Forget who we were

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Chaerim fiel mir am Montag um die Arme und ließ mich nicht mehr los.
Sie flüsterte mir unzählige Flüche zu und was sie mir antat, würde ich sie jemals wieder so lange ohne eine Warnung allein an der Uni lassen.
Seonghwa stand abseits von uns, den Blick in die Ferne gerichtet.
Seine Augen, seit gestern noch finsterer als zuvor. Immerhin hatte sich die Spannung in seinen Schultern gelöst. Er hatte während der Fahrt zum Campus nicht einen Ton verlauten lassen, was Hongjoon und er mit Seungmin und Jeongin anstellten.
An den blutigen Laken und Decken auf dem Rücksitz und der eigenartigen Ruhe, die er ausstrahlte, mussten sie sich heftig an ihnen ausgelassen haben.
„Lass mich nie wieder allein, Cheonsa, die Uni war der Horror... Ich musste mich mit anderen Leuten unterhalten... schrecklich."
Ich schmunzelte und versprach ihr, dass ich in der nächsten Zeit weniger fehlen würde. Wissend, dass ich in geraumer Zukunft das Land verlassen zu hatte.
Seonghwa hörte ich nur verächtlich über mein Versprechen schnauben.
Aus dem Nichts zauberte Chaerim einen Schneeball her und warf ihn mit präzisierter Konzentration in sein Gesicht.
„Das Gleiche zählt für dich! Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten ihr habt die Köpfe unter deiner Decke zusammengesteckt." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte den Kopf vorwerfend schief.
Seonghwa besah mich einen Moment, wo vor kurzer Weile noch Verlangen und Wohlwollen in seinem Blick lauerte, überwog das hässliche Schwarz in seinem Blick, dass mir alles böse wünschte.
„Eher wünsche ich ihr einen Virus, als dass sie in meinem Bett endet." Druckste er und schien sich daran zu erinnern, das Chaerim nicht den Hauch einer Ahnung hatte, was sich in den letzten Wochen zugetragen hatte.
„Ich wünsche dir die Krätze." Ich zog meine Augenbraue hoch und steckte ihm die Zunge heraus.
„Ich sehe ihr habt euch nicht verändert." Chaerim machte Gesten mit den Händen, als würde sie uns zurück zur Besinnung bringen wollen.
„Sicher?" brummte Seonghwa unter seinem Atem und sah davon ab mich direkt anzusehen.
Ich unterdrückte es die Luft auszustoßen und sah auf meine Stiefel herab.
Anders als ich erwartete, setzte er nicht seine üblich gelassene Unifassade auf, auf die ich so sehr hoffte.
Kaum verschwand Chaerim zu ihrer Vorlesung, mischte sich die alte kühle Förmlichkeit der letzten Tage in sein Verhalten zurück.
Er lief in engem Abstand hinter mir, eilte an mir vorbei, um die Türen zu öffnen, doch sah mich nicht einmal an.
Während San mir gegenüber noch sein Lachen behielt und Wooyoung und Mingi vollends auf die Vorgaben von Kai traten, steckte in Seonghwas Arsch ein gigantischer Stock, den ich ihn gestern nur noch tiefer gerammt hatte.
Das Kai mich vor versammelter Menge küsste, sah ich nicht kommen. Ich wusste, er würde unweigerlich demonstrieren, wie sehr es ihn freute, dass ich wieder in seinem Bann stand.
Während Hyunjin und Felix wussten, weshalb ich mich zurück zu Kai verirrte, hatte ich durch Seonghwas Starrsinn nur begrenzt die Möglichkeit ihn aufzuklären.
Das diese Schuld bei mir lag, nahm ich mit voller Verantwortung auf mich.
Dieselbe Verantwortung klopfte nun noch an, dass ich ihn einweihen musste. Aber die kleine Cheonsa schickte diesen Gedanken in die Prokrastrination und somit außerhalb meiner Greifweite.

„Hwa..."
Ich wagte es während der Vorlesung näher an ihn heranzurücken.
Er ergriff die Chance und rückte von mir weg.
In meinem Herzen und meinem Dämon, wie der friedlichen Cheonsa spürte ich die Dolche, die mir seine Abweisung entgegenstießen.
„Seonghwa, bitte..." er ignorierte mich.
Sein Blick ging stur nach vorne zur Professorin, das Gehör auf Durchzug.
Ich spielte an den Tastaturen meines Notebooks und machte mir während der ersten Vorlesung seit Wochen leere Notizen.
Den Faden hatte ich seit drei Wochen verloren. In zwei Wochen begann die Prüfungsphase.
Sollte bis dahin Kai der Einfall kommen mich direkt in eine seiner Angelegenheiten einzubinden, dürfte ich das Semester nochmal wiederholen. Wenn mir die Zeit dafür blieb.
Einzig in den Pausen vor Chaerim löste sich Seonghwas kalte Maske ein wenig. Er redete mit ihr, zwang sich mich einzubinden, doch es gelang ihm nur mäßig überzeugend die Stahlwand zwischen uns zum Schein einzureißen.
Es brauchte genau einen Unitag, bis Chaerim eindeutig bemerkte: Irgendwas hatte sich in den Wochen meiner und Seiner Abwesenheit verändert.
Bis auf das Seonghwa Handschuhe trug und es vermied andere mit seiner linken Hand zu berühren, generell Gegenstände mit ihr zu nahe an sich kommen zu lassen.
Jeongin und Seungmin sollten recht behalten haben. Sie hatten es in der Tat gewagt ihm eines seiner Fingerglieder zu entfernen.
Ich hoffte er hatte sich angemessen an den beiden gerächt.
Hongjoon hatte die Kugel kassiert.
Chaerim hingegen kassierte in der Mittagspause am Dienstag nach folgender Bekanntmachung einen Blick von Seonghwa, der sie in die Hölle katapultieren sollte.
„Ihr könnt euch die falsche Fassade sparen. San hat mir letzte Nacht gesteckt, dass ihr körperlich miteinander geworden seid und Seonghwa Startschwierigkeiten hat, die... naja... für schlechte Vibes gesorgt haben."
Ich drohte mich an meinem Orangensaft zu verschlucken, während ich versuchte zu verarbeiten was genau Chaerim grade in Sans Worten wiedergab.
„Bitte was?" knurrte Seonghwa und krallte die Hände um sein Tablett, bereit in jeder Sekunde vom Tisch aufzuspringen und San ebenfalls in sein Ende zu katapultieren.
„Das... das muss dir nicht peinlich sein. Schönheit ist subjektiv... und es gibt Mittel die.. die..."
„Willst du sagen ich bin hässlich?" ich stellte meinen Orangensaft betont laut ab.
Unter anderen Umständen wäre diese Situation äußerst amüsant gewesen. Wenn Seonghwa in der Laune stand auf perverse Witze einzusteigen, hätten wir uns gegenseitig vors Loch geschoben und bloßgestellt. Nur war weder ihm noch mir danach und San drohte, wie Chaerim ein doppeltes Ende.
„Gott nein, Cheonie... wäre ich lesbisch, ich würde zum Wasserfall werden... aber.., aber das ist nicht das Thema..." sie lief hochrot an und schielte sich durch die Cafeteria auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser äußerst heiklen Angelegenheit.
„Ich habe Cheonsa gegenüber durchaus eine befriedigende Show abgeliefert, Chaerim."
Erklang Seonghwa so beherrscht, wie ich mein Glas abgestellt hatte.
„Sie hatte in der Tat ihren Spaß mit mir unter meiner Decke, nachdem sie von Hyunjin rausgeschmissen wurde."
Ich trat ihm unter dem Tisch auf den Fuß, doch bewirkte nicht, dass er sich zusammenriss.
Meiner besten Freundin entgleiste die Farbe im Gesicht, doch sie kam gleich wieder.
„Ohhhhhhh! Ich wusste ihr habts getrieben!" sie klatschte begeistert in die Hände.
„Chaerim, bitte... das... das..." ich suchte nach Worten, doch Seonghwa mischte sich in meine ein.
„Chaerim bitte, das war nur temporär." Säuselte er mit einem feindseligen Haken in seinem Ton und erstach nun das Hähnchenfilet in seinem Salat.
Ich richtete mich neben ihm auf. „Seonghwa, das reicht!" flüsterte ich und schickte die enttäuschte Wut meines Dämons in meinen Ton, die ihm Drohung genug sein sollte.
„Das geht Chaerim absolut nichts an." Das Flehen der friedlichen Cheonsa mischte sich hinzu. Sie appellierte an den Teil, der in ihm hervorkam, bevor ich zu Kai floh.
„Es geht sie in der Tat an, zu wissen, was für eine Schlampe ihre beste Freundin ist, wenn sie ohne Vorwarnung die Beine für den nächsten spreizt und es mich über dritte erfahren lässt!" donnerte er düster.
Chaerim riss die Augen auf, ich zuckte zusammen, als habe er mich eben geschlagen. Wagen würde er es nicht, wissend ich würde ihm dafür das Genick, ohne zu zögern brechen, doch meine Flucht zu Kai so zu interpretieren schmerzte beinahe genauso.
„Dann solltest du vielleicht auch nicht den Teil auslassen, an dem du mich einfach nackt liegengelassen hast, als dir klar wurde, dass ich dir von Anfang an gesagt habe, dass mir nicht klar ist, wo wir enden werden." Schlug ich zurück. „Du hast tatenlos zugesehen, wie ich mich angezogen habe und gegangen bin, wissend dass ich für meine vergangenen Trauma nie etwas konnte." Ich sprang von meinem Stuhl auf, Seonghwa tat das gleiche und baute sich wutgeladen vor mir auf.
„Ähm Leute... das können wir auch wo anders klären..." lächelte Chaerim Unbehagen und fuchtelte hilflos mit den Händen herum.
„Ach so nennst du das?" schaufelte sich Seonghwa hoch und rollte dämonisch mit den Augen.
„Ich sollte dir vielleicht auf die Sprünge helfen, dass du dich von dem besten Kumpel deiner aktuellen Fickbekanntschaft abholen lassen hast, der oh Wunder, auch schon Platz zwischen deinen Knien gefunden hat!"
Mein Herz kam zum Stillstand, die ganze Welt drohte nach diesen Sätzen unterzugehen, während mein Puls die Geschwindigkeit eines Formel 1 Wagens annahm.
Im Unterbewusstsein nahm ich wahr, wie Chaerim geschockt die Lufteinsog, wie sie mich ansah, als wäre ich ein Monster.
Als sich die Erde wieder in Bewegung setzte, griff ich nach meinem Teller mit Nudeln und schmiss ihn Seonghwa über den Kopf.
„Wie kannst du es wagen!" schrie ich ihn an, ließ meinem Dämon volle Freiheit und mich zurück.
Sie ging auf ihn los, schlug auf ihn ein, während er sich verteidigte, mich abwehrte.
Chaerim versuchte zwischen unser Gemenge zu kommen, Ich nahm wahr, wie Seonghwa sie gekonnt an der Seite hielt.
Ich sah rot, tiefrot, blutrot.
Die Blicke der anderen Studenten waren mir gleich. Ich würde Seonghwa umbringen, hier und jetzt.
Doch als ich auf einen der Tische zusteuerte, mein Blick auf das Steakmesser neben einem der Teller gerichtet, erkannte Seonghwa meinen Gedanken und drängte mich weg.
Gegen ihn anzukämpfen gestaltete sich unmöglich. Nun da ich wusste, dass Minho für eine Weile das Sagen über die Guerilla hatte, erklärte sich, wieso er meinen Kampfstil spiegelte, wieso er meine Angriffe so gut kommen sah und mir voraus dachte. Wir hatten unsere Kenntnisse in denselben Kreisen erlangt, was mich nur noch fahriger machte.
„CHEONSA, SEONGHWA HÖRT AUF!" wütete Chaerim aus tiefster Seele.
Das würde ich nur zu gerne. Aber mein Dämon hatte andere Pläne, als ich Seonghwa mit meiner Faust im Gesicht erwischte, er ins Taumeln kam. Ich nutzte seine Schocksekunde, griff in seine Haare und ließ seinen Kopf auf die nächste Tischplatte knallen.
„HÖRT AUF! SOFORT, DAS SEID IHR NICHT!"
Oh wenn sie wüsste, wie unsere Leben hinter dieser Fassade aussahen, würde sie keinen von uns beiden wiedererkennen.
Seonghwa bekam die Überhand zurück.
Er richtete sich vom Tisch auf, schaffte es nach meiner Jacke zu greifen und wirbelte mich gegen die. Nächstbeste Wand. Er pinnte meine Arme über mich mit seinen Händen fest und klemmte meine Beine zwischen seinen ein.
Ich spuckte ihm ins Gesicht.
„CHEONSA!" Chaerim hielt sich die Hände erschrocken vor den Mund, doch blickte uns beide an, als habe sie eben einen Machtkampf zwischen zwei Löwen verfolgt.
Ich sammelte nach meinem Atmen und wandte mich gleichzeitig in Seonghwas Griff, um wieder von ihm loszukommen und ihn zu enden.
Er holte ebenfalls Luft, doch behielt mich fest unter Kontrolle.
Unsere Blicke fanden sich, das erste Mal ganz ohne dass wir es für Chaerim inszenierten.
Seine dunklen Haare fielen ihm ins Gesicht, die rechte Wange blutete, das linke Auge schwoll dunkelblau zu.
In seinen Augen tobte ein Sturm, der meinen spiegelte. Da waren Mordlust, Verzweiflung, Reue und eine ganz widerliche und dunkle Form von Leidenschaft.
Die schrecklichsten Teile unsere Persönlichkeit hatten ihre nackten Tentakeln in mitten von Universitätsstudenten ausgefahren und lagen nun bloß, für jeden offen um uns geschockt zu mustern.
„Campussecurity!" schallte es ganz weit weg in meinen Ohren. Mehrere raue Schritte trampelten in meinen Gehörgang in die Cafeteria ein.
Seonghwa wurde von mir weggerissen, ich von der Wand begleitet und hinter Seonghwa aus dem Gebäude der Cafeteria geführt.
Chaerim redete unaufhörbar auf die Männer ein.
Sie versuchte ihnen klarzumachen, dass es sich um ein Missverständnis hielt. Seonghwa und ich wären normalerweise die friedlichsten Wesen, auf dem Planeten. Es sei ein einmaliger Fehltritt, den wir sicherlich nie wieder wagen würden.
Keiner der Männer, die Seonghwa und mich in das Hauptgebäude der Uni führten, schenkte ihr groß Beachtung. Sie wurde von uns separiert, während wir wie die kriminellen abgeführt wurden, wie wir hinter ihrem Rücken waren.

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