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Als ich mich gegenüber von Terry an unseren Stammtisch fallen ließ und meinen Umhang auszog, schreckte dieser sofort von seinem Buch hoch.

„Und? Wie war's?"
Ich zuckte die Schultern.
„War ganz okay."
Terry schlug das Buch zu und beugte sich über den Tisch zu mir herüber.
„Erzähl mir alles!"
Ich hob eine Augenbraue.
„Stalker?"
Terry schüttelte den Kopf.
„Nein, bester Freund!"
Ich musste lächeln.

Dann erzählte ich Terry alles, bis auf unser Gespräch über Draco und den Erben Slytherins.

Als ich fertig war, sah Terry aus dem Fenster.

„Er will was von dir!"
Ich schüttelte den Kopf.
„Warum sollte er?"
Terry wandte den Blick vom Fenster mir zu.
„Warum sonst sollte er so... offen sein?"
Ich zuckte die Schultern.
„Dann hat er Pech gehabt, ich will nämlich nichts von ihm! Ich bin erst zwölf."
Terry hob eine Braue.
„Bei Malfoy hat dich das auch mit elf nicht gestört!"
Ich starrte Terry an.
Was?"
Terry sah mir fest in die Augen.
„Ich sagte, bei Malfoy-"
„Ich habe schon verstanden, was du gesagt hast!", zischte ich. „Aber ich habe nie etwas anderes als Sympathie für Draco empfunden!"
„Sympathie?" Terry schnappte fassungslos nach Luft.
Ich starrte ihn an.
„Ja, Sympathie!"
„Siehst du eigentlich, was Draco ist? Siehst du wie er sich verhält? Siehst du seine Fehler, seine Macken?"
Ich spürte, wie Tränen in mir aufstiegen.
„Ich sehe alles von dem, was du gerade aufgezählt hast. Und ich habe mich mit ihm gestritten. Ich hasse ihn!", fauchte ich und sprang auf. „Ich weiß nicht, was dein Problem ist!"
Terry seufzte.
„Immer müssen wir uns streiten, wenn das Thema auf Malfoy kommt!"
Ich hob die Hände.
„Weil du meinst, ich hätte mehr für Draco empfunden als Freundschaft! Ich war elf, Terry! Kann man da überhaupt schon so lieben?"
Terry sah wieder aus dem Fenster und mit Tränen in den Augen rannte ich in den Schlafsaal.

Warum weinte ich so häufig?

Ich ließ mich in der Fensternische heruntersinken und sah aus dem Fenster.
Mit zusammengepressten Lippen sperrte ich die Tränen hinter meinen Augen ein und ließ meinen Kopf an die Wand hinter mir fallen, während mein Blick über den Verbotenen Wald schweifte.

Das Festmahl am Abend war weniger entspannt als ich es mir vorgestellt hatte.
Alle redeten und lachten, nur ich saß da und hatte weder Hunger, noch Lust irgendwas zu sagen oder nur zu lachen.
Ständig kreuzten sich Dracos und meine Blicke und ich spürte Terrys Augen auf mir ruhen.

Kaum das Dumbledore das Fest für beendet erklärte, sprang ich auf und rannte aus der Halle.

Als ich im Krankenflügel ankam, ließ ich mich an Mandys Bett fallen und starrte in ihre überraschten, blau leuchtenden Augen und wünschte mir mehr als je zuvor, dass sie jetzt wirklich bei mir wäre um mich abzulenken.

„Hey Mandy, frohe Weihnachten...", murmelte ich und zupfte an den Blättern einer der Christrosen in der Vase herum. „Heute war ich mit Damian Armstrong, keine Ahnung ob du ihn kennst, so ein großer, braunhaariger Drittklässler aus Slytherin, spazieren. Eigentlich hat es voll Spaß gemacht und er hat mich so oft zum Lachen gebracht... aber dann irgendwann hat er mich nach dem Mädchennamen meiner Mutter gefragt und da habe ich zugemacht. Ich weiß auch nicht warum, aber diese Frage war mir zu... privat irgendwie..." Ich fuhr mit meinem Zeigefinger über Mandys kalte Hand. „Danach habe ich mich mit Terry gestritten und jetzt könnte ich schon wieder schreiend aus dem Fenster springen. Das alles ist zu viel!"
Mandy antwortete nicht einmal in meinen Gedanken.

Eine Weile saß ich schweigend so da und irgendwann hörte ich dann doch ihre Stimme in meinem Kopf.
„Denk nicht so viel über das nach, was nicht gut läuft! Du denkst viel zu viel darüber nach, was alles nicht funktioniert, was du alles für Fehler gemacht hast, wie viele andere sich mit dir streiten, wie viele andere Fehler machen, wie viele andere wohl denken das du irgendetwas falsch entschieden oder irgendwas hast. Denk doch nicht immer so viel! Ich glaube, das tut dir nicht gut!"
Ich starrte Mandy an.
„Aber ich kann doch meine Gedanken nicht abstellen...!", flüsterte ich.
Mandy antwortete nicht mehr. Sie war nur wieder meine versteinerte, kalte beste Freundin, die nicht sprechen, spüren und hören konnte.

Als ich am Abend den Gemeinschaftsraum betrat, sah ich Padma und Terry zusammen mit  Lisa Turpin, Morag McDougal und Kevin Entwhistle an einem Tisch sitzen. Ich schluckte und ignorierte die fünf, während ich mit gesenktem Kopf an ihnen vorbeiging.

Aber natürlich sahen sie mich. Wie könnten sie nicht...

„Hey, Clarisse!"
Ich sah zu Padma und zwang mich zu lächeln.
„Hey..."
„Setz dich doch dazu!"
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, ich gehe ins Bett!"
Padma runzelte die Stirn, stand auf und kam zu mir herüber.
Über ihre Schulter hinweg sah ich Terry, der uns beobachtete und die anderen drei, wie sie lachten.

„Was ist los?"
Ich zuckte die Schultern.
„Bin einfach müde.", murmelte ich und versuchte mich an ihr vorbeizudrängen.
„Stop, stop, stop. So schnell kommst du mir nicht davon, Clarisse!"
Ich stöhnte auf und sah sie an.
„Padma, es ist alles in Ordnung!"
Padma schüttelte den Kopf und ich hasste sie dafür, dass sie immer merkte, wenn etwas war.
„Klar. Und ich lebe auf dem Mond."
Ich verdrehte die Augen.
„Padma, bitte..."
Padma nahm meinen Arm und zog mich zu einem Fenstertisch.
Dort ließ sie sich auf einen Stuhl fallen und sah mich eindringlich an.
Ergeben rutschte ich auf den Stuhl ihr gegenüber und sah sie an.

„Jetzt erzähl schon! Wie war es mit Damian? Und was ist passiert das du schon wieder so ein Gesicht machst?"
Ich seufzte und begann dann zu erzählen.

„Mit Damian war es nett. Er bringt mich zum lachen... das ist schön, weil ich eigentlich nicht viel lache im Moment. Naja, irgendwann hat er..."
Ich erzählte ihr davon, dass Damian vermutete, Draco wäre der Erbe Slytherins und auch davon, dass ich Draco verteidigt hatte. Ich erzählte von der seltsamen Frage nach dem Mädchennamen meiner Mutter und auch davon, dass er nicht locker gelassen hatte. Von meiner Auseinandersetzung mit Terry und davon, dass ich einfach nur ins Bett wollte. Schlafen. Diesen Tag hinter mir lassen.

„...ich will nur noch schlafen und diesen Tag hier in meine Vergangenheit verbannen!"
Padma stand auf, ging um den Tisch herum und umarmte mich.
Mehr tat sie nicht.
Sie sagte nichts, sie lachte nicht, sie sah mich nicht mitleidig an, sie umarmte mich einfach nur.
Ich legte mein Gesicht auf ihre Schulter und versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
Jedes Mal wenn ich Padma umarmte und es mir nicht gut ging, stiegen mir Tränen in die Augen und ich konnte sie nur schwer unterdrücken.
„Hab dich lieb, mein Engel!", flüsterte Padma und ich schloss die Augen.

•••
Danke!
Danke, für die 500 Reads!
Danke, dass ihr meine Story noch immer lest!
Einfach nur danke!
Judi

he's just a boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt