Unterhaltung zwischen Büchern

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Das Licht in der Bibliothek ist dumpf. Die großen Kristallfenster sind zu großen Teilen mit schweren Vorhängen bedeckt, um die teuren Bücher vor dem schädlichen Sonnenlicht zu schützen. Mit kribbelnden Fingerspitzen schleiche ich zwischen den Regalen umher und halte Ausschau nach Greyback.

Perplex bleibe ich stehen.

Auf einem Schreibtisch sind ein halbes dutzend Bücher lieblos aufeinander gestapelt, zwei oder drei liegen achtlos aufgeschlagen daneben. Niemand, der klar bei Verstand ist, würde derart hochwertige Bücher so behandeln. Ich erkenne auf einen Blick, dass diese Exemplare zu den exquisitesten Büchern über schwarze Magie gehören. Fast kann ich in meinem Kopf die vielen Galleonen klimpern hören, die wegen dieser Bücher den Besitzer gewechselt haben.

„Suchst du mich?"

Den Zauberstab in der Hand fahre ich herum. Greyback steht zwischen den Regalen und beäugt mich aus gelben Augen. Angewidert stelle ich fest, dass er eine Zigarette zwischen den Lippen hat. So eine, wie Muggel sie auch haben.

„Das hier ist eine Bibliothek."

Greyback grinst über meine Empörung. „Ich weiß."

„Bücher... brennen", erkläre ich lahm.

Greybacks Grinsen wird noch breiter. Er klemmt sich das qualmende Ding zwischen die Finger und hält es so dicht an die Bücherrücken im Regal, dass mir fast schwindelig wird. „Ich weiß", sagt er noch einmal genüsslich.

Mit knirschenden Zähnen schlucke ich meinen Ärger herunter. „Ich wollte mit dir reden."

„Aha. Aber ich nicht mit dir. Also verschwinde, Kleiner, bevor ich deine geliebten Bücher anzünde."

Ich verschränke die Arme und versuche, entschlossen auszusehen. „Was willst du mit den Büchern da?", will ich wissen, und deute mit dem Kinn in Richtung des Schreibtischs.

Greyback nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette, ehe er, Rauch ausatmend, antwortet: „Verkaufen. Sehen teuer aus."

Ich weiche vor dem stinkenden Qualm zurück und zwinge mich zu einem verächtlichen Lachen. „Oh bitte. Jedes Buch hier ist teuer. Aber die, die du hier rausgesucht hast..."

Ich schnappe mir ein dickes Buch mit vergoldeten Seitenrändern und blättere ein wenig darin herum. Dann lasse ich es betont achtlos zu Boden fallen, als wäre es nicht eines der größten Schätze dieser Bibliothek. Der Aufschlag auf dem Boden fühlt sich an wie ein Schlag, doch ich mache gute Miene zum bösen Spiel. „Naja, was soll ich sagen. Nicht alles, was glänzt, ist Gold."

Greybacks Miene wird von Wort zu Wort finsterer. „Was soll das heißen?", knurrt er ungeduldig.

„Das soll heißen", erkläre ich gedehnt, „dass du keinerlei Gefühl für teure Sachen hast. Ich mache dir einen Vorschlag."

Der Ausdruck des Werwolfs verzieht sich zu einem schiefen Grinsen. „Du willst mit mir handeln, Kleiner? Hast du denn keine Angst?"

Mit einem holprigen Gefühl im Magen sehe ich zu, wie Asche von der Zigarette zu Boden rieselt. Dann blicke ich wieder Greyback an. „Ich suche dir die zehn teuersten Bücher aus dieser Bibliothek heraus. Dafür beantwortest du mir ein paar Fragen. Ohne... ohne, dass irgendwelche Messer gezogen werden. Verstanden?" Ich hebe das Kinn und warte auf eine Antwort.

Greyback schlendert auf mich zu, während er weiter Rauch ausbläst. „Seit wann so mutig? Dass du mir Anweisungen gibst..." Auf einmal dämmert es in seinem schmutzigen Gesicht. Greyback stößt ein lautes Lachen aus und verschluckt sich fast an seiner Zigarette, als er fragt: „Lass mich raten. Das Mädchen schickt dich."

„Niemand schickt mich."

Greyback verzieht höhnisch das Gesicht. „Natürlich. Du bist trotzdem wegen ihr hier."

Ich öffne den Mund und schließe ihn wieder. Greyback schnippt weitere Asche von seiner Zigarette, betrachtet sie kurz, lässt sie dann auf die kaffeefarbenen Dielen fallen, und tritt sie aus. Ich verkneife mir eine missbilligende Bemerkung und warte darauf, dass er noch etwas sagt. „Gut", brummt er schließlich, „Was tut man nicht alles für sein Gold." Erleichtert atme ich auf. „Also. Was willst du hören? Ich hab auch nicht den ganzen Tag Zeit."

„Hast du von dem dunklen Lord die Anweisung, sie zu töten?"

Greyback lacht spöttisch. „Nein."

„Hast du vor, sie trotzdem umzubringen?"

„Nein."

„Wirst du sie von jemand anderem umbringen lassen?"

„Nein."

„Was hast du als nächstes mit ihr vor?"

Greybacks Augen werden zu schmalen Schlitzen. „Sie muss für dich ja so wertvoll sein wie deine verdammten Bücher, wenn du dich traust, mir solche Fragen zu stellen", knurrt er bedrohlich.

Aber ich fühle mich sicher. „Denk an dein Gold", weise ich Greyback überheblich an.

Der gibt ein seltsames Knurren von sich. „Du fühlst dich ein bisschen zu schlau, als es dir gut tut, Kleiner. Wieso willst du das überhaupt wissen?"

Ich beschließe, Greyback die Wahrheit zu sagen. „Isa hat mir gesagt, dass sie stirbt, wenn sie wieder in den Untergrund muss."

Ungerührt schaut Greyback mich an. „Ich weiß. Deshalb werde ich sie auch nicht mehr dahin bringen. Dafür macht es mir viel zu viel Spaß, die kleine Puppe als mein verängstigtes Spielzeug zu haben."

Zum dritten Mal an diesem Tag klappt mir der Mund auf, ohne dass ich ein Wort herausbringe. Vor Überraschung. Und Wut. „Aber", stottere ich, „Aber was hast du dann vor?"

Greyback zuckt mit den Schultern. „Vermutlich schließe ich mich 'ner Gruppe Greifern an, die zur Zeit alle Wälder nach Schulschwänzern absuchen. Dabei verdient man mehr Gold, als irgendwo im Untergrund zu hocken. Das Mädchen wird mir helfen. Vielleicht finden wir ein paar alte Klassenkameraden von ihr. Und jetzt geh und hol mir meine Bücher", befiehlt er. Wortlos wende ich mich ab und streife durch die Bibliothek. Eigentlich sind das gute Nachrichten. Wenigstens wird Isa nicht mehr kämpfen müssen.

Statt der zehn teuersten Bücher suche ich die Bände heraus, die am teuersten aussehen. Greyback wird den Unterschied nicht bemerken. Beladen mit aufwendig bestickten Lederumschlägen, in Metall eingefasste und vergoldete Buchrücken mit silbernen Schnallen kehre ich zu dem Werwolf zurück, der sich eine zweite Zigarette angesteckt hat. Ohne ihn anzusehen stelle ich den Bücherstapel auf dem Schreibtisch ab und wende ihm den Rücken zu. Es wird Zeit, Isa die neu gewonnenen Informationen mitzuteilen.

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