Blut

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„Tz tz tz!"

Es ist das Geräusch, das ein Lehrer macht, wenn man schon zum fünften Mal seine Hausaufgaben nicht hat.

Ein Vorwurf, Missbilligung und Empörung in einem. Jumps.

In dem Moment, in dem sich alle anderen Todesser nach der Quelle des Geräusches umsehen, geschieht etwas, das ich noch weniger verstehe, als alles andere, das heute Abend geschehen ist.

Vater blickt mich ganz direkt an, bedeutet mir, nichts zu sagen, dreht sich um und - „Obliviate!"

Einen Moment ist es ganz still, die Welt scheint erstarrt.

Alle anwesenden Todesser drehen sich wieder zu meinem Vater und mir um. Wie angewiesen sage ich kein Wort. Ich verstehe nichts. Nichts.

Yaxley nickt. „Natürlich. Kommt. Und, Lucius, mach das Blut weg." Ein Todesser nach dem anderen verlässt das Gewölbe, bis nur noch ich, Isa, Mutter, Vater und der ohnmächtige Werwolf hier sind.

Verständnislos blicke ich meinen Vater an. „Was ist hier los?"

Er steckt den Zauberstab weg, zieht mich hoch, ohne dem ganzen Blut Beachtung zu schenken. „Es wäre reine Verschwendung, wenn ich mein eigenes Werk umbringen würde. Die Todesser, die hier waren, denken, Greyback hätte die Kontrolle über sich verloren, Isa angegriffen. Und die anderen... werden es nie erfahren."

Ich starre auf den Boden. Ich dachte, Vater würde mich heute noch umbringen. Dabei hat er mir das Leben gerettet. „Und wie habt ihr das überhaupt herausgefunden? Also dass ich und Isa..." Ich brauche den Satz nicht zu beenden.

„Andrew dachte schon, dass er, als er bei den Weasleys einen Kontrollgang hatte, dass er Isas Stimme gehört hätte. Dann wurde irgendwann dieser geheime Sender von ein paar der Weasleys gefunden. Im Radio. Es wurde über zwei Gehilfen im Nest des Drachen gesprochen. Aber sicher waren wir uns erst, als Greyback den Weasleys einen Besuch abgestattet hat...und Isa gerochen hat."

Isa...Isa!

Erschrocken haste ich zu der regungslos am Boden liegenden Isa und knie mich neben sie. Sie atmet kaum und sehr unregelmäßig. Mir wird schwindelig beim Geruch des vielen Blutes.

Und plötzlich wird mir eines sehr klar.

Isa ist jetzt ein Werwolf. Eine Bestie. Nicht mehr wie vorher. Eine Mutation, ein Monster.

Ich springe auf. Alles dreht sich.

So schnell ich kann, verlasse ich das Gewölbe.

Schwer atmend schließe ich mich in meinem Zimmer ein, als könnte ich die Wahrheit ausschließen.

Am liebsten würde ich alles Mögliche eintreten, irgendwie meine Wut und Trauer loswerden. Aber ich tue es nicht. Natürlich nicht.

Stattdessen lasse ich mich auf meinem Bett nieder, mit rasendem Herzen und Gedanken.

~

Schwarze und weiße Schatte dringen in mein Bewusstsein. Bin ich tot? Nein...

Da ist dieser Schmerz...dieser rote, tiefe, schreckliche Schmerz...

Ich höre Stimmen, die mir bekannt vorkommen, kann keine einzige zuordnen. Immer verschiedene Schemenhafte Gestalten, die ich auch nicht erkenne. Die ganze Welt besteht aus Schatten, Schemen, Stimmen und Schmerz. Es ist ein einziges Durcheinander, ich habe kein Zeit- oder Raumgefühl. Es könnten Stunden, aber auch Tage vergehen, ich weiß es nicht. Manchmal habe ich das entfernte Gefühl, dass ich mich bewege oder bewegt werde. Ich weiß es nicht. Nichts weiß ich...wer bin ich? Wo bin ich? Was bin ich?

Ich höre verschiedene Namen, aus den verschwommenen Worten, die zu mir durchdringen. Zwei davon lösen ein Gefühl des Wiedererkennens in mir aus, aber der Schmerz ist zu groß, als dass ich wirklich klar denken könnte.

Isa und Draco.

Ich klammere mich an diese Namen, denn mehr habe ich nicht in meiner Welt aus Schatten und Schmerz.

~

In den zwei Tagen, die vergangen sind, haben sich alle weiteren Fragen geklärt.

Isa sagte, sie wäre dabei gewesen, als ihre Mutter getötet wurde. Allerdings stimmte das nicht, denn diese wurde nicht getötet, sondern nur gefangen gehalten – bis vor Kurzem. Wie geht es jetzt weiter? Wie vorher. Alle Todesser haben vergessen, was geschehen ist. Bis auf meine Eltern. Und ich. Ich kann nicht vergessen, was geschehen ist. Ich kann nicht vergessen, dass Isa jetzt ein Werwolf ist.

„Sieh doch wenigstens einmal nach ihr."

„Nein."

Ich spüre den Blick meiner Mutter im Nacken, während ich abwesend aus dem Fenster meines Zimmers schaue und meinen Blick über die Hecken und Wiesen wandern lasse.

„Sie wird heute noch nicht aufwachen. Morgen vielleicht." Ich schließe genervt die Augen, doch meine Stimme bleibt ruhig. „Nein. Ich sehe nicht nach ihr. Sie ist ein Werwolf. Das ist nicht sie. Nicht mehr. Was sollte ich bei ihr?"

Mutter erwidert darauf nichts, sondern lässt mich und die Frage wieder allein.

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt