die Carrows

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Als ich die Augen aufschlage, ist Draco längst weg. Ist vielleicht besser so, überlege ich. Vermutlich hat er auch nicht halb so lange geschlafen wie ich. Es muss schon nächster Morgen sein. Ich überlege hin und her ob ich es mir leisten kann, einfach weiter zu schlafen, bis mir siedend heiß einfällt, dass ich jetzt direkt ‚die dunkeln Künste' habe.
Hastig suche ich meine Sachen zusammen, ziehe mich um und mache mich auf den Weg zum Unterricht.
Vor dem Klassenraum hole ich noch einmal tief Luft und überlege, wer heute unterrichtet; Alecto oder Amycus Carrow.
Als ich mir schließlich ein Herz nehme und die Tür aufstoße, muss ich leider feststellen, dass ich das Mieseste vom Miesen abbekommen habe. Beide sind da.
Ein heißer Schauer von tiefem Hass läuft über meinen Rücken, während ich die beiden untersetzten groben Gestalten einen Moment mustere. Doch viel Zeit zum Hassen bleibt nicht.
„Grund für Verspätung!" schnappt Alecto indes ich mich mit gesenktem Kopf zu meinem Platz neben Draco begebe.
„Verschlafen." Etwas Besseres fällt mir spontan nicht ein, immerhin habe ich deutlich Wichtigeres zu denken. Nämlich die Erinnerungen wegschieben. Diesmal keine Erinnerungen von ganz früher, sondern die von gerade erst letzter Nacht.
Ich bin ziemlich sicher, dass meine Gesichtsfarbe einem Granatapfel mit bösem Sonnenbrand ähnelt, als ich mich neben Draco auf den Stuhl fallen lasse und es ist nicht ganz wegzudenken, dass ich mich wohl leider einfach in Luft werde auflösen müssen, wenn ich seinem Blick begegne. Was habe ich mir gestern eigentlich dabei gedacht?
„Ey!" Irritiert schaue ich auf. „Ich red' mit dir, also pass gefälligst auf, kapiert?"


~


Amycus ist schon wieder am Rumschreien. Ich frage mich ernsthaft, ob beide Carrows einen üblen Fehler an ihren Stimmbändern haben, wodurch sie gar nicht anders können als immer bloß mit erhobener Stimme der weniger feinen Art zu reden.
Das würde zumindest ihre ununterbrochene lautstarke Schimpferei erklären. Reichlich nervtötend, sicher auch weniger gesund.
„Ich hab grad gesagt, dass das keine Entschuldigung für dich ist!" „Es sollte auch keine Entschuldigung sein, sondern nur eine Erklärung. Sie haben nur nach dem Grund gefragt und nicht um eine Entschuldigung gebeten."
Lernt Isa denn eigentlich nie auch nur ansatzweise das kleinste Bisschen dazu? Mittlerweile dürfte selbst sie begriffen haben, dass es recht unklug ist, so mit den Carrows zu sprechen.
Ein paar wenige, angespannte Sekunden ist es still. Nichts und niemand rührt sich, während die Carrows vor der Klasse stehen und sichtlich kurz davor sind ihre Fassung entgleiten zu lassen.
Ich schaue vorsichtig zu Isa. Sie starrt angespannt zu Boden.
„Ich hab mich wohl verhört!" Innerlich verdrehe ich de Augen. Wie konnten so unfähige Trampel eine Stelle als Professor bekommen?
„Du bist wohl verrückt geworden! Alecto" Er lacht, „Hast du sowas schon mal gesehen? Wie oft ham wir die jetzt schon immer erm... äh, hm, erma, ermähnt! Und die hat's immer noch nicht kapiert!"
Jetzt kichern auch einige andere Schüler, während ich nicht so recht meine Meinung zu der Situation bilden kann.
„Hast was zu deiner Verteidigung zu sagen?" „Was wohl?" Ich drehe mich um. Die Stimme kommt von weiter hinten, weshalb kann ich die Sprecherin nicht erkennen kann. Ich kenne sie, aber wer? „Was sollte ein schmutziges Tier wie sie schon dazu sagen? Wie wäre es mit Aaauuu? Oder was für Geräusche machen Wölfe?"
Mehr als dass ich es sehe spüre ich, wie Isa neben mir erstarrt. Diese verfluchten Zweitklässler! Vermutlich weiß bereits die gesamte Schülerschaft über Isas Werwolfdasein bestens Bescheid.
Möglichst unauffällig versuche ich einen Blick auf die, die das gesagt hat zu erhaschen, doch ich kann sie von vorn nicht sehen.
Plötzlich bricht offenbar eine ganze Kleingruppe aus Mädchen dort hinten in widerliches Lachen aus. Weshalb tun die Carrows nichts? Sonst sind die doch immer so für Ruhe.
Ich richte mich wieder nach vorne, wobei ich von der Seite Isa beobachte, ob sie irgendetwas tut. Falscher Verdacht.
Tu doch irgendwas, flehe ich sie stumm an, komm, mach schon, dir fällt doch sonst auch immer etwas ein!
Plötzlich sticht mir ins Gedächtnis, wer dahinten am lautesten lacht. Heiße Wut steigt in mir auf.
Pansy, diese kleine-
„Ruhe!"

Verwundert beobachte ich, wie sich jegliche Schüler aus den Sitzreihen vor mir zuwenden.
Selbst Isa schaut mich überrascht an. Sogar die Carrows.
Noch viel verwunderter stelle ich fest, dass ich nicht länger auf meinem Stuhl sitze.
Oh. Ich war das, der 'Ruhe' gesagt hat.
„Was?" macht Alecto Carrow vorne verdutzt. Ich schätze mal, es hat niemand damit gerechnet, dass ich etwas sage.
Verflucht. Was soll ich jetzt mit der ganzen eher unbewusst freiwillig gewonnenen Aufmerksamkeit anfangen? Mein Kopf ist leer und ich weiß, dass mir erst damm wirklich etwas einfallen wird, wenn ich bereits angefangen habe zu sprechen. Ich lasse mich zurück auf meinen Stuhl fallen.
„Natürlich" sage ich leise, mit dem Bewusstsein, dass die gesamte Klasse sowie Lehrer mir die jeweilig vorhandene Aufmerksamkeit schenkt, „Sie könnten Isa jetzt eine Strafarbeit geben oder sie foltern oder... Kurz gesagt: Sie könnten alles machen, wozu es Sie zu strafen beliebt. Theoretisch zumindest..." Leicht lächelnd lehne ich mich ein Stückchen vor und fixiere auf die Arme gestützt über die Gesichter der anderen Schüler hinweg die Carrows.
„Dennoch, wäre das so klug? Ich meine ja nur... Wenn ich das so recht in Erinnerung habe, waren Sie das doch, die nicht nur fast einen gesamten zweiten Jahrgang in Gefahr brachten, sondern nebenbei auch noch beide Schulsprecher, als Sie in der letzten Vollmondnacht Isa- Aber muss ich das eigentlich noch erläutern?" Ich lasse meinen Blick über die wie stumme Schülerschaft gleiten, ehe ich mir selbst antworte. „Nein. Da Sie beide durch Ihre Unachtsamkeit nicht verhindern konnte, dass eine doch sehr private sowie wichtige Angelegenheit durch kleine Kindern herumerzählt wurde. Oder soll ich besser sagen, durch Befehlsmissachtung?" Vielleicht sollte ich so etwas öfter tun. Wahre Genugtuung durchströmt mich, als ich sehe, wie beide Carrows unter meinen Worten beginnen unruhig zu werden.
„Ich weiß, dass Professor Snape, unser Schulleiter, höchstpersönlich verordnet hat, dass Sie in einem nahegelegenen Fachraum unterrichten sollten zu der Zeit. Wären Sie wirklich dagewesen, hätten sie mitbekommen, wie unruhig es auf dem Korridor wurde. Aber nein – Sie waren nicht dort. Allein das wäre ein guter Grund für mich sowie Isa Ihre primitiven Missachtungen dem Schulleiter zu melden – ich meine, so als aufrichtige Schulsprecher würden wir bloß unsere gute Pflicht erfüllen. Aber..."
Ich lehne mich zurück und verschränke entspannt die Arme, in der Gewissheit auf der sicheren Seite zu sein.
„Eigentlich habe ich das nicht vorgehabt. Unnötige Aufregung um Nichts muss doch nun wirklich nicht sein, was meinen Sie? Und wenn Isa sich einverstanden erklärt, können wir vier auf lange Basis doch sicher gute Freude werden."
Selbstsicher grinsend genieße ich folgende Stille. Wunderbar, wenn jeder so an den eigenen Lippen hängt.
„Angeber" kommt es leise von rechts. Ich schaue zu Isa. „Und das Schlimmste: Es ist vollkommen berechtigt." Sie strahlt über das ganze Gesicht, als sie mich ansieht.

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