Glück?

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Erschöpft reibe ich mir die Augen. „Ich habe keine Chance, das alles nachzuholen." Ergeben schlage ich das Buch zu. „Das schaffe ich nie."

Wir sind die Letzten in der Bibliothek – aus Angst, zu spät noch durch die Korridore zu wandern, sind die anderen bereits verfrüht schlafen gegangen.

„Und ob du das schaffst", sagt Blaise. Er beugt sich über den Tisch und öffnet mein Buch wieder. „In zehn Minuten machen wir auch Schluss, aber dieses Kapitel liest du jetzt noch."

Ich versuche, mich zu konzentrieren, das tue ich wirklich. Aber nach drei Stunden will und will es mir einfach nicht mehr gelingen. Ich blicke auf die Schrift aus schwarzer Tinte.

Die Aufstände gingen bis 1546, bis sich auch die letzten Widerständler dem Wahnsinn ergeben mussten. Die traumatischen Ereignisse fügten den direkt Beteiligten schwere Schäden zu.

Gegen meinen Willen wandern meine Gedanken zu Isa. Ihre Erlebnisse könnte man wohl auch als ‚traumatisch' bezeichnen. Sie hingegen wird sich wohl kaum dem Wahnsinn ergeben – obwohl...

In den nächsten Tagen hänge ich mich so sehr in die Schularbeit, dass Blaise' Vorhersage sich bewahrheitet: Ich komme kaum noch dazu, mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren.

Hogwarts ist so düster wie nie, doch zum ersten Mal seit einem geraumen Zeitraum fühle ich so etwas wie Glück.

„Ich hatte schon total vergessen", sage ich zu Blaise, während wir an einer komplizierten Hausaufgabe für Zaubertränke sitzen, „wie viel Spaß es mir bereitet, zu lernen."

„Spaß", stöhnt Blaise und kratzt sich mit einer Feder am Kopf.

Ich halte Inne und blicke ihn aufmerksam an. Zum ersten Mal fällt mir auf, was er da überhaupt für mich tut. Blaise musste nie lernen, um irgendwelche Prüfungen zu bestehen – gut, er war nie einer der Besten, doch seine Noten waren immer passabel... Trotzdem arbeitet er mit mir zusammen, nur damit ich überhaupt mal wieder hoch komme. „Danke", sage ich. Mit der Feder deute ich auf die Bücher- und Pergamentstapel um uns herum, „Dafür, dass du das alles mit mir machst."

Auch Blaise blickt von seiner Arbeit auf. „Kein Ding. Im Gegenteil, vielleicht ist es sogar gut, dass ich mal aktiv was für meine Noten tue. Professor Flitwick meinte gestern zu mir, ich hätte mich deutlich verbessert. Vielleicht sollte also lieber ich dir danken, man."

Mit einem seichten Lächeln beuge ich mich wieder über das Papier.

~(Isa)

„Noch mal", sagt Greyback.

Zügig hebe ich das Messer von Boden, begebe mich wieder in Position, und schleudere es erneut auf die Wand. Diesmal bleibt es mit einem dumpfen, zitternden Geräusch in dem Holz stecken. Ein kleines, triumphierendes Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen.

„Noch mal", sagt Greyback.

„Aber ich habe getroffen!", protestiere ich überrascht, „Und dass ich je ohne Zauberstab kämpfen muss, ist so unwahr-"

„Noch mal", unterbricht er mich barsch, „Man weiß nie, wann es so weit ist. Ein Hinterhalt von Potters Seite und du bist erledigt, wenn du ohne Magie nichts drauf hast." Mit verschränkten Armen beobachtet er, wie ich meinen schmerzenden Arm reibe, seufze, und das Messer zum bestimmt fünfhundertsten Mal aufnehme. „Du überlegst zu lange", meckert er.

Ich lasse das zum Wurf erhobene Messer sinken. „Ich muss zielen, oder nicht?"

„Nicht so lange. Dein Arm weiß, was er zu tun hat – auch wenn du es nicht tust. Kapiert?"

„Kapiert", murmele ich und wende mich wieder der Wand zu. Als ich zum Werfen ansetzen will, schießt ein stechender Schmerz durch mein Ohr. Ein Messer surrt an mir vorbei und bleibt bebend in der Wand stecken. Erschrocken berühre ich mein Ohr. Hellrotes Blut haftet an meinen Fingerspitzen. Wütend drehe ich mich zu Greyback um, der grinsend hinter mir steht. „Was-?"

„Man sollte dem Feind nicht den Rücken zudrehen", sagt er und lacht.

Ich umklammere den Griff meines Messers. „Das hätte mich ernsthaft verletzen können!"

Greyback zuckt mit den Schultern. „Dann hättest du was gelernt. Außerdem", sagt er und bleckt die gelben Zähne, „warst du viel zu entspannt. Wenn man mit Messern um sich wirft, dann sollte man sich auch danach fühlen."

Zähneknirschend nehme ich eine seiner weiteren Lektionen hin und tue, was er sagt: Ohne nachzudenken schleudere ich das Messer nach vorne. Wut pulsiert durch meine Adern. Die Klinge fällt mit einem Klonk einen guten halben Meter neben Greyback auf den Boden, doch wir wissen beide, welches eigentliche Ziel sie verfehlt hat.

Greyback lacht laut auf und macht mich nur noch zorniger.

„Niedlich", sagt er, „Das gefällt mir schon besser. Allerdings..." Ohne mich aus den Augen zu lassen, hebt er das Messer auf und poliert es mit dem Ärmel. „Allerdings kann ich kaum hinnehmen, dass du mich umbringen wolltest, oder?"

Ich starre auf seine schmutzigen Stiefel.

„Ist es das?", fragt er, „Wolltest du mich umbringen?" Er grinst höhnisch und macht einen Schritt auf mich zu. „Ein kleines Mädchen wie du und jemanden einfach abstechen? Besonders jemanden, der so gut zu dir war und dir das Messerwerfen beibringt... Das ist verdammt undankbar, wirklich."

Mit einer Behändigkeit, die man einem Mann seiner Statur kaum zutraut, rauscht er auf mich zu und schwingt das Messer nach mir. Intuitiv ducke ich mich unter dem zischen Silber und springe zur Seite. Schwer atmend weiche ich zurück. Greyback lacht nicht mehr. Ich werfe einen sehnsüchtigen Blick zu meinem Zauberstab, der nutzlos auf der Fensterbank liegt.

„Nur keine Angst", sagt Greyback.

Ich spüre die Wand im Rücken, während Greyback immer näher kommt. Mit der Messerspitze pickst er mir fast zärtlich in die Wange. „Denkst du", raunt er, „Ich würde es nicht merken?" Sein Blick wandert über mein Gesicht. „Ich sehe genau, dass du da nachgeholfen hast. Meinst du, ich gebe dir deinen Zauberstab zurück, damit du meine schönen Zeichnungen in deinem Gesicht verschwinden lassen kannst?" Mit gespielter Enttäuschung schüttelt er den Kopf. „Das wäre doch langweilig, wenn du dein Gesicht behalten könntest, oder? Ich hasse hübsche Menschen", seufzt er und legt die Klinge sanft auf meine Lippen.

„Nicht", sage ich atemlos, „Bitte nicht."

Mit gerunzelter Stirn lässt Greyback das Messer sinken. Mit forschendem Blick betrachtet er mich. Dann sagt er amüsiert: „Wie man nach all der Zeit noch so eitel sein kann wie du, ist mir ein Rätsel."

„Bitte", keuche ich erneut, „Ich... Ich will nicht auch noch mein Gesicht verlieren."

„Na, wenn das so ist", grinst Greyback, „Dann..."

Ich schließe die Augen und warte auf den einsetzenden Schmerz... nach einigen Sekunden öffne ich sie zögerlich wieder. Greyback steht nicht mehr vor mir. Mit dem Rücken zu mir packt er ein paar Dinge in seinen Rucksack. „Ein anderes Mal", sagt er. „Komm jetzt. Wir haben einiges zu erledigen."

Ich folge ich nach unten, aus dem Wirtshaus hinaus auf die Straße. Die frische Stadtluft hat kaum meine Haut berührt, als er schon meinen Arm packt und appariert.

(*-* Vielen Dank für über 4k Views oder Reads oder wasauchimmer ^^)

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt