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„Komm, wir haben noch drei Minuten, dann legt das Schiff ab!", ruft Claire und zieht mich zum Sofa. „Lilly, Drake, kommt."
Die anderen springen auf das Sofa und Lilly rüttelt an der Stehpflanze, die wir auf das Sofa gewuchtet haben.
„Los, das Schiff legt ab! Komm, Clarisse!"
Ich sehe mich noch einmal um, dann springe ich zu den anderen aufs Sofa.
„Clarisse, schau, dort sieht man die Delfine aus den Wellen springen! Und da ist ein Hai, siehst du ihn? Das Wasser ist blau... Wellen schlagen gegen den Bug... das Schiff schaukelt. Und seht ihr den Sonnenuntergang? Dort ziehen die roten und goldenen Strahlen über den Himmel. Sie färben das Wasser, sodass es leuchtet, wie verzaubert. Am Horizont erscheint eine große Galeere. Seht ihr sie? So viele Segel..." Drake legt einen Arm um mich und zeigt in dem Wohnzimmer herum, als wäre es ein riesiger Ozean. Und plötzlich habe ich die Bilder vor mir, die mein großer Bruder mir erzählt. Ich sehe die Delfine, höre die, an den Bug unseres Schiffes schlagenen Wellen und spüre die rot-goldenen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Ich sehe die Galeere und weiß, sie kommt keinesfalls in friedlicher Absicht.
„Schaut, dass Schiff hat eine schwarze Piratenflagge gehisst!", rufe ich und laufe ans andere Ende unseres Schiffes.
„Uns bleibt keine Wahl, wenn wir ins Mare Nostrum gelangen wollen, müssen wir kämpfen!", ruft Claire und hebt einen Säbel.
„Kanonen richten. Waffen hoch!", ruft Drake und läuft unter Deck um die Schwerter und Pistolen zu holen.
„Ich bin jetzt der Kapitän der Piratengaleere!", rufe ich und springe auf das andere Schiff. Drake folgt mir.
„Kapitänin Clarisse, wir entern das Schiff, holen uns alle Waffen und alles Gold und jagen es danach mit ihren eigenen Schießpulverfässern in die Luft!", ruft Drake mir zu.
„Ja. Wir brauchen das Gold!" Ich drehe das Steuerrad. „Jetzt müssen wir die Enterhaken auswerfen!"
Drake nickt, dann hebt er den Enterhaken, wirft ihn auf das andere Schiff und schwingt sich darauf.
„Komm, Kapitänin Clarisse! Sie müssen mir helfen, allein kann ich niemals gegen alle diese Adeligen kämpfen!"
Ich schwinge mich ebenfalls auf das andere Schiff, dann fangen Drake und ich an gegen unsere Feinde Königin Lilly und Kriegerin Claire zu kämpfen. Säbel knallt gegen Säbel, Schuss folgt auf Schuss, Feinde fallen nach Freunden.
„Sie sind in der Überzahl, wir können es nicht schaffen!", ruft mir Drake zu.
„Dann müssen wir eben auf härtere Methoden zugreifen!", rufe ich und hebe die Hand, mit der ich nicht gegen einen Geist der Königin kämpfe.
„Zusammen können wir das Schiff überfluten!", ruft Drake und hebt ebenfalls eine Hand, mit der er nicht gegen die unerbittliche Kriegerin Claire kämpft. Zusammen rufen wir das Meer. Es bäumt sich hinter uns auf und überspült das Schiff. Kriegerin Claire und Königin Lilly werden nach hinten geworfen und prallen gegen Fässer und Kisten.
„Ich hole das Gold und die Waffen und du hältst die geschwächten Feinde in Schach!", rufe ich Drake zu, dann renne ich die Stufen hinunter zu den Kajüten. Sie sind von einer Öllampe beleuchtet und erhellen die Kisten, die von Gold und Waffen nur so überquellen. Ich sehe mich um, dann laufe ich zu den Kisten und kurz bevor ich bei ihnen ankomme, höre ich hinter mir Schritte. Erschrocken fahre ich herum und da steht Kriegerin Claire.
„An die Kisten wirst du nur über meine Leiche heran kommen!", sagt sie und ihre Stimme klingt unerbittlich kalt und böse.
„Liebend gern.", sage ich und hebe meinen Säbel. Im Licht der Öllampe fangen wir an zu kämpfen. Wasser schwabbt um unsere Knöchel, aber wir bemerken es nicht einmal. Wir müssen den anderen besiegen. Die Kriegerin Claire ist meine größte Feindin.
„Du wirst es nie schaffen, mich zu besiegen! Ich bin die beste Kriegerin von allen und habe sogar über den Riesen Theodore gesiegt!", ruft Claire.
„Und ich habe jedes Schiff geentert, dass mir über den Weg fuhr und jeden Krieger dem Meeresboden gleich gemacht, der versucht hat sich mir in den Weg zu stellen!", fauche ich und schlage zu. Kriegerin Claire stolpert ein paar Schritte zurück und prallt gegen die Wand.
„Das wirst du bereuen! Du bist nichts, Clarisse! Nicht einmal eine richtige Kapitänin!"
„Oh doch, ich bin eine richtige Kapitänin!"
Drake erscheint in der Tür der Kabine.
„Es tut mir Leid, Kapitänin Clarisse, aber jetzt ist es an der Zeit, dass dein Vertrauen in jeden Menschen oder Zauberer zu deinem Verhängnis wird!"
Und plötzlich verwandelt er sich in einen großen, langhaarigen Zauberer, dessen Haare seltsam weißblond sind.
„Du wirst deinen Bruder nie, nie wiedersehen!", sagt er und lacht kalt, dann richtet er seinen Zauberstab auf Drake, der zusammengekrümmt auf dem Boden der regennassen Straße liegt, in die sich das Schiff verwandelt hatte.
„Du musst dich von ihm verabschieden, kleines Mädchen! Sag tschüss zu deinem Bruder."
Ich weine und will zu Drake laufen, doch eine Zauberin mit schwarzen, lockigen Haaren und verrücktem Blick richtet ihren Zauberstab auf mich.
„Stop", zischt sie und ihre Stimme klingt genauso verrückt, wie sie aussieht.
Ich zucke zusammen und bleibe stehen. Schreiend. Weinend.
Und dann richtet der blonde Zauberer seinen Zauberstab wieder auf meinen Bruder.
„Jetzt ist es vorbei. Avada Kedavra!"

Ich schreckte auf. Schweiß bedeckte meinen ganzen Körper und mein Kissen war tränennass.
„Clarisse. Alles ist gut!", sagte jemand neben mir. Mein Blick wurde klarer und ich sah, wer da neben meinem Bett saß und meine Hand hielt. Es war Mandy.
Die Erinnerung an meinen Traum ließ weitere Tränen in mir aufsteigen. Die Erinnerungen, die in mir hochkochten, wie Wasser, welches zu heiß war, drückten mich zurück in die Kissen auf dem Bett.
Und plötzlich erinnerte ich mich wieder wage daran, dass ich zur Überwachung meiner Knochen noch einmal hier im Krankenflügel sein sollte und, auch wenn es mitten am Nachmittag gewesen war, eingeschlafen war. Dann hatte ich diesen Traum gehabt. Dieser Traum, der meine beiden unterschiedlichsten Erinnerungen miteinander vermischt hatte.
„Clarisse, es ist alles gut!", sagte Mandy leise und drückte meine Hand. „Jetzt bist du wach. Das war alles nur ein Traum!"
„Das war kein Traum, dass war eine Erinnerung!", sagte ich leise.
„Komm schon, du bist elf! Träume sollten dir nicht mehr so viel ausmachen!", sagte eine kühle Stimme aus dem Schatten. Ich fuhr hoch und sah Draco auf einem Stuhl sitzen und ins Leere starren. Ich war zu verwirrt, um zu fragen was er hier machte.
„Ach Malfoy, halt dein Maul! Ich weiß gar nicht was du hier machst!", fauchte Mandy.
Draco zuckte die Schultern.
„Ich auch nicht."
Mandy starrte wütend aus dem Fenster.
„Weißt du, wie das ist, wenn zwei Erinnerungen zurückkommen? Die eine schön, die andere grausam? Eines der schönsten- und das schlimmste Ereignis aus deiner Vergangenheit? Weißt du, wie das ist, wenn diese Erinnerungen sich vermischen? Weißt du, wie das ist, wenn sich etwas schreckliches mit etwas schönem verbindet?"
Draco starrte mich an, dann nickte er langsam.
„Oh ja, ich weiß wie das ist!"
„Warum bist du dann so arrogant?"
Draco sprang auf und verließ den Krankenflügel. Ich sah ihm ohne jedes Bedauern hinterher. Sollte er doch hingehen, wo er herkam. Interessierte mich eh nicht.

Mandy erzählte mir, dass Draco nur eben im Krankenflügel vorbeigekommen war, weil er festgestellt hatte, dass er Fieber hatte und eigentlich schon wieder gehen wollte und als er gesehen hatte, dass ich im Schlaf geweint hatte, hatte er sich auf den Stuhl neben meinem Bett gesetzt. Er hatte ausgesehen, als würde er sich Sorgen machen. Als ich aufgewacht war, war er mit seinem Stuhl zurückgerutscht und hatte so getan, als würde ihn das alles nicht interessieren.

Jetzt saß ich zusammen mit Terry, Davis, Mandy, Sue, Anthony, Padma und Michael am Ravenclawtisch. Meine Frisur war noch zerstörter als sonst und mein Gesicht wahrscheinlich verquollen und verheult.
„Was hast du denn geträumt, was so schlimm war?", fragte Terry und steckte sich eine Kartoffel in den Mund.
„Ich will nicht darüber reden!", zischte ich und starrte auf mein, immer noch unberührtes Essen.
Terry sagte nichts mehr und Davis fing ein Gespräch über Hausaufgaben an.
Ich vermied es, irgendjemanden anzugucken und dadurch strich mein Blick zum Gryffindortisch, an dem meine Schwester zusammen mit Lee, Fred und George saß. Die Jungs lachten, aber Claire sah besorgt zu mir herüber. Als ich ihren Blick sah, stiegen Erinnerungen an ihr neunjähriges Ich in mir hoch, dass mit mir gekämpft hatte, als Kriegerin Claire. Und dann sah ich Drake vor mir... Tränen stiegen in mir auf. Ich versuchte, sie zu unterdrücken, doch das erwies sich als schwieriger als angenommen.
„Ich..." Ich sprach den Satz nicht zu Ende, sondern stand auf und verließ eilig die Halle. Als ich in der Eingangshalle stand, lehnte ich mich erschöpft gegen die Wand.
Plötzlich wehte mir ein frischer Wind entgegen. Ich öffnete die Augen und wischte mir die Tränen von den Wangen, dann sah ich zu dem großen Schlosstor, in dessen Mitte jetzt jemand stand. Ich drückte mich an die Wand hinter mir und plötzlich wurde mir kalt.

he's just a boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt