I need another miracle, I really need some help

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Triggerwarnung an dieser Stelle für das blutige umbringen von Menschen und bedrängt fühlen bzw. bedrängt werden.
Nicht weiter lesen wenn ihr mit den erwähnten Punkten keinen Frieden findet.

Ich ließ mich gegen die nächstgelegene Wand sinken und lehnte meinen Rücken dagegen.
Mein ganzer Körper zitterte, mein Hirn unfähig die Ereignisse des Abends aufnehmen und verarbeiten zu wollen. Die Tatsache, dass ich Mr. Park beinahe Felix andrehte, dass Felix zu jenen wehrlosen Trainees gehörte, an den er sich für Vorteile verging.
Han, Minho, dass die beiden eine Vergangenheit teilten. Han, der immer so locker und unbesorgt wirkte und aus diesen Kreisen stammte, den Horror auf Erden durchlebt hatte und sein Lächeln nie verlor.
Ich fror, schlang meine Arme um mich. Die schwere Lederjacke fühlte sich an wie eine schützende Haut, doch wärmte sie nicht.
Ich zog meine Beine an, legte meinen Kopf auf den Knien ab und wollte weg. Ganz weit weg.
Weg von erwachsenen Männern, die Kindern nachjagten, weg von den SSang Young Pa, weg aus diesem Leben.
Kalter Schweiß rann an mir herunter, während aus meinen Augen unaufhaltsam Tränen liefen. Mein Magen wurde flau, die Bilder die meine Gedanken umzäunte machte das Gefühl nicht besser.
Ich starrte zu der Tür durch die ich auf den Gang floh, durch die Suho mich hatte gehen lassen.
Er hatte mich gelehrt umsichtig zu agieren, mein komplettes Umfeld zu inspizieren und zu analysieren und daran abgemessen zu handeln. Das er einschritt zeigte, er sah ich hätte die Fassade nicht länger wahren können.
Ich half mir mit der Wand auf die Beine und taumelte durch den Gang auf die Suche nach einer Toilette.
Der Tornado in meinem Magen sagte mir meine Bilder und Gedanken mussten raus, die Bilder von Felix, wie er von Mr. Park berührt wurde. Han, in einer Welt voller Menschen die es wagten falsch mit ihm umzugehen.
Ich würgte, doch behielt mich noch zusammen.
Mir wurde schwindelig, der Gang verlor sich vor meinen Augen.
„Na hey." Eine unbekannte männliche Stimme kam hinter mir an mich heran und griff mir unter die Arme.
Ich wehrte mich aus seinem Griff zu kommen. Doch mein Arsenal an Selbstverteidigung glich einem Haufen Pampe.
„Hände weg." Murmelte ich.
Ich fühlte mich wie auf Drogen, nicht zurechnungsfähig, handlungsfähig und doch hatte ich weder etwas getrunken noch gegessen, dass mich von der Spur brachte.
„Scheiße, du bist doch Jeon Cheonsa." Die Hände des Mannes fuhren meinen Körper inspizierend ab.
Dieser Widerling hatte mich im falschen Moment erwischt.
„Ich dachte Kai hat ein Auge auf dich." Die Stimme schwafelte in mein Ohr.
Ich versuchte mich aus seinem Griff zu reißen. Meine Kraft schwand jedoch zu meinem Nachteil immer mehr.
Wie ein Schluck Wasser hing ich in seinen Armen, mein Kopf spielte lauter grausame Filme. Dazu die Fragen Warum? Wieso Han? Wieso Felix? Wieso die beiden ausgelassensten Seelen, die ich kannte?
„Komm, lass mich dir helfen, das Bad ist nicht weit, bin mir sicher Kai stört das nicht, wenn ich dir ein bisschen was gutes tu."
Seine Hand fuhr an meinen Hintern, dann unter meinen Rock.
Ich holte mit meinem Kopf aus und erwischte seine Nase mit meinem Hinterkopf.
Das reichte, dass ich mich von ihm lösen und weg irren konnte, in die andere Richtung, die zum Ausgang der Etage führte.
Mein Körper gehorchte mir nur im mindesten. Meine Beine und Arme folgten meinen Befehlen, doch nicht so schnell, wie ich sie bewegen lassen wollte, wie sie sollten, um mich nicht nochmal in die Arme des Mannes geraten zu lassen.
„Du bist echt bissig." Bemerkte der Kerl und machte sich auf meine Spur.
Er erreichte mich noch bevor ich den Ausgang erreichte und presste mich unsanft gegen die Wand.
Die eine Hand drückte mich an meiner Schulter gegen die Wand, die andere an meiner Hüfte.
Der Kerl stank nach einem bunten Cocktail teurer Spirituosen aus dem Club. So wie er aussah, hatte er hier oben nichts zu verlieren. Sein Hemd fiel ihm lose über den Oberkörper und verriet wie oft er die Woche trainieren gehen musste. Die Tattoos waren schlecht gestochen und verheilt, sein Gesicht vernarbt durch zu viele misslungene Rasuren.
„Deinen Biss werde ich dir noch austreiben..." Weiter kam er nicht, da ihn ein gut gezielter Fausthieb von der Seite direkt auf seinem Ohr traf und er die Balance verlor.
Ich machte, dass ich weg kam, auch wenn das langsamer passierte, als es nötig wäre.
Der Schläger machte kurzen Prozess und schlug erneut zu, knacken folgte. Mein Angreifer fluchte und taumelte ebenfalls einen Hieb an.
„Min. Notfall." Hörte ich eine mir bekannte Stimme mit sich selbst reden.
Meine Beine verloren den Draht zu meinem Hirn und gaben nach. Ich blieb liegen nahe an der Wand, auf dem Gang und schloss die Augen.
„Jetzt! Irgendjemanden!" die Stimme wurde verzweifelter und meckerte zur Ausnahme nicht über meine Lebensentscheidungen.
Er schlug sich weiterhin mit dem Widerling herum, der ihm mit Flüchen zum Teufel hieß ihm seine Nacht versaut zu haben und dass es mir nur recht geschehen wäre, wenn ich mich allein in einem solchen Ort herumtrieb.
Das spornte Chan nur noch mehr an den Kerl zu Brei zu schlagen.
Ich hörte nur das knirschen und knacken der Schläge, im Hintergrund gerückt durch meine schmerzenden, durch den ganzen Körper gehenden Schluchzer. Mein Atem beschleunigte sich, wie die Bilder in meinem Kopf. Meine Hände griffen nach meinen Haaren, meine Nägel kratzten über meine Kopfhaut, als können sie den Horror aus meinen Gedanken bannen.
Eine Tür flog auf und hastige Schritte folgten.
„Cheonsa?"
Nicht Seonghwa.
Ich zog die Beine an und kauerte mich auf dem Boden zusammen, versteckte mein Gesicht auf dem Teppichboden und schluchzte so zerrissen, dass es beinahe wie ein leiser Schrei klang.
Ich dachte Felix wäre sicher, war es immer. Ich dachte nichts könnte Han's muntere Laune trüben, sein teils naiver Leichtsinn. Nichts konnte Felix und seine beherrschte Aura brechen.
„Hier!" hörte ich Chan.
Die Schritte wurden schneller, Seonghwa wurde schneller.
„Was ist passiert?" Seonghwa klang wider seinem beherrschtem selbst.
So wie es sich anhörte hatte Chan immer noch mit dem Widerling zu kämpfen, der es wagte mich anzurühren.
„Kümmer dich um sie!" fuhr Chan ihn angestrengt an.
Schritte folgten, näher an mich heran, an meinen reglosen Körper.
„Cheonsa..."
Ich hörte, wie Seonghwa in die Knie ging und spürte die Wärme einer Hand über meiner Schulter.
„Fass mich nicht an." Fauchte ich mit letzter Kraft, die ich hatte, um nur halb so zerfallen zu klingen, wie mich dieser Abend zurückließ.
„Was hat er getan." Seonghwa fasste sich wieder.
„Er hat sie gegen die Wand gedrückt." Keuchte Chan.
„Überlass ihn mir." Befahl Seonghwa kühl. Wahnsinn lauerte in seiner Stimme und ich hörte Metall wetzen.
„Oh shit nein! Alter das war nur ein Witz. Mann ich hätte sie nie gevögelt, wollte nur wissen wie weit..."
Er war also noch in der Lage zu reden.
„Das kannst du deinem Gewissen in der Hölle einreden." Seonghwas Stimme fiel um drei Oktaven. Ich musste ihn nicht sehen, um zu wissen, dass er nun alles andere als menschlich aussah. Ich hatte gesehen, wie er tötete. Als sei es ein Spiel und er der Gewinner.
„Cheonie, ich bin es Chan."
Er war nun bei mir und berührte mich federleicht an der Schulter.
„Bist du verletzt?"
Ich ließ zu das Chan meine Schulter sanft, beschützend drückte und schüttelte den Kopf, den Blick immer noch zum Boden.
Keiner sollte mein ruiniertes Make-up sehen, meine Tränen, wie ich innerhalb von 24 Stunden zweimal brach. „Es ist vorbei, Seonghwa kümmert sich um ihn." Chan drückte meine Schulter und fuhr sanft Kreise über die Lederjacke.
Die schreie, das Zischen des WASP-Messers tobten über den Gang. Der Tod meines Attackierenden gestaltete sich alles andere als schmerzfrei.
„Cheonie, rede mit mir. Was hat er getan. Was ist passiert."
Ich weigerte mich auf das Gespräch mit ihm einzulassen. Die letzten Tage hatte er sich einen Dreck für uns interessiert und jetzt tauchte er einfach hier auf?
„Lass mich." Hauchte ich kroch von ihm weg.
„Cheonsa!" Chans Ton wurde herrisch. Ich zuckte zusammen und er bemerkte seinen Fehler sofort.
„Rede mit mir, bitte..." flehte er und nahm meine Hand in seine.
Ich besaß nicht die Kraft mich zu befreien, nicht den Kopf dafür.
„Sie will offensichtlich nicht mit dir reden." Kais Stimme erfüllte den Gang. „Jetzt lass sie los."
Chan kam seinem Befehl nach. Ich wagte es mich nach ihm umzusehen.
Kais Silhouette nahm den Gang ein, wie ein gewaltiger schwarzer Schatten. „Beseitige Seonghwas Sauerei, dann verschwinde. Du bist zu spät." Er machte eine Handgeste, als schob er Chan von mir weg.
Dieser rollte sich auf die Beine.
Ich schielte zu Seonghwa, er wischte sein Messer und die Hände an seiner Hose ab und blickte erwartend zu Kai.
Kai schritt langsam auf mich zu, zeigte mir seine offenen Handflächen und blinzelte mir ganz langsam zu.
Er hatte sich für mich entwaffnet, das bedeutete es. Eine alte Geste, wenn er es nur mit Mühe schaffte mich von meinem Dämon wieder in die Realität zu ziehen.
„Du bist sicher, mein Engel." Kai setzte sich zu mir auf den Boden, mit seiner Hand fasste er ganz, ganz langsam nach meinem Oberarm, als sei ich ein scheues Tier, dass er zähmte.
„Ich kümmere mich um ihn. Oder du, wenn du willst. Er lebt noch." Kai sprach mit mir, wie mit einem kleinen Kind, das Sprechen lernte.
Kai machte eine heranwinkende Geste in Seonghwas Richtung. Der reichte ihm das mit Gas verzierte Messer.
„Chan warte." Chan stoppte in der Handlung den vor Schmerzen stöhnenden Widerling aufzusammeln.
„Sein Name ist Chaekyun. Er ist einer von diesen Straßenratten, die wir ab und an rekrutieren. Xiumin hat ihn nicht gut erzogen."
Seonghwas und Chans Augen klebten an Kai und mir, beobachteten jede seiner Gesten, lauschten seinen Worten aufmerksamer als ich.
Ich besah Kai, als sähe ich ihn zum ersten Mal, nachdem ich ihm sein Gesicht zerkratzte.
Sanfte, ungefilterte Gesichtszüge, gespannt über makellose Haut, Augen, so tief wie der Ozean, so braun und Willkommen, wie eine warme Tasse Kakao unter einem von ihnen die Narbe die ich ihm schenkte, Lippen so voll und geschwungen, wie sie jede Frau beneidete.
Kai sah kaum älter aus, als damals im Kampfkäfig, als er mir die Hand in ein besseres Leben führte.
Mein Atem beruhigte sich. Die grausamen Filme in meinem Kopf endeten in dem Happy End, dass Felix und Han heute führten. Sie waren in Sicherheit. Keiner konnte ihnen mehr etwas. Sie hatten gekämpft und alle Runden gewonnen.
Ich nahm Kai das Messer aus der Hand und stand langsam auf.
Nacheinander sah ich zu Chan, dann Seonghwa.
Völlig verschiedene Geschichten spielten sich auf ihren Gesichtern ab.
Chan besah mich mit einer Stummen Mahnung an mein Gewissen, an meine Humanität. Er presste die Lippen zusammen, löste sie wieder und wiederholte dies ein paar Mal.
Seonghwas Gesicht erzählte von blanker Ruhe. Meine Seele leuchtete schwarz und rot. Kein Einschreiten würde etwas daran ändern, mich ändern.
Mein Dämon griff das Messer fest. Sie wollte ihre Rache haben für alles, dass in den letzten 24 Stunden meine Seele nur noch tiefer riss.
Kai erhob sich mit mir, legte seine Hand führend an meine Schulter und begleitete mich zu Chaekyun.
„Cheon..." Kai brachte Chan mit einem einzigen Blick zum Schweigen.
Seonghwa hingegen richtete den kümmerlichen Haufen schmerzlicher Laute vom Boden wieder auf die Beine und hielt ihn mir so hin, dass ich leichtes Spiel hatte.
„Ich kann die Dinge, die deinen Freunden passiert sind nicht ungeschehen machen, Cheonsa." Flüsterte Kai mir zu. Echtes bedauern, antastbares Mitleid schwang in seiner selten so sanften Stimme. Der Befehlston war ihm gewichen. Da war der Kai von früher, wenn er mir die Welt versprach, wir unter vier Augen, niemand dem wir unsere Rollen aufzutischen hatten.
„Aber du kannst das alles hier und jetzt rauslassen. Niemand wir dich aufhalten." Gab er mir den Freibrief.
Ich schloss meine Augen, hörte Xiumins Köter nach Gnade und Verzeihung winseln. Er habe doch nichts gemacht, das war nur ein Spaß. Natürlich würde er die Verlobte des Bruders seines Vorgesetzten nie falsch anrühren.
Damit stieß er auf Stein.
Mit meiner Hand suchte ich nach dem Knopf an Seonghwas Messer, der das Gas mit dem Zustechen auslöste.
Wie von selbst holte ich aus und stach Chaekyun das Messer in die Wange.
Schreie, ohrenbetäubend, wie laute Musik folgten.
Ich sah rot, die Gesichter von JYP und Han's Peinigern, dem kleinen Dicken widerlichem Kerl von Mr. Lee.
Ich stach zu und zu und zu und schrie selbst. Schrie für die Vergangenheit meiner Freunde, dem Leben der kleinen Nina und allen, denen ein ähnliches Schicksal ereilte.
Ich stach in sein Gesicht, seinen Hals. Seinen Bauch, seine Genitalien, überall. Blut schmückte mein Gesicht, meine Hände, mein Dekolte, während Seonghwa den schon lange toten Mann noch immer aufrecht hielt und ich Chan mehrfach über sieben Beete kotzen hörte.
Meine Arme verloren an Kraft und erst dann, wie ich das Messer nicht mehr selbst aus den Innereien Chaekyuns reißen konnte, hörte ich auf und sackte auf den Knien zusammen.
„Seonghwa." Kai nahm mich auf seine Arme und ich ließ das Messer mit leeren Gedanken und schmerzenden Armen fallen.
„Bring sie nach Hause. Stell sicher, dass das komplette Anwesen abgeriegelt ist. Bewache ihr Zimmer von innen und lass zwei deiner Leute davorstehen, bis ich wieder zurück bin."
„Selbstverständlich." Nahm er sich an und hob mich sachte aus Kais Armen in seinen.
„Räum das auf." Befahl Kai Chan, der sich erneut übergab und das noch eine Weile tat, bis er sich in der Lage sah aufzuräumen.
Seonghwa lief los, wie er sich sicher war, dass ich mich nicht wehrte aus seinen Armen zu fliehen.
Dafür hatte ich meine restliche Kraft in die Messerhiebe aufgegeben.
Seonghwas Blick löste sich aus der steinernen Fassade, als ich das Kalt der Nacht auf meiner Haut spürte und er mich zu dem Wagen trug, mit dem wir ankamen.
„Es tut mir unglaublich leid, was mit Fe..."
„Ich will kein Mitleid." Unterbrach ich ihn. Nicht dafür, dass ich mich heute so angreifbar und antastbar zeigte, dass ich noch immer nicht Kais Krallen entwichen bin, dass er mein Gefühlsleben immer noch genauso kontrollierte wie damals.
„Es ist für deine Freunde." Berichtigte Seonghwa und setzte mich auf dem Beifahrer sitz ab.
Sein Blick fasste meinen. Sein Gesicht wurde ebenfalls von Blut verziert, zum Glück nicht sein eigenes.
Seonghwa sah mich aus großen Augen an, so voll sorge und bodenlos berührt, wie letzte Nacht.
„Die Situation kommt mir bekannt vor." Schmunzelte er dann und legte seine Hand seicht an meine Wange.
Vor Monaten hatte er mich bereits in seinen Wagen geschleppt. Müde erwiderte ich sein Lächeln, aber wagte nichts zu sagen.
Er stieß die Luft aus, schnallte mich behutsam an und wollte dann zu seiner Seite des Wagens.
„Warte." Flüsterte ich.
„Was ist?" harkte er sofort nach, die Augen angsterfüllt.
„Kann ich dein Handy haben?" Seonghwa griff seine Taschen ab.
Ich versuchte das getrocknete klebrige Blut an meinen Händen an meinem Rock abzuwischen und nahm es aus seiner Hand.
„Das ist eine Gemeinsamkeit, die ihr ungewollt teilt, du und Kai." Scherzte Seonghwa und schmiss dann meine Tür zu. Da besaß er recht.
Seonghwas Handy wurde lediglich von dem gleichen Code gesichert, wie er in der Lagerhalle verwendet wurde.
Seine Sperrbildschirm zeigte ihn und San mit diesem albernen Hundefilter im Gesicht.
Das Hintergrundbild zeigte eine Drohnenaufnahme von seiner Guerilla Einheit, wie sie alle mit verschieden albernen Reaktionen auf die Drohne deuteten und sich darüber freuten wie kleine Kinder.
Ich schmunzelte beinahe über die kitschigkeit der Bilder. Doch wählte schleunigst die Nummerneingabe.
„Was hast du vor?" harkte Seonghwa nach.
Ich gab ihm keine Antwort und wählte, ohne nachzudenken Hyunjins Handynummer.
Als er nach dem ersten Klingeln nicht abnahm, ruckelte ich unruhig auf dem Beifahrer sitz umher.
Seonghwa fuhr weg vom Lotto.
Hyunjin nahm nicht an. Ich versuchte es erneut.
„Hwang... welche gottlose Seele ruft um diese..."
„Hyunie." Selten hatte ich mich so gefreut seine stinkige verschlafene Stimme zu hören.
„Cheonie!" Hyunjin war auf der Stelle wach.
„Geht es dir gut? Wen soll ich umbringen? Hast du Kai umgebr..."
„Ist Fee bei dir?" Ich lehnte meinen Kopf gegen die Lehne und sah nach draußen.
In der Stadt herrschte noch immer das blühende Leben.
„Liegt neben mir und sieht mich an wie ein gegrilltes Küken."
Ich lächelte vorsichtig.
„Kann... kann ich ihn hören?" Ich wollte wissen, ob es ihm gut ging, ob er wirklich bei Hyunjin war, ob die beiden beieinander waren. Fernab dem Grauen um mich herum, fernab von Felix Vergangenheit.
„Scheiße... alles gut bei dir Cheonie?" brummelte er im Hintergrund.
„Hyunie hat mich auf laut, seit er gehört hat, dass du es bist." Ein leises Lachen lag in seiner Stimme.
Ich sah die beiden vor meinen Augen. Aneinander gekuschelt unter Haufen an Decken, weil Felix in seinem Zimmer an der Strecke permanent die Fenster offen hatte, aber Hyunjin zu schnell fror.
„Wie ist die Lage an der Strecke?" Ich wollte ihn nur reden hören. Über irgendetwas.
„Ruhig. Chan hat sich nach der Schlägerei mit Changbin angeschrien und ist dann verschwunden. Den Rest des Tages hat Changbin die Sandsäcke im Keller auseinander geboxt." Felix überlegte bevor er weiterredete.
„Ist alles gut bei dir, Cheonie?" harkte Hyunjin in der Zwischenzeit nach.
Ich hielt mir die Hand über Nase und Mund um mein erleichtertes Schluchzen zu verdecken und wischte dann meine Tränen weg.
„Hast du geweint?"
„Nein." Log ich, wissend dass Hyunjin meine Scharade raushörte, aber schlau genug war nicht weiter zu picken.
„Fee, was habt ihr noch gemacht? Was ist mit Jeongin und Han und Seungmin?"
„Cheonie, du bist gruselig." Murmelte Hyunjin.
„Jeongin und Seungmin haben mit uns Mario Kart gezockt. Als Minho Han durchgegeben hat, dass du ihn von seiner Pflicht befreit hast, ist er mit einem der Wagen in die Stadt zurück.
Vorhin haben wir Indisch bestellt, dann sind Seungmin und Jeongin in die Stadt und Hyunjin und ich haben uns einen schönen Abend gemacht."
Seonghwa neben mir stieß schmunzelnd die Luft aus, ich kopierte es und spürte, wie sich meine Muskeln entspannten. Felix ging es gut.
„Will ich wissen, mit was dich Kai gefoltert hat?" fragte Felix betont gelassen zurück.
Ich zögerte meine Antwort heraus und blieb einen langen Augenblick still.
„Er hat mich einen Großteil des Tages in Ruhe gelassen." Ich unterdrückte meine aufkommenden Schluchzer und versuchte so normal zu klingen wie nur möglich.
„Er kam dir nicht zu Nahe?" harkte Hyunjin sofort nach.
„Nein."
Doch und ich ließ es zu, meine Mauern fallen zu lassen.
„Und du bist jetzt unterwegs? Mit wem?" fragte Felix weiter aus.
„Seonghwa. Wir kommen vom Lotto. Er fährt mich zurück zum Anwesen."
„Habt ihr Chans Alibi geprüft?" witzelte er und schien Hyunjin den Mund zu verbieten, der im Hintergrund unverständlich murmelte.
„Nein, ich habe mich dafür engagiert, dass der Kunde, dessen Lieferung verloren ging einen Ausgleich bekommt."
„Hat er ihn bekommen?"
Ich sah zu Seonghwa herüber, der in aller Ruhe den Kopf schüttelte.
„Nein."
„Hast du ihn umgebracht?" ertönte Hyunjin geschockt
Seonghwa druckste auf der Stelle los.
Mr. Park hatte ich leider nicht töten können, aber das würde noch werden.
„Habe ich nicht." Ich zwang mich selbst dazu amüsiert zu klingen.
„Er...Der Kunde wollte etwas haben, etwas das ich ihm nicht hätte beschaffen können. Ab dann hat Suho übernommen."
Felix und Hyunjin verhörten mich noch ein Stück. Ich versuchte ihre Fragen so umschrieben wie möglich zu beantworten, mit dem Wissen, Hyunjin durchhörte meine Lügen, wie ich sie aussprach. Doch in Anbetracht der Lage war es besser für die beiden unwissend zu bleiben. Ich konnte nicht einschätzen, ob Felix Hyunjin seinen Hintergrund anvertraut hatte.
Als Hyunjin das erste Mal auf halber Strecke lauthals gähnte, entschuldigten sich die beiden dafür, dass sie mich nun abwimmelten und versicherten sich erneut, ob es mir gut ging.
„Wir sehen uns Sonntag." Gähnten nun beide am anderen Ende der Leitung.
„Bis Sonntag. Ich... ich habe euch lieb." Worte, die so gut wie nie meinen Mund verließen und erneut an meiner Tränenschranke kratzten.
„Wir dich auch Cheonsa." Kam es von Hyunjin und Felix, beide nun mit einem merklich belegten Ton in der Stimme, der verlautete, dass sie sich sicherlich nicht sofort nach dem Auflegen wieder dem Schlaf widmeten.
Ich nahm das Handy vom Ohr und beendete den Anruf.
„Geht es dir jetzt besser?" Seonghwas Hand setzte wie selbstverständlich an sich auf mein Bein zu legen, er erkannte die Geste seiner Hand scheinbar selber und legte sie unbeholfen an die Gangschaltung.
„Ja." Seufzte ich und behielt sein Handy noch in der Hand.
„Kann ich noch einen Anruf machen?"
„Du kannst meinetwegen ein Mordkommando für Kai auf Amazon bestell... Was ich sagen will... du kannst mit meinem Handy machen, was du willst." Stotterte er und fuhr sich nun mit der Hand von der Gangschaltung durch die Haare.
„Danke." Hauchte ich.
„Nicht dafür." Nahm er an.
Ich wählte die nächste Nummer und hielt mir das Handy wieder ans Ohr.
Diesmal tutete es nicht so lang wie bei Hyunjin.
„Seonghwa, ich schwöre dir, ich schieße deinen Arsch matschig, wenn du noch einmal um so eine gottlose Zeit bei mir anrufst, ich habe dir schon tausend Mal gesagt, du sollst dich verfickt nochmal bei Minho melden, wenn..."
„Han?!" ihm ging es offensichtlich sehr gut. Aber seit ich ihn kannte, hatte ich Han noch nie ein böses Wort in den Mund nehmen gehört. Dennoch tat es gut ihn zu hören, wenn auch in einer bisher noch nie dagewesenen Tonlage.
„Cheonsa?" er klang so geschockt, wie ich mich fühlte.
„Wieso zum Käsebällchen rufst du über Seonghwas Nummer an? Geht es Minho gut? Kann ich ihn sprechen? Seid ihr fertig mit der Verhandlung?" Ich brauchte eine Minute um Han's Schwall an Fragen und seine Zweischneidigkeit zu verarbeiten. Natürlich musste Han Bescheid wissen. Die beiden hatten, wie ich erfahren hatte eine wahnsinnige Vergangenheit.
Aber Han ging es gut. Er klang mehr als nur munter.
„Wieso hast du Seonghwas Nummer?" harkte ich bei ihm mit einer Gegenfrage nach.
„Ehm... ich habe geraten!" ich sah seine riesigen Rehaugen vor mir, die er immer machte, bevor er versuchte zu lügen.
Ich sah zu Seonghwa herüber, der keine Mine verzog und stur auf die Straße starrte.
So viel ich heute auch über Minho und Han erfahren hatte, so mehr Geheimnisse taten sich um die beiden wieder auf.
„Wie geht es Minho?" beharrte Han.
„Gut... denke ich." Stammelte ich.
„Ich... ich bin nicht bei ihm. Er ist noch im Lotto."
Han gab einen theatralischen Laut von sich, wie ich ihn sonst nur von Hyunjin kannte, wenn ihm Felix auf die Nerven ging.
„Soonie kotzt einen Haarballen nach dem anderen und Jiji versucht sie zu fressen, du kannst dir gar nicht vorstellen wie ekelig Katzen sein können." Han holte kurz Luft zum Atmen und plapperte dann weiter.
„Doori liegt auf meinen Füßen, was echt blöd ist, weil das nicht bequem ist und Doongie liegt auf meiner Blase und ich muss seit einer halben Stunde aufs Klo. Aber du kennst die Regel, liegt eine Katze auf dir, bewegst du dich keinen Millimeter." Plauderte er ohne Punkt und Komma weiter.
„Aber weshalb hast du angerufen, Cheonie?"
„Ich...ich wollte nur deine Stimme hören."
„Das machst du sonst nie, schon gar nicht mit dem Handy von einem Guerilla."
„Meins liegt im Anwesen und da habe ich keinen Empfang. Die Ohrstecker sind in meiner Wohnung."
Han seufzte erneut theatralisch.
„Dann war dir wohl wirklich dringend nach meinem süßen Zwitschern." Ich könnte das niedlich verschmitzte Grinsen in seinem runden Gesicht förmlich vor mir sehen.
„Ja. Ich wollte nur wissen...wissen ob bei dir nach dem Scheiß von heute Morgen alles gut ist. Minho hat erzählt, er hätte heute frei gehabt."
„Mhmm." Machte Han, den munteren Schein kurz abgelegt.
„Du hast es ihm ja wieder gegeben. Wir waren am Meer. Etwas kalt mit den Füßen Anfang November noch ins Wasser zu gehen, aber es war lustig." Schwafelte Han unbesorgt weiter.
Meine letzten Tränen versiegten und für den Moment ignorierte ich den eigenartigen Anfang, den dieses Telefonat nahm. Han's hohe schnelle Stimme bildete den kompletten Kontrast zu Felix ruhiger und tiefer und war genau das was ich tatsächlich brauchte.
Han erzählte mir, dass eine der Katzen es sich jetzt auch noch neben ihm bequem machte und er sich entscheiden müsste die Regel zu brechen.
Er legte auf, als er meinte, jetzt wirklich dringend zu müssen, da Doongie und Doori eben von ihm gesprungen sind.
„Pass auf dich auf Cheonie."
„Du auf dich, Han." Verabschiedete ich mich und legte Seonghwas Handy in die Zwischenkonsole.
„Woher kennst du Han persönlich? Ich meine nicht das Bild in der Halle." fragte ich Seonghwa, nun wesentlich zurechnungsfähiger als noch vor den beiden Telefonaten.
„Durch Minho." Beantwortete er, ohne zu zögern.
„Woher kennst du Minho."
„Er arbeitet für Kai."
Ich ballte meine Hände zu Fäusten.
„Wieso kennt ihr alle Minho?"
„Das ist eine Frage, die nicht meine zu beantworten ist."
Ich sah Seonghwa von der Seite an. „Dann befehle ich dir, sie zu beantworten!"
„Das wird der Domina in dir nicht gefallen, aber ich verweigere den Befehl."
Kais Ring drückte sich in meinen linken Ringfinger.
„Du bist dazu trainiert auf mich zu hören."
„Auf Kai und seine Familie bevorzugt, nicht auf außenstehende. Theoretisch verfügst du bis zu Kais Initiation einen Scheiß über mich."
San und Wooyoung hatten den Fakt weitergegeben.
„Ich hasse dich." Spie ich kindisch wütend und mit herumfuchtelnden Händen aus.

Seonghwa folgte mir ohne weitere Worte durch das Anwesen in mein Zimmer.
Er ließ sich nicht davon überzeugen vor meiner Tür zu wachen. Mingi und Yunho saßen bereits vor ihr, als wir die Treppen hochkamen.
Yunho hielt uns beiden die Tür auf. Mingi besah meinen und Seonghwas blutüberschmückten Körper aus ausfallenden Augen.
Ich marschierte durch den Schlafbereich an meinen Schrank, suchte mir etwas halbwegs tragbares zum Schlafen raus und verschwand in der Dusche.
Seonghwa betrachtete die Bilder an der Wand, als ich gereinigt vom Blut in das Bett kletterte.
„Du kannst auch Duschen gehen." Legte ich ihm nüchtern nahe.
„Ist das ein Befehl?" Er hob kühl die Augenbraue.
„Ja."
Ich knipste das Licht im Zimmer aus und schloss dann ohne weiter darauf zu achten, ob er meinen Worten nachkam, die Augen.

„Schläft sie?" im Halbschlaf nahm ich Kais Flüstern in meinem Zimmer wahr.
„Seit wir zurück sind." Beantwortete ihm Seonghwa, ohne zu zögern.
„Warte draußen, ich will mit ihr allein sein." Beorderte Kai, die Stimme noch immer in einem vergleichsweise freundlichen Flüsterton.
„Du hast gesagt..."
„Ich weiß, was ich gesagt habe. Raus."
Seonghwa schien zu gehorchen. Die Tür fällt ins Schloss.
Kais Schritte nährten sich dem Bett, dann spürte ich wie neben mir die Matratze einging.
Ich spannte mich unter der Decke an und unterdrückte es mich in irgendeine Richtung zu bewegen.
Meinen Atem und Herzschlag kontrollierte ich mit aller Mühe. Doch Kai gegenüber konnte ich den beiden nie trauen.
Kais Hand strich liebevoll über meine Wange.
„Manchmal wünschte ich, ich könnte die Zeit zurückdrehen und alles dir gegenüber anders machen, Cheonsa." Ich glaubte mich zu verhören.
„Ich vermisse die Zeit von damals. Bevor... bevor wir beide angefangen haben freizudrehen und uns damit gegenseitig zu zerstören. Bevor Vater mir Busan übergeben hat." Das war zu seinem achtzehnten Geburtstag.
Ich hatte wenig später nach ihm Geburtstag und danach ging alles den Bach herunter.
„Er... ich weiß bis heute nicht, was er getan hat, dass du so Angst vor mir hast." Mein Ohr musste beim Duschen zu viel Wasser abbekommen haben.
„Ich war kein Heiliger. Ich habe mich dir gegenüber Oft im Ton vergriffen." Er wollte mich doch verarschen.
„Ich vermisse dich Cheonsa und ich hasse die Strays und Chan dafür, dass sie die Frau um sich haben, zu der du hättest an meiner Seite wachsen können." Ganz langsam krallte ich mich unter der Decke in meinem Kissen fest, den Gedanken hegend Kai damit an Ort und stelle zu ersticken.
Er rechnete nicht damit, dass sein Auftauchen mich wachgemacht hatte. In diesem Moment war Kai so verwundbar wie nie. Wie Musik würden seine erstickenden Laute unter dem Kissen klingen, wenn ich mich auf ihn stürzte, während er so klagvoll jammerte nichts von dem blutigen Attentat auf mein damaliges schwangeres ich gewusst zu haben.
„Ich hoffe, dass was auch immer damals passiert ist, du mir eines Tages verzeihen kannst."
Ich spürte, wie er sich über mich beugte und seine Lippen hauchzart meine Wangen berührten.
Meine Hände verschwanden im Kissen und drohten Kai in der Tat zu attackieren, wanderten aber dann zu der Spritze die ich darunter deponierte. Doch bevor ich den Entschluss für mich fiel, stand er schon wieder auf und verließ auf langsamen, leisen Schritten das Zimmer.

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