leere Korridore

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Nach dem Unterricht begebe ich mich direkt in die Bibliothek. Ich will niemanden sehen.
Frustriert wie gereizt grabe ich mich durch einen Stapel an Büchern über Animagi, das neue Thema in Verwandlung, auf das wir uns vorbereiten sollen.
Irgendwo muss doch stehen, wie das Ministerium die Animagi von normalen Tieren unterscheiden kann!
Ein Stuhl wird zurückgeschoben, jemand setzt sich zu mir. Doch ich blicke nicht auf.
„Hilfe gefällig?"
Ich bin drauf und dran, ein bissiges „Nein!" als Antwort zu geben, doch mir bleibt die Luft im Hals stecken. Das ist Draco.
„Keine von dir" erwidere ich nach ein paar Sekunden unangenehmer Stille.
„Sieht aber so aus."
„Schön" sage ich schließlich genervt, „Ich geh kurz zur Bank, hole ein paar Galleonen die ich dir dann als Dankeschön geben müsste. Ich kann mir nämlich nur vorstellen, dass du ausgerechnet mir irgendwie helfen willst, entweder wegen Geld, oder du hast eine Wette verloren. Das tut mir ja schrecklich Leid und so für dich, aber ich habe besseres zutun, als mich mit irgendwelchen arroganten Malfoy-Idioten herumzuschlagen, verstanden?"
Es bleibt einige Minuten still, in denen ich ein paar Seiten lese, ohne den Sinn zu verstehen. Dracos Präsenz ist für mich körperlich spürbar.
„Du denkst, ich bin wie mein Vater." Es ist eine verbitterte, fast schon beleidigte Feststellung, keine Frage. „Nein" antworte ich ehrlich – und bin selbst überrascht davon, „Doch ich glaube, dass du auf dem besten Weg bist, haargenau so zu werden."

~


Ohne ein weiteres Wort stehe ich auf und verlasse die Bibliothek. Soetwas muss ich mir nicht bieten lassen.
Ich bin erleichtert, wie leer und still alle Korridore sind, was natürlich an Snapes neuen Regeln liegt. Gleichzeitig fühle ich mich seltsam gefangen. Früher war Hogwarts ein Ort, an dem sich eigentlich jeder wie zu Hause fühlen konnte. Aber das war, bevor Dumbledore starb.
Ich halte wieder den Zauberstab in der Hand, bin wieder auf dem Astronomieturm. Ich sehe zum zweiten Mal, wie Snape sich gegen Dumbledore richtet, sehe wieder, wie alles Leben aus dem alten Mann weicht, er stürzt...
Verwirrt starre ich aus dem Fenster, gegen das nun ein stetiger Regen trommelt. Wo bin ich eigentlich? Sieht aus wie der zweite Stock.
War ich gerade ehrlich traurig wegen Dumbleodres Tod?
Das kann nicht sein. Unmöglich. Ich bin wohl einfach etwas müde. Genau, daran wird es liegen.

„Mr Malfoy, was treiben Sie hier?" Alarmiert fahre ich herum, die Finger in der Tasche schon um meinen Zauberstab geschlossen, doch es ist nur Snape.
,Nur' ist gut.
„Ich, ähh- Ich war bloß ein bisschen in Gedanken. Ist das jetzt auch noch verboten, oder wie?"
Snape mustert mich kühl. „Sie als Schulsprecher haben einige Pflichten, die es zu erfüllen gibt. Fall Sie überhaupt eine Ahnung haben, was das ist."
Verflucht, ich kann das nicht mehr hören! Hallo, irgendwer hier, der noch nicht an mir rumgemeckert hat? Soll ich noch schnell eine Liste schreiben, mit ein paar Stichpunkten, was es an mir noch auszusetzen gibt?
Dem dunklen Lord bin ich nicht gut genug, Vater verabscheut mich sowieso, Mutter macht mir Vorwürfe wegen Isa, die die Schlimmste ist von allen, weil ich in ihren Augen eh bloß ein verblödeter Nichtsnutz bin, der außer Geld nichts hat, und jetzt noch Snape!
Weit weg von hier, weg von alldem, von all dem Stress und den Problemen. Das wäre wirklich mal schön.
„Mr Malfoy!" reißt Snape mich aus meinem bitteren Gedanken, „Hören Sie mir gefälligst zu, wenn ich mit Ihnen rede! Ich war soeben dabei, Ihnen einige Dinge zu erläutern, die Ihre Aufgabe wären. Doch wenn Sie mir nicht zuhören, ist das Ihre Sache. Wenn Ihnen das nächste Mal auf so nichtsnutzige Art wie heute langweilig ist, schauen Sie einfach in meinem Büro vorbei, dort lässt sich doch sicher eine nette kleine Aufgabe finden. Für jetzt könnten sie die erste Klasse bei ihren Hausarbeiten überwachen. Schönen Tag noch" beendet Snape seine Rede gegen mich – die zweite in zwei Tagen – und rauscht davon.

(Vielen Dank für über 300 Aufrufe und die 40 Sterne :))



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