eine Flamme in der Dunkelheit

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„Ich- Was redest du da? Ich habe keine Angst!", knurre ich.

„Nein?" Jetzt klingt ihre Stimme milde überrascht. „So hörst du dich aber an. Du musst Draco Malfoy sein."

„Und du bist Luna Lovegood."

Luna nickt ruhig. Sie steht so gelassen da, als wäre sie nur ein Gast, der bloß einen Tee mit mir trinken möchte - keine Gefangene.

Unsicher, wie ich beginnen soll, erkläre ich: „Ich bin hier, um dich wegen Potter auszufragen."

Luna nickt nachdenklich. „Jaah, das dachte ich mir schon. Aber ich weiß leider nicht, wo er ist."

„Und woher weiß ich, dass das nicht bloß eine Lüge ist? Wir Todesser haben unsere Methoden, die Wahrheit aus unseren Gefangenen heraus zu bekommen."

An Lunas immer noch milde lächelndem Gesicht erkenne ich, dass mein Versuch bedrohlich zu klingen gescheitert ist. „Das wurde mir schon gesagt, und ich glaube es auch. Aber ich bin froh, dass sie dich geschickt haben. Vor dir habe ich keine Angst."

Frustriert umklammere ich meinen Zauberstab fester. „Das solltest du aber", versuche ich es erneut.

Luna schüttelt den Kopf. „Du bist weder böse, noch möchtest du es sein", stellt sie mit sachlicher Stimme fest, „Das erkenne ich an deiner Aura."

Überrascht lasse ich den Zauberstab sinken. „An meiner- Wie bitte?"

Doch statt einer Antwort sagt Luna: „Ich weiß wirklich nicht, wo Harry ist. Bitte tu mir nichts. Ich will nicht, dass mein Dad um mich trauern muss, er hat doch schon meine Mum verloren."

Diese Aussage verblüfft mich noch mehr als ihr Spruch mit der Aura. „Ist das im Moment wirklich deine größte Sorge?", frage ich ungläubig.

„Aber selbstverständlich"; antwortet sie sofort, „Du liebst deine Familie doch auch, nicht wahr?"

„Natürlich", murmele ich leise, obwohl es mir schwer fällt das zuzugeben. „Mir gefällt es auch nicht, dass sie sich um mich sorgen müssen", füge ich hinzu und denke daran, dass wir alle, meine Eltern und ich, unter der Macht des dunklen Lords in allgegenwärtiger Gefahr leben müssen.

Luna nickt, als wüsste sie genau, was ich meine. Sie ist so seltsam freundlich und strahlt so viel Liebenswürdigkeit aus, dass ich mich schrecklich fühle, weil sie hier im Kerker steckt, und das in meinem Haus. „Tut mir Leid", flüstere ich kaum hörbar, die Stimme so weit es geht gesenkt, „Dass du das hier durchmachen musst. Ich wollte nie, dass das... dass so etwas passiert."

Luna schenkt mir ein Lächeln, dass in der Dunkelheit zu leuchten scheint. „Das macht nichts", sagt sie, „Es ist ja nicht deine Schuld."

Verlegen versuche ich es auch mit einem Lächeln. „Weshalb wurdest du eigentlich aus Hogwarts gezogen und hierher gebracht?", frage ich, um die Stille zu überbrücken.

„Du musst wissen, mein Vater ist der Redakteur des Klitterer. Das ist ein Magazin", ergänzt sie bei meinem irritierten Blick, „Aber es stehen dort nicht so viele Lügen wie im Tagespropheten. Aber genau das war das Problem, verstehst du? Daddy hat die Wahrheit über Harry geschrieben, und dann haben die Todesser mich ihm weggenommen." Luna seufzt und wirkt zum ersten Mal richtig traurig.

„Das tut mir Leid", sage ich. Etwas anderes fällt mir nicht ein.

„Nun ja", erwidert Luna langsam, „Du weißt ja, wie das ist, wenn man für das Vergehen des eigenen Vaters herhalten muss, oder?"

„Woher weißt du das?", frage ich verdutzt. Mit einem unbehaglichen Gefühl denke an die Zeit in meinem sechsten Schuljahr zurück. Ich töte Dumbledore, oder Voldemort meine Eltern und mich, so war der Auftrag. Und alles nur, weil mein Vater im Kampf um eine dämliche Prophezeiung versagt hatte.

„Die Todesser, die mich hergebracht haben, haben darüber geredet. Sie haben nicht sehr freundliche Dinge über dich und deinen Vater gesagt." Sie blickt mich nachdenklich an. „Aber ich habe ihnen gesagt, dass ihr ja auch wirklich schwere Aufgaben hattet und bestimmt euer Bestes gegeben habt."

Hastig ersticke ich mein Lachen. Dann erkläre ich, leiser nun: „Ich fürchte, das ist den Todessern und ganz besonders dem dunklen Lord egal. Es geht um den Erfolg, und wenn wir den nicht haben..." Luna nickt mitfühlend.

„Hör zu", sage ich nach einer kleinen Pause und fahre mit der Hand durch meine Haare, „Ich bin eigentlich nur hier, um dich wegen Potter auszufragen. Ich glaube dir, dass du nicht weißt, wo er ist, aber..."

„Ich erzähle dir gerne, was ich sonst über ihn weiß."

Erleichtert nicke ich.

„Also", beginnt Luna, „Harry war immer nett zu mir. Anders als sonst alle anderen. Alle finden, dass ich komisch bin. Aber Harry war trotzdem nett zu mir." Sie sieht mich einen Moment lang nachdenklich an, ehe sie hinzufügt: „Aber du bist auch nett zu mir."

Ich weiche ihrem Blick aus. Mein schlechtes Gewissen wird noch stärker. „Das solltest du nicht sagen", murmele ich verlegen.

„Warum nicht?", fragt Luna, wieder mit der selben, milde überraschten Stimme.

„Früher... vor zwei Jahren oder so... hätte ich mich vermutlich auch über dich lustig gemacht", gebe ich schließlich zu, „Bloß, weil alle anderen es auch tun. Das war für mich immer Grund genug, mich jemand anderem gegenüber gemein zu verhalten."

„Es ist mir egal, was du früher getan hättest. Jetzt bist du freundlich zu mir." Sie schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. „Menschen ändern sich. Manchmal zum Schlechten", sie blickt mich an, „Und manchmal zum Guten. Weißt du was? Geh wieder nach oben. Ich sehe doch, dass du frierst. Wenn ich gefragt werde, sage ich jedem der es hören will, dass du mit allen unter Todessern anerkannten Methoden versucht hast, eine Antwort aus mir herauszubekommen, aber dann feststellen musstest, dass ich wirklich nichts Wichtiges weiß. Okay?"

Luna hat Recht damit, dass ich friere. Und weil es hier unten wirklich kalt und finster ist, beschwöre ich eine kleine, in der Luft schwebende Kerze herauf, welche ich mit einer besonders wärmenden Flamme entzünde. Luna streckt ihre Hände der Kerze entgegen und seufzt zufrieden.

„Die Flamme wird aus gehen, sobald jemand diesen Raum betritt", erkläre ich, „Aber du kannst sie jeder Zeit wieder selbst entzünden, indem du einfach meinen Namen sagst. Dann bist du nicht so allein mit der Kälte und der Dunkelheit."

Luna sieht mich mit ihrem weichen Blick an, dann lächelt sie. „Danke, Draco."

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt