„Ich will die Kinder auch befreien", erwidere ich leise, „Aber... ich kann es nicht mit Greyback aufnehmen. Nicht als Mensch, und schon gar nicht als Wolf." Meine Stimme bebt als ich zugebe: „Ich habe solche Angst vor ihm. Wenn er herausfindet, dass ich so etwas plane, dann, dann... Ich weiß es nicht. Er wird mich nicht töten. Er wird mir Schlimmeres antun. Bitte. Das weißt du selbst."
Sed streicht mir die Haare hinter die Ohren. Seine rechte Hand ruht in meinem Nacken und er zieht mich dicht zu sich heran. Er ist mir so nah, dass ich die blauen Sprenkel in seinen grünen Augen zählen könnte. „Ich weiß", murmelt er mit rauer Stimme, „Überlass mir das Planen. Greyback wird keine Ahnung haben, dass du etwas damit zu tun hast, versprochen. Tu es für die Kinder." Seds weiche Lippen streichen über meine, wie ein hauchzarter Wind. „Tu es für mich."
Ich drehe den Kopf weg. Ein scharfes Gefühl zieht sich durch meinen Körper und ich rede mir ein, dass Sed gerade nicht versucht hat, mich zu küssen. Er ist bloß... körperbezogen und weiß, was er tun muss. Und wer sagt denn, dass so eine Methode nicht funktioniert?
Krampfhaft dränge ich das Bild von Dracos vorwurfsvollen, grauen Augen aus meinem Kopf und drehe ich mich wieder zu Sed um, der immer noch auf eine Antwort von mir wartet.
„Okay", gebe ich schließlich mein Einverständnis. „Ich helfe dir. Ich helfe den Kindern, meine ich. Aber wenn du dein Versprechen brichst und Greyback herausfindet, dass ich das tue, dann werde ich dich höchstpersönlich kalt machen, noch bevor du eine Chance hast, Greyback umzubringen!"
Sed schmunzelt schamlos. „Genau das wollte ich von dir hören, Isa. Die Kinder werden es dir danken. Genauso wie ich." Als er sich zum wiederholten Male zu mir beugt, lege ich entschlossen eine Hand auf seine Brust.
„Ich sagte, ich helfe den Kindern. Und das werde ich auch nicht zurücknehmen. Du brauchst nicht weiter versuchen, mich dazu zu verführen." Ohne Sed noch einmal anzusehen, stehe ich auf und setze mich zu Mallory, die mal wieder alleine ist. Ich werde Sed helfen, die Kinder zu befreien, mehr nicht. Ich vertraue seiner aufgesetzten Persönlichkeit so weit, dass er mich nicht an Greyback verraten wird, und nicht weiter.
Bei der nächsten Schicht weiche ich Sed nach Möglichkeit aus und tue auf sehr beschäftigt mit den Kindern. Doch als ich ich mir halbwegs sicher bin, dass es zwischen uns nicht irgendwie komisch geworden bin, frage ich Sed, welches Datum wir haben.
„Wir haben den fünften Dezember, wieso?" Ich bin bestürzt, dass es erst Dezember ist. Für so wenige Monate ist wirklich sehr viel passiert. „Nur so", murmele ich, „Wann ist... Du weißt schon, Vollmond?"
„In fünf Tagen", antwortet Sed ruhig. „Ich schätze, ich sollte dir meinen Plan erklären. Die Zeit drängt." Ungewöhnlich ernst erklärt Sed mir, wie es für gewöhnlich hier abläuft, wenn Greyback zugegen ist.
„Gegen Abend scheucht er alle seine... Arbeiter nach draußen und verteilt Anweisungen, wer wo hin geht. Die Welpen lässt er meistens hier und kommt dann selbst her um sie zu trainieren. Er kommt kurz, bevor sich alle verwandeln. In der Zeit verbarrikadiere ich mich normalerweise in einem der wenigen Schlafräume hier und warte, bis die Nacht vorbei ist. Am nächsten Morgen ist es dann meine Aufgabe, die Welpen wieder zusammen zu flicken. Aber dieses Mal, in fünf Tagen, wird alles anders. Denn Greyback wird nicht hier bei den Welpen sein. Ich aber werde sie mir alle schnappen und weg bringen. Am nächsten Tag wird es so aussehen, als hätte Bruce alles vermasselt und die Tür nicht richtig verschlossen."
„Wer ist Bruce?", frage ich verwirrt.
„Der gehört auch zu der Gruppe der nicht-Werwölfe. Wenn Greyback woanders unterwegs ist, ist Bruce dafür zuständig, die Welpen hier einzuschließen." Als hätte Sed meinen bloß gedachten Einwand schon gehört, fügt er hinzu: „Keine Sorge, Bruce ist total überflüssig. Er findet Greyback und alles was er tut super."
Ich presse die Lippen aufeinander und nicke. Es ist mir egal, was Bruce für ein Mensch ist. Dass Greyback ihn wegen unserer Sache bestrafen wird gefällt mir nicht. Aber die Kinder sind mir wichtiger als irgend so ein komischer Bruce. Im Kopf gehe ich noch einmal durch, was Sed gesagt hat. Dann frage ich: „Und wie genau willst du Greyback dazu bringen, nicht mit den... Welpen zu... spielen?"
Sed legt seine Hände auf meine Schultern und blickt mich durchdringend an. Nicht zum ersten Mal bemerke ich, dass seine Augen zu hell für seine honigfarbene Haut aussehen. Wieder denke ich an Draco, dessen Augen perfekt zu ihm passen. Verwirrt verbanne ich diesen Gedanken aus meinem Kopf, ich muss mich darauf konzentrieren, was Sed sagt.
„An dieser Stelle kommst du ins Spiel", erklärt er mit fester Stimme. „Ich weiß, dass Greyback dir nicht zutraut, zu kämpfen. Weder als Wolf, noch als Mensch. Ansonsten wärst du nicht hier, bloß um die Kinder zu betreuen. Und daher..." Er macht eine Pause und stößt hörbar Luft aus. „... wirst du ihn überraschen und ihm am Tag vor der Vollmondnacht sagen, dass du kämpfen lernen willst. Ich bin vollkommen überzeugt, dass er sich dann liebend gern als Werwolf um dich kümmern wird. Bruce wird wieder die Welpen bewachen. Ich werde ihn überwältigen und bringe die Kleinen hier raus. So weit verstanden?"
Bei dem Gedanken, wieder als Wolf mit Greyback zusammen zu sein, muss ich schlucken. „Was, wenn er mich umbringt?", platze ich heraus, „Aus Versehen. Während wir kämpfen."
Sed lässt seine Hände von meinen Schultern gleiten und greift stattdessen nach meinen Händen. „Das wird er nicht." Ein seltsam triumphales Leuchten scheint aus seinen Augen. „Ich kenne sein Geheimnis."
„Welches Geheimnis?"
Sed sieht sich um, ob auch wirklich keines der Kinder uns zuhört, doch wie immer ignorieren uns die Kleinen. Dann flüstert er verschwörerisch: „Greybacks menschliche Seite und der Wolf in ihm sind so eng verschmolzen, dass der Wolf immer da ist, wenn er ein Mensch ist. Doch genauso hat er als Wolf noch seinen eigenen, menschlichen Verstand. Er ist der einzige Werwolf, der nach der Verwandlung noch weiß, wer er ist. Deswegen wird er dich nicht töten. Dafür gefällt es ihm zu sehr, dich als sein Spielzeug zu haben, das er terrorisieren kann. Klar, in seiner Wolfsgestalt verliert er manchmal beim Geschmack von Blut die Beherrschung. Aber er wird dich nicht töten. So viel ist sicher." Selbst wenn Sed die Wahrheit sagt, würde diese Aktion für mich noch mehr Schmerzen bedeuten. Mehr Blut. Mehr Narben.
Mein Blick wandert hinüber zu den Kindern. Zum ersten Mal sehe ich Mallory mit einem anderen Mädchen spielen. Sie lächelt sogar ein wenig.
„Ich mache es."
Halt suchend schlinge ich die Arme um meinen eigenen Körper. Nichts wird mich auf diese Nacht vorbereiten können.
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moon & misery
Fanfiction(Abgeschlossen!) Eine Geschichte um Draco Malfoy und Iris-Isabelle van Greenskape, die im siebten Schuljahr untragisch beginnt. Iris-Isabelle, die lieber Isa genannt wird, ist schockiert, als sie erfährt, dass sie zusammen mit Draco Malfoy Schulspre...