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1. Schuljahr 

Ich stocherte in meinen lauwarmen Nudeln herum und versuchte nicht daran zu denken, dass ich, wenn ich auch nur noch eine von ihnen aß, verbrennen würde.

„Hast du auch alle deine Sachen gepackt, Schatz?", fragte meine Mutter zum hundertsten Mal und ich verdrehte im selben Moment die Augen, in dem meine große Schwester Claire genervt aufstöhnte.
„Mum, das hast du jetzt schon zum hundertsten Mal gefragt!", sprach sie meine Gedanken aus.
„Man kann ja nie sicher genug sein!", verteidigte sich Mum.

„Ich kann nicht mehr! Wenn ich noch eine Nudel esse, verbrenne ich!", sagte meine kleine Schwester Lilly und schob ihren Teller von sich.
„Ich verbrenne jetzt schon!", sagte ich und tat es ihr gleich.
„Müssen wir dich löschen? Dad, Dad, gib mir den Wasserkrug, schnell!", rief Claire und machte Anstalten das Wasser über mich zu schütten. Ich verkniff mir ein Lachen.
„Mir is haiß!", sagte mein kleiner Bruder Leo und schob seinen Brei mit der selben Geste wie Lilly von sich. Er war gerade zwei Jahre alt.
„Und dafür stehe ich zwanzig Minuten in der Küche!", beschwerte sich meine Mutter.
Leo patschte seine Hände in den Brei und fing an ihn sich auf die Haare zu klatschen.
Lilly und Claire fingen an zu kichern. Mom tat so, als wäre es überhaupt nicht lustig und mein Vater sah angestrengt in eine andere Richtung. Leo nahm die Schüssel und kippte sich den kompletten Inhalt über den Kopf. Ihm gefiel es, dass wir über ihn lachten.
Meine Schwestern prusteten los, Mom fing ebenfalls an zu lachen und mein Vater versuchte so angestrengt, seine Mundwinkel unten zu halten, dass sogar mir ein Auflachen entwich.

„Du lachst!", stellte meine Mutter erstaunt fest.

Leo grinste, glücklich, dass er alle Aufmerksamkeit auf sich hatte.

„Unsere Clarisse hat es geschafft! Sie lacht wieder!", sagte meine große Schwester halb ironisch, halb erfreut und ich warf ihr einen fragenden Blick zu.
„Ja und?"
„Du fragst ja und? Clarisse du hast seit Jahren nicht mehr gelacht!", sagte Claire und ich verdrehte die Augen.

Als ich später in meinem Zimmer war, sah ich mich um.

In welches Hogwartshaus ich wohl kommen würde... ich fragte mich, was passieren würde, wenn ich nach Gryffindor kam und wie groß der Unterschied wäre, würde der sprechende Hut mich nach Slytherin stecken.

Es klopfte.

„Clarisse?" Claire steckte den Kopf durch die Tür.
„Ja?"
Meine Schwester betrat mein Zimmer und sah sich um.

Sie betrachtete die kahlen Wände und den leeren Schreibtisch. Außer meinem Bett war da eigentlich auch nicht mehr. Und selbst dieses war nicht interessant.

„Darf ich ehrlich sein?", fragte Claire und ich zuckte die Schultern. Das war für sie wohl eine Bestätigung, denn sie sagte: „Dein Zimmer ist todlangweilig."

Ich lachte kurz auf, dann zuckte ich die Schultern.

„Ich mag's so!"
„Erzähl mir doch nichts vom Mond!", rief Claire aus, nahm meine Hand und zog mich aus meinem Zimmer.

Im Flur schob sie mit dem Fuß eine Jacke von Lilly beiseite und zog mich zu der alten, knarzenden Wendeltreppe die nach oben zu ihrem Dachboden führte.
Angenervt ließ ich ihre Hand los und lief ihr hinterher.

Auf den Stufen türmten sich Zeitschriften, Bücher, beschriebene Papiere und allerlei andere Sachen, inklusive eines Zugtickets. Ich blieb stehen und hob das Ticket auf. Es war vom letzten Wochenende. Das Wochenende, an dem Mom und Dad mit Lilly, Leo und mir nach Schottland gefahren waren. Claire hatte erzählt, sie würde hier bleiben um Hausaufgaben zu machen.

Ottery St. Catchpole.

Ich wusste, dass das der nächste Ort in der Nähe des Fuchsbaus, dem Anwesen der Weasleys war, der Ort, der die beiden besten Freunde meiner großen Schwester beherbergte, wenn sie nicht in Hogwarts waren.

Fred und George Weasley.
Zwillinge.

Claire und sie hatten sich im Hogwarts Express kennengelernt und jetzt waren sie, da sie im selben Haus waren, schon seit zwei Jahren beste Freunde.

„So, du warst zum Hausaufgaben machen also in Ottery St. Catchpole!?", fragte ich, während ich Claire die Treppe hinauf folgte und sie fuhr zu mir herum. Sie knurrte wie ein Tiger als sie das Zugticket in meiner Hand sah und ich grinste.
„Also ich vernichte Beweise immer...", grinste ich.
„Ach, halt die Klappe!", lachte Claire und riss mir das Ticket aus der Hand.
Dann stieg sie die letzten Stufen hinauf und pinnte das Ticket an ihre Pinnwand.

Ich sah mich in ihrem Zimmer um. Bücherregale schmückten die Wand, bis zur Schrägen, die in der Mitte spitz zulief. Ein großes Bett mit tausenden von Kissen und Decken, Stofftieren und Pullis von Fred, George oder Lee Jordan(der vierte im Bunde), stand an der Wand in der Ecke. Traumfänger hingen von der Decke und ein gemustertes Tuch schmückte die Wand dahinter.
Der Boden war mit Klamotten und Büchern, einem Besen, Fotos und weiterem Kleinkram übersäht. Ungefähr drei Sachen lagen in dem großen Koffer in der Mitte des Zimmers, der Rest war im ganzen Raum verteilt.
Eine Duftkerze brannte auf der tiefen Fensterbank rechts neben mir und Tücher hingen überall wo Platz war. Es war alles bunt und sah nach Leben aus.

„So muss ein Zimmer aussehen!", sagte Claire und drehte sich mit ausgebreiteten Armen um sich selbst.
„Mein Zimmer sieht eben anders aus! Ich bin doch auch anders als du!", murmelte ich.
„Aber du bist nicht so leer und langweilig wie dein Zimmer! Du bist wunderschön und bunt und fröhlich, nur zeigst du keinem diese ganz entscheidende Seite von dir. Clarisse, du bist etwas besonderes, vergiss das nicht! Egal in welches Haus du kommst, egal mit welchen Menschen du befreundet bist, du bist meine Schwester und du bist ein toller Mensch. Hör auf dich zu verstecken!"
Sie nahm meine Hände. Ich starrte in ihre unglaublich blauen Augen. Eine Strähne ihrer rotbraunen Haare fiel ihr ins Gesicht und sie drückte meine Hände.
„Versprich mir für Hogwarts zwei Dinge: Erstens, wenn etwas ist, komm zu mir. Und zweitens: Sei du selbst!" Sie sah mir fest in die Augen.
Ich nickte, unfähig etwas zu sagen. „Und noch eine Sache, versprich mir, dass du nicht auf Mom und Dad hörst und dich mit denen anfreundest, die du magst und nicht mit denen, von denen Mom und Dad wollen das du sie magst!"

Ich lachte leise.
„Okay, versprochen!", sagte ich. Claire zog mich in ihren Arm.
„Und bitte versuch wenigstens George, Lee und Fred zu mögen!"
„Mach ich!", lachte ich. „War das alles, was du mir sagen wolltest?"
Claire zuckte die Schultern und hüpfte dann aufgeregt auf und ab.

„Ich freu mich so auf morgen!", quietschte sie und ich schüttelte grinsend den Kopf. „Kannst du mir helfen meine Sachen zusammenzusuchen? Ich finde irgendwie nicht alles was ich brauche!" Sie setzte ihr nettestes Lächeln auf.
„Nein danke, ich habe meine eigenen Sachen zu packen!"
„Welche Sachen?", fragte Claire gespielt überrascht und ich griff nach einer Jacke, die neben mir über dem Geländer hing.
„Halt den Mund, Schwesterherz!", sagte ich und warf das Kleidungsstück.
„Danke, die habe ich gesucht!", flötete sie mir hinterher, als ich die Treppe runterlief.

he's just a boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt