Versammlung

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Nur zwei Plätze sind frei. Dies scheint tatsächlich eine offizielle Versammlung zu sein.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Einerseits – es wird wesentlich wichtigere Dinge geben als mich, die es auf einer Versammlung zu besprechen gibt. Das ist definitiv etwas gutes. Doch das schließt nicht aus, dass ich trotzdem zur Sprache komme. Und dann ist es um ein vielfaches schlimmer als ohnehin schon.
Die beiden leeren Plätze liegen sich fast gegenüber, der eine liegt zwischen zwei Todessern, dessen Namen ich nicht kenne. Der andere zwischen Dracos und meinem Vater. Ich hoffe, dass ich zu den Fremden kann.
Mit einem schnellen Blick durch den Saal stelle ich fest, dass der dunkle Lord noch nicht vertreten ist.
Ganz entgegen meiner Hoffnung weist Greyback mir den Platz auf der linken Seite des Tisches zu. Im Vorbeigehen fange ich den teilnahmslosen Blick von Mrs. Malfoy auf. Fragt sie sich, weshalb ich noch hier bin? Lebend? Schließlich weiß sie von Dracos und meinem Verrat. Das wirft in mir wieder die Frage auf, warum das Veritaserum mich hat leugnen lassen, den dunklen Lord verraten zu haben. Wenn ich das wüsste, könnte ich mir das merken und nutzen, wenn dieses Wissen einmal gebraucht wird.
Unglücklich lasse ich mich auf meinem Stuhl nieder. Wenn ich darüber nachdenke, was mir früher manchmal Sorgen gemacht habe, oder über was ich mich beschwert habe, kommt mir mein altes Ich verdammt dumm vor.
Sollte das alles hier je ein Ende haben, werde ich sicherlich mehr nachdenken, bevor ich mich über irgendetwas beklage.
Die Sitzordnung hätte ungünstiger für mich nicht ausfallen können. Wenn ich nach vorne schaue, muss ich Greyback ansehen. Zu meiner linken sitzt mein Vater. Ich kann nicht vergessen, wie er bereit war, mich so ohne weiteres zu töten, oder dass er sich nicht einmal umgedreht hat, als er mich Greyback ausgeliefert hat. Auf der anderen Seite müsste ich Mr Malfoy ansehen. Alles an ihm erinnert mich an Draco. Das kann ich nicht ertragen. So bleibt mir nur, den Kopf gesenkt die Tischplatte anzustarren. Doch genau das wollte ich vermeiden, irgendeine Schwäche in meiner Haltung zu zeigen.
Schließlich tue ich so, als sähe ich mich in der Versammlungshalle um. Als wüsste ich nicht genau, wie es hier aussieht.
Wie bin ich eigentlich in diese Lage geraten? Gebrandmarkt als Todesserin, als Werwolf verunstaltet, in der Missgunst von mehreren skrupellosen Todessern und dem schwarzen Lord selbst. Im Sommer war doch noch alles in Ordnung. Oder? Nein, eigentlich war bei mir nie irgendetwas je vollkommen in Ordnung. Vielleicht verstehe ich mich deshalb so gut mit Draco, vielleicht ist es das, was uns beide verbindet, vielleicht. Wir beide wären nie im Leben in diese Situation gekommen, hätten unsere Väter sich damals nicht entschlossen, den Todessern beizutreten. Und nun müssen wir beide darunter leiden.
Vorsichtig betrachte ich Mr Malfoy. Er sitzt viel zu ruhig da, viel zu kontrolliert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Mann freiwillig hier ist. Vielleicht war er früher von dem dunklen Lord überzeugt, aber sicherlich nicht jetzt. Er hat Angst vor ihm, ich weiß es. Wie kann man so dumm sein, so dumm, sich freiwillig dem dunklen Lord anzuschließen, wenn man offensichtlich doch noch etwas Skrupel besitzt.
Als Mr Malfoy mich bemerkt, wende ich den Blick ab.

Trotzdem halte ich mich weiterhin aufrecht, um nicht den Schein zu erwecken, Angst zu haben.
Erst als der dunkle Lord erscheint, senke ich den Blick. Ganz so dumm bin auch ich nicht.
Bevor er kam, hat bereits niemand gesprochen oder sich irgendwie geregt, doch jetzt, wo er geräuschlos durch die Reihen schreitet, kommt es mir noch ruhiger vor als zuvor.
Die Stille dröhnt mir in den Ohren. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht oder ob ich mir das einbilde, aber es scheint mir, als könnte alles, was ich tue, ungünstige Aufmerksamkeit auf mich lenken. Ob es nun das zu ruhig sein ist oder zu lautes Atmen, alles fühlt sich riskant an.
Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie sich der dunkle Lord bedächtig an seinem Platz am Kopfende des Tisches nieder lässt.
Angespannt warte ich ab...

Mit größter Verachtung in der Stimme spricht Voldemort von einigen Mitgliedern des Orden des Phönix, und sagt dann: „Deren fälschlich als Stärken bezeichnete Eigenschaften können wir uns nun zu Nutze machen. Eine Gemeinsamkeit, die diesen Abschaum alle verbindet; Ihre Tollkühnheit, Übermut, Respektlosigkeit. Sie sind die Einzigen, die es wagen, meinen Namen auszusprechen, die es wagen, auf so respektlose Weise von mir zu sprechen ...Ich bin der dunkle Lord ... Voldemort", sagt er leise, es ist nur ein Hauch in der Luft, so dünn, so fad, dass ich fast glaube, ich hätte es mir nur eingebildet.
Mein dunkles Mal zieht unangenehm.
„Von nun an", fährt der dunkle Lord fort, „Liegt ein Tabu über diesem Namen, jeder, der ihn aussprechen wird, wird von den Todessern aufgespürt und enttarnt werden können. Sollte sich jemand davor gesichert haben, so werden sämtliche Schutzzauber mit sofortiger Wirkung aufgehoben und entkräftet."
Ich schaue in meinen Schoß. Potter nennt ihn immer bei seinem Namen. Der Lord scheint das sehr genau zu wissen.
Trotz meiner Furcht und meinem Hass gegen alle Todesser, habe ich nicht bloß Angst vor ihnen. Ich habe auch Respekt. Zumindest ihr Anführer weiß, was er tut. Nichts Unkontrolliertes scheint je hier zu geschehen. Alles läuft ineinander und funktioniert perfekt.
Und ich wünschte, es wäre nicht so.
Zum zweiten Mal an diesem Abend gibt es ein interessantes Thema, dem ich folge.
Der dunkle Lord fängt an, über die Muggel zu sprechen. Über die jahrelange Unterdrückung der Zauberer durch die Muggel, dass unsere Welt geheim gehalten werden musste, dass wir uns verstecken müssten – und dass sich das ändern soll.
Voldemort will die Todesser noch weiter verteilt auf der Welt stationieren, auch in England mehr Leute an verschiedenen Orten, durch das ganze Land.
Er fängt an, Todesser einander und die entsprechenden Gruppen verschiedenen Orten in England und Schottland zuzuteilen.
Noch verstehe ich nicht, was das mit den Muggeln zutun hat, aber das wird sich vermutlich noch klären.
Und dann begreife ich, was das für mich bedeutet gerade, als Voldemort mich einteilt.
Der Schock, die Überraschung, die Angst, lähmen mich.
Ich muss weg von hier, ich gehe weg von hier. Weit weg an einen verlasseneren Ort als hier.
Zusammen mit zwei Todessern, deren Namen mir nichts sagen.
Und mit Greyback.

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt