Terry und ich gingen vorsichtig die Treppe hoch, die zur Tür zum Korridor im dritten Stock führte, als jemand meinen Namen rief.
„Clarisse, was machst du da?"
Ich drehte mich beim Klang von Dracos Stimme um.
„Das geht dich nichts an!", rief ich. Ich nahm Terrys Hand und zog ihn hinter mir her schneller die Treppe hinauf.
„Komm"
Terry grinste höhnisch zu Draco herunter, der uns jetzt hinterher lief.
„Warte! Clarisse!"
Ich stockte, bei dem bittenden Klang in seiner Stimme, doch ich blieb nicht stehen. Draco war jetzt bei uns und griff nach meinem Arm.
„Was machst du da? Bist du bescheuert?"
Terry ließ meine Hand los und ging zu dem Durchgang in den Korridor.
„Draco, lass mich! Lass mir mein Leben und lebe dein eigenes.", sagte ich bittend und leise. Draco lockerte seinen Griff, ließ mich aber nicht los.
„Clarisse, wenn du so blöd bist und da rein gehst, dann hast du bald überhaupt kein Leben mehr, in das ich mich einmischen kann!"
Ich starrte erst ihn an, dann wandte ich meinen Blick zu Terry, der jetzt, die Arme verschränkt und die Augenbrauen gehoben an der Wand lehnte und mich ungeduldig ansah. Ich hasste es, mich entscheiden zu müssen.
„Draco... uns passiert schon nichts!"
Fassungslos starrte Draco mich an.
„Das... das kannst du doch nicht wollen!"
„Ich bin eben neugierig. Warum interessiert es dich überhaupt ob ich lebe oder nicht?"
Draco sah mich einen Moment lang mit seinen grau leuchtenden Augen an, dann ließ er meinen Arm los.
„Du hast recht. Warum interessiert es mich überhaupt?"Und dann drehte er sich um und ging die Treppen wieder hinunter. Ich sah ihm hinterher und hätte mich am liebsten heulend auf den Boden geschmissen, doch ich riss mich zusammen und ging zu Terry.
„Was wollte der denn?"
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Draco den Kopf kurz zu uns drehte. Er hatte uns gehört.
„Keine Ahnung. Weiß auch nicht was der hat.", sagte ich und hoffte, Terry würde nicht weiter fragen. Stattdessen sah er sich noch einmal um und schlich dann in den Korridor. Ich folgte ihm, doch irgendetwas in mir schrie danach, Terry am Arm zu packen und wegzuziehen. Ich ignorierte das Schreien und trat neben Terry in den Korridor. Er war dunkel und von Staub und Spinnweben bedeckt.Plötzlich tauchte Filch hinter uns auf, hielt uns an den Umhängen fest und zog uns, böse und hämisch grummelnd weg.
Das wars dann mit unserem abenteuerlichen Ausflug in den Korridor im dritten Stock. Wir kamen mit der Ausrede, wir hätten uns verirrt davon und das einzige, was uns aufgebrummt wurde, war, eine der Rumpelkammern in den Kerkern aufzuräumen.
Als wir etwa eine Dreiviertelstunde später Mandy von unserem gescheiterten Versuch, die Regeln zu brechen erzählten, lachte sie uns aus. So viel zu „beste Freundin".
***
Die Wochen vergingen und Mom wurde aus dem St. Mungo Hospital entlassen. Wir durften sie, entgegen meiner Vermutungen, nicht besuchen, aber das war nicht weiter schlimm, solange wir Briefe von ihr und Lagebeschreibungen von Dad bekamen. Unser Besuch am Montag Nachmittag bei Hagrid war der erste von vielen und es wurde zur Gewohnheit, entweder Montags oder Donnerstags bei Hagrid vorbeizuschauen. Meistens blieb es bei unserer Runde Sue, Davis, Terry und ich, doch ein paar Mal begleiteten uns auch Padma, Anthony oder Mandy. Manchmal kam sogar Michael mit, der eigentlich überhaupt nichts mit Hagrid am Hut hatte.
Terry und ich versuchten nicht wieder herauszufinden was im Korridor im dritten Stock war, vielleicht war es besser, wenn wir nichts davon wussten und irgendwann würden wir es sowieso herausfinden. Draco verhielt sich wie immer und ignorierte mich, Claire und Lee wurden immer enger miteinander und oft kamen Fred und George zu mir und beschwerten sich, dass Claire sich gar nicht mehr für sie interessierte. Snape ließ sich nicht anmerken, dass er ein Freund meines Vaters war und ich sprach ihn auch nicht darauf an, vielleicht, weil Snape immer abgelenkter wirkte, je näher wir den Sommerferien kamen, die jetzt nur noch eineinhalb Monate entfernt waren. Terrys und meine Nachsitzstunde in der Rumpelkammer war äußerst amüsant und inzwischen war es schon nicht mehr unsere einzige. Seamus und Dean wurden immer bessere Freunde von uns und erzählten an einem Abend, dass Neville ihnen erzählt hätte, er wäre im Korridor im dritten Stock gewesen.
„Was? Und... was ist da?", fragte ich aufgeregt und Seamus legte sich einen Finger auf den Mund und sah sich geheimnisvoll um.
„Er hat von einem Monster erzählt. Ein riesiger, dreiköpfiger Hund!", raunte er. Ich lachte laut auf.
„Haha genau! Als ob dieser Dummkopf wirklich da war, der braucht doch nur ein bisschen Aufmerksamkeit."
Seamus und Dean starrten mich fassungslos an.
„Bist du bescheuert?"
„'tschuldigung, aber als ob der wirklich da war, das traut der sich doch gar nicht!"
„Clarisse, er war da!"
Ich sah Dean einen Moment lang an, dann zuckte ich die Schultern.
„Dumbledore hält doch keinen Dreiköpfigen Hund in diesem Schloss, der brauchte doch bloß ne Ausrede, weil Filch zu faul war um zu putzen!"
Terry seufzte.
„Clarisse, sei nicht so."
„Wie?"
„Ich mag es nicht wenn deine Malfoy-Seite herauskommt!"
Ich lachte freudlos auf.
„Im Ernst? Das ist nicht meine Malfoy-Seite, dass ist das, was ich denke!", zischte ich, schnappte mir meine Bücher und verließ wütend die Bibliothek. Ich glaubte eben nicht jeden Scheiß der mir erzählt wurde und ich war eben nicht immer (sogar relativ selten) nett und lieb und verständnisvoll! Deswegen war ich ja auch nicht in Hufflepuff oder Gryffindor. Ich war in Ravenclaw, weil die neutral waren, nicht, weil ich wirklich so wahnsinnig schlau war. Wütend lief ich in Richtung Gemeinschaftsraum. Warum sollte ich eine Malfoy-Seite haben? Draco redete nicht einmal mit mir!
Als ich die Stufen zum Gemeinschaftsraum hochstieg, blieb ich vor der Wand stehen.
Der Adlerklopfer sprach sein Rätsel und ich löste es, dann trat ich durch die Tür in den Gemeinschaftsraum und lief in den Schlafsaal. Dort verstaute ich die Bücher unter meinem Nachttisch und setzte mich aufs Bett. Nach kurzem Überlegen lief ich zum Jungenschlafsaal und klopfte dort an die Tür.„Ja?"
„Ich bin's, kann ich reinkommen?"
Davis bejahte und ich betrat den Raum. Mittlerweile war es zur Gewohnheit geworden das ich mich in ihrem Schlafsaal aufhielt, wie in meinem eigenen. Als ich mich umsah, bemerkte ich, das weder Anthony, noch Michael da waren. Terry war ja bei Seamus und Dean.
„Alles okay?"
Ich zuckte die Schultern und ließ mich auf Terrys Bett fallen.
„Was ist passiert, Kleine?"
Ich zuckte wieder die Schultern.
„Egal!"
„Clarisse."
Ich drehte meinen Kopf und sah Davis ein paar Sekunden lang an, dann sah ich wieder an die Decke von Terrys Himmelbett.
„Terry meint ich hätte eine Malfoy-Seite."
Davis seufzte und legte sich auf sein Bett.
„Kleine..."
Ja ich wurde von den Jungs „Kleine" genannt, falls ihr das noch nicht bemerkt habt!
„Findest du auch das ich eine Malfoy-Seite habe?", fragte ich, sofort wütend. Davis hob beschwichtigend die Hände.
„Nein. Beziehungsweise ja. Doch, finde ich!"
Ich setzte mich wütend auf.
„Kleine, hör mir zu!"
Ich sah aus dem Fenster und atmete tief durch, wie um mich zu beruhigen. Ich durfte nicht immer gleich so ausrasten!
„Okay."
Komischerweise war Davis der einzige, der mich in solchen Situationen beruhigen konnte. Er strahlte diese Ruhe aus, er vermittelte sie mir nicht mit Worten, sondern mit Gesten und seinem Körper. Davis war immer ruhig. Und er war der Einzige, der es schaffte, meine Wut wenigstens ein bisschen abzukühlen. Keinem anderen hätte ich in so einer Situation zugehört.
„Jeder hat seine Schokoladenseite, doch wäre Schokolade so lecker, wenn es nichts anderes gäbe? Weil wenn es nichts anderes gäbe, das schmeckt, dann wüsste man doch gar nicht, wie sehr Schokolade schmeckt, oder?"
Ich sah Davis einen Moment lang schweigend an.
„Verstehst du was ich meine? Ich meine, wenn du nur deine Schokoladenseite hättest, dann wüsste man die vielleicht gar nicht so zu schätzen, weil man gar nicht wüsste, dass du auch andere Seiten hast."
Ich dachte einen Moment lang nach, dann legte ich mich wieder auf Terrys Bett.
„Aber jetzt mal davon ausgegangen, man hat vielleicht gar keine schlechten Seiten, würde man dann von den anderen weniger geschätzt werden, weil alle es für selbstverständlich halten, dass man so schokoladig ist?"
Davis drehte seinen Kopf zu mir.
„Ich weiß nicht... ich glaube, jeder hat seine schlechten Seiten. Ob es jetzt eine Malfoy- oder Potter-Seite ist, wie Terry sie definitiv manchmal hat, sei mal dahingestellt."
Ich sah in Davis blaue Augen und fing an zu grinsen.
„Schön wenn es Menschen gibt, die Malfoy und Potter mit Nachnamen heißen."
Davis lachte.
„Die Armen!"
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he's just a boy
Fanfiction*teil 1* Ich glaube, Draco Malfoy wird von vielen missverstanden, weil sie nicht sehen, was er eigentlich ist. Weil sie nur das sehen, was Harry sieht. Wie wäre es, wenn man die ganze Geschichte mal aus der Sicht eines Menschen sieht, der Draco über...