Vielleicht

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Isa muss noch eine geschlagene Woche im Krankenflügel bleiben, denn Madame Pomfrey nach gibt es Dinge, die länger zum Heilen brauchen als eine blasse Grippe. Ich bringe ihr jeden Nachmittag einen Schwung beschriebener Pergamente, den sie mit einer Ambition durchliest, dass ich fast fürchte, sie würde mich bald überholen.

Seltsamerweise hat Madame Pomfrey nichts dagegen, wenn Jill und ich Isa besuchen, sogar stundenlang bei ihr bleiben – doch sobald Snape vor der Tür steht, sagt sie, sie könne dem Schulleiter natürlich den Zutritt nicht verbieten, doch wenn das Wohl der Schülerin erwünscht sei, dann brauche sie Ruhe, ganz, ganz viel Ruhe...

Ich habe der Krankenschwester in der Vergangenheit nie viel Beachtung geschenkt, doch mittlerweile kann sie sagen, dass sie echt in Ordnung ist.

„Danke euch beiden", sagt Isa am vorletzten Tag ihrer Ruhepause und blickt von mir zu Jill. Wir sitzen rechts und links an ihrem Bett, auf dem sie aufrecht sitzt, und erklären ihr Zauberkunst, während sich selten zeigendes Sonnenlicht auf unsere Notizen fällt. „Ich glaube, mit euch kann man Jahre nachholen und ihr könntet es mir in zwei Wochen erklären."

„Das liegt einzig und alleine an deiner Intelligenz", sage ich augenzwinkernd und Jill lacht.

Isa grinst. „Werd nicht frech, Malfoy! Was ich eigentlich sagen wollte..." Sie streicht über die Blätter und schiebt sie zu einem ordentlichen Stapel zusammen. „Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich noch habe."

Jill und ich wechseln einen raschen Blick. Was kommt jetzt?

„Hey, guckt nicht so ernst." Isa wirft sich die Haare über die Schultern und lacht. „Ich meine doch nur... Ich habe jetzt genug Zeit mit Schulkram verbracht, meint ihr nicht? Alles werde ich sowieso nicht aufholen und das Wichtigste habt ihr mir schon beigebracht. Ich will lieber mehr Zeit mit euch verbringen. Als meine Freunde, nicht als meine Lehrer. Ich bin froh, dass ich hier ein bisschen Pause machen kann, aber viel ist hier nicht los... also, was passiert da draußen?" Ihre Augen glitzern vor Neugier, als sie das sagt.

Jill beugt sich vor. „Soso", sagt sie, „Du willst also lieber lästern, als zu lernen! Ich weiß ja nicht, ob ich das so unterstützen kann... Was meinst du, Draco?"

Ich springe sofort mit ein und lege den Kopf schräg. „Hmmm", mache ich, „Ich weiß ja nicht... Ich denke... wir sollten mit Zaubereigeschichte anfangen."

Isa wirft ihr Kissen nach mir.

Milder Wind und wechselhaftes Wetter wirbeln den März über die Schlossgründe; so liegt eines Abends noch Schnee, während am nächsten Morgen Vögel durch milde Sonnenstrahlen zwitschern.

„Dafür war 's Wert, Geschichte zu schwänzen", seufzt Isa, legt den Kopf zurück und sonnt sich. Verstohlen mustere ich sie, während wir, um dem frischen Wind zu trotzen, dicht nebeneinander am Ufer des schwarzen Sees sitzen und die erste Frühlingsluft genießen. „Binns merkt es eh nicht, dass wir nicht da sind."

Ich nicke. „Außerdem fangen übermorgen die Osterferien an... Wen interessiert da noch der Unterricht."

Isa streckt sich und blickt zu mir. Aus ihren blauen Augen scheint der wolkenlose Himmel zu leuchten, und sie fährt mir durch mein Haar und legt die Fingerspitzen unter mein Kinn, um sich schließlich zu mir zu beugen und mich zu küssen. Es ist ein sanfter Kuss nur, der ebenso verheißungsvoll und voller Versprechen ist wie der Wind, der warme Luft zu uns weht. Ich lege eine Hand in ihren Nacken und ziehe Isa zu mir; Ihre Haarspitzen kitzeln meinen Handrücken. Ich habe mich immer noch nicht ganz an die schulterlange Frisur gewöhnt, die Jill ihr geschnitten hat, doch es sieht hübsch aus. Natürlich.

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt