Lügen

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Nervös schreitet Isa auf und ab. „Ich habe total Panik, Draco. Sag jetzt nichts! Ich weiß dass es meine Idee war, aber-" Ich halte sie am Arm fest. „Ich weiß. Ich habe auch Angst, aber... Jetzt oder nie?" „Jetzt."
Plötzlich kracht die Tür zu Isas Zimmer auf und bevor wir beide irgendetwas oder jemanden erkennen, werden wir von zwei Flüchen durch die Luft geschleudert. Ich krache mit dem Rücken gegen ein Bücherregal und pralle auf den Boden. Hastig befreie ich mich von den Büchern und springe auf. Vom aufgewirbelten Staub hustend ziehe ich meinen Zauberstab.
Doch es sind nur die Zwillinge, die grinsend in der Tür stehen. „Was sollte das denn!" frage ich aufgebracht, während ich mir den Staub vom Anzug klopfe. „Mum meinte, wir sollen euch beide ein bisschen nach Kampf aussehen lassen! Natürlich wäre das auch vorsichtiger gegangen, aber.." „Wir wollten es realistisch machen" beendet der andere Zwilling. „Ja, also wenn zum Kampf-Outfit Federn gehören.." Isa stellt sich neben mich. „Ihr habt mich direkt aufs Bett befördert."
Eilig begeben wir uns nach draußen und gehen, weg vom Fuchsbau. „Passt auf euch auf!" ruft Molly Weasley.
„Bereit?" frage ich Isa, als wir außer Sicht- und Hörweite des Fuchsbaus sind. „Nein. Du etwa?" Ich schüttle den Kopf. Jetzt ist es also soweit, wir kehren zurück nach Malfoy Manor, der Ort, der einmal mein Zuhause war.. „Du weißt, was du sagen musst?" gehe ich noch einmal sicher. Isa nickt. „Natürlich. Also dann... " Sie nimmt meine Hand und appariert.
Als erstes lasse ich mir von meiner Hand bestätigen, dass Isa noch da ist. Zeit für das Schauspiel! erinnere ich mich und lasse mich selbst stolpern, als wäre das Apparieren eben nicht so entspannt gewesen. Isa und ich sind in dem Raum von Malfoy Manor, in dem die Todessersitzungen abgehalten werden. Zum Glück sind gerade 'nur' meine Eltern und ein paar wenige, weniger wichtige Todesser da. Etwa ein halbes Dutzend Zauberstäbe sind auf uns gerichtet. Schnell hebe ich die Hände, Isa tut es mir gleich. Mein Herz rast, als würde es mir am liebsten aus der Brust springen und davonlaufen, genau wie ich. „Draco!" Zwei der Zauberstäbe werden gesenkt. Langsam hebe ich den Blick. Meine Eltern starren uns erschrocken wie erleichtert an. „Was ist passiert?" „Wenn ich ehrlich bin" sagt Isa langsam, „Könnte ich glaube ich besser erzählen, wenn gerade keine Zauberstäbe auf mich gerichtet sind. Ich muss mich erst wieder daran gewöhnen, selbst einen zu haben!" Sie lacht nervös. Ganz wie geübt. „Was soll das heißen?" fragt Vater unfreundlich. „Sie haben uns die Zauberstäbe abgenommen, bevor sie uns weg gesperrt haben!" sage ich hastig. „Wer?" Isa schüttelt den Kopf. „Keine Ahnung! Es ging alles so schnell, auf dieser dämlichen Hochzeit! Als ihr ankamt wurden wir ein bisschen weg getrieben und haben uns mit irgendwelchen Leuten duelliert, die wir nicht kennen!" „Halt, halt!" unterbricht meine Mutter. „Langsam. Was hast du überhaupt bei den Weasleys getan?" Isa mustert die restlichen, auf uns gerichteten Zauberstäbe misstrauisch. „Bevor ihr sprecht, lasst sie auf jeden Fall die Zauberstäbe senken, für den Fall der Fälle!" Das hatte dieser Weasleymann gesagt. Meine Mutter nickt den anderen Todesstern zu. Zögerlich senken diese ihr Zauberstäbe. Isa atmet auf. Ermutigend nehme ich ihre Hand. Mein Vater mustert uns aus schmalen Augen. „Was ist denn mit euch los! Bevor ihr beide, wie es aussieht, entführt wurdet, wart ihr-" „Es schweißt schon irgendwie zusammen, wenn man zusammen für ein paar Wochen irgendwo gefangen gehalten wird!" tue ich auf erklärend. Das alles, jeder Schritt, jedes Wort ist geplant. „Also, kann ich jetzt vielleicht mal weiter sprechen?" Isa ist perfekt! Das perfekte Maß an Frechheit, Hast, aber auch Angst in der Stimme. „Also... Ich gebe zu, ich habe mich ziemlich falsch verhalten und als Draco mich... heiraten sollte, habe ich ja ziemlich überreagiert. Ich bin einfach in irgendeine Richtung geflogen, aber ich habe mich verirrt. Apparieren kann ich alleine nicht so gut, also bin ich ziemlich lange einfach nur herum geirrt. Bei meiner Flucht habe ich dieses Schlammblut Granger getroffen, offenbar hat die mitbekommen, dass ich etwas durch den Wind war. Sie war so..." Isa schüttelt in einer Geste der Verwirrung den Kopf, „So nett...Ich dachte mir, bei der Gelegenheit kann ich sie auch ein bisschen ausfragen. Und dann hat sie irgendwann vorgeschlagen, dass ich mit ihr zum Fuchsbau komme. Das ist diese komische Bude von den Weasleys. Eigentlich wollte ich nur einen Tag oder so bleiben, ein bisschen über sie herausfinden oder so. Ich wurde nicht grob behandelt oder so. Sie sind einfach zu gutgläubig gewesen. Bis ihr – also die Todesser – gekommen seid. So Leute von irgendeinem Orden haben ganz offensichtlich mich damit in Verbindung gebracht und mich offenbar irgendwie irgendwo hingebracht." Sie runzelt die Stirn. „Ich kann mich an nichts Genaues erinnern. Aber an was ich mich erinnere ist, dass ich mit Draco zusammen irgendwo in einem Raum gefangen war. Ohne unsere Zauberstäbe natürlich."
Die Todesser mustern uns abschätzend. „Und wie genau seid ihr da raus gekommen?" knurrt einer der Todesser, dessen Name mir nicht direkt einfällt. Achja, das ist ja mein Part. Ich zucke mit den Schultern. „Wie gesagt, die sind viel zu leichtgläubig. Isa und ich haben behauptet, dass wir jetzt begriffen hätten, dass der dunkle Lord die falsche Wahl wäre. Tja... nach ein paar überzeugenden Lügen wurde uns geglaubt, wir bekamen unsere Zauberstäbe zurück. Der Kampf hat nur ein paar Sekunden gedauert, als die von der Potter-Seite dann kapiert haben, was wir eigentlich vorhaben. Zum Glück lagen zu dem Zeitpunkt keine Disapparierflüche in der Luft. Das war's." „Und dann seid ihr direkt hier hin appariert?" fragt meine Mutter ungläubig. Ich nicke. „Wir hatten keine Zeit, um groß nach zu denken."


~

Mit einem unguten Gefühl mustere ich die anderen Todesser außer Dracos Eltern, die im Raum sind. „Als treue Todesser mussten wir ja auch so schnell wie nur geht zurück." Jetzt bin ich mir ganz sicher! Die Todesser haben irgendein Problem, so wie sie mich anschauen. Das dachte ich zwar eigentlich schon seit ich hier stehe, aber nach Dracos Worten bin ich ganz sicher. Plötzlich öffnet sich die Tür am Ende des Raums. Es kommt mir seltsam surreal vor, als mein Vater hereinkommt. Vor einiger Zeit noch habe ich mich vor ihm versteckt und jetzt... Vater starrt Draco überrascht an. Dann wandert sein Blick weiter, bis er auf mich fällt. Als hätte er einen Geist gesehen, weicht er einen Schritt zurück. „Ich schätze, wir müssen alles noch einmal erklären" seufzt Draco. „Ihr könnt es gleich ALLEN erklären!" Oh nein. Eine weitere Person hat den Raum betreten. „Was auch immer ihr Verräter hier tut!" „Wir sind keine-" Auch bei Draco löst das Auftreten von Bellatrix Lestrange offenbar einen kleinen, psychischen Herzinfarkt aus. „Es findet gleich eine Versammlung statt" erklärt Narzissa leise. „Am besten, ihr zwei zieht euch kurz um. Ihr seid etwas zugestaubt. Isa, Draco kann dir sicher was leihen." Sicher... Sag doch gleich, das Draco und ich uns kurz verziehen sollen, damit der Erwachsenenrat allein sein kann.
Zusammen verlassen wir die Todesser und Draco führt mich durch Malfoy Manor zu seinem Zimmer. Etwas zögernd stößt er die Tür auf. „Alles sieht aus wie früher..." murmelt er.
Ich öffne den Schrank an der linken Wand. „Äh, Draco...Ist das dein Ernst? Hast du echt nur Anzüge?" „Hm." Ich schüttele den Kopf. Wie einseitig. Plötzlich wird mir etwas bewusst. „Draco" sage ich mit unnatürlich hoher Stimme vor Angst, „Deine Mutter hat gesagt, es gibt gleich eine Versammlung. Ist das..heißt das, ER wird auch da sein?" Draco erstarrt. „Stimmt."
Ich hole tief Luft und versuche mich zu beruhigen. Wenn der dunkle Lord da ist...Er kann Legilimentik. Wir dürfen einfach nicht lügen, wir müssen die Wahrheit sagen, wir müssen die Wahrheit versteckt sagen, so, dass wir nicht lügen und trotzdem nichts verraten, schießt es mir durch den Kopf. Wie soll das gehen? Draco geht offenbar das selbe durch den Kopf. „Wir schaffen das schon" sagt er. Allerdings klingt es eher wie: Wir haben keine Chance zu überleben.
Nachdem wir uns umgezogen haben, begeben wir uns zurück zur Versammlungshalle. Vor der geschlossenen Tür bleiben wir beide automatisch stehen. Ich schaue Draco an. Fast hätte ich gesagt: Bereit zum sterben? Aber ich kann die Worte so gerade eben noch aufhalten, bevor sie aus meinem Mund schlüpfen.
Aus dem Saal klingt gedämpft die eine Stimme, unverständlich.
Auf einmal schwingt die Tür vor uns auf.
„Wieso kommt ihr nicht herein?"

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt