Überall wo du bist (Wincent Weiss)

Kapitel 156

Wincents Sicht:

Die letzte Woche war der blanke Horror für mich. Ich war jeden Tag mehrere Stunden bei Zoe im Krankenhaus und bin unseren Freunden echt dankbar, dass sie sich um Noah und Luisa kümmern. Zoes Eltern und Philipp habe ich am Morgen nach dem Unfall angerufen und sie haben mir auch sofort Hilfe angeboten. Sascha hat für mich alle Termine verschoben und ist damit einverstanden, dass ich erstmal weder etwas poste, noch sonst irgendwie in der Öffentlichkeit auftrete. Heute wollen die Ärzte Zoe aus dem künstlichen Koma holen und ich hoffe, dass es ihr gut geht.

Im Krankenhaus gehe ich den altbekannten Weg und begrüße den behandelnden Arzt und die Krankenschwester vom Unfalltag. „So, Herr Weiss, ich muss sie vorwarnen. Es kann sein,dass Ihre Frau nicht sofort aufwacht." meint der Arzt und ich nicke. Ich nehme Zoes Hand und der Arzt leitet das Koma aus. Jetzt heißt es warten und genau das ist meine Schwäche.
Sechs Stunden lang sitze ich an Zoes Bett und halte ihre Hand. Leise beginne ich zu Summen und schließlich zu Singen. „Ey es wär schön blöd nicht an Wunder zu glauben. Und es wär zu schön um es nicht zu riskieren. Und auch wenn viel zu viel dagegensteht, wir wissen beide wie es besser geht. Ey dann wär es schön blöd nicht an Wunder zu glauben. Ey, nicht an Wunder zu glauben."
Plötzlich bewegt sich ihre Hand in meiner und ich schaue in ihr Gesicht. „Hey, Zoe." sage ich lächelnd und drücke den Knopf neben dem Bett. Sofort kommt die Schwester rein und kümmert sich um sie. „Was ist passiert?" fragt sie mit kratziger Stimme. „Sie hatten einen Autounfall und lagen eine Woche im Koma." antwortet die Krankenschwester. „Zoe, wie geht's dir?" frage ich. „Was machen Sie hier?" fragt die verwirrt und ich sehe sie an. Der Arzt kommt rein und begrüßt meine Frau. „Frau Weiss, schön, dass sie wieder bei uns sind." meint er. „Ich heiße Richter. Zoe Richter. Und ich weiß auch nicht wer das ist,er soll gehen." sagt sie und ich merke, wie sich ein Messer durch mein Herz bohrt. „Kommen Sie, ich bringe Sie erstmal raus." meint die Schwester und wir gehen auf den Flur. „Warum weiß sie nicht wer ich bin?" frage ich traurig. „Das kann von dem Aufprall kommen. Wir müssen erstmal rausfinden, wie stark diese Amnesie ist. Vielleicht ist sie auch nur vorübergehend und Ihre Frau kann sich bald an alles erinnern." antwortet sie. „Kann ich irgendwas tun oder ihr helfen?" will ich wissen. „Gibt es Musik oder Bücher mit denen sie bestimmte Dinge verbindet?" fragt die Schwester und ich nicke. „Bringen Sie die mit. Und am besten auch Fotos von Ihnen beiden." meint sie. „Mache ich, ich fahr dann erstmal nach Hause. Sie will mich ja momentan auch nicht sehen..." sage ich traurig. „Machen Sie sich nicht verrückt,das wird wieder." meint sie zum Abschied und geht wieder auf die Intensivstation.

Zuhause gehe ich erstmal duschen und packe dann ein paar Sachen für Zoe zusammen. Ihr Handy, ihre Kopfhörer, ihr Portemonnaie, ein paar Klamotten, ihren Kulturbeutel, das Fotobuch von unserer Hochzeit und Bilder von früher. Dann lege ich noch ein paar Fotos von Noah und Luisa dazu und bringe die Tasche ins Auto. Bevor ich wieder fahre, gehe ich zu Julia, wo meine beiden Kinder gerade sind. „Und, wie geht es ihr?" fragt sie. „Sie kann sich an mindestens die letzten sechs Jahre nicht erinnern." erzähle ich traurig. „Was?! Sie kann sich nicht an Noah und Luisa und nicht an dich erinnern?" fragt sie ungläubig und ich nicke. „Gott, du Armer... und jetzt?" will sie wissen. „Ich bringe ihr Fotos und Musik mit und hoffe, dass es nur eine vorübergehende Amnesie ist." antworte ich. Als wir ins Wohnzimmer gehen, sehe ich meine beide Kleinen auf dem Boden sitzen. „Papa." sagt Noah und klatscht in die Hände als er mich sieht. Beide Strecken ihre Arme nach mir aus und ich setze mich zu Ihnen auf den Boden. Wir spielen ein bisschen, bevor ich wieder fahre. „Ich bin in zwei Stunden wieder zurück, dann hole ich die beiden ab." sage ich zu Julia und sie nickt. „Mach dir keinen Stress." meint sie und ich fahre los.

Im Krankenhaus gehe ich wieder zur Intensivstation und begegne dort Zoes behandelndem Arzt. „Ah Herr Weiß, wir haben Ihre Frau jetzt auf ein Beobachtungszimmer verlegt. Da können Sie dann auch ohne Kittel rein." meint er und ich folge ihm nickend. „Wissen Sie bis wohin sich meine Frau erinnern kann?" frage ich ihn. „Das Letzte an das sie sich erinnern kann ist wohl ihr Auszug von zuhause." antwortet er. „Das war Anfang 2016, also sind die letzten sieben Jahre weg?" hake ich nach und er nickt. „Wann haben Sie sich kennengelernt?" will er wissen. „Ende 2017." antworte ich und er nickt mitfühlend. „Hier ist das Zimmer." meint er, als wir stehen bleiben. Ich atme tief durch und klopfe an. Nach einem leisen Herein öffne ich die Tür und sehe Zoe in ihrem Bett liegen. „Darf ich reinkommen?" frage ich vorsichtig und sie nickt langsam. „Tut mir Leid,dass ich Sie vorhin weggeschickt habe. Aber ich habe absolut keine Ahnung, wer Sie sind." meint sie und lächelt unsicher. „Schon okay. Aber bitte duze mich, sonst komme ich mir unfassbar komisch vor. Ich bin Wincent." sage ich lächelnd und gebe ihr meine Hand. „Freut mich." antwortet sie. „Ich habe dir ein paar Klamotten und deinen Kulturbeutel mitgebracht. Und dein Handy, deine Kopfhörer und ein paar Fotos." erzähle ich und stelle die Tasche auf den Tisch. „Danke." meint sie lächelnd. „Kannst du mir ein bisschen etwas über dich unser Leben erzählen? Sind wir glücklich?" möchte sie wissen. „Na klar." sage ich und setze mich auf den Stuhl neben ihrem Bett. „Also, wir haben uns im November 2017 kennengelernt, auf einem Konzert zu dem du mit Mila gegangen bist. Wir haben Nummern ausgetauscht und viel geschrieben und telefoniert. Knapp zwei Monate später sind wir dann zusammengekommen und seitdem unzertrennlich. Im September 2019 habe ich dir dann einen Antrag in Paris gemacht und im März 2020 haben wir geheiratet. Also standesamtlich. Kirchlich im August. Du bist zweifache Tante, Hannah und Philipp haben geheiratet und zwei Töchter, Leana und Amelie. Und wir beide wohnen in einem Haus zwischen unseren besten Freunden Max und Emilia und Julia und Kilian und haben zwei kleine Kinder. Noah und Luisa sind letztes Jahr im September auf die Welt gekommen." erzähle ich lächelnd und gucke auf Zoe, doch die schläft und hat vermutlich kaum etwas mitbekommen. Ich nehme einen Zettel und schreibe ihr noch eine Nachricht, bevor ich fahre.
Du bist während dem erzählen eingeschlafen. Morgen komme ich dich wieder besuchen und wir gucken die Fotos durch. Pass auf dich auf. Wincent

———————————————————————— Danke an @_life_is_creative_4 für die Unterstützung und Inspiration bei diesem Kapitel.