die Wange, während er die Airbrushpistole in die Hand nahm.
Ich setzte mich auf eine der freien Ecken auf dem Bett und er sich neben mich.
„Du kannst es übersprühen." Murmelte ich. „Wenn..."
„Nicht berühren. Ich weiß." Er küsste das Mandala auf meinem linken Schulterblatt und begann dieses Tattoo als erstes abzudecken.
Wir hüllten uns in angenehmes Schweigen, während Seonghwa meine Tattoos nach und nach verhüllte. Bevor er begann an einem der Tattoos zu arbeiten, fuhr er jede einzelne der Konturen nach, küsste es, als würde er sich in seinem Namen davon verabschieden und übersprühte es sorgfältig.
Am längsten brauchte er für die Flügel auf meinem Rücken. Er legte die Airbrushpistole weg und begann meinen Rücken zu massieren.
Ich schloss die Augen und blieb in der plötzlichen Trägheit, in der ich mich durch seine warmen Hände wiederfand und zerschmolz.
Entspannung überkam mich, ich befand mich kurz vorm Einschlafen, als es an der Tür klopfte und Chaerin uns unsanft durch die Tür erinnerte, dass wir in einer halben Stunde den Landeanflug antraten und ich noch lange nicht mit den Vorbereitungen durch sei.
Widerwillig öffnete ich meine Augen und ließ zu das Seonghwa den Rest meiner Tattoos unkenntlich sprühte.
Als es an die Orchideen ging, wurde er unruhig, nervös davor der unschönen versteckten Narbe zu nahe zu kommen.
Er übersprang es vorerst und widmete sich den Tattoos an meinen Oberschenkeln und Beinen, womit er mich fast in den Wahnsinn trieb. Als ich vorhin noch meinte, mir wäre die Lust auf Sex vergangen, gab sich Seonghwa mächtig Mühe diesen Gedanken umzukehren. Seine Hände fuhren über die Innenseiten meiner Oberschenkel, seine Lippen folgten mit flatternden Küssen, die mich auf dem Bett zum Herumwinden und leisen stöhnen brachten. Ich stand kurz davor ihn an seinen Haaren zu packen und sein Gesicht zwischen meine Oberschenkel zu drücken, damit er mit seinen Händen und küssen da ausbaden konnte, was er eben mit mir anrichtete.
Er grinste dämonisch, genau wissend, was er provozierte, ließ er sich noch länger Zeit meine Oberschenkel zu bearbeiten, genau wissend, dass wir nicht mehr viel Zeit hatten.
Die Orchideen erledigte er als letztes. Er gab sich mühe sie nicht zu sehr anzustarren, zu berühren.
Ich sah, wie sich sein Mund ein paarmal öffnete, um zu fragen, was mich an diesem Tattoo, an dieser Narbe so sehr verstörte, dass ich jede Berührung dort vermied. Er traute sich nicht diese Grenze zu überschreiten.
Als er fertig war, stand ich vom Bett auf und sah mich an.
Ich fühlte mich nackt, entblößt vor Seonghwa, die Narbe unbedeckt. Nie richtig verheilt, hässlich und grob.
Ich sah mich nach dem Kleid um, dass Chaerin mir zu Seite gelegt hat, bevor ich es überzog fand ich mich in Seonghwas Armen wieder.
„Du bist wunderschön." Flüsterte er gegen meinen Kopf und küsste meinen Ansatz.
„Innen wie außen, mit wie ohne Tattoos." Beteuerte er. „Die Narbe, was da passiert sein mag, ich bin mir sicher es hat dich stärker gemacht."
ich hielt meine Tränen zurück. Wie unrecht er hatte. Diese Narbe gab preis, wie leicht es war mich jenem Schutz zu entreißen, mich meiner Menschlichkeit, Weiblichkeit, zu berauben. Sie machte mich nicht stärker, sie hatte mich beinahe umgebracht, sie erinnerte mich andauernd daran, wieso ich meine Freiheiten so schätzte.
Chaerin tauchte ein zweites Mal auf, diesmal ohne Vorwarnung. Sie scheuchte Seonghwa aus der Kabine, achtete darauf mich nicht anzusehen und hielt mir hinter hervorgehaltener Hand das rote Kleid hin.
„Wir fliegen noch eine Extrarunde. Das Gate für die Privatmaschinen ist noch belegt." Ließ sie mich wissen und steuerte mich auf den Hocker vor der Kommode zu. Sie drückte mich an den Schultern herunter.
„Du und Seonghwa." Murmelte sie vor sich hin und enthüllte eine Armee an Make-Up produkten.
„Ich kann nicht entziffern, ob ihr euch gegenseitig stärker macht oder umbringt." Bemerkte sie und machte sich dann mit ihrem Schminkzeug an mir zu schaffen, dann an meinen Haaren.
Als wir landeten, war ich nicht mehr Jeon Cheonsa.
Die junge Dame, die mir im Spiegel zurückblickte, wäre um ein Haar meine grausige Realität geworden, wäre ich den Lagern der Ssang Young Pa gelandet. Die Haare auftoupiert, zu viel Make-Up im Gesicht, dass mich um die zehn Jahre jünger machte, ein Kleid dass nur das nötigste verdeckte. Hätte ich jenes Gespräch zwischen Kai und seinem Vater damals nie belauscht und Hyunjin und Felix um meinen Ausweg angebettelt, hätte man mich heute wie einen Gegenstand herumgereicht. Kein eigener Gedanke mehr, innerlich gebrochen, ausgebildet Männern die Schuhsolen zu küssen, verlangten sie es von mir.
Für einen Moment musste ich an Han denken. War dies das Leben, dass er vor Minho führte. Befand er sich auf ähnlichen Veranstaltungen wie jene, welche die Guerilla aufgetragen bekommen hatte zu stürzen? Wurde er in einem viel zu jungen alter an einen viel zu alten Herr verkauft und geriet nach und nach an mehr dieser Perverslinge?

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God's Menu
FanfictionIch hörte das klicken einer Waffe und haschte mit meinem Blick zu Chan. Nicht nur mein Arsch ging mir plötzlich auf Grundeis, Chan wurde sichtlich unruhig und fuhr herum. Einer von Kai's Leibwächtern hielt ihm eine Pistole direkt an die Schläfe. Pa...