Die Tage schleppen sich langsam und zäh dahin, bald verliere ich das Gefühl dafür, wie lange ich schon hier fest sitze. Es fühlt sich an, als würde ein komplettes Halbjahr verstreichen, dabei sind es bloß drei Wochen.
Fast beneide ich die Muggelkinder darum, dass sie nicht nach Hogwarts müssen.
In dem neuen Fach 'Die dunklen Künste' geht es hauptsächlich darum, Erst- und Zweitklässler, die gegen Regeln verstoßen haben, den Crutiatus auf zu halsen, unterrichtet wird von den Carrows, Bruder und Schwester mit viel Gefallen an den Unverzeilichen. Die Meisten sind schlau genug, das auch zu tun, viele haben sogar Spaß daran. Das sind immer solche Idioten, die keine Väter haben, die Todesser sind. Doch es gibt immer einen Esel, der zu störrisch ist, sich anzupassen. Wie in dem Fall vor einer Woche.
„Nein. Ich bekomme das sowieso nicht hin."
Der Erstklässler, der in Zaubertränke etwas zu laut über eine Bemerkung seines Freunds gelacht hat, beobachtet eingeschüchtert die Auseinandersetzung zwischen Isa und Alecto Carrow. „Du wirst das jetzt machen!" keift Carrow mit ihrer schrillen Stimme.
„Wieso? Ich gebe von Anfang an zu, dass dieser Zauber nicht meine Stärke ist."
Ich wende den Blick ab und mustere die Tischplatte vor mir. Doch man kann keine Geräusche übersehen.
Als ich wieder hoch schaue, presst sich Isa die Hand an die rote Wange. „Wenn du eben nicht willst, dann..." Carrowas Blick wandert durch die Reihen – und bleibt an mir hängen. „Malfoy!" Sie winkt mich nach vorne. Widerwillig stehe ich auf. Es kommt mir so vor, als würden etliche Gewichte an meinen Füßen hängen. Jeder Schritt weiter nach vorn kommt mir ewig vor. Bei Carrow und Isa angekommen stelle ich mich dumm, als wüsste ich nicht, was ich jetzt tun soll.
„Heute noch!" raunzt Carrow.
Etwas hilflos zücke ich meinen Zauberstab.
Isa starrt mich ungläubig an. Unsicher blicke ich von ihr zu Carrow, die wie ein wütender Pitbull wirkt.
Ich wende mich wieder Isa zu. „Das wirst du nicht tun" sagt sie leise. Habe ich eine andere Wahl? Ja, tadelt eine kleine Stimme in meinem Kopf. Weigere dich doch auch! Ein Blick zu Carrow genügt, um mir die Entscheidung abzunehmen.
Langsam, wie im Traum, hebe ich die Hand und deute mit meinem Zauberstab auf Isa. Ein Wort, beschwöre ich mich, du musst nur ein Wort sagen, ein bisschen Magie wirken lassen, mehr nicht, na komm schon, du Idiot! Mach endlich etwas! Los, denk daran, was sie letztens zu dir gesagt hat, mach, los, tu es doch einfach!
Isa schaut mir direkt in die Augen.
Feigling, denke ich, jeder sollte mal den Helden spielen, also weigere dich einfach!
Idiot, denke ich, sie ist keine Freundin, Isa mag dich nicht, also was hindert dich daran, sie einfach zu verfluchen?
Verdammt, entscheide dich!„Mach jetzt!" meckert Carrow weiter, „Dieses Jahr noch! Ansonsten bist du dran!"
Ich schließe die Augen, um es nicht mit ansehen zu müssen. Den Zauberstab immer noch in Isas Richtung, die keine Anstalten macht, sich zu wehren.
„Crucio" flüstere ich, ohne weiter darüber nachzudenken.
Ein dumpfer Aufschlag sagt mir, dass ihre Beine den Dienst versagt haben müssen.
Als ich dann doch hinsehe, liegt Isa krampfhaft zuckend zu meinen Füßen, die Faust vor den Mund gepresst, das Gesicht zu einer Maske des Schmerzes verzerrt. Wie durch ein Wunder schafft sie es, die Augen zu öffnen und mich anzusehen.
Ich kann den Blick nicht von ihr abwenden, bis ein lautes Klappern mich aus dem Bann reißt.
Verwirrt schaue ich mich um. Vereinzelt wird in den Reihen unterdrückt gekichert, wobei sämtliche Blicke auf mir lasten.
Sogar Isa starrt mich an, überrascht und misstrauisch.
Ich könnte mir glatt den Fluch selbst aufhalsen, so dumm bin ich.
Erst nach zehn Sekunden bemerke ich, dass mir doch tatsächlich der Zauberstab aus der Hand gerutscht ist. Mit heißem Gesicht vor Verlegenheit hebe ich ihn auf, drehe mich um und flüchte aus dem Klassenzimmer in den Kerker für Schulsprecher, wo ich für den Rest des Tages bleibe.
Bei der Erinnerung an den Tag sinkt der Stand meiner Laune noch weiter. Ich sehe missgelaunt auf die Uhr, es ist kurz vor neun. Noch eine Stunde muss ich in diesem öden Klassenzimmer herumsitzen, und die zweite Klasse bei den Hausaufgaben bewachen.
Draußen, vor den Fenstern ist es bereits düster.
Ein paar Winzlinge vor mir heben den Kopf und starren an mir vorbei. Zwei flüstern sogar neugierig. Misstrauisch blicke ich mich um – und entdecke die Eule meiner Mutter, die aufgeplustert gegen den Wind vorm Fenster hockt und mich missbilligend beäugt.
Merkwürdig. Normalerweise wird die Post erst von den Lehrern durchsucht, die einem dann die genemigten Sachen geben. Imerhin etwas Ablenkung.
Ich mahne die Schüler noch einmal zu arbeiten, öffne dann das Fenster um den Brief, der am Bein der Eule hängt, los zu machen. Offenbar erwartet Mutter keine Antwort, denn kaum halte ich das Pergament in den Händen, stürtzt sich die Eule wieder in die Nacht.
Nach einem prüfenden Blick über die Schüler beginne ich zu lesen. Der Brief beginnt schonmal sehr interessant.
Guten Abend, Draco.
Sicher wunderst du dich, weshalb du den Brief erst so spät erhältst. Das hat folgenden Grund:
Der Inhalt ist recht persönlich, sollte nicht in falsche Hände geraten und dein Vater Lucius darf unter gar keinen Umständen davon erfahren.
Misstrauisch halte ich inne. Mutter schickt mir einen Brief, von dem Vater nichts erfahren darf? Seltsam. Mit gerunzelter Stirn lese ich weiter.
Ich möchte dich hiermit bitten, die Möglichkeiten zu leben die du hast einmal zu überdenken.
Ich muss dich wohl nicht daran erinnern, wie knapp du dem Tod entkommen bist, dank deinem Vater. Aber nicht nur du hattest das Glück, weiterleben zu dürfen.
Ich kenne dich gut genug, um mir darüber im Klaren zu sein, dass du mir oder einer anderen Person gegenüber nie die ehrliche, und gewissenfrei wahre Antwort von dir selbst bezüglich der Frage, die ich zwei Zeilen weiter erläutere, eingestehen würdest. Doch bitte denke einmal nach, ob du dich selbst belügen möchtest. Wähle deine Entscheidung für sich selbst, doch sei ehrlich.
Hättest du in der Nacht, in der dein Vater dich und Iris-Isabelle rettete, die Schuld größtenteils auf dich genommen, wärst du zum Werwolf geworden. Wenn dies geschehen wäre – würde Iris-Isabelle dich abstoßen?
Hier endet der Brief, ohne jegliche Form der Verabschiedung oder die eines abgerundeten Endes. Die Frage bleibt offen.
Mutter hat recht, was mich betrifft. Nie, und wenn es um mein Leben ginge, würde ich einer anderen Person gegenüber gestehen, dass Isa mich vollkommen anders behandeln würde. Dafür bin ich viel zu Stolz. Und was ist mit mir? Bin ich es mir wert, dass ich wenigstens zu mir selbst ehrlich bin?
„Ich habe doch gesagt, dass ich heute-" „Klappe! Keine faulen Ausreden jetzt!" „Fragen Sie Professor Snape! Der wird es bestätigen können!" „Der Schulleiter hat weitaus Wichtigeres zutun, als sich mit störrischen Schülern zu beschäftigen!"
Die Tür schlägt auf.
Alectos Bruder stößt Isa in den Raum. „Und jetzt mach gefälligst, was man dir sagt!" Damit ist er weg. Was ist denn hier los?
Die Zweitklässler blicken einander verwirrt an, und auch ich verstehe nichts. Isa begegnet meinem Blick. „Ich muss dir mit den Kleinen hier helfen, weil ich gerade nicht beschäftigt bin. Aber heute-" Ihr Blick wandert kurz zum Fenster, doch sie schaut rasch wieder weg.
Was ist heute?
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moon & misery
Fanfiction(Abgeschlossen!) Eine Geschichte um Draco Malfoy und Iris-Isabelle van Greenskape, die im siebten Schuljahr untragisch beginnt. Iris-Isabelle, die lieber Isa genannt wird, ist schockiert, als sie erfährt, dass sie zusammen mit Draco Malfoy Schulspre...