Dunkelheit

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Hogwarts' Schlossmauer schält sich aus der Dunkelheit und als es mir mühelos gelingt, eine Strickleiter heraufzubeschwören, die uns den Weg hinüber ermöglicht, wird mir bewusst, wie verwundet die Schule bereits ist.

Auf der anderen Seite angekommen legt Greyback an Tempo zu und meine Füße trommeln im selben Rhythmus wie mein Herz über den Waldboden. Es gelingt mir, meine Angst auszublenden, sobald Hogwarts in der Nacht auftaucht. Tatsächlich ist es ein Leichtes für uns, bis in den ersten Hof zu gelangen. Keine Menschenseele ist zu sehen, doch ich bin sicher, dass überall Hexen und Zauberer des Phönixorden lauern, bereit zur Verteidigung.

Wir bleiben am Rande in den Schatten, die besser wirken als jeder Tarnumhang. Links liegt die Eingangspforte, die ins Schloss hineinführt, rechts versteckt sich irgendwo in der Dunkelheit die Brücke, über die der Rest der Todesser kommen wird.

Greyback starrt gebannt in die Luft, als sähe er dort etwas, das meine Augen nicht erfassen können. Doch nur wenige Minuten später wirbelt ein dunkelgrüner Funkenschauer über den Himmel, so dunkel und nur für einen Augenblick, dass ich ihn nicht gesehen hätte, hätte ich nicht so konzentriert in diese Richtung geschaut.

„Jetzt", knurrt Greyback und feuert einen Fluch wahllos in die Mitte des Hofes. Der Boden glüht auf und Rufe werden laut. Hastig zücke ich auch meinen Zauberstab, gerade rechtzeitig, um einen Lichtblitz abblocken zu können, der geradewegs auf mich zu fliegt.

Zwei fremde Personen stürzen in unsere Richtung und rufen nach weiteren Leuten – da bricht hinter ihnen ein Tumult los. Unzählige Todesser fließen auf den Hof und auf das Schlossportal zu – der Strom reißt nicht ab. Binnen weniger Sekunden ist der ganze Platz voller Leute, Todesser und andere, Rufe und Schreie schlagen auf meinen Kopf und die Lichtblitze blenden mich.

Eine Schülerin in meinem Alter rennt an mir vorbei, sie trägt einen Gryffindorumhang und kommt mir vage bekannt vor.

Greyback neben mir stößt ein gieriges Grollen aus und stürzt sich mit glühenden Augen auf das Mädchen.

Schneller als ich denken kann, richte ich meinen Zauberstab auf die Szene und mein Schutzschild schiebt sich zwischen die beiden ungleichen Menschen. Greyback schleudert es mit einem Ruck rückwärts und das Mädchen stößt einen schrillen Schrei aus und rennt davon. Schockiert blicke ich auf meine Hand, die den Zauberstab hält. Ich würde es jederzeit wieder machen – aber jetzt weiß Greyback, dass ich nicht auf der Seite der Todesser stehe.

Mir bleibt keine Zeit mehr, darüber zu philosophieren, denn im nächsten Moment prallt ein wutentbrannter Greyback gegen mich; Seine Hand schießt vor, er drängt mich gegen die Wand der Außenfassade von Hogwarts, ich spüre die harten Steine in meinem Rücken und seine Hand schließt sich um meine Kehle und lässt nicht los, sondern wird enger und enger...

Bunte Lichtblitze flimmern durch die Luft und Greybacks gelbe Augen scheinen ihre ganz eigenen Blitze gegen mich zu schießen. Mein Kopf beginnt zu pochen und dunkle Tücher scheinen vor meinen Augen zu tanzen, während meine Beine unter mir wegsacken. Doch die Pranke um meinen Hals drückt mich so fest gegen die Wand, dass ich keinen Fingerbreit nach unten sinke. Ich öffne den Mund, doch weder bekomme ich Luft, noch kann ich einen Mucks von mir geben. Stattdessen flutet Angst meinen Körper und die Angst wird zu Panik... doch ich habe nicht die Kraft, auch nur einen Muskel zu rühren.

Er wird mich töten. Diesmal wird er es zu Ende bringen. Ich weiß es.

Eine schwarze, dickflüssige Flüssigkeit füllt mich von innen und drückt von außen auf meine Augäpfel, bis ich nur noch schwarze Sterne sehe...

Verzweifelt taste ich mit der Hand durch die schwarze Masse der Atemlosigkeit nach oben. Vergeblich und viel zu schwach finde ich Greybacks Hand, die immer noch meinen Hals umklammert und rutsche wieder ab, bis meine Finger an irgendetwas hängenbleiben.

Der kühle Stein an der Kette fühlt sich vertraut an und ich klammere mich daran wie ein Ertrinkender.

Draco.

Mit einem letzten Aufbegehren reiße ich an der Kette und stoße die nadelgleiche Spitze in Richtung der breiten Gestalt von Greyback.

Flammen füllen meine Lungen, als ich plötzlich wieder atmen kann – er hat losgelassen. Hustend und würgend stolpere ich zur Seite und lande schmerzhaft auf dem Boden. Mit aufgeschlagenen Knien schleppe ich mich halb krabbelnd über den Boden, alles dreht sich und ich würde am liebsten erbrechen. Ohne zurückzublicken stolpere ich davon, immer weiter und auch noch auf Händen und Knien, bis ich von neuem in Dunkelheit versinke.

Es ist still. Es ist viel zu still. Warum? Und warum tut mir alles weh? Wo bin ich überhaupt? Wieso bin ich noch am Leben?

Langsam öffne ich die Augen. Es ist immer noch duster, aber rote Farbe klettert im Osten den Himmel empor und es ist... leise. Vollkommen. Nur langsam nimmt meine Umgebung Gestalt an. Ich liege zwischen den Steintrümmern eines Hofes von Hogwarts, ganz offensichtlich kämpft niemand mehr. Wie ein Dorn bohrt sich die Erinnerung von Greybacks Versuch, mich zu töten in mein Bewusstsein und ich fasse mir vorsichtig an den Hals. Er tut von außen wie innen schrecklich weh und ich habe riesigen Durst. Ich bin... weg von Greyback... nachdem ich mich mit Dracos Kette verteidigt hatte... und dann... war alles schwarz.

Habe ich tatsächlich die ganze Schlacht ohnmächtig hier herumgelegen? Das kann wirklich nur mir passieren. Ich lache bitter – und stöhne im nächsten Moment vor Schmerz auf. Langsam setze ich mich auf.

Was wohl passiert ist, während ich bewusstlos war?

„Iris-Isabelle!" Die Stimme klingt fast hysterisch. „Da bist du!" Narzissa Malfoy beugt sich zu mir herunter. Ihr Blick bleibt an meinem Hals hängen und ihre Augen werden rund. „Was-"

„Schon okay", winke ich ab, obwohl sich meine Stimme eher wie das Krächzen eines Raben anhört, und will aufstehen. Als ich gleich wieder strauchele, hilft mir Dracos Mutter auf.

Ihre schmale Hand liegt auf meinem Rücken. „Hast du ihn gesehen?"

Ich muss nicht fragen, wen sie meint. „Nein." Ich blicke mich um; Über all liegen Trümmer und nur vereinzelt sind Menschen zu sehen, die scheinbar nach Verletzten suchen. „Ich habe... gar nichts gesehen. Was ist passiert... Wo sind alle?"

Auch Narzissas Blick wandert ruhelos umher. „Der Dunkle Lord hat uns zurückgerufen. Er gibt Harry Potter eine Stunde, er soll zu ihm kommen, ansonsten greift er wieder an. Zu viele sind gestorben."

Die Worte brauchen einen Moment, bis sie in meinem Kopf ankommen. „Du weißt also auch nicht, wo Draco steckt? Aber es wurde aufgehört zu kämpfen?"

Die blonde Frau nickt.

Gedankenverloren reibe ich mir den Hals und zucke zusammen. Er muss voller blauer Flecken sein. „Wo sind die Todesser jetzt?", frage ich bewusst leise.

„Im Verbotenen Wald."

„Vielleicht ist Draco mittlerweile auch dort." Ich zögere, aber so muss es einfach sein. Ihm ist nichts geschehen. Ich verbiete es ihm. „Vielleicht glaubt er, dass wir auch da sind."

Wieder nickt Narzissa, aber ich ahne, dass ihr Ähnliches durch den Kopf geht wie mir: Das ist ziemlich viel Vielleicht. Doch statt sich dem Zweifel hinzugeben, fragt sie bloß: „Kannst du gehen?"

Ich nicke, aber dann überlege ich es mir anders. „Geh ohne mich. Ich muss auch noch jemanden finden."

„Bist du sicher?"

Erneut nicke ich, und Narzissa lässt mich allein.

Bevor ich selbst losgehe, hebe ich die Kette mit dem grünen Stein vom Boden und stecke die gerissene Kette in meine Hosentasche. Erst langsam, als meine Beine sicherer werden immer schneller, mache ich mich auf den Weg. Auch die Innenräume von Hogwarts sehen schrecklich verwüstet aus. Wie ein Schlachtfeld... Was es vermutlich auch ist.

(Puh... Es ist irgendwie erschreckend, wie schnell die Story plötzlich auf ihr Ende zu rennt....)

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt