Tatsächlich dauert es nicht lange, bis ich auf einen Wanderweg stoße. Ziellos folge ich dem Weg in die Richtung, die meiner Erinnerung nach von Greybacks Hütte weg führt. Immer wieder werfe ich einen Blick über die Schulter. Da war doch etwas... ? Das Gefühl, verfolgt zu werden, verlässt mich nicht. Vielleicht wird es mich nie wieder verlassen.
Als die Sonne bereits tief am Himmel steht, habe ich endlich Glück. Die erste junge Frau, die mich entdeckt, schlägt sich die Hand vor den Mund und flüstert: „Mon dieu!" Vermutlich sehe ich immer noch fürchterlich aus, auch sauber gewaschen. Manche Dinge lassen sich nicht abwaschen.
Es sind drei junge Frauen, um die zwanzig. Erst versuchen sie, Französisch mit mir zu sprechen, danach funktioniert es in sehr holprigem Englisch. Ich tische ihnen die Geschichte auf, dass ich zelten war, aber mit viel Pech meine Sachen verloren habe. Die Jüngste der drei unterstützt meine Geschichte noch, indem sie fragt: „Verloren in das... böse Wetter vor zwei Wochen?" Und ich nicke, obwohl ich mich nicht an ein Unwetter erinnern kann. Allerdings weiß ich auch kaum, wie lange ich überhaupt mit den Todessern hier war.
Die drei Frauen sind sehr aufgeschlossen und sind sofort bereit, mich bei ihnen aufzunehmen. Obwohl ich mehr als dankbar bin, dass sie mir helfen, macht mich die aufgescheuchte Art der Frauen sehr nervös. Sie erinnern mich an aufgescheuchte Schmetterlinge, und sie reden etwas viel. Sie heißen Antonia, Vanessa und Valerie, sind drei Freundinnen die zusammen zelten gehen wollten und kommen aus Frankreich. Antonia zeigt mir Bilder ihrem zweijährigen Sohn, der im Moment bei seinem Vater wohnt, Vanessa erzählt mir von ihrer gerade beginnenden Sängerkarriere und Valerie erklärt, dass sie in ihrer Freizeit am liebsten Ballett tanzt.
Als ich mich an die flatterhafte Art der jungen Frauen gewöhnt habe, beginne ich, mich wohl zu fühlen. Sie reden und lachen so viel und so laut, dass sie meine Angst übertönen. Sie wissen nichts von der Gefahr. Sie sind naiv. Aber glücklich und zufrieden. Und das finde ich beneidenswert.
Als der Abend hereinbricht, helfe ich ihnen, ihr Zelt aufzubauen. Für sie ist es selbstverständlich, dass ich bei ihnen bleibe. Wir schlagen unser Lager in Sichtweite eines Flussufers auf, der vermutlich der selbe Fluss ist, an dem ich heute Morgen aufgewacht bin. Sie bitten mich, Wasser am Fluss zu holen, um es abzukochen und dann zu trinken. Ich bin beeindruckt, wie sie mit Muggelmethoden ein Lagerfeuer entzünden, als wäre es die einfachste Sache der Welt. Gut gelaunt wie immer erzählen sie mir, dass sie auch einen Campingkocher besitzen, ein Lagerfeuer aber netter finden.
Der Reißverschluss des Zeltes schließt sich mit einem surrenden Geräusch. Eingewickelt und Decken und dicht an dicht mit den freundlichen Franzosen, schlafe ich schließlich mit einem wohligen Gefühl ein.
Schweißgebadet schrecke ich auf. Mein Herz rast wie verrückt und ich zittere. Es ist stockfinster, die Französinnen schlafen tief und fest. Dem gleichmäßigen Atem der Drei zu lauschen, beruhigt mein pochendes Herz langsam, und ich will mich gerade wieder in meine Decken kuscheln, als von draußen, wie aus weiter Ferne, Wolfsgeheul ertönt. Schlagartig bin ich hellwach. Das kann nicht sein, versuch ich mich zu beruhigen, das ist nicht Greyback. Es ist nicht Vollmond. Du bist in Sicherheit.
Als ich am nächsten Morgen von dem Heulen erzähle, lachen Antonia, Valerie und Vanessa und erklären, dass es hier so gut wie gar keine wilden Tiere gibt. „Du hast nur träumen", versichert Antonia.
Gemeinsam bauen wir das Zelt wieder ein, packen unsere Sachen und ziehen weiter. Während des Wanderns singt Vanessa Lieder auf Französisch, die ich nicht verstehe. Ihre Stimme erinnert mich an Alkohol, süß und voller Feuer und sie verschafft mir ein angenehm warmes Gefühl. Antonia schießt die ganze Zeit Fotos mit einer teuer aussehenden Kamera. Fotos von dem Wald und von Valerie, Vanessa und mir. Die Bilder will sie ihrem Sohn und ihrem Mann zeigen, wenn sie wieder zu Hause ist. Die Drei reden und erzählen so viel, dass es sie gar nicht zu stören scheint, dass ich überhaupt nichts von mir erzähle. Wir wandern den Weg am Fluss entlang weiter, durch die wunderschöne Natur.
Am Abend spüre ich das weite Laufen in meinen Beinen und ich bin todmüde, aber zum ersten Mal seit Langen fast friedlich. Nur das unheimliche Gefühl, verfolgt zu werden, lässt mich nicht los. Manchmal spüre ich fast Greybacks heißen Atem im Nacken, als würde er direkt hinter mir stehen, und zwei, drei Mal bilde ich mir ein, sein bellendes Lachen aus der Ferne zu hören.
Aber alles ist gut. Ich bin in Sicherheit.
Als die Dunkelheit der Nacht durch den Wald kriecht, entzündet Valerie ein neues Lagerfeuer. In einem Kreis setzen wir uns um die wärmenden Flammen, und Vanessa fängt wieder an zu singen, mit einer Stimme, die ebenso knistert wie das Feuer. „Oh non!", ruft Antonia plötzlich, „Ich vergesse Wasser holen." Sie schlägt sich die Hand vor die Stirn und will aufstehen, doch ich springe noch vor ihr auf. „Ich gehe und hole das Wasser", sage ich freundlich. Mit leeren Wasserflaschen bewaffnet suche ich nach dem Weg hinunter zum Fluss.
Als ich mit vollen Flaschen wieder zum Zelt zurückkehre, hat Vanessa aufgehört zu Singen. Offenbar sind die Drei bereits im Zelt verschwunden. Ich stelle die Flaschen ab und frage laut: „Kochen wir das Wasser jetzt gleich noch, oder erst morgen?" Als ich nicht sofort eine Antwort erhalte, frage ich: „Habt ihr mich gehört?" Ich strecke meinen Kopf ins Zelt. „Ich habe gerade gefragt, ob-" Es läuft mir eiskalt und feuerheiß den Rücken hinunter.
„Nein", flüstere ich, „Nein, nein, nein, nein..."
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moon & misery
Fanfiction(Abgeschlossen!) Eine Geschichte um Draco Malfoy und Iris-Isabelle van Greenskape, die im siebten Schuljahr untragisch beginnt. Iris-Isabelle, die lieber Isa genannt wird, ist schockiert, als sie erfährt, dass sie zusammen mit Draco Malfoy Schulspre...