ein Brief im Wind

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Wenn ich vergessen könnte, warum und mit wem ich hier bin, würde mir die Gegend hier vielleicht sogar ganz gut gefallen. Wenn ich könnte...
Über die Schulter schaue ich in Richtung der kleinen Hütte, die in der Dunkelheit kaum auszumachen ist.
Obwohl es mittlerweilee wirklich sehr spät – oder besser gesagt früh – ist, bin ich kein bisschen müde, was vielleicht daran liegt, dass ich nicht schlafen will. Oder es liegt an der Angst. Wie auch immer.
Auf jeden Fall muss ich jetzt irgendetwas anderes tun, als hier draußen herumzusitzen oder in die Hütte zu gehen und zu schlafen.
Tatsächlich spiele ich mit dem Gedanken, Draco einen Brief zu schreiben. So verrückt das auch klingt.
Das Schreiben wird ihn ja doch nicht erreichen, schließlich kann ich es gar nicht wegschicken. Aber vielleicht gibt es ja noch andere Arten von Magie, als wir sie kennen, und Draco... Was weiß ich.
In der Dunkelheit beschwöre ich etwas Pergament und eine Feder.
Mehr schlecht als Recht mache ich es mir an einen Baum gelehnt bequem,
und fange an zu schreiben.

Draco...
Ich hoffe, es geht dir den Umständen entsprechend gut, ich weiß ja gar nicht, was du gerade machst, wo du bist.
Bist du noch in Hogwarts? Oder woanders?
Ich weiß ja selbst nicht, wo ich gerade bin. Vielleicht Schottland, aber dafür ist hier etwas viel Wald. Naja, ich habe noch nicht so viel gesehen.
Die beiden Todesser, mit denen ich hier bin – außer Greyback – sind total merkwürdig. Wenn ich dich das nächste Mal treffe, muss ich dir von denen erzählen.
Ich glaube kaum, dass ich das hier zusammenfassen könnte.
Wir sind hier, um Muggel zu jagen. Um Gerüchte zu streuen, über übernatürliche Welten und so – also in der Muggelwelt.
Völlig bescheuert, ich weiß. Das würde auch weitaus weniger aufwändig gehen – vor allem weniger blutig für die Muggel, schätze ich.
Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber ich habe Angst;
Wie gesagt, die anderen sind komisch, beide auf ihre Weise gestört und irgendwie unheimlich – und Greyback ist sowieso eine Nummer für sich.
Aber das weißt du.
Weißt du, vielleicht war es in Hogwarts gar nicht so schlimm, wie wir dachten. Definitiv besser als das hier ...
Achja, seit ich hier bin, ist mir auch wieder etwas anderes eingefallen, das mich beschäftigt: Ich frage mich noch immer, was mit Jumps passiert ist. Normalerweise verschwindet seine Art nicht einfach so. Wenn ich ihn noch hätte, wäre die Sache mit diesem Brief hier zum Beispiel deutlich einfacher.
Komisch, dass ich, egal in was für Situationen ich stecke, immer noch über so etwas nachdenken kann...
Wirklich, ich sollte mir über ganz andere Dinge sorgen machen.
Zum Beispiel habe ich das Gefühl, dass Greyback vorhat, mich auf Werwolf-Streifzüge mitzunehmen.
Noch etwas – auch wegen Greyback.
Weißt du, unsere Gruppe hier hat keine Art Anführer, was ein bisschen komisch ist, aber auf jeden Fall hat Greyback – leider – eine Menge Sagen.
Und vorhin, als ich mich in seiner Hütte hier umgeschaut habe, hat er noch etwas gesagt, das mich verdammt beunruhigt.
Ich wusste bisher gar nicht, dass das geht, aber irgendwie hat Greyback einen Zauber über mich gelegt, dass er kontrollieren kann, wenn ich Magie benutze und dass er mitbekommt, sobald ich etwas tue, was ich nicht sollte. Dazu gehört auch, dass ich mich hier alleine nur in einem bestimmten Bereich bewegen kann. Wenn ich nur wüsste, wo genau die Grenzen sind...! Wenigstens hat er mich gewarnt, oder?
Ich glaube, ich muss jetzt auch rein gehen, bevor mich noch jemand vermisst...
Isa

Langsam falte ich den Brief zusammen.
Vorsichtig, um in der Dunkelheit nicht zu stolpern, stehe ich auf und trete durch die nur noch spärlichen Bäume auf den Abhang zu, hinter dem die Bäume beinahe gänzlich aufhören und das weite Tal sich öffnet.
Leise zücke ich den Zauberstab, richte ihn auf das Pergament, und lasse es in die Dunkelheit schweben.
Weit, weit weg.

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