Alles um mich herum geschah in Zeitlupe und gleichzeitig in voller Geschwindigkeit.
Die Guerilla die bis eben noch an der Seite von Seonghwa und den anderen sieben standen, zögerten keine Sekunde und nutzten Kais Schrecksekunde.
„Cheonsa ich..." Versuchte Seonghwa zu mir durchzudringen.
Ich hatte dafür keine Zeit. Vor allem aber keine Nerven. Die versuchte ich auf Krampf zusammen zu halten.
Mein Plan war eng gebunden. Dass Felix und Han ihre Geheimtechnik weitergegeben hatten bedeutete Erleichterung, engte mein Zeitfenster aber auch um einiges ein, da Wonho bereits am Hebel saß.
„Was soll das werden?" hörte ich Kai sich eschauffieren. Die Handschellen, die mich vor wenigen Minuten noch zurückhielten, legte ich ihm mit vergnügen selbst an.
„Dein Ende." Flüsterte ich Kai von hinten zu und küsste seine Wange.
Hongjoong und Seonghwa blieben als letzte im Büro zurück, nicht weil ich es ihnen befahl, sondern weil Seonghwa Anstalten machte zu gehen.
Kai rebellierte, während Seungcheols ihn mit drei weiteren seiner Leute aus seinem Büro entfernte.
Seine anderen Kollegen und die Leute von Hongjoong agierten nach Plan. Sie würden in den nächsten drei Stunden das Haus auf den Kopf stellen und bestmöglich nach allen Dokumenten und Beweisen suchen, die die Arbeit der Ssang Young Pa offenlegte.
„Habt ihr nicht zu tun?" Ich sah zwischen Seonghwa und Hongjoong hin und her.
Die Bilder, wie Seonghwa mich auf seinen Armen in meinen tot trug, wie er dabei war, Teil der Ausführung dessen war, was mich ein Leben lang nicht mehr loslassen sollte...ließen mich nicht mehr los.
Ich wollte ihn schlagen, kaputt machen, ihn das gleiche fühlen lassen, wie mich damals.
Stattdessen führte mein Dämon mich mit ruhe.
„Ihr habt einen eindeutigen letzten Auftrag. Ihr wart in den letzten Monaten nicht nachlässig. Fangt bitte nicht jetzt damit an."
Hongjoong schluckte über die plötzliche Distanz in meiner Stimme, aber nickte bestimmt.
„Wir wollten prüfen, ob es dir gut geht, Cheonsa."Seonghwa starrte irgendwo hinter mich.
Sein geschundenes Gesicht brauchte unbedingt einen Arzt. Die Nase musste gerichtet werden, die Wunde an seinem Kopf genäht. Ich würde mir Mühe geben seine Nase besonders schief zu renken und die Platzwunde zu tackern. Ohne Betäubung. Mit einem normalen Bürotacker.
„Das liegt nicht mehr in eurer Verantwortung. Setzt euch in Bewegung."
Das waren meine letzten Worte an Seonghwa und Hongjoong, bevor ich an ihnen vorbei aus Kais Büro zog.
Mingyu und Dk fingen mich ab und reihten sich rechts und links von mir an, als ich gemeinsam mit ihnen aus dem Gebäude zog und zu einem der Wagen in der gigantischen Garage eilte.
Der Wagen in dem Kai weggebracht wurde war uns schon voraus.
„Für dich." DK hielt mir einen der wohlbekannten Ohrstecker mit einer kleinen Fernbedienung hin.
„Wir dachten es wäre praktisch, wenn du weißt, was vor sich geht." Mingyu zuckte mit den Schultern, hielt mir die Wagentür zum Beifahrerplatz auf und stieg dann hinten ein.
„Wie seid ihr an die Stecker herangekommen?" fragte ich beiläufig und pinnte mir meinen ans Ohr.
„Gar nicht." Merkte DK an und raste unelegant rückwärts aus der Garage. „Han und Felix haben sie uns selbst zur Verfügung gestellt." Grinste er und raste über die Einfahrt am Haus vorbei.
In den letzten Wochen erdachte ich mir diesen Moment als schwer, dass ich sehnsüchtig und in Erinnerungen hängend auf das Anwesen zurückblicken würde, dass mir Himmel und Hölle bot.
Jetzt konnte es mich nicht weniger interessieren was darin vorging, mit dem Wissen das nun alles endlich vorbei ist.
Während ich meinen Stecker einrichtete, plauderten die anderen beiden darüber, wie Felix und Han sich daran machten jeden der eingeweihten Guerilla und die Queencards mit den Ohrsteckern auszustatten. Die Kommunikation würde so schneller und unkomplizierter möglich sein. Sie wäre auffälliger. Han erprobte über die Wochen Möglichkeiten die Stecker sogar hinter dem Ohr anzubringen, so dass sie ganz und gar unauffällig für den ersten Blick waren.
Felix entwickelte die nötige Technik, um die Stecker funktionstechnisch zu machen. Wooyoung und Yeosang stellten die Frequenzen ein. Seungcheol und seine Leute, sowie die Queencards und Wonho testeten sie über die letzten Monate. Hyunjin gab den Steckern einen individuellen Hauch.
Unter anderen Umständen würde mir mein Kinn auf dem Boden hängen, darüber wie sehr alle miteinander gearbeitet hatten und was ich in den letzten Wochen an Input verpasste.
Selbst Hyunjin hielt dicht, Changbin bemerkte kein Word darüber. Chan war viel zu sehr damit beschäftigt Chaerim und San nicht von der Seite zu weichen.
Nichts drang an mich heran.
Weder die Zusammenarbeit noch die Emotionen, die lostreten sollte. Wie sehr alle sich für diesen Moment zusammentaten, das sackte nicht ganz.
„Cheonsa. Kannst du mich hören?" Hyunjin war der erste der wahrnahm, dass ich meinen Stecker installiert hatte.
„Ja." Meldete ich mich kurz und knapp. „Sehr gut. Wie geht es dir?"
Wie gab ich Hyunjin durch, dass ich diese Frage im Moment nicht beantworten konnte.
„Hebt euch den Smalltalk für später auf." Mischte sich Wonho aus einer anderen Frequenz aus an.
Ich prüfte an meinem Funker auf welcher er lag, und debattierte einen. Moment, ob ich ihn stumm stellen sollte.
Da an ihm ein Großteil meines Plans hing, entschied ich mich dagegen.
„Wir haben wichtigeres zu klären." Wonho atmete tief durch bevor er weitersprach.
„Eine Horde Sonderkommandos ist in diesem Moment auf den Weg zu allen Mitgliedern der Ssang Young Pa, die sich derzeit in Korea aufhalten. In wenigen Stunden sollten sie alle in Gewahrsam sein." Beschrieb Wonho in ernster und glatter Stimme, als habe er die Worte täglich in den letzten Wochen vor dem Spiegel geübt.
„Ich konnte nicht vereinbaren, dass man dir freies Spiel mit Kai lässt. Was auch immer du mit ihm machst, es fällt ebenfalls in den gewährten Zeitrahmen der nächsten zweieinhalb Stunden. Danach ist zick. Egal wie du dich entscheidest." Leitete er mich an.
„In diesen Stunden wird alles für euren Abflug vorbereitet. Flüge, Pässe, Gepäck, Abschiedsbesuche. Am Flughafen werdet ihr nicht länger als eine Stunde Zeit für alles haben. Wenn irgendetwas länger dauert, bringe ich mich in so viele Schwierigkeiten, dass meine nachfolgende Generation noch alles ausgleichen muss."
Hyunjin atmete schwer in die Leitung. „So dramatisch." Seufzte er und entlockte mir ein schmunzeln.
„Das hat nichts mit Drama zu tun." Wies Wonho ab. „Ich bringe mein ganzes Leben dafür in Gefahr, euch den Arsch zu retten. Ihr könnt von Glück reden, dass ihr die nötigen Mittel habt, um für das alles selbst zu zahlen."
„Gleichzeitig bekommst du auf einen Schlag genug Beförderungen für die nächsten zehn Jahre, also zeig gefälligst ein wenig Dankbarkeit." Leierte Hyunjin gelangweilt.
Jetzt atmete Wonho schwer. „Das wird einen Riesenschatten durch Korea ziehen aber... das soll nicht mehr euer Problem sein." Schob er dann ab.
„Wie auch immer. Nachdem ihr am Flughafen seid, ihr alles geklärt habt... werdet ihr einem Spezialteam übergeben, dass künftig für euch zuständig ist. In allen Belangen. Sie werden euch die erste Zeit begleiten, euch in ein normales Leben einführen."
Der Teil, auf den ich mich am wenigsten freute, aber Wonho meinte es sei nötig. Han, Hyunjin, Felix und ich wir hatten keinen normalen Alltag. Das Leben wie es die Alltagsmenschen kannten, war uns fremd.
„Ich will dich in diesem Atemzug auch nochmal Fragen, ob es irgendwelche letzten Mittel oder Wünsche gibt, die du noch beschafft oder umgesetzt haben willst."
Meine Gedanken brauchten einen Moment, eh sie sich sammelten und einen klaren Gedanken zusammenfassten.
„Ich will, dass alle Guerilla die an diesem Tag mitgearbeitet haben die gleichen künftigen Immunitäten und Freiheiten besitzen wie ich. Gleiches gilt für...jeden der Strays. Ich will das alle von ihnen ab Morgen in ein neues Leben starten." Äußerte ich mich und bekam von vorne überraschter Blicke.
DK ließ einen anerkennenden Pfiff von sich. Mingyu beschwerte sich darüber, dass er nicht Teil der Konversation war, die Wonho bewusst abgeschirmt haben musste.
„Und..." Ich senkte meine Stimme und schirmte Hyunjin mit meinem Funker für meinen nächsten Wunsch ab.
Die Worte kamen mir wie Klingen über die Lippen. Aber ich wüsste das wäre die richtige Entscheidung.
Ich schaltete Hyunjin wieder dazu, der sich nicht über meine Diskretion gegenüber Wonho beschwerrte.
„Cheonsa, in fünf Minuten sind wir da." Gab Mingyu mir von vorne durch.
Ich nickte und blickte aus dem Fenster, die Sonne ging bereits auf. Die ersten Farben am Himmel kündigten einen neuen Sommermorgen an. Einen Neubeginn, für alle von uns.

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God's Menu
FanfictionIch hörte das klicken einer Waffe und haschte mit meinem Blick zu Chan. Nicht nur mein Arsch ging mir plötzlich auf Grundeis, Chan wurde sichtlich unruhig und fuhr herum. Einer von Kai's Leibwächtern hielt ihm eine Pistole direkt an die Schläfe. Pa...