Am nächsten Morgen lief alles wie jeden 1. September. Mit einem Unterschied. Diesmal würde ich mit meiner großen Schwester zusammen in den Hogwarts Express steigen und ein halbes Jahr lang nicht mehr hier sein.
„Clarisse, hast du alles?", brüllte mein Vater die Treppe hoch und ich sah mich in meinem Zimmer um. Alle Bücher und Fotos waren weg, mein Kleiderschrank komplett leer und nur noch meine schwarze Eule mit den vereinzelten weißen Federn, Snow, saß kreischend in ihrem Käfig.
„Jaa!", rief ich, nahm meinen Koffer, den Käfig mit Snow und meine Bücherkisten und zwängte mich durch die Tür, die Wendeltreppe hinunter.„Habt ihr alles?", fragte meine Mutter, als endlich alle im Auto saßen, noch einmal.
„Ja, ich hab alles!", sagte ich zum wiederholten mal.
„Ja, ich-", Claire brach ab. Mein Dad schmiss den Motor an. „Stop, Dad! Bleib stehen, ich muss nochmal raus! Stop! Wartet kurz!" Sie öffnete die Tür und verließ das Auto. Dann rannte sie zum Haus, öffnete die Haustür und lief hinein.
Etwa zwei Minuten später kam sie mit ihrem schwarzen Kater Demon ins Auto gesprungen.„Jetzt kannst du losfahren!", sagte sie und streichelte Demon den Kopf.
„Du bist vergesslich wie eine neunzigjährige Oma mit Alzheimer!", sagte Lilly und sah dann mich an. „Bist du aufgeregt?"
„Sollte ich?"
Lilly warf mir einen komischen Blick zu.
„Ja! Solltest du! Du wirst tausend neue Freunde finden, Hogwarts ist genial! Die ganzen sprechenden Portraits, die Hauselfen, die fliegenden Kerzen, die Geister, die große Halle, das Gelände...", fing Claire an zu schwärmen. Sie war dreizehn und jetzt das dritte Jahr in Hogwarts. Ihre besten Freunde waren Fred und George Weasly und Lee Jorden.
„Und die Bibliothek? Wie ist die Bibliothek?", fragte ich. Ein wenig Aufregung machte sich doch in mir breit.
„Die ist langweilig! Sag ich dir doch jedes mal!", Claire verdrehte die Augen. „Du kommst nach Ravenclaw!"
„Nein, sie kommt nach Slytherin!", sagten Lilly, Mom und Dad gleichzeitig.
Ich verdrehte die Augen und sah aus dem Fenster. War doch egal in welches Haus ich kam, Hauptsache, ich war endlich weg!
Claire neben mir hopste auf ihrem Sitz herum.
„Dieses Schuljahr wird bestimmt toll!", sagte sie und fing an zu erzählen, was alles passieren könnte. Lilly und ich wechselten einen entnervten Blick.„London, meine Lieben! London!", sagte mein Dad begeistert, als wir in die große Stadt fuhren. Mein Bauch kribbelte. Jetzt dauerte es nicht mehr lange und ich würde im Hogwarts Express sitzen. Und heute Abend würde ich schon in Hogwarts sein. Meine Hände wurden schwitzig, als ich mir vorstellte, an einem der Tische zu sitzen und der Ansprache des Schuldirektors Dumbledore zu lauschen.
„Und du bist doch aufgeregt!", flüsterte Claire mir zu. Ich hob eine Augenbraue.
„Warum sollte ich?"
Ich wusste selbst nicht, warum ich diese Fassade immer noch aufrecht zu erhalten versuchte, aber Claire durchschaute mich, wie so oft.
„Ich kenne dich! Deine Hände sind verknotet und du kaust auf der Unterlippe! Außerdem wackelst du mit dem Bein und grinst dämlich!"
Ich schlug ihr auf den Arm.
„Halt doch die Klappe!", zischte ich und sah aus dem Fenster hinaus auf die Häuser, die sich zu beiden Seiten der Straße erhoben. Ein roter Bus fuhr an uns vorbei und Lilly zählte die Telefonzellen.
„Und, wie lange dauert es noch bis du mit George zusammenkommst?", fragte Mom Claire plötzlich. Claire warf eine Taschentücherpackung nach ihr.
„Im Auto wird nicht geworfen!", sagte Dad sofort.
„Mom, du kannst gerne so lange du willst darauf warten, dass ich mit George zusammenkomme, das wird nicht passieren! Da kannst du Gift drauf nehmen!"
Mom lachte und kitzelte Leo, der auf ihrem Schoß saß.Wir fuhren auf den Parkplatz vor KingsCross. Claire riss die Autotür auf und sprang, mit Demon auf dem Arm hinaus. Dort hüpfte sie ein paar Mal auf und ab, dann drehte sie sich einmal im Kreis, öffnete den Kofferraum und zog ihren Koffer schon heraus, als ich gerade erst aus dem Auto stieg.
„Na, da freut sich aber jemand von hier weg zu kommen!", lachte Mum. Ich warf ihr einen grinsenden Blick zu, dann nahm ich Snow in ihrem Käfig ebenfalls aus dem Kofferraum.
„Ich will auch endlich nach Hogwarts!", quengelte Lilly. Mum vergrub ihren Kopf an Dads Schulter.
„Was haben wir nur falsch gemacht, dass alle unsere Kinder hier weg wollen?"
Claire und ich lachten, während wir zum Bahnhof gingen.An der Säule zwischen Gleis neun und zehn angekommen, hüpfte ich einige Male auf und ab.
„Du bist ja doch aufgeregt!", lachte Lilly. Ich warf ihr einen bösen Blick zu, aber dann musste ich mit lachen.
„Vielleicht ein minikleines bisschen!"
Claire verdrehte die Augen.
„Können wir uns jetzt mal beeilen?" Sie lief auf die Säule zu und verschwand darin, als wäre diese nur ein Vorhang.
„Na los, Clarisse zuerst!", sagte Dad und reckte mir zwei gekreuzte Finger entgegen. Ich grinste und lief auf die Säule zu. Was, wenn sie sich verschloss? Dieser Gedanke plagte mich jedes Mal, wenn ich auf die Säule zuraunte. Und jedes Mal kam ich doch ohne Schwierigkeiten hindurch.
Die rote Lock stieß Dampf aus, als ich auf den Bahnhof stolperte. Hinter mir kam Lilly durch die Wand gerannt.
„Ich freue mich schon auf nächstes Mal!", grinste sie, als Mum mit Leo am Arm ebenfalls auf den Bahnhof kam. Dad kam als letzter und betrachtete die Lock.
„Ich weiß noch wie ich das erste Mal hier stand und fahren durfte!", sagte er schwärmerisch, während wir über den Bahnsteig gingen.
Ich sah mich um. So viele Zaubererfamilien standen hier um ihre Kinder zu verabschieden... wie viele Mütter wohl ihr letztes Kind gehen ließen? Wie viele Väter wohl ihrem ersten Kind erzählten, wie toll es in Hogwarts war? Ich sah einige Kinder aufgeregt herumhüpfen, andere stiegen schon in den Zug. Claire war nirgendwo zu sehen.„Ob sie wohl irgendwann einmal lernt, dass sie ihren Eltern tschüss sagen soll bevor sie irgendwohin geht oder fährt?", seufzte Mom. Eigentlich sollte es ein Witz sein, aber doch lag etwas wie Schmerz in ihrem Blick. Ihre Tochter ging für mindestens ein halbes Jahr weg und Verabschiedete sich nicht einmal.
„Claire!", brüllte Lilly. Claire tauchte hinter einer Säule auf und lief auf uns zu.
„Musste nur eben Freunden hallo sagen, dachtet ihr etwa, ich gehe ein halbes Jahr weg ohne euch vorher tschüss zu sagen?" Empört stemmte sie die Hände in die Hüften. Mom lachte erleichtert und Dad verdrehte die Augen. Plötzlich kamen zwei rothaarige, exakt gleich aussehende Jungs auf den Bahnhof. Sie grinsten. Claire quietschte auf, ließ ihren Gepäckwagen stehen und rannte auf die Jungs zu. Als diese Claire sahen, ließen sie ihre Gepäckwägen ebenfalls los und rannten ihr entgehen. Als sie beieinander ankamen, fielen sie sich irgendwie alle drei um den Hals. Ein dritter Junge mit Rastalocken kam dazu.
„Habt ihr mich vermisst?", fragte er und die drei zogen ihn mit in eine Umarmung. Zu viert drehten sie sich im Kreis. Als ich kurz zu Mom sah, lief ihr eine Träne der Rührung aus dem Auge.
Ich hoffte, ich würde auch so gute Freunde in Hogwarts finden, wie Claire es getan hatte.
Der Schaffner pfiff.
„Tschüss Mom!", sagte ich und umarmte meine Mutter. Sie drückte mich an sich.
„Ich liebe dich.", flüsterte sie in meine Haare und ich drückte sie fester.
„Ich dich auch!", sagte ich und als wir uns wieder voneinander lösten, lief Mom eine weitere Träne über die Wange. „Komm, hör auf zu weinen!", sagte ich. Sie wischte sich lachend über die Augen.
„Ich versuch es ja, aber das ist als würdest du ausziehen!"
Ich verdrehte die Augen, gab ihr aber einen Kuss auf die Wange.
„Ich komme ja wieder!"
Sie schniefte.
Ich umarmte meinen Vater.
„Freunde dich nicht mit Slytherins an!", raunte er mir ins Ohr. Ich dachte daran, was Claire gesagt hatte. Ich solle nicht auf Mom und Dad hören...
Dann umarmte ich Lilly. Ich drückte sie fest an mich.
„Tschüss Lilly!", flüsterte ich in ihre Haare. „Nächstes Jahr kommst du auch mit!"
„Ja!", flüsterte sie und drückte mich fest.
Als ich Leo umarmte, musste ich lächeln. Einfach, weil er mich glücklich machte.
„Tsüss Clarisse!", sagte er und ich lachte.
„Tschüss Leo!"
Dann stieg ich in den Zug. Durch das Fenster sah ich, wie Claire Mom, Dad, Lilly und Leo flüchtig umarmte und dann zu mir in die Tür hüpfte. Ich schob meinen Koffer auf die Gepäckablage und fütterte Snow mit einer BertieBott's Bohne. Sie schüttelte sich.
Der Zug fuhr an. Ich ging zum Fenster und winkte. Mom weinte und Dad hielt sie im Arm. Lilly winkte und lief mit dem Zug mit, während Leo viel interessierter an der Eule war, die vor ihm hin und her lief. Claire griff nach meiner Hand.
„Willkommen in Hogwarts!", sagte sie. Der Bahnhof zog vorbei und der Blick aus dem Fenster verwandelte sich in Wiesen, auf denen Schafe grasten.
Ich grinste Claire an.
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he's just a boy
Fanfic*teil 1* Ich glaube, Draco Malfoy wird von vielen missverstanden, weil sie nicht sehen, was er eigentlich ist. Weil sie nur das sehen, was Harry sieht. Wie wäre es, wenn man die ganze Geschichte mal aus der Sicht eines Menschen sieht, der Draco über...