motivierende Methoden

234 16 3
                                    

~(Draco)

Als Snape zurückkommt, bin ich auf meinem Stuhl halb eingeschlafen. Schwerfällig blinzelnd setze ich mich aufrecht hin.

Snape, mit noch finsterer Miene als üblich, setzt sich auf die andere Seite des Schreibtisches mir gegenüber. Sein grimmiger Blick fällt auf die Pergamentrolle... und wandert dann zu mir. „Mir scheint es", sagt er mit eisiger Stimme, „Mr Malfoy, als wollten Sie diese Schule umgehend verlassen. Leider wird mir das nicht gestattet. Nun, ignorieren wir-"

„Ich hatte sie gewarnt." Die Worte quälen sich über meine schwere Zunge, bevor ich sie aufhalten kann. „Er ist tot, der Werwolf hat ihn umgebracht, ich hatte ihr gesagt dem nicht zu vertrauen, und jetzt ist er tot, wenn er tot ist, dann kann sie auch tot werden, oder?"

„Genug!", unterbricht der schwarzäugige Schulleiter meinen holprigen Redeschwall. „Genug. Sie scheinen die eigentliche Problematik nicht zu begreifen. Aus demselben Grund, weshalb ich Sie nicht von der Schule weisen darf, haben alle Todesser die Anweisung, keinen Anhänger oder potentiellen Unterstützer unseres dunklen Lords zu töten: Wir brauchen stärkere Reihen. Wir können Gefangene nehmen, den Imperius-Fluch und andere motivierende Methoden anwenden – doch zur Zeit soll niemand getötet werden. Niemand von uns, versteht sich." Eine zornige Falte bildet sich auf seiner Stirn. „Greyback hat diese Regel missachtet. Das kann der dunkle Lord nicht tolerieren. Der Werwolf wird gesucht. Aber wenden wir uns wieder Ihnen und Ihren – im Vergleich nichtigen – Regelverletzungen zu."

Ich stöhne auf und reibe mir die Augen. Diese Informationen überlasten meinen ohnehin pochenden Kopf.

Snape nimmt Pergament, Feder und Tinte zur Hand. „Eine Notenabstufung in Ihren wichtigsten Wahlfächern scheint angebracht, denke ich", sagt er, und beginnt zu schreiben.

„Was?", stoße ich überrascht und entsetzt gleichermaßen aus, „Aber... Können Sie mir nicht einfach Hauspunkte abziehen oder so?"

Mein Schulleiter blickt nicht einmal auf. „Es gibt keine Häuser mehr, Mr Malfoy. Ich bleibe dabei." Er überfliegt seine Notizen und sagt: „Wenn Sie so weiter machen, werden Sie wohl kaum einen Abschluss schaffen, der Ihren Namen Ehre verschaffen würde. Ich erwarte mehr Disziplin." Geschäftig verstaut er das Pergament in einer Schublade. „Das wäre alles, Mr Malfoy. Sie sind entlassen."

„Oh man", sagt Blaise und klopft mir auf die Schulter, „Da entschuldige ich mich. Schließlich war es meine Schuld – ich habe dich überredet..."

„Was soll's", gähne ich und strecke mich ausgiebig, wobei ich noch etwas tiefer in dem schwarzen Polster des Sofas im Gemeinschaftsraum versinke. „Wenn meine Noten so schlecht sind, dass ich von der Schule fliege, ist wenigstens Snape glücklich. Leider ist es mir nicht gestattet, Sie von der Schule zu werfen, Mr Malfoy. Eine Notenabstufung scheint angebracht, Mr Malfoy. Das ist alles, Mr Malfoy." Missmutig starre ich in die prasselnden Flammen im Kamin und lausche dem vertrauten Hintergrundgemurmel der anderen Schüler im Gemeinschaftsraum.

Blaise sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was soll's? Das sieht dir aber gar nicht ähnlich. Hast du keine Angst, was dein Vater dazu sagen würde? Überhaupt – seit wann scherst du dich nicht um deine Noten? Das hört sich an, als stündest du echt auf der Kippe!"

Ich erwidere Blaise' fragenden Blick mit einem Schulterzucken. „Was erwarten die denn von mir? Ich war die meiste Zeit des Jahres nicht mal hier! Soll ich mich hinsetzen und alles nacharbeiten?"

„Ja!", entgegnet Blaise einfach. „Genau das würde der Draco tun, den ich kenne; den wir alle kennen. Man, dein Ehrgeiz früher ging ja sogar mir auf den Zeiger! Du wolltest Klassenbester, Jahrgangsbester sein, die einzige Frage bei dir war, ob du lieber Bänker wirst oder ins Ministerium gehst."

„Wer auch immer das war", murmele ich.

Blaise lehnt sich vor und mustert mich aus dunklen Augen. „Das klingt so, als wäre dir das komplett egal, man."

„Das ist es." Ich weiche seinem Blick aus. „Wenn du willst, geh und such nach meinem Ehrgeiz, wenn dich das glücklich macht – ich habe ihn lange nicht mehr gesehen. Nimm Snape gleich mit, dann könnt ihr euch über meine Unverantwortlichkeit austauschen. Ich hoffe, unser werter Schulleiter verdurstet bei dieser Reise." Die Worte sprudeln regelrecht aus mir hervor. Es tut mir Leid, dass ich Blaise gegenüber so biestig bin – doch bereuen tue ich meine Worte nicht.

„Vielleicht solltest du das Snape mal ins Gesicht sagen", schlägt Blaise mit einem Grinsen vor.

„Vielleicht sollte ich das."

Blaise Grinsen verwischt. „Draco, im Ernst... das klingt, als würdest es darauf anlegen, so schnell wie möglich rausgeworfen zu werden."

„Vielleicht tue ich das." Nun ist es an mir, über Blaise entgeistertes Gesicht zu grinsen. Dabei ist mir gar nicht danach. Es fühlt sich an, als hätte ich etwas Schweres im Magen.

„Man, hörst du eigentlich, was du da redest?" Blaise fuchtelt mit den Händen vor meinem Gesicht herum. „Wenn du dich nicht bald zusammenreißt, wirst du das verdammt nochmal bereuen! Alter, mach es doch nicht noch schlimmer, als es ohnehin ist..."

Mein Grinsen versteinert. Ein kaltes Gefühl macht sich in mir breit. „Ich..." Ich schlucke. „Ich hab keine Lust mehr, tatenlos hier herumzusitzen, während-" Ich wende mich ab.

Ich spüre Blaise' bohrenden Blick im Nacken. „Während... was, Draco?" Mein einst bester Freund schaut mich ernst an, als ich mich wieder ihm zuwende.

Ein Teil von mir verlangt, dass er mich in Ruhe lässt, sodass ich mich wieder in mich selbst zurückziehen und stumm griesgrämig sein kann. Ein anderer Teil wünscht sich, ich würde ihm alles erzählen.

„Er ist tot", sage ich.

Blaise unterbricht mich kein einziges Mal, während ich stockend erzähle, was in dem Brief stand:

Aus drei Leuten sind zwei geworden. Man hat Sed vor kurzem tot im Schnee gefunden, mit gebrochener Nase und Genick. Alle Spuren deuten darauf hin, dass er von Greyback einen Hang hinuntergestoßen wurde. Von Isa wurden ebenfalls Spuren gefunden, in einer Hütte in direkter Nähe ein totes und ausgeraubtes Paar an halbblütigen Zauberern, von deren Kindern jedoch jede Spur fehlt. Wo Isa und Greyback jetzt sind, ist vollkommen unbekannt.

„Snape", füge ich leise hinzu, „hat mir gesagt, dass Greyback damit eine neue Regeln verletzt hat: Im Moment soll niemand von... von uns, von Leuten auf der Seite von... naja, getötet werden. Deshalb sucht man ihn jetzt, deshalb versteckt er sich. Und Isa ist alleine mit ihm."

Einen Augenblick ist es still. Dann fragt Blaise: „Mehr Informationen standen nicht in dem Brief?"

Ich schüttele den Kopf.

„Du kannst nichts daran ändern, Draco", sagt er leise. „Was passiert ist, ist passiert. Aber du kannst die Zukunft beeinflussen. Niemandem ist geholfen, wenn du dich völlig gehen lässt." Mit entschlossener Miene steht er auf. „Lass uns in die Bibliothek gehen. Lass uns lernen. Du musst dich auf etwas anderes konzentrieren, damit du nicht vollkommen verrückt wirst." Auffordernd schaut er mich an. „Kommst du?"

moon & miseryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt