Armee

239 16 0
                                    


~(Isa)

Hustend spucke ich das Wasser wieder aus. Mein gesamtes Inneres brennt und ich übergebe mich so lange, bis absolut nichts mehr in mir drin ist. Selbst Atmen fällt mir schwer, die Luft in meinen Lungen fühlt sich an wie Sand. Mit fest geschlossenen Augen presse ich mein Gesicht auf den modrigen Waldboden und versuche bloß, nicht schon wieder zu würgen. Ich werde nie wieder davonlaufen. So viel steht fest. Jetzt habe ich bereits fünf Menschen auf meinem Gewissen, auch wenn ich nur einen davon selbst getötet habe. Ich weine nicht. Dazu fehlt mir die Kraft. Stattdessen liege ich nur da und verfluche meinen Körper, der tapfer versucht, mich am Leben zu halten.

Greyback stößt mich mit einem Fuß an, wie um zu schauen, ob ich tot bin. Ich rege mich nicht. Selbst wenn ich wollte, ich könnte es nicht. Ich nehme wahr, wie Greyback umher geht. Ich kann seine ungleichmäßigen, schweren Schritte fühlen. Selbst die Erde scheint vor dem groben Werwolf zu erzittern.

Ich weiß nicht, wie lange ich liegen bleibe und so tue, als wäre ich tot. Irgendwann packt Greyback mich an der Schulter und dreht mich auf den Rücken. Ich wehre mich nicht. Über mir sehe ich die Sichel des zunehmenden Mondes, die zwischen den Bäumen hindurch scheint.

Doch das silbrige Licht wird von Greyback verdeckt, der sich über mich beugt. „Siehst du das?", knurrt er und hält mir ein Messer unter die Nase. Die Klinge glänzt nicht, entweder sie ist rostig oder mit Blut bedeckt. Ich tippe auf Letzteres. „Rate mal, wessen Blut das ist."

Ich weiß, dass er eine richtige Antwort von mir haben will, also erwidere ich tonlos: „Die Franzosen."

Greyback wirft den Kopf zurück und stößt ein lautes Lachen aus. „Da muss ich dich leider enttäuschen. Es ist das Blut des Malfoy-Jungen." Seine Worte schlagen ein tiefes Loch in mein Herz. „Was hast du getan?", flüstere ich. Wie hypnotisiert hängt mein Blick an der breiten Klinge des Messers. Es ist nicht viel Blut, versuche ich mir einzureden, Draco geht es gut. Es kann ihm nichts passiert sein.

„Ohh...", antwortet Greyback gedehnt, „Ich musste den Malfoys einen kleinen Besuch abstatten, nachdem du abgehauen bist und ihn ausfragen. Leider waren die Malfoys nicht sehr kooperativ und ich musste ihnen eine kleine Lektion erteilen. Wärst du nicht weg, wäre das", er wedelt mit dem Messer vor meinem Gesicht herum, „Nie passiert."

„Aber", hake ich atemlos nach, „was ist mit ihm passiert? Wie... was genau hast du..."

„Das", erwidert Greyback genüsslich, „Überlasse ich deiner Fantasie." Zum wiederholten Mal wird mir schlecht. In meiner Fantasie kann ich mir sehr gut eine Menge Dinge vorstellen, die Greyback mit diesem Messer angerichtet haben könnte. Diese Ungewissheit ist das Schlimmste, das er mir hätte antun können. Wenn Greyback Draco umgebracht hat, dann sind es jetzt sechs. Sechs Menschenleben auf meinem Gewissen.

Abrupt springt Greyback auf, steckt das Messer weg und wendet sich ab. „Mitkommen", befiehlt er. Ohne sich nach mir umzusehen, stiefelt er in die Dunkelheit davon. Ich frage mich, was er tun würde, wenn ich einfach hier liegen bleibe. Womöglich würde er mich auch einfach zum Sterben zurücklassen, obwohl das eher unwahrscheinlich ist. Also rappele ich mich trotz der Schmerzen auf und folge ihm durch die Nacht. Welche andere Wahl hätte ich denn?

Als Greyback merkt, dass ich ihm freiwillig folge, fragt er: „Abhauen ist nicht mehr, hm?" Ich kann das fiese Grinsen in seiner Stimme hören.

„Nein", antworte ich heiser.

„Das will ich hoffen", knurrt Greyback. Das Grinsen ist verschwunden. „Dein Theater hat uns ein paar Tage gekostet. Ich wollte schon viel früher damit anfangen... Nochmal so eine nervige Nummer und du kommst nicht so leicht davon."

Dass ich fast Ertrinken nicht als ,leicht davonkommen' bezeichnen würde, verschweige ich.

„Es wird Zeit", fährt Greyback fort, „Dass du lernst, wie es im Untergrund läuft."

Mir schwant Übles. „Welcher Untergrund?", frage ich verhalten.

Greybacks prompte Antwort zeigt mir, dass er nur auf meine Frage gewartet hat. „Der dunkle Lord hat mich, sagen wir, um einen kleinen Gefallen gebeten. Vielleicht weißt du, dass er damit begonnen hat, Riesen um sich zu scharen. Das waren aber nicht die einzigen... Wesen, die er in seiner Armee will. Also bin ich dabei, meine eigene Armee zu erschaffen. Und du", er wirft einen stechenden Blick über die Schulter, „Wirst mir dabei helfen."

(Vielen Dank für 2k *-*)

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt