sprachlos

383 17 0
                                    


Behutsam ziehe ich das oberste der Bücher unter Dracos schlafendem Kopf hervor. Das, von dem ich bereits die Überschrift und den kleinen Absatz erkennen konnte, um zu überprüfen, ob meine Vermutung sich verifiziert. Und das tut sie. Fast hektisch überfliege ich die Titel und Klappentexte der anderen Bände. Alle sind zum selben Thema.
Ein wenig überwältigt lasse ich mich auf meiner Bettkante nieder und starre auf das Buch in meinem Schoß. Ich könnte heulen. Aber Draco wird, allein durch die Tatsache, dass ich diese Bücher überhaupt registriert habe, schon entsetzt genug sein, also lasse ich es.
Bedächtig, auch darauf bedacht, Draco zumindest noch nicht zu wecken, öffne ich das Buch.
Interessant ist es, aber da es insbesondere mich so betrifft auch gruselig, das so durchzulesen.
Tatsächlich habe ich fast ein bisschen Angst vor dem, was da so stehen könnte.
Ich mustere wieder den Einband. In schöner, dunkler Schrift schwingt sich der Titel über das Leder.

Wie Sie ihr Leben gemeinsam mit einem Werwolf gestalten – Antworten auf die häufigsten Fragen

Mein Blick huscht zurück zu den anderen Büchern.

, Aufklärung der größten Gerüchte rund um das Leben mit einem Werwolf'

, Weshalb ein Leben mit einem Werwolf unbedenklich ist'

, Werwölfe sind auch nur wundebare Freunde'

Draco hat sogar ein Buch mit dem Titel 'Wie Sie einem Werwolf beibringen, sich und Sie zu azeptieren und zu lieben' ausgeliehen.
Manchmal ist er echt schräg, aber das ist wirklich lieb. Man könnte meinen, das passt gar nicht zu ihm . Einfach zu niedlich.
Bliebe nur die Frage, wie ich jetzt darauf reagieren soll.
So tun als hätte ich das nicht bemerkt, damit Draco sich nicht angegriffen fühlt?
Warten, bis er aufwacht?
Eine Nacht drüber schlafen und morgen weitersehen?
Draco sofort wecken und ganz doll lieb haben?
Draco jedoch nimmt mir die Entscheidung eher weniger freiwillig ab.
„Hey! Sag mal, was soll das? Gib die sofort zurück!"
Wie ein erschrecktes Kaninchen sitzt er starr und aufrecht an seinem vorherigen Schlafplatz und starrt mich an. Sein Gesicht spiegelt Wut wieder, doch seine Stimme klingt panisch.

Widerspruchslos reiche ich ihm tatsächlich einfach so die Bücher zurück. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes noch immer sprachlos. Draco hat die Bücher auf seinen Schoß geladen, mit der Vorderseite nach unten, ganz so, als würde er immer noch hoffen, die Titel von mir aus ungelesen zu machen. Ich weiß gar nicht, wieso er sich so anstellt. Denkt er vielleicht, mir würde das missfallen? Reichlich dämlich von ihm. Andererseits ist es ihm sicherlich ganz schön schwer gefallen, diese Bücher überhaupt auszuleihen.
„Moment mal", überlege ich. Okay, so war das nicht geplant. Vermutlich sollte ich mich eigentlich bedanken. Obwohl, das würde Draco sowieso nur noch verlegener machen, also lasse ich es bleiben. Der blickt mich misstrauisch fragend an.
„Wie kommt es", fahre ich also rasch fort, „Dass diese Bücher noch in der Bibliothek vorhanden waren? Müssten sie nicht auch eigentlich irgendwie abgeschafft worden sein? Snape und so sind die doch vermutlich viel zu tolerant."
„Du vergisst den Unterricht", erwidert Draco ausdrucklos. Ach, richtig. Muggelkunde und die dunklen Künste könnte zu dem Fach Dummheit zusammengefasst werden. Für die einen bedeutet es die Dummheit der Toleranten und Muggel, für die anderen die Dummheit der Anhänger des dunklen Lords, also, so oder so Dummheit. Und für das eine wie das andere werden Bücher dieser Art nach wie vor benötigt, zur Abschreckung vor Vorzeigewidersprüchlern.
„Wenn herauskommt, dass du sowas liest ... Ich meine, wenn zum Beispiel die Carrows das irgendwie mitbekommen ..."
Für mich wäre das nicht gut, und für Draco ganz sicherlich noch viel weniger. Er schaut zur Seite, fährt sich mit der Hand durchs Haar und lässt sie dort liegen. „Wird es nicht", antwortet er schließlich knapp. Ich hake nach, wie er sich da so sicher sein kann, denn so optimistisch ist er nie.
Erneut wandert sein Blick durch den Raum, Ablenkung suchend vielleicht, einen Ausweg aus dieser aus seiner Sicht unangenehmen Lage oder einfach um mir nicht in die Augen sehen zu müssen. Ein Seufzer weicht über seine Lippen, ehe er seine Antwort vervollständigt.
„Wenn doch, wird jeder erfahren, wie käuflich das Personal hier ist. Ich habe der werten Bibliothekarin ein wenig Geld zukommen lassen, nachdem sie sich dafür verantwortet hat, das nichts dergleichen nach Außen gelangt", fügt er boßhaft hinzu, „Das würde sich anhand ihres momentan aufgebauten Geldstandes leicht nachweisen lassen."
Wie ich sehe hat er ganze Arbeit geleistet.

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt