The only thing that's left is the manuscript

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Ich krallte mich an dem Plüschhasen von Minhos Autoschlüssel fest, während mich meine Guerilla aus dem Hafengebiet brachten. Wie ich es auf beiden Beinen und mit erhobenem Haupt und ohne wegzubrechen zurück zum Auto schaffte... ich wusste es nicht.
Mein Kopf gab in Dauerschleife Minhos letzte Augenblicke wieder. Wie die Welt plötzlich für ihn stillstand, wie er taumelte, die Schüsse nicht aufhörten und... er ins Wasser fiel.
Wie dieser widerliche Bulle auf Minho schoss, mich festhielt.
Han... das Leuchten in seinen Augen, als er mir von seinen und Minhos Plänen erzählte. Wie Minho Han am Morgen noch voller purer und ungefilterter Liebe ansah, als er Tian in den Armen hielt. Da war so viel Leben in ihm.
Jetzt war es das nicht mehr.
Han würde die Liebe seines Lebens nie heiraten. Minho würde Han nie wieder mit Tian in den Armen sehen.
Ich erinnerte mich an die allererste Begegnung mit Minho.
Kais Vater hatte mich in den großen Saal zitiert, ein paar Tage nachdem ich im Training mit den anderen Trainees ein paar viele von Ihnen aus dem Leben scheiden ließ. Das war nicht das erste Mal. Aber das erste Mal, dass Konsequenzen für meine brutale Ader drohte.
Minho stand neben dem damaligen Kopf der Ssang Young Pa.
Ich weiß noch, wie Minho eine ruhe ausstrahlte, die mich schaudern ließ und mich im selben Moment eigenartig beruhigte.
Er besaß eine ganz ganz merkwürdige Aura. Gleichzeitig wollte man, dass er einen mochte und doch so schnell von ihm wegkommen, wie es nur ging.
Ich wollte weder, dass er mich mochte, noch wollte ich gehen. Ich machte es mir damals zur Aufgabe Minho zu hassen. Obwohl er mir nie einen Grund gab. Im Gegenteil er besaß eine kühle Fürsorge. Seine Art sich um mich zu kümmern und mir Dinge beizubringen, die waren fragwürdig. Doch sie funktionierten. Er brachte mir bei zu Kämpfen, als könne ich es bereits, warf mich nicht selten ins kalte Wasser, reichte mir aber danach wieder eine warme Tasse Tee um mich aufzuwärmen.

„Ich fahr dich zurück zu Kai." Legte Seungcheol, der Anführer meiner Guerilla fest.
Ich schüttelte den Kopf. Nicht in der Verfassung irgendetwas zu sagen oder zu tun, ohne dass mein letzter Verstandsfaden riss.
Die anderen unbeschadeten zwölf Leute seiner Truppe sahen sich unschlüssig um.
Minho war über Jahre ihr Lehrmeister und Verantwortlicher gewesen. Er kommandierte sie zu Einsätzen, brachte ihnen bei zu Töten. Ob sie um ihn genauso trauern würden, wie ich?
„Das war kein Angebot, du bist nicht in der Verfassung zu fahren." Warf Seungcheol mir vor.
Ich stimmte ihm mit dem Messer in meiner anderen Hand um, mit dem ich nun auf ihn zeigte.
Erneut schüttelte ich den Kopf. Was mein Mund machte, wenn ich ihn öffnete, wollte ich in diesem Moment nicht herausfinden.
Generell wollte ich nicht herausfinden, was aus mir herausbrach, solange sich Menschen um mich herumbefanden.
Über dem Hafen flogen einige Helikopter weg. Sie mussten zu diesem verfluchten Sonderkommando gehören.
Ich würde sie alle finden und umbringen. Jeden Einzelnen. Erst ihre Kinder und Frauen oder Männer und dann zum Schluss sie selbst.
„Cheonsa, hey..." Mingyu mischte sich dazwischen und nahm mir das Messer vorsichtig aus der Hand.
„Sag uns, wo du hinwillst und... Seungcheol fährt dir Hinterher."
Zu Han.
Ich wollte zu Han.
Ich wollte zu Hyunjin und Felix.
Ich wollte ans Ende der Welt und nie wieder von dort zurückkommen.
Fast schon bereute ich es, dass die Bullen mich nicht mitnahmen. Dass sie mich ohne weiteres gehen ließen, als sei ich dann doch keine so große Bedrohung. Als seien sie nur da gewesen, um mir Minho zu stehlen.
Wir hätten diesen Auftrag in der Tat ablehnen sollen. Minhos Sinne trügen ihn nie. Das er jetzt tot war, war allein meine Schuld.
„Cheonsa?" Ein anderer meiner Guerilla legte mir eine Hand auf die Schulter. Im nächsten Moment hebelte ich ihn auf den Boden und nahm Abstand zu ihm.
„Lasst. Mich. Alle. In. Ruhe." Stieß ich aus und taumelte auf Minhos Wagen zu. Dem unauffälligen Mini.
„Was sollen wir jetzt machen!" rief Jeonghan mir hinterher.
Sollten sie doch alle Minho folgen.
Ich ignorierte meine Guerilla, wollte wie ein kleines Kind meine Hände über die Ohren legen, mich zusammen kauern und weinen, weinen bis der immer und immer größere Schmerz in mir abnahm, weinen bis Minho wieder da war, weinen bis ich selbst wusste, was ich jetzt machen sollte.
Mit zitternder Hand zog ich den Autoschlüssel aus meiner Jackentasche und entriegelte Minhos Auto.
Die Fahrertür aufzureißen fühlte sich schwerer an, als sonst. Als wog sie plötzlich tausende Kilo mehr.
So wie ich auf den Fahrersitz fiel und die Tür ins Schloss krachte, ließ ich meinen Tränen freien Lauf.
Das Licht im Wagen blieb aus, keiner sah mich. Ich konnte meine Maske abnehmen.
Ich spürte, wie sich in mir alles zusammenzog, wie mir warm und kalt gleichzeitig wurde. Die Luft zum Atmen schnitt sich mir ab, ich hatte das Gefühl umso schneller zu ersticken, je tiefer ich versuchte zu atmen.
Es wurde auch nicht besser als ich schnell und flach atmete, irgendwann atmete ich nur noch, weil mein Körper mir sagte, ich würde es zum Überleben brauchen.
Ich griff mir an den Kragen meiner Jacke, wollte sie von mir reißen und genoss gleichzeitig den Schmerz der sich durch meine verkrampfte Hand zog, als ich an dem Stoff zerrte, der nicht reißen wollte.
Der Druck brach erst aus mir heraus als ich Schrie. An der Situation änderte es nichts. Minho war tot, das alles war meine Schuld.

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