alleine im Mondlicht

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Seit Isa weg ist, ist es beunruhigend still im Schlafsaal der Schulsprecher. Diese Stille und das Gefühl, entsetzlich allein zu sein, besorgen mir schlaflose Nächte. Die Zeit in der Schule plätschert stumm an mir vorbei, und ich bemerke es kaum. Jeden Tag frage ich mich, wie es weitergehen wird und wo Isa jetzt wohl ist, und was sie tut. Ich versuche, mich nicht zu fragen, ob sie überhaupt noch etwas tut, oder ob sie bereits... tot ist. Unruhig schiebe ich den Gedanken beiseite. Rastlos wie jede Nacht streife ich durch die verwaisten Korridore von Hogwarts. Die dunklen Schatten der Nacht jagen mir schon lange keine Angst mehr ein. Seit Snape Herr von Hogwarts ist, ist das Schloss nachts wie ausgestorben, selbst andere Lehrer oder sogar Geister wagen es nicht mehr, nachts die Korridore unsicher zu machen. Umso besser für mich.

Silbriges Mondlicht fällt durch eines der großen Fenster und ich bleibe stehen und betrachte den nächtlichen Himmel. Der Mond steht hell und voll hoch am Himmel, heller strahlend als alle Sterne.

Erst da wird mir bewusst, wie viel Zeit wirklich vergangen ist, welcher Tag heute ist. Wie eine kalte Hand legt sich das Grauen um mein Herz, und auf einmal ist mir sehr kalt. Heute wird Isa zum zweiten Mal ein Wolf. Ich hoffe nur, dass sie in guter Gesellschaft ist, dass irgendjemand auf sie achtet und sie nicht mit sich alleine lässt. Doch ich weiß selbst, wie unwahrscheinlich das ist. Ich stelle mir vor, wie Isa irgendwo alleine orientierungslos durch einen kalten Wald streift, ohne zu wissen, wer sie ist. Oder, schlimmer noch: Sie ist mit Greyback zusammen. Mir schaudert und ich versuche, nicht daran zu denken.

Bedrückt mache ich mich auf den Weg zurück in meinen Schlafsaal. In jedem schattigen Winkel und in jeder dunklen Ecke warten finstere Gedanken auf mich, und ich bin seltsam erleichtert, als ich den Schlafsaal erreiche. Ich schließe die Tür hinter mir und entzünde einige Kerzen auf meinem Schreibtisch. Schlaf werde ich in dieser Nacht sowieso keinen finden. Ich werfe einen Blick hinüber zu Isas Bett – und mache vor Schreck einen Satz rückwärts, wobei ich eine der Kerzen umstoße. Hastig lösche ich das kleine Feuer mit meinem Zauberstab, dann wende ich mich wieder der Ursache meines kleinen Schocks zu.

Isas Hausdrache, Jumps, sitzt dort und schaut mich an. Seine Flügel sind dreckverschmiert und hängen schlaff herunter, und das Tier scheint völlig außer Atem zu sein. „Was ist denn mit dir passiert?", frage ich, doch natürlich erhalte ich keine Antwort. Vorsichtig trete ich näher. Mit großen Augen beäugt Jumps mich argwöhnisch, regt sich ansonsten aber nicht. „Wie bist du überhaupt hier rein gekommen?", murmele ich, „Und wieso?" Auch wenn Jumps wohl kaum sprechen kann, scheint er mich zu verstehen, denn er trippelt ein Stück zur Seite und offenbart ein schmutziges Stück Pergament, welches er offenbar bis eben bewacht hat.

Schlagartig bin ich hellwach. Das Stück Pergament ist zerknittert, voller Erde und leicht feucht. Als ich es näher betrachte, erkenne ich, dass es beschrieben ist. Auch, wenn das Geschriebene so gut wie unleserlich ist, fängt mein Herz an zu rasen. Aufgeregt schaue ich wieder Jumps an. „Ist das von Isa? Weißt du wo sie ist? Warst du bei ihr? Oder hast du das nur gefunden und zu mir gebracht?" Abgesehen von einem vorwurfsvollen Blick bekomme ich keine Antwort. Jumps schaut zuerst auf mich, dann auf den Pergamentbogen und wieder auf mich. „Ist ja schon gut", sage ich und lasse mich auf dem Bett nieder, „Ich lese es ja schon."

Mit dem Zauberstab reinige ich das Pergament so gut es geht, bis ich die Schrift deutlich erkennen kann. Es ist wirklich ein Brief von Isa. Aufgeregt fange ich an zu lesen...

Mit einem klammen Gefühl im Magen lasse ich den Brief sinken. Dass Isa selbst nicht weiß, wo sie ist, ist nicht weiter überraschend. Viel mehr Sorgen bereitet mir die Tatsache, dass sie mit Greyback dort ist, wo auch immer dort ist. Ich schließe die Augen und muss mir vorstellen, wie sie zusammen mit Greyback durch den Wald streift, auf der Suche nach Beute oder... Menschen. Ich hoffe für sie, dass es nicht allzu schlimm ist.

„Weißt du, wo sie ist?", frage ich Jumps, obwohl ich keine ernstzunehmende Antwort erwarte. Doch der Hausdrache legt den Kopf schief und schaut mich an, als wolle er sagen: Was denkst du denn.

„Du hast wohl eine ziemlich gute Verbindung zu ihr, hm?" Plötzlich kommt mir eine Idee, und hitzig frage ich nach: „Heißt das, du kannst ihr auch eine Antwort von mir überbringen?" Jumps Blick wird vorwurfsvoll, er lässt ein quakendes Geräusch hören, das an ein Gähnen erinnert und streckt seine matten Flügel einmal und lässt sie dann wieder sinken. „Schon verstanden", seufze ich, „Du bist weit geflogen und jetzt sehr müde. Aber, wenn du dich ein wenig ausruhst... ?" Jumps keckert zufrieden und rollt sich auf Isas Bett zusammen.

In der Zeit setze ich mich an den Schreibtisch, suche Pergament und Feder, und beginne zu schreiben.

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Als ich wieder zu Bewusstsein komme, befinde ich mich irgendwo im Wald. Für einen Moment bin ich verwirrt und weiß nicht, wo ich mich befinde. Obwohl ich auf dem Waldboden liege, fühle ich mich seltsam zittrig und erschöpft, und meine Beine schmerzen, als wäre ich weite Strecken gerannt. Als ich versuche, mich aufzusetzen, wird mir schwindelig, und ich muss mich auf der Erde abstützen. Mein Blick fällt auf meine Hände. Sie sind mit getrocknetem Blut und Erde bedeckt. Sofort fällt mir alles wieder ein, und die Bilder und Erinnerungen von letzter Nacht drängen sich in meinen Kopf, ohne dass ich es verhindern könnte.

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