Look at me

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Minho hielt eine Viertelstunde später vor einem türkisem Flachbau, vor dem eine Horde gutgekleideter Menschen Schlange stand.
Das Chesire. Eines der außergewöhnlichsten Restaurants im ganzen Land.
Die drei auf dem Rücksitz stiegen aus.
Mingi eilte an meine Tür heran und öffnete sie mir.
„Bis spätestens Mitternacht solltest du wieder zurück sein. Changbin hat mir Bescheidgegeben, dass er deine Kämpfe verlegt hat." Hielt Minho mich flüsternd auf dem Stand. Ich bedankte mich leise bei ihm, schnallte mich ab und stieg dann aus.
Ich nickte Mingi dankend zu. Er schloss die Tür hinter mir und Minho fuhr weg.
Kai schmalzte sich zu mir und harkte sich bei mir unter, um mich in die Richtung des Chesire zu führen.
Ich befreite mich aus seinem Griff, doch er zog mich zurück.
„Da drin sitzt ein Großteil meiner Klientel. Reiß dich zusammen." Zischte er mit ins Ohr, als wir an der Schlange vorbei zum Kellner an der Eingangstür schritten.
Ich spürte Kais Blick an mir herab gehen. Wie er meinen Körper betrachtete, der sich unter dem engen Stoff versteckte. Sein Blick blieb an meinen zweifarbigen Schuhen hängen.
Er atmete tief ein und wir beide lächelten herzallerliebst, als er mir den Arm zu zerquetschen drohte.
„Ich wünsche Ihne einen guten Abend." Begrüßte der Kellner uns, „Ihre Reservierung haben wir rechtzeitig erhalten Mr. Kim. Wenn auch ein wenig kurzfristig, wir finden immer einen Platz für Sie."
Kai warf dem Kellner ein einschleimendes Lächeln zu. Als habe er nicht damit gerechnet, dass in seinem eigenen Restaurant ein Platz für ihn frei wäre.
„Vielen Dank, das weiß ich zu schätzen. Ich erwarte, dass mein üblicher Tisch frei ist." Das war ein Befehl, dennoch überlegte der Kellner für einen Augenblick.
Er musste nicht älter sein als ich und besaß einen gewöhnlichen Job, hatte vielleicht eine Freundin, eine Wohnung, ein normales Leben.
„Selbstverständlich. Treten Sie ein." Der Kellner hielt uns die Tür auf und Kai führte mich in das gutbesuchte Restaurant.
Kellner in Himmelblauen Uniformen wirbelten mit Weinkaraffen und edlen Champagnerflaschen beladen von Tisch zu Tisch. Eine weiter Mannschaft Kellner in Marineblauen Uniformen brachte außergewöhnlich aussehende Speisen an die Tische der Gäste.
„Ich weiß noch, als wir das erste Mal hier waren." Sprach Kai im alltäglichen Plauderton. Der Griff an meinem Arm lockerte sich, als sei er sich sicher, dass ich ihm nicht verschwand.
„Erinnere mich nicht dran." Säuselte ich und besah ihn.
Kai trug einen schwarzen Anzug mit einem roten Kragen. Egal auf welches Kleid meine Entscheidung fiel, jeder hätte gesehen, dass wir zusammengehören. Ich gestand mir hässlicherweise ein, dass Rot auch seine Farbe war.
Unzählige Augenpaare richteten sich auf mich.
„Manchmal erinnere ich mich ganz gern daran." Schmunzelte er und nickte ein paar seinen bekannten Gesichtern zu. „Du warst so fasziniert von der Karte und dem Menü."
Kai brachte mich an unserem ersten Date hierher, als feststand, dass ich in keines der Mädchenlager gebracht werden durfte. Diese Plage hatte ich selbst verbaut.
„Wenn das Essen schmecken würde und der Besitzer kein Arschloch wäre, wäre ich das..."
Kai schlug mir seinen Ellenbogen warnend in die Hüfte.
„Ausdruck." Mahnte er mich.
„Man möge dir ein männliches Genital mit aller Kraft schmerzhaft gegen deinen Willen in dein knochiges Hinterteil einführen." Liebäugelte ich ihn. Kai sah zu mir herab. In seinen Augen blitzten Genervtheit und wütende Anspannung.
„Du kannst dir Worte nicht immer nach deinen Gunsten drehen, wie sie dir gefallen."
„Dann musst du dich besser ausdrücken."
Kai führte uns von dem üblichen Gästebereich in einen Gang im hinteren Bereich des Restaurants. Hier befanden sich besondere Tische für extravagante Gäste.
„Ich denke ich habe mich dir gegenüber immer deutlich genug ausgedrückt."
Ich kommentierte nichts.
Yunho eilte an uns vorbei und öffnete uns eine der schwarzlackierten Türen in eines der VIP-Zimmer.
Ein solches Zimmer in diesem Restaurant fühlte sich damals für mich an, als betrete ich eine fremde Welt.
Das Restaurant erinnerte an Alice im Wunderland. Genauso wunderbar war auch die Einrichtung der VIP-Zimmer.
Kai hatte sich noch das langweiligste der Zimmer ausgesucht. Es sah aus, wie das Büro des Hutmachers. Der Tisch besaß keine klare Form. An die Wände wurden verrückte Hüte und Gewänder projiziert.
Neben dem Esstisch standen kleine mit echten Hüten beladene Kommoden und übergroße Nähutensilien herum. Mein liebstes Zimmer war der Speisesaal der Herz-Königin.
Kai ließ mich aus seinem Griff in der Sekunde, in der Mingi eintrat und Yunho die Tür schloss.
Er eilte an mir vorbei und zog mir meinen Mantel aus. Mingi hängte ihn an den verzerrten Kleiderständer neben der Tür. Yunho tat das gleiche bei Kai und lief dann an das hintere Schmale Ende des Tisches, Er zog den Stuhl zurück.
„Miss Jeon, wenn ich bitten darf?"
Ich nahm mit Freuden Abstand zu Kai.
„Vielen dank...?"
„Yunho. Jeong Yunho." Stellte er sich mir höflich lächelnd und offiziell vor.
„Sieh an, du hast einen ähnlichen Nachnamen wie ich." Scherzte ich.
Yunho lächelte diszipliniert. „Mit viel Glück, haben Sie bald einen neuen."
Ich sah für den Bruchteil der Sekunde den Schalk in seinen Augen blitzen.
„Allerdings." Murmelte ich und setzte mich.
Kai wartete, bis ich meinen Stuhl am Tisch zurechtgerückt hatte und setzte sich erst dann. Sein Vater hatte ihm die Manieren gut eingeprügelt.
„Ich will vor Mitternacht wieder zurück sein." Machte ich ihm klar und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.
„Du hast nicht die Position Bedingungen zu stellen." Kai lehnte sich über den Tisch. Ich war froh, dass er anderthalb Meter auf Distanz zu mir saß.
„Dann verschaffe ich sie mir hiermit." Ich hob meinen Blick und legte meinen Kopf schief.
Kai inspizierte mein Gesicht ausführlich. „Du bist schon immer stur gewesen."
„Nur dass ich jetzt nicht mehr wegbreche, um deinem Willen zu folgen.
Kai verschränkte seine Hände ineinander und lehnte seinen Kopf auf sie.
„Dennoch bist du hier." Er klatschte in die Hände und nahm den Kopf wieder hoch.
„Ich will wissen warum. Ich habe zu tun."
Kai schnaufte, sein schnaufen war nur lange nicht so elegant und dezent wie das von Minho.
„Ich würde gerne noch in das unversehrte Gesicht meiner Verlobten blicken, wenn ich mit ihr rede."
Wie konnte er wissen, dass... Die Listen behielt Changbin streng unter Beobachtung.
„Worüber haben wir bitte zu reden?" warf ich in den Raum und verschränkte meine Arme vor der Brust.
„Über letzten Samstag." Kam es von Kai wie aus der Pistole geschossen.
„Ich möchte mich entschuldigen."
Innerlich hing mir mein Kinn auf dem Boden. Äußerlich lieferte ich Kai meinen besten Bitchblick. Augenbraue hochgezogen und die Lippen in einer schmalen Linie. Das Wort Entschuldigung glich einem Fremdwort für ihn.
„Ich bin dem Polizeipräsidenten gegenüber zu weit gegangen. Das tut mir leid, aber ich musste ihn für mich gewinnen."
Ich starrte von Kai weg und musste mich zusammenreißen ihm nicht über den Tisch an die Gurgel zu gehen. Das Wort Übertreibung war noch weit untertrieben, für die Hölle durch die er mich damals, wie letzte Woche jagte. Er musste daran feilen Sympathie nicht durch widerliche Lügen aufzubauen.
„Ich muss sagen, ich hätte nicht erwartet, dass du Seonghwa bereits so sehr nach deiner Nase tanzen lassen kannst, dass er einen ganzen Fluchtplan für dich und deinen Haufen aufgestellt hat." In Kais Gesicht zückte Anerkennung. „Das war riskant. Er hat sich am selben Abend noch zu erkennen gegeben, dass ihr euch auf ein Sicherheitswort geeinigt habt."
„War es nicht das, was du von ihm verlangt hast? Mich beschützen und meine Wünsche erfüllen?" tastete ich mich heran.
Kais Gesicht entspannte sich. Er sah plötzlich Jahre jünger aus.
„Allerdings." Lachte er. „Nur habe ich nicht gerechnet, dass meine eigenen Wachen mich als Gefahr ansehen und reagieren." Kai ging sich durch die Haare.
„Seonghwa ist sonst sehr punktorientiert und lässt sich selten abbringen oder beeinflussen."
Dass ich nicht lache.
„Ich würde gerne wissen was du San und Wooyoung über meine kleine Geschichte in den Kopf gesetzt hast."
Da war er wieder. Der kalte und brutale Kai. Der Kai der mich damals ins kalte Wasser der Realität fallen lassen hatte.
Die fast ernstgemeinte Entschuldigung strich sich aus seinem Gedächtnis.
„Nichts." Presste ich heraus und somit auch die Wahrheit. Ich hatte die beiden das letzte Mal am Montag gesehen, als ich mit Seonghwa in seiner Halle gewesen bin. Würde einer der beiden zwecks dem geschehenen auf mich zukommen, ich wäre nicht in der Lage ihnen die Wahrheit an die Hand zu geben, gleich ob sie gegen Kai standen.
Bis heute war seine Tat, sein Befehl so unmenschlich, dass ich keinen Gedanken daran zu fassen wagte und nicht die Fassung verlor.
„Gut." Kai lehnte sich zurück und griff nach der Karte aus hauchdünnem Glas auf dem Tisch.
„Ich will das es so bliebt. Es soll nicht mehr als genug an die Öffentlichkeit und der Präsident wird reden. Das bringt uns Punkte."
„Punkte, die du auf...!" Ich lehnte mich ruckartig über den Tisch zu ihm, doch brachte es nicht meinen Satz zu Ende zu bringen. „Die du darauf basierst, dass du..!"
„Du kannst immer noch nicht darüber reden." Stellte Kai fest und neigte den Kopf.
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter.
„Ich bin nicht so herzlos wie du."
„Und dennoch hast du den armen Trainnee schonungslos auseinandergenommen." Kai grinste düster.
„Ich vermisse diese Cheonsa, weißt du? Wir waren ein gutes Team."
Ich half ihm Busan heute so zuzurichten, dass ihm der ganze Untergrund der Stadt gehörte, dass die Politiker und Beamten der Stadt über sein treiben hinwegsahen.
Ich setzte mich wieder.
„Wir sollten daran anknüpfen, an unserer Zusammenarbeit." Bat er mir an.
„In den letzten zwei Jahren ist viel in Busan passiert." Begann er in theatralischer Erzählerstimme und machte eine ausladende Geste.
Ich griff nach der Glaskarte und blätterte behutsam meinen Weg durch das feine beschriebene Material.
„Ich brauche eine helfende Hand, die mit mir durch unsere Deals geht und neue vorbereitet."
Ich verkniff mir einen Blick zu Mingi hinter mir und blickte stattdessen von der Karte zu Yunho hinter Kai.
Er blinzelte zwei Mal schnell hintereinander.
„Ich könnte dich hintergehen." Hielt ich dagegen und betrachtete meine Nägel.
„Dann sind deine Strays Geschichte. Die Strecke in den Wäldern lasse ich samt ihnen im Gebäude abbrennen. Du sitzt geschützt an meiner Seite und kannst dich am Feuer wärmen."
Ein zum Scherzen aufgelegtes lächeln legte sich auf seine Lippen. „Außerdem, an wen willst du mich verraten."
Sein Blick glich dem des verrückten Hutmachers, wenn er einem direkt in die Augen sah und grinste. „Die ganze Stadt spielt nach meinen Fäden. Ich würde in der Sekunde wissen, dass du mich hintergehst, in der du den Mund aufmachst."
Ach wirklich?
Ich schloss die Augen einen Moment und dachte nach. Mein Gewissen sträubte sich dieser Arbeit Folge zu leisten. Das Leben von unzähligen unschuldigen in meinen Händen. Seonghwa konnte nicht jedes der entführten und geplagten Kinder und Erwachsenen aus Kais Händen retten, das wäre fürs erste zu auffällig.
„Ich will dir erstmal über die Schulter schauen." Willigte ich ein. Kai besah mich selbstzufrieden Yunho hinter ihm nickte kaum deutbar.
"Ich glaube nicht, dass du mich ohne weiteres einfach an deine Geschäfte lässt."
Unser gegenseitiges Vertrauen beschrieb ich elegant als non-existent.
„Und du meintest, ich habe viel verpasst." Bezog ich mich auf seine Worte und lockerte meine Anspannung ein wenig. Ich sank in die Lehne und neigte den Kopf. „Außerdem hast du keinen Grund mir zu vertrauen. Warum soll ich also sofort einsteigen?"
Kai blickte von mir weg in die Richtung der übergroßen Nähutensilien. Bevor er seinen Gedanken äußern konnte, öffnete sich die Tür und einer der Kellner trat ein.
Er nahm unsere Bestellungen auf, brachte zwei Gläser Champagner als Begrüßung und verschwand dann wieder.
Kai räusperte sich, als wir wieder unter uns waren. „Du bist wirklich sehr reif geworden." Er sah mich mit etwas wie Nostalgie an. Wie das kleine Mädchen, dass ihm die Narbe unter seinem Auge verpasse. Viel hatte sich seitdem geändert. „Damals hättest du die ganze Hand genommen. Heute biete ich sie dir und du nimmst nur meinen kleinen Finger."
Ich würde ihm noch viel mehr nehmen als seinen kleinen Finger.
Ich versteckte mein anbahnendes Lächeln hinter meiner Hand und lehnte mich nach Vorn.
„Ich habe gelernt mich nicht zu sehr aus dem Fenster zu lehnen."
Kai lehnte sich ebenfalls über den Tisch zu mir.
Dieses Gespräch fühlte sich komisch an. Mein Bauchgefühl flößte mir ein, dass Kai noch irgendeine Bombe platzen ließ, dass er mir etwas antat. Das sich irgendein Nervengift in meinem Champagner befand, dass mich ihm gefügig machte.
Die Stimmung im Zimmer lag zu ruhig in der Luft. Wir hatten uns noch nicht gedroht, keine Hände landeten an dem Hals des anderen, keine angedeuteten Schläge, nur ein unheimlich ehrlicher, kühler Austausch.
Er führte dieses Gespräch, wie eines mit seinen Geschäftspartnern. Die spürbare Spannung zwischen uns und dennoch eine Art von Distanz, die mir Comfort gab, Raum mich auszubreiten und bedingt loszulassen.
Kai verhandelte mit mir.
„Das weiß ich zu schätzen, mein Engel."
„Nenn mich nicht so." forderte ich von ihm. Mein Gesicht fror ein.
„Ich nenn dich, wie ich will." Er lächelte, pures amüsiert sein huschte durch seine Augen, in ihnen ein diebisches, kindliches glitzern.
Ich nahm das Glas Champagner zwischen meine Finger, drehte es und stellte es wieder ab.
Vor den Kämpfen Alkohol zu mir zu nehmen, wäre keine gute Idee. Ich wollte bei klarem Verstand bleiben, wenn ich meinem Dämon die Aufmerksamkeit überließ, nach die er sich sehnte.
In den Minuten bis das Essen gereicht wurde, wurde Wasser in das Zimmer gebracht. Ich beschlagnahmte die große Flasche für mich. Kai orderte ein Glas von irgendeinem unaussprechlichen uralten Wein.
Wir schwiegen uns in unausgesprochenem Übereinkommen an.
Es gab nichts worüber ich mit ihm zu reden hatte und er schien seinen Verhandlungsfaden neu sortieren zu müssen.
Bis zum Essen herrschte eine totenstille.
Ich besah den Raum stumm und spielte an der Rose, die an meiner Kette baumelte. Kais Blick blieb auf mir ruhen, als versuche er meine Gedanken zu lesen.
Mir juckte es in den Fingern nach meinem Handy zu greifen, ich wollte mich nach der Lage an der Strecke erkunden. Hatten Hyunjin und Felix sich endlich wieder zusammengerafft? Felix stand für das große Rennen heute auf der Startliste. Er musste sich am Riemen reißen, damit Changbin ihn aus dem Zimmer ließ.
Nachdem das Essen gebracht wurde, füllte das Klappern von Besteck den Raum.
Mein Zeitgefühl ging abhanden. Es hätte gut sein können, dass ich bereits seit Stunden hier mit Kai saß, genauso hätte es auch nur eine halbe oder dreiviertel Stunde sein können.
„Übrigens Cheonsa." Kai ließ mich innehalten, als ich meine Gabel, beladen mit Kohlrabipüre, zu meinem Mund führte. „Der eigentliche Grund, warum ich dich außerdem sehen wollte ist..." Er wischte sich mit seiner Serviette über die Mundwinkel und legte sie auf seinen bereits leeren Teller.
„Ich wollte, dass du etwas Vernünftiges isst, bevor ich dich in den Ring steigen lasse."
ich spukte meinen Kohlrabipüree auf halbem Weg fast von der Gabel. Er sorgte sich um meine Ernährung und schleppte mich in so einen Schuppen? Drucksend senkte ich die Gabel wieder und sah zu ihm herüber.
„Ich glaube wir sind lange vorbei an der Station, an der du so tun musst, als würdest du dich um mein Wohlbefinden sorgen." Sprach ich meinen Gedanken aus und nahm einen Schluck Wasser zu mir.
Kai platzierte die Serviette auf seinem leeren Teller und sah hinter mir zu Mingi. Er und trank seinen Wein, bevor er sich sammelte und auf meine Bemerkung konterte. „Dann ist der Zug wohl bei mir noch nicht vorbeigefahren."
Ich lachte unreif und kindlich auf und verschluckte mich an dem Steak aus Jackfruit, das mit dem weißlichen Püree daherkam.
„Dann solltest du vielleicht überlegen dich vor ihn zu stellen, wenn du ihn siehst." Hustete ich und angelte mit der Hand nach dem Wasser.
Kai fiel keine weitere Bemerkung dazu ein. Er sah aus verengten Augen auf seinen Teller herab, als habe ihm die Serviette beleidigt.
„Ist es so falsch von mir, dass ich versuche, nett zu dir zu sein?" Kai senkte seinen Blick und presste die Lippen aufeinander. „Ist es so falsch von mir, dass ich versuche die Wogen nach letzter Woche zu glätten?"
Da gab es keine Wogen und keinen Nettigkeiten mehr, die irgendetwas gutmachten.
„Ja. Weil es dich zu keinem besseren Menschen macht." Ich verschränkte mein rechtes Bein über mein linkes.
„Keine kleine feine Nettigkeit dieser Welt kann je wieder gut machen, was du mir angetan hast, dass...dass du..."
Mein Herzschlag nahm zu, mein Puls raste und mein Hirn rannte gegen jene Wand, hinter der sich die Worte befanden, die ich brauchte um sie ihm entgegen zu schleudern. Ich stolperte über diese Worte, unfähig sie in Laute zu fassen.
„Dass was..." Kai stand mit gefassten und wohl kontrollierten Bewegungen aus seinem Stuhl auf und schritt zu mir herüber.
Mingi machte einen Schritt näher an meinen Stuhl heran.
„Vergiss nicht, dass du immer noch für mich arbeitest." Erinnerte Kai ihn im düsteren Ton, als er an meinem Stuhl stand und ihn vom Tisch ruckartig zu sich drehte.
Er legte beide Hände auf den Armlehnen ab.
Ich fuhr zusammen und verwandelte mich in eine Salzsäule, als sein Gesicht vor meinem ruhte.
„Was kann ich nie wieder gut machen? Dass ich dich geliebt habe, dass ich dir gezeigt habe, was es bedeutet Macht zu gewinnen und zu besitzen?" Ich krallte meine Hände in meine Oberschenkel und drückte meine Schultern an mich, nur um ihn möglichst nicht zu berühren. „Dass ich mich mit dir verlobt habe? Dass ich dir einen Teil meiner Leibwächter zur Verfügung stelle? Dass ich sehen will, dass du etwas Richtiges isst, bevor du dir den Magen zerschlagen lässt?"
Ich spürte seinen entgleisenden Atem auf meiner Haut. In seinen dunklen Augen zuckte ein Cocktail von Emotionen verrückt im Kreis. Sein innerer Wahnsinn starrte mir entgegen.
„Sprich. Es. Aus." Verlangte er in einem bedrohlichen Hauchen von mir.
Ich kniff meine Augen zu. Wenn ich ihn nicht mehr sehen konnte, dann war er gar nicht da.
„Was habe ich dir angetan, Cheonsa."
Ich kroch in meinen Stuhl, machte mich klein, behielt die Augen zu, während ich in meinem Kopf schrie, tobte, Kai mit dem Messer auf dem Tisch umbrachte und seine Leiche zum Ausbluten zurückließ.
Jede Zelle in meinem Körper hörte auf sich zu bewegen.
„Willst du, dass ich so mit dir rede? So wie ich jedem unter meinem Rang die Leviten lese?" Sein Gesicht nährte sich meinem, so nahe, dass seine Nase über meine Wange strich und ich sein Essen von eben an ihm riechen konnte. Gemischt mit seinem stechenden Parfüm.
„Willst du wirklich in Angst um mich leben, wenn ich dir anbiete auf Augenhöhe zu kommunizieren?"
Ich bewegte mich keinen Zentimeter, vielleicht übersah er mich dann? Vergaß, dass ich vor ihm kauerte und ließ mich einfach in Ruhe und außer Acht.
„Sieh. Mich. An. Cheonsa."
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte weg, raus aus diesem Restaurant und verschwinden. Kais Wahnsinn übernahm ihn. Er war wie der Dämon in meinem Kopf. Kontrolliert brachte er wunderbares, unheilvolles Chaos. Losgelassen, war der Schaden unumgänglich.
„SIEH. MICH. AN!"
Meine Trommelfelle dröhnten. Ich schrie, die Augen so fest zugedrückt, dass es begann weh zu tun.
Ich hörte es rumpeln und wie Kai schrie, ich solle die Augen aufmachen und ihn ansehen, wenn er mit mir redete.
Er atmete schwer, ich hörte Handgemenge und quietschte auf, als sich behutsam eine Hand auf meine Schulter legte.
„Miss Jeon, sie können die Augen öffnen." Erklang Yunho hinter mir.
Ich schüttelte den Kopf und hörte noch immer das Kämpfen im Zimmer.
„Es ist alles gut. Es wird Ihnen nichts passieren." Yunhos ruhige Stimme brachte meinen Körper zum Aufatmen und überwand mich dazu seinen Worten Vertrauen zu schenken.
Mingi erblickte ich als erstes.
Er hielt Kai an den Schultern gegen die Wand gedrückt.
„Kommen Sie." Er lief um den Stuhl herum und hielt mir die Hand hin.
„Ich bringe Sie raus."
Ich bewunderte Yunho dafür, dass er selbst jetzt, nachdem Kai durchdrehte, so ruhig zeigte.
Kai kauerte in Mingis Griff, als sei ihm jede Kraft entwichen. Er war wieder er selbst und so verwundbar.
Mingi deutete mit einem Deut von seinem Kinn gen Tür, dass ich mit Yunho gehen sollte.
Ich sah zu dem Guerilla bei mir zurück und nahm seine Hand an. Er half mir aus dem Stuhl und schritt an die Seite, an der Kai näher war.
Yunho führte mich zu dem Kleiderständer und zog mir meinen Mantel über.
Mingi rückte mit Kai an der Wand weg von uns und hielt ihn immer noch an fest an seinen Schultern.
Kais Kopf rollte in meine Richtung. Die Augen verhangen von einem merkwürdigen Limbo, als sei er nun im Kampf mit seinem Wahnsinn und seinem Selbst. Er schloss die Augen, öffnete sie und fasste meinen Blick.
„Cheonsa..." hauchte er, als würde er jede Sekunde aus dem Bewusstsein fallen. „Es... es tut mir leid."
Ich glaubte eine Träne aus seinem Auge kullern zu sehen. Zwei Entschuldigungen an einem Abend...
Yunho hielt mir die Tür auf, während ich mit meinem Blick an Kai hing.
Seine Augen schlossen sich wieder. „Irgendwann, hoffe ich, wirst du mir verzeihen können."
Yunho sah mich auffordernd auf von Kai loszukommen.
„Nicht mal, wenn du tausend Tode stirbst, werde ich dir verzeihen." Hielt ich an, straffte meinen Rücken und lief an Yunho vorbei aus dem privaten Bereich.
Er eilte hinter mir her.
Die Blicke jener, die an Kais Geschäften interessiert waren, richteten sich sofort auf mich.
„Zu schnell." Flüsterte Yunho mir zu.
Ich verlangsamte meinen Schritt und glich mich seinem Tempo an.
„Sie werden spüren, dass etwas nicht stimmt." Analysierte er und hielt mir den Rücken vor nachgaffenden frei.
„San und Wooyoung sollten schon warten. Kai hatte nicht vor dich länger als vor Mitternacht bei sich zu behalten." Flüsterte er mir zu, als wir das Restaurant durchqueren.
„Warum?" harkte ich nach.
„Weil er dich selbst zurück zur Strecke fahren wollte. Mit San und Wooyoung." Yunho auf einmal nicht förmlich reden zu hören fühlte sich eigenartig an. Die förmliche Schiene passte besser zu seiner riesigen und sanften Erscheinung.
„Kai wollte dich Kämpfen sehen." Haute Yunho die Faust auf den Tisch. „Er hat nicht grade wenig Geld auf deinen Kopf gesetzt, nachdem er erfahren hat, dass du dich auf die Liste setzen lassen hast, genauso wie Mingi und San." Kai hatte allen Grund mich bewusst nicht in den Ring steigen zu lassen. Er hasste es damals schon, wenn ich mit blauen Flecken von Aufträgen wieder kam.
Ich hatte keine Zeit mehr dazu Yunho anzusehen, als habe er mir erzählt Michael Jackson sei ihm im Traum begegnet und habe prophezeit es regne Katzenbabys.
Wooyoung und San warteten bereits vor dem Restaurant, als ich mit Yunho das Gebäude verließ. Beide waren bis auf die Zehen beladen mit Mc Donalds Tüten und grinsten wie zwei Idioten.
Ich atmete auf, erleichtert endlich an der frischen Luft zu sein, weg aus Kais Gegenwart. Auch wenn es mir leidtat, Mingi allein mit Kai zurückzulassen.

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