Wiedersehen

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Ich weiß nicht so recht, was ich tun oder sagen soll. Offenbar ergeht es Draco nicht anders.
Plötzlich durchdringt die unangenehme Stille ein leises Klopfen, dann Stille. Unsicher blicke ich zu Draco. Es ist schon recht spät am Abend - wer sollte jetzt noch zu uns kommen?
„Bitte?", übernimmt Draco. Die Tür öffnet sich einen Spalt breit und ein Junge, vier oder fünf Jahre jünger als wir, späht verschüchtert herein.
Er streckt eine Hand aus, in der eine kleine Pergamentrolle liegt. Kaum, dass Draco diese angenommen hat, verschwindet der dunkle Schopf wieder im Gang. Kopfschüttelnd schließe ich die offen gelassene Tür wieder, während sich Draco das Siegel der Rolle bricht und diese entfaltet.
Es ist nicht schwer zu erkennen, dass das Geschriebene ihm missfällt.
Erst scheint er zu zögern, es zu lesen, wirft mir einen nachdenklichen Blick zu, tut es dann aber doch. Erst verärgert, dann besorgt und nervös.
Draco schließt einen Moment die Augen, nimmt sich Zeit, jeglichen Ausdruck aus seinem Gesicht zu bügeln und reicht mir das Pergament. Das Geschriebene ist an mich gerichtet, und sehr kurz.

Miss van Greenskape,
da ich über einige Unannehmlichkeiten ihrerseits unterrichtet wurde, bitte ich sie umgehend in mein Büro. Nebensächlich achten Sie bitte darauf, zu dieser späten Stunde niemanden aufzuschrecken.
Gz. Severus Snape

Ich schaue auf. Draco blickt mich beinahe vorwurfsvoll an.
„Darf ich wissen", fragt er schnippisch, „Was du wieder verbrochen hast?"
„Ja... Das wüsste ich auch gerne", antworte ich etwas verblüfft. Mir fällt nichts ein, das ich in letzter Zeit falsch gemacht habe. „Ich denke, ich sollte wohl gehen, oder?"
Draco nickt knapp. Da er nicht aussieht, als gäbe es noch irgendetwas zu sagen, mache ich mich nach kurzem Anschweigen auf den Weg zum Büro des Schulleiters.

Ratlos bleibe ich vor dem Wasserspeier stehen, der den Durchgang zum Büro des Schulleiters bildet. Ich war noch nie dort drin, aber ich bin sicher, dass man ein Passwort benötigt, um weiter zu kommen.
Mir ist so schon flau im Magen und wenn ich nun noch zu spät komme ... Ich räuspere mich nervös und schaue mich suchend um. Vielleicht erwartet Snape mich schon hier irgendwo? Doch meine Hoffnung bleibt vergebens, bis ich auf einmal hellhörig werde.
Tut sich nicht etwas hinter dem Bürodurchgang? Ich meine, stark gedämpfte, schwere Schritte zu vernehmen, nein, eigentlich bin ich sicher.
Unsicher trete ich ein Stück zurück. Wenn da gleich jemand herauskommt, will ich nicht direkt davor stehen.
Snape kann es nicht sein, zu ihm passt die Gewichtigkeit der Schritte nicht. Viel eher zu den Carrows oder ... Ich überlege fieberhaft, an was mich die leicht schleifende Gangart erinnert.
Mit einem leisen Schleifen schiebt sich der Wasserspeier zu Seite. Nervös richte ich noch rasch meinen Schulumhang und schaue dann auf – vor Schreck bleibt mir der Atem in der Kehle stecken.
Mein Herz stolpert, als müsste es sich erst einmal setzten, um dann so schnell zu schlagen, dass es fast schmerzt. Pulsierende Hitze schießt mir in den Kopf.
Am liebsten würde ich mich weit, weit weg ganz allein für immer in einem Zimmer einschließen, und nie mehr herauskommen. Außer vielleicht, Draco oder Jill wollten mich sehen – sie würde ich reinlassen.
„Ach, sehen wir uns auch einmal wieder?"
Ich schaue zu Boden. Darauf war ich nun absolut gar nicht gefasst. Diese spöttische, gekünstelt säuselnde Stimme ... Er grinst, mir wird schlecht.
„Hallo, Greyback", presse ich hervor.
Während er sich sichtlich amüsiert, habe ich eine Scheißangst.
Seine langen, gelben Fingernägel krallen sich in meine Schulter, als er mich zu sich hinzieht.
„Lass dich ansehen! Wie gefällt dir denn dein neues ... Ich?"
Hilfe, bitte, irgendwer?
„Es könnte besser gehen", erwidere ich knapp, „Ich würde es besser finden, wenn ich meine eigene Gestalt behalten würde. Dauerhaft. Auch an Vollmond."
„Nein...." Wie ich diese übermäßig gespielte Besorgnis hasse. Für Greyback ist es ein Spiel, eine Ablenkung. Ich bin die Ablenkung. „Wie traurig ... Warum reden wir nicht ein wenig? Ich kann dir sicher ... helfen ... damit umzugehen ..."
Ich schüttele den Kopf und mache eine vage Geste in Richtung der Treppe, die sich hinter dem Wasserspeier aufgetan hat.
„Snape?" Greyback lacht schnaubend auf. „Mag ja sein, dass ihr einen Termin habt. Aber wer weiß, wann WIR uns denn mal wiedersehen, hm?"
Er steht immer noch halb im Aufgang zum Büro, weshalb dieser noch geöffnet ist. Das leise Schaben einer sich öffnenden Tür klingt von oben.
„Also?", knurrt Greyback. Ich warte einfach ab.
„Wenn ich fragen darf ... Was wird das? Greyback?" Dieser lässt mich abrupt los.
„Nichts, Snape ... Nur eine kleine Unterhaltung unter ..." Er grinst fies. „...Verwandten ..."
Ich beeile mich, nach oben zu kommen. Einmal stolpere ich auf der Treppe. Keinen Gedanken verschwende ich daran, dass ich nun das reichlich unbekannte Büro eines Schulleiters betreten werde.

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