zwei Tage

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Ich will nicht. Ich will nicht. Ich will nicht.

Mein werter Schulleiter erklärt mir in seinem Büro das weitere Verfahren: „Sie werden per Flohpulver zu sich nach Hause reisen, die Verbindung zwischen den Kaminen wird extra für Sie hergestellt."

Unruhig trete ich von einem Fuß auf dem anderen bei dem Gedanken an Zuhause, und ich frage mich, ob mein Vater dort sein wird. Bei dieser Vorstellung fühle ich mich noch entmutigter als ohnehin schon. Ob Snape mich wohl auffängt, wenn ich hier und jetzt schlicht umkippe und bewusstlos werde vor Angst?

„Dort wird ihr Vater auf sie warten, gemeinsam mit Greyback und die erläutern Ihnen alles Weitere", beantwortet Snape meine unausgesprochene Frage und er hält mir eine kleine Schale mit Flohpulver entgegen.

Mit zitternder Hand greife ich mir etwas und trete an den Kamin; Der Moment, in dem ich Hogwarts verlasse, in dem die schöne Zeit endet, rauscht unaufhaltsam näher. Ich laufe in mein eigenes Verderben und habe nicht einmal eine andere Wahl, als es zu tun.

Grüne Flammen leuchten dunkel aus der Feuerstelle auf und einen Atemzug, bevor ich verschwinde, sagt Snape: „Geben Sie auf sich Acht."

Ich will etwas erwidern, doch das Büro wirbelt davon und ich weiß ohnehin nicht, ob ich jetzt fähig wäre, zu sprechen.

Im nächsten Moment stolpere ich aus einem nur zu vertrauten Kamin in ein großes Wohnzimmer, dass trotz seiner staubigen Pracht verlassen wirkt. Zuhause, denke ich und mir wird schlecht.

Eine Erinnerung, die gefühlte Jahre entfernt ist, taucht plötzlich in meinem Kopf auf: Draco, wie er mir gezwungenermaßen einen Heiratsantrag macht, weil unsere Väter und der dunkle Lord sich arrangiert haben, uns wie Schachfiguren in ihrem Spiel herumzuschubsen. Dort, genau hier war es... Gedankenversunken schlendere ich zu einem langen Sofa. Hier saß ich... dort kniete er... der Ring... meine überstürzte Flucht...

Plötzlich fühlt es sich an, als wäre mein Körper in Eiswasser getaucht. Es ist alles meine Schuld, ganz allein meine Schuld. Es hätte nie so weit kommen müssen. Verdammt! In dem Moment könnte ich heulen. Wäre ich nicht weggelaufen, wäre ich – und auch Draco – nie zu den Weasleys gelangt, wir hätten nicht unter Umständen, die wir kaum erklären konnten, zurückkehren müssen – Ich wäre nie zum Werwolf geworden, hätte den Untergrund nicht kennenlernen müssen – hätte, hätte, hätte. Wenn ich nur diese eine Entscheidung anders getroffen hätte. Wie konnte ich so dumm sein? Ich hätte ahnen sollen, dass so eine Flucht weitreichendere Folgen haben würde. Ich hätte die Zähne zusammenbeißen und „Ja" sagen sollen, wie ich es immer beigebracht bekommen habe. Dann wäre ich jetzt mit Draco verheiratet, kein Werwolf und nicht ansatzweise so zerstört, außen wie innen, wie ich es jetzt bin. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.

Aber... Damals hasste ich Draco. Und er hasste mich. Aus tiefstem Herzen. Wenn man uns gezwungen hätte, zu heiraten und am besten noch ein paar Nachwuchs-Reinblüter in die Welt zu setzen... Hätten wir dann zu unserer Liebe zurückgefunden? Oder hätten wir uns unserem Abscheu verschrieben und wären uns nie wieder nahe gekommen? Ich weiß es nicht und ich werde es nie wissen. Ich hasse es – aber passiert ist passiert. Die Entscheidungen, die ich getroffen habe, kann ich nicht rückgängig machen. Und jetzt muss ich zusehen, wie mit mit den Konsequenzen leben und überleben kann...

„Da bist du endlich!"

Nur langsam sehe ich auf, zu dem Mann mit den breiten Schultern und dem harten Gesicht, in dem ängstliche Augen liegen. Mein Vater, dessen Tochter ich nicht mehr bin.

„Ich bin pünktlich", sage ich fest, straffe die Schultern und blicke quer durch den Raum zu meinem Vater.

Er knurrt irgendetwas Unverständliches. Die Luft ist fast zu dick zum Atmen und unser letztes Gespräch baut sich wie eine Mauer aus gesagten Worten zwischen uns auf. Ich rühre mich nicht von der Stelle, weiß nicht, was ich tun soll.

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt