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Gelangweilt wende ich mich wieder dem halbherzig mitgeschriebenen Zeug von Geschichte der Zauberei zu.
„Wer braucht das eigentlich? Hm? Na siehst du, auf dir steht zwar alles geschrieben, aber trotzdem gibst du mir keine Antwort." Missmutig starre ich auf das Blatt Pergament, als sei es seine Schuld, dass ich ein zum Sterben langweiliges Fach in der Schule habe und kritzele irgendetwas hin.
„Also ich weiß ja nicht", erklingt mit einem Mal hinter mir eine fröhliche und recht kindliche Stimme. Erschreckt wirble ich auf meinem Stuhl herum. Hinter mir steht ein Mädchen, etwa so alt wie ich, mit braunen Augen und sehr dunkelbraunen ellenlangen Haaren.
„Wenn man schon mit Pergament spricht, sollte man wenigstens solche Sachen", Sie deutet auf meine nicht sehr liebevoll gegebenen Antworten, „Nicht verwechseln."
„Wieso?" Ich überfliege einige der Antworten, „Was ist damit?" Das Mädchen seufzt demonstrativ. „Da. Laut dir haben Kobolde schon sehr früh damit angefangen, Schwerter in Schweiß zu baden. Da müsste hinkommen, dass Kobolde schon sehr früh angefangen haben, Schwerter zu schweißen. Glaub mir, da liegt ein Unterschied!"
Verwirrt lese ich meinen Satz noch einmal. „Oh ... Ja ... äh, danke." Doch das Mädchen hat sich bereits umgedreht und bewegt sich mit leichtem Hüpfschritt davon.
Das, diese Bewegung erinnert mich an etwas, aber an was ... Die wasserfallartige Haarpracht des Mädchens schwingt hin und her, während sie langsam zwischen den Regalen verschwindet.
Plötzlich schlägt bei mir ein Blitz ein, nein, nicht irgendeiner, der Blitz. Entgeistert starre ich dem Mädchen hinterher.
„Jill!"Eine halbe Millisekunde, nachdem das Mädchen – Jill – sich mit wehenden dunklen Haaren umgedreht hat, glotzt sie mich an wie ein Pferd, das nicht weiß, was von ihm verlangt wird. Doch dann breitet sich ausschlaggebende Erkenntnis auf ihrem Gesicht aus, mit einer Art, über die ich sonst laut gelacht hätte, wäre diese Situation nicht so schicksalhaft dramatisch. Eigentlich zu kitschig, für meinen Geschmack. Aber nur eigentlich. Die tragische Wirkung wird verscheucht durch die bedachte, ziemlich erheiternde Art des Mir-geht-ein-Licht-auf-Ausdrucks in Jills Gesicht. Mit einer ins Lächerliche gezogenen Langsamkeit öffnen sich ihre Lippen, zeitgleich mit den lahm geweiteten Augen und den im Flubberwurmtempo empor wandernden Augenbrauen.
Atmen nicht vergessen, schießt es mir durch den Kopf, und Jill scheint es genauso zu ergehen.
Doch unser beider Versuch endet damit, dass wir wegen hysterischem Kichern aus der Bibliothek verwiesen werden.
Gegen den im Korridor baumelden Wandteppich mit dem Wappen Hogwarts' gelehnt halten wir beide inne, um zu Atem zu kommen.
Ich kann das einfach nicht fassen! Das ist unmöglich! Wie ...? Das kann einfach nicht sein. Das ist wie aus einer schlechten Geschichte, und ich bin ziemlich sicher, dass ich echt bin. Und die Welt in der ich lebe, und Draco und offenbar auch Jill. So wirklich realisieren, dass ich so eben meine unwiderruflich mega super aber sowas von allerbeste Freundin für immer und ewig aus meinen Kindertagen gefunden habe, kann ich nicht. Etliche Tage auf den Gängen im Ministerium schießen mir durch den Kopf.
Doch etwas, eine Frage, verstellt den Glücksgefühlen und dem Adrenalin den Weg.
„Wieso hast du mich eigentlich nicht früher bemerkt?" Verblüfft starre ich in die braunen Augen. Verwirrt versuche ich zu sortieren, wer gerade wessen Gedanken gelesen und ausgesprochen hat. Ich ihre oder sie meine? Ich glaube beide. Moment, kam das nicht schon früher vor, dass wir des öfteren genau dasselbe gesagt hatten? In dem Moment, in dem ich an der Frage arbeite, spricht Jill sie aus. „Daran habe ich eben auch gedacht." „Das", verkündet sie mit einem sachlichen und einfachen Ton, „Nennt man glaube ich echte Freundschaft."
Ich glaube, da gibt es ein paar Jahre Freundschaft nachzuholen, auch wenn ich immer noch nicht weiß, weshalb ich Jill erst jetzt, nach so vielen Jahren, wiedererkenne.
Auf eine unheimliche Art und Weise gut gelaunt schreite ich über die Teppiche in den Korridoren, die meine Schritte zum Glück völlig verschlucken. Weder ich noch Jill haben es uns nehmen lassen, auch nach Ausgangssperre noch zu reden und zu reden und zu erzählen und zu erinnern. Zwar bin ich ein Schulsprecher, dennoch würde ich eher ungern noch einmal in Richtung des Negativen auffallen. Also schleiche ich mich, wie auf geheimer Mission, nach unten in meinen und Dracos Kerker.
Doch obwohl alles soweit geklärt scheint, nistet sich ein mulmiges Gefühl in mir ein. Wieso, wieso verdammt sind wir erst jetzt aneinander gestoßen? Immerhin hatten wir im ersten Schuljahr sicher mehr Ähnlichkeiten mit den kleinen Kindern, die wir in den besten Zeiten unserer Freundschaft waren. Wieso also haben wir uns damals nicht erkannt? Unangenehmerweise kommt es mir so vor, als hätte ich in diesem Themenbereich etwas vergessen, etwas übersehen, etwas missachtet, auf das ich besser hätte hören sollen. Ich bin ziemlich sicher, dass es etwas in meiner Kindheit war, ein Schlüsselpunkt, der früher für mich nicht bedeutend war – wenigstens nicht im direkten Sinne. Irgendetwas habe ich übersehen. Doch ich weiß nicht was, und es ist zu spät, um jetzt darüber nachzudenken. Auch Schulsprecher werden mal müde.
Dass ich damit vollkommen Recht habe, bestätigt sich, als ich die Tür zum Schulsprecherkerker aufstoße, und Draco mit auf den Schreibtisch gesunkenem Kopf schlafend vorfinde.
Oh ja, Bücher sind offenbar sehr bequem. Ich überlege unschlüssig, ob ich ihn wecken oder wenigstens die vielen Bücher, über denen er eingepennt ist, gegen Kissen tauschen soll. Ansonsten jammert er morgen früh wieder über Nacken- und Schulterschmerzen. Wie ein alter Mann. Ein Lächeln huscht mir über das Gesicht, als ich sehe, dass seine glatten Haare entspannt und verirrt von dem sonst so ordentlichen einfach über seiner Sirn liegen. Einfach. Ganz einfach, wie bei jemand ganz normalem. Allerdings wird es weniger einfach, die Bücher wegzuräumen ohne das Draco aufwacht. Vielleicht sollte ich alles auch bloß dabei- Meine Überlegung bricht plötzlich zusammen und ich stutze. Das sind viele Bücher, ziemlich viele sogar. Wofür ...? Der ganze Schulkram interessiert ihn doch so oder so nicht, auch, wenn er das nicht sagt.
Sollte ich vielleicht ...? Andererseits geht es mich ja auch nichts an. Wenn Draco ein neues Hobby im Lesen entdeckt hat, sollte ich die Natur besser machen lassen. Doch irgendwie kann ich mir das nur schwer vorstellen. Außerdem bin ich eine Slytherin, grinse ich meinem Gewissen entgegen, wir kennen sowas wie Zurückhaltung in solchen Sachen nicht. Und überhaupt, was sollte Draco denn schon vor mir zu verbergen haben? Also, wenn er schon so offensichtlich über den Büchern einschläft, ist es ihm bestimmt egal, wenn ich sie lese. Ja, bestimmt.
Auf Zehenspitzen stehle ich mich hinüber zu meinem Blondchen und schaue ihm im wahrsten Sinne der Worte über die Schulter, um ein paar der Absätze zu studieren.
Eine kleinere Überschrift fällt mir ins Auge. Sofort wird mir klar, dass es Draco eventuell doch etwas ausmacht, wenn jemand anders, insbesondere Ich, diese Sachen liest. Stirnrunzelnd mustere ich das, was ich von oben von seinem Gesicht erkennen kann. Er muss die Bücher heimlich besorgt haben, zumindest verdeckt vor anderen Schülern. Mein Herz zieht sich einen Moment zusammen. So etwas Niedliches hat er glaube ich noch nie gemacht. Naja, dabei finde ich es nicht einmal besonders toll, dass er das liest und das wissen will. Aber es muss ihn vermutlich eine Überwindung und Wagenladungen an Stolz gekostet haben, diese Bücher auszuleihen. Scheint ganz so, als würde sich der kalte, stolze, und übermächtige Malfoyspross wohl doch tatsächlich um mich sorgen.
Ich weiß nicht, was ich denken oder fühlen soll. Ich bin wütend, dass Draco meint, mir helfen zu müssen, ich bin doch gerührt, dass er sich sorgt, ich bin besorgt, dass es Gründe gibt, Gründe für ihn, diese Bücher zu wälzen, ich bin beleidigt, dass er kein Vertrauen in mich hegt, ich freue mich
weil Draco sich für mich interessiert. Und Aufregung. Aufregung, ob ... der Beweis erst gemeint ist.
Auch wenn es für andere wie eine kleine Geste scheinen mag, für Draco Malfoy ist so viel Gefühl doch eine beachtliche Leistung.(naaa was für Bücher könnten das sein?)
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moon & misery
Fanfiction(Abgeschlossen!) Eine Geschichte um Draco Malfoy und Iris-Isabelle van Greenskape, die im siebten Schuljahr untragisch beginnt. Iris-Isabelle, die lieber Isa genannt wird, ist schockiert, als sie erfährt, dass sie zusammen mit Draco Malfoy Schulspre...