Besuch

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„Zuerst die guten oder die schlechten Neuigkeiten?", frage ich, die Tür hinter mir zu ziehend. Isa sitzt in meinem Sessel, den Blick aus dem Fenster gerichtet. Ohne sich umzudrehen fragt sie: „Was meinst du?"

„Ich habe mit Greyback gesprochen."

Langsam wendet Isa sich mir zu. „Wie bitte?"

„Ich habe mit Greyback gesprochen", wiederhole ich.

Mit großen Augen starrt Isa mich an. „Was hast du..."

„Ich wollte von ihm wissen, was er mit dir vorhat. Also, zuerst die gute oder die schlechte Neuigkeit?"

Isa lässt mich nicht aus den Augen. „Die schlechte."

Ich lasse mich ihr gegenüber auf meinem Bett nieder. „Gut. Das sind sowieso keine wirklichen Neuigkeiten. Leider hat er auch in nächster Zeit nicht vor, dich irgendwie in Ruhe zu lassen."

Isa nickt. „Und die Gute?"

„Du wirst nicht in den Untergrund müssen."

„Nein", flüstert sie.

„Doch", erwidere ich.

Der Schleier aus Unglück über Isas Gesicht scheint zu flattern. Mit leicht geöffneten Lippen schaut sie mich an.

„Stattdessen", fahre ich hastig fort, „Werdet ihr euch vermutlich Greifern anschließen und nach Schulschwänzern suchen. Greyback meinte, dabei verdient er mehr Gold als im Untergrund."

Isa sieht so erleichtert aus, als wäre ihr nicht bloß ein Stein, sondern ein ganzer Berg vom Herzen gefallen. „Ich liebe es, wenn du gute Nachrichten überbringst", meint sie und erhebt sich.

Ich grinse sie an. „Geht mir genau so."

„Ich wünschte", seufzt sie, „Ich... Wir hätten mehr Zeit. Ich würde dir so gerne erzählen, was bei mir passiert ist. Bis morgen früh schaffe ich das nie."

„Wir werden Zeit haben. Irgendwann, wenn du wiederkommst. Denn das wirst du. Ich werde immer irgendwo auf dich warten", verspreche ich.

„Ich werde dich wieder vermissen", erklärt Isa, wieder mit dieser seltsam glatten Stimme, „Aber das ist gut so. Ich möchte nicht wieder vergessen, wie es ist, dich zu lieben. Ich will nicht wieder vergessen, wie man fühlt. Ich habe schon einmal aufgegeben. Aber jetzt kommt alles zurück, langsam. Ich werde wieder anfangen, dafür zu kämpfen, dass Ich Ich bleibe." Mir fällt das Sonnenlicht auf, das durch das Fenster scheint. Auch Isas Worte klingen wie ein Versprechen. Mein Blick wandert in die Ferne. Draußen treffen das Eisblau der Luft und das Butterblumengelb der Sonne aufeinander. Obwohl ich allein bei dem Anblick bereits den Frosthauch auf der Haut spüre, kommt es mir hier drinnen plötzlich kälter vor als draußen. Kälter. Leiser. Stiller. Unbelebter.

„Lass uns raus gehen", beschließe ich. Isa folgt mir schweigend. Sie fällt bei meinem eilenden Gang keinen Schritt zurück. Sie protestiert nicht, als ich wortlos ihre Hand ergreife. Ihre Finger sind eiskalt.

Tief atme ich die frostklirrende Lust ein, sobald ich den ersten Schritt nach draußen mache. Deutlich entspannter laufe ich, Isa neben mir, die breite Vortreppe und die ordentlichen Kieswege entlang. Immergrüne Tannen und Hecken zieren den Wegesrand.

Stumm schlendern wir nebeneinander her. Ich schlage den Kragen meiner Jacke nach oben und blicke zu Isa, die nur einen dünnen Pullover trägt. „Ist dir kalt?", frage ich.

Sie zuckt mit den Schultern. Langsam hebt sie den Kopf und schaut sich mit wachsamem Blick um. Sie nickt. „Ja", murmelt sie schließlich. Dann, als wäre sie überrascht, sagt sie: „Mir ist kalt." Sie löst sich von meiner Hand und macht ein paar Schritte. Plötzlich breitet sie die Arme aus und legt den Kopf zurück. Ich bleibe stehen. Eisiger Wind zerzaust ihre Haare und ihre zierliche Gestalt sieht aus, als könnte sie von einem Wimpernschlag weg geweht werden. Aber sie fliegt nicht davon.

Ich klappe meinem Kragen wieder herunter und spüre, wie mir die Kälte in den Nacken kriecht. Mit verschränkten Armen beobachte ich Isa, wie sie die Kälte fühlt und genießt.

Als sie sich wieder zu mir umdreht, ist ihr blasses Gesicht pfirsichfarben gerötet. „Es ist kalt", stellt sie fest. Ihr Grinsen sorgt für ein warmes Gefühl in mir, obwohl sich die kalte Luft anfühlt wie eine zweite Haut.

„Da könntest du Recht haben", schmunzele ich.

Isa begibt sich wieder an meine Seite. Obwohl sie still neben mir geht, merke ich, wie sie jede Einzelheit der Umgebung in sich aufsaugt. Ich kenne dieses Gefühl des Erwachens; wie Kälte einen wachrütteln kann. Mit den Augen tastet Isa die Eibenhecke links von uns ab, sie lauscht dem Knirschen des Kies unter unseren Schritten und atmet tief die frische Luft ein. Ich kann bloß daran denken, dass ich sie morgen nicht gehen sehen will.

Ohne dass ich es gemerkt habe, spazieren wir genau auf das schmiedeeiserne Doppeltor zu, welches Malfoy Manor von der Außenwelt abschottet. Vor dem verschnörkelten Tor bleiben wir stehen. Isa richtet den Blick in die Ferne, er schlüpft zwischen Eisenstangen hindurch und flieht in die Ferne. Sehnsucht liegt in ihren kobaltblauen Augen. „Ich will morgen nicht gehen", murmelt sie.

„Ich will auch nicht, dass du gehst." Wir sehen uns an und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wenn ich nur könnte, würde ich für den Rest aller Zeit genau so wie wir sind hier stehen bleiben. Lieber friere ich für immer, als dass ich sie gehen lasse. „Komm her", sage ich und ziehe Isa in meine Arme, „Nicht, dass du dich erkältest." Anders als gestern Abend erwidert Isa die Umarmung. Ich drücke ihr einen Kuss auf den Scheitel und schließe die Augen.

Ein Räuspern.

Mein Puls schnellt in die Höhe, beschützerisch stelle ich mich vor Isa und deute mit dem Zauberstab auf den Fremden, der auf der anderen Seite des Doppeltors steht. Was macht eine unbekannte Person hier? „Wer bist du?", knurre ich, „Was willst du hier?" Ich bin mehr als bereit, mich zu duellieren, doch der Andere macht nicht einmal Anstalten, den Zauberstab zu ziehen. Misstrauisch betrachte ich ihn. Der Mann ist vielleicht drei Jahre älter als ich und ist deutlich muskulöser. Trotz der Temperaturen trägt er nur ein T-Shirt. Mein Blick sucht das dunkle Mal, doch es ist nicht vorhanden. Doch was mich am meisten stört, ist das unverschämte Grinsen des jungen Mannes. Er strahlt, als wolle er der ganzen Welt zeigen, was für tolle Zähne er hat. Erst dann fällt mir auf, dass der ungebetene Besucher nicht mich ansieht.

„Isa!", stahlt er überschwänglich.

Sie tritt hinter meinem Rücken hervor. Ich will sie an der Schulter zurückhalten, doch sie schüttelt meine Hand ab. „Sed?", fragt sie überrascht. Ungläubig tritt sie näher und legt die Hände um das Eisen.

„Ich hab mich schon gefragt, was aus dir geworden ist", erklärt dieser Sed, „Gut zu sehen, dass du offensichtlich überlebt hast."

„Offensichtlich", stellt Isa fest. Sie klingt... erfreut. Stirnrunzelnd trete ich neben sie. Mein Unmut wächst.

„Wer ist das, Isa?" Sie wirft mir einen flüchtigen Blick zu. „Sed. Wir kennen uns aus dem Untergrund."

„Er ist kein Todesser", raune ich ihr zu. Mir kommt das verdächtig vor.

„Ich bin nicht mal ein Werwolf", schaltet sich Sed ein, „Wenn ihr mich jetzt reinlassen würdet?"

Isa nickt mir zu. Widerwillig lege ich meinen Zauberstab an das Schloss des Eisentores. Es schwingt lautlos auf.

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt