Greybacks Hütte

310 17 1
                                    

„Das ist es?", höre ich Jackson hinter mir mit vor Verachtung triefender Stimme rufen.
Sind wir angekommen? Wo auch immer wir die ganze Zeit hin gelaufen sind?
Ich schaue auf und spähe durch das dichte Tannengrün.
Jetzt sehe ich es auch: Ein unscheinbares, kleines, einfaches Holzhaus steht hier, mitten im Wald. Obwohl, nein, es ist eher eine Hütte und kein Haus.
Neben Jackson komme ich zum Stehen und betrachte die Hütte. Sie ist wirklich, sehr sehr, sehr klein. Jazymyn steht ein paar Meter weiter und starrt mit verschränkten Armen in das Tal zu unserer Rechten.
Greyback knurrt irgendetwas undefinierbares und schaut Jackson kurz wütend an. Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, der Werwolf sei beleidigt. Allerdings bezweifle ich stark, dass der zu soetwas fähig ist.
Trotzdem, wie er in die Hütte stürmt und die Tür hinter ihm zukracht ... Mich wundert es, dass diese bei dem Schlag nicht zusammenfällt wie ein Kartenhaus.
Jazymyn folgt Greyback hinein, ruhiger als er, und noch immer habe ich keine Ahnung, weshalb wir hier sind.
Vor etwa zwei Stunden musste ich mit den anderen in diesen Wald apparieren, seit dem sind wir bis hierher gelaufen. Warum wir nicht direkt hierher sind, weiß ich nicht, aber ich werde auf keinen Fall fragen. Es ist nichts entscheidendes, dafür irgendetwas riskieren ... nein.
Es gibt wichtigeres.
Verunsichert schaue ich zu Jackson, der gemächlich um die Hütte herum schlendert und sich umsieht.
Zögerlich gehe ich ihm nach. Obwohl, was soll er mir schon antun?
Etwas entschlossener hole ich ihn schließlich ein. Er wirft mir einen seiner kurzen, blauen Blicke zu, beachtet mich sonst nicht weiter.
Ich klappe den Mund auf, und wieder zu. In dem letzten, halben Jahr war ich schon viel zu oft so verschüchtert, dass ich mich nicht getraut habe, zu sprechen, denke ich wütend. Und es gibt bei weitem Schlimmere als Jackson, verdammt!
„Ähm", mache ich schließlich. „Was ist", sagt Jackson mit fast neutraler Stimme. Das ist gut. Er scheint wenig an mir interessiert, also wird er wohl auch kaum unnötig Energie für mich verschwenden.
„Äh ... Was machen wir hier? Und was ist das für eine Hütte?"
Wenig verwundert sehe ich zu, wie Jackson mich auslacht. Etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet.
„Hat dir das noch keiner Verraten, Greenskape? Ohh, wie traurig."
Genervt verdrehe ich die Augen. Jackson seufzt und blickt mich endlich an.
„Also gut, Greenskape. Diese Hütte hier gehört Greyback."
Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch. Wer hätte gedacht, dass der Kerl sowas zivilisiertes wie ein Haus sitzt? Na gut, etwas Hausähnliches.
„Du weißt", fährt Jackson gelangweilt fort, „Der dunkle Lord will die Muggel, den Abschaum, auf die Zaubererwelt aufmerksam machen. Natürlich kann er uns nicht schicken, schreiend durch die Straßen zu rennen. Das wäre bescheuert, Greenskape. Nein ..."
Ein beunruhigend begeistertes Glitzern tritt in seine hellen Augen.
„Nein ... Wir müssen es noch im Geheimen machen. Wir werden hie und da Abschaum verwirren, kleine Zeichen senden, bis es Milliarden von Meldungen über paranormale Aktivitäten in ihrer kleinen Welt gibt, sie müssen langsam anfangen, an uns zu glauben, in der Angst versinken, die Angst wird sich in Panik verwandeln, wenn es mehr und mehr wird, wenn es zu viel für die kleinen Abschaum-Köpfe wird, dann haben wir sie so weit, dass wir wirklich hinaustreten und uns zeigen können, wie wir sind, und bis dahin werden sie so in Angst sein, dass sie sich widerstandslos beherrschen lassen!", endet Jackson triumphierend.
Angewidert wird mir klar, dass ihm das Spaß macht. Das alles. Obwohl ... hätte ich mich etwas anders gerechnet?
„Und warum sind wir dann hier?", frage ich vorsichtig, bemühmt, mir meine Gedanken nicht anmerken zu lassen. „Hier ist doch niemand – außer uns."
Jacksons Augen strahlen noch immer so eigenartig begeistert.
„Abschaum geht in ihrer freien Zeit in verlassene Gegenden, nur, um hier herumzulaufen. Und solche einsamen Spaziergänger sehen in verlassenen Gegenden wie dieser hier noch viel mehr, als tatsächlich passiert – leichte Beute!"

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt