im Büro des Schulleiters

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Erleichtert lehne ich mich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür.
„Ich nehme an, Sie können sich denken, weshalb ich Sie habe herrufen lassen. Auch wenn Sie es nicht zugeben mögen."
Stumm verneine ich.
„Sehen Sie mich an wenn ich mit Ihnen rede!" Widerwillig und mit gemischten Gefühlen schaue ich auf. Auf den großen Schreibtisch gestützt steht Snape mir gegenüber.
So viel Kälte strahlt aus diesen schwarzen Augen, die doch sonst etwas fast Vertrautes hatten. Immerhin hat er mich auch davor bewahrt, jeden Monat zu einem richtigen Werwolf zu werden. Er sieht seltsam alt aus. „Sind Sie sicher?" Ich nicke. „Ja."
„Nun", erwidert Snape gedehnt, „Dann werde ich Sie wohl aufklären müssen." Ich beiße mir auf die Lippe, als er ansetzt mir zu sagen, was ich verbrochen habe.
„Stimmt es?" platze ich heraus. „Was meinen Sie?" fragt Snape sehr ungehalten.
„Das mit der Verwandtschaft." Ich merke selbst, dass ich viel zu schnell rede. „Greyback- Er hat gesagt, naja, also Sie waren ja auch dabei, dass.... Sind Werwölfe untereinander verwandt?"
Das Gesicht meines Direktors bleibt unbewegt. „Wenn Sie eine lästige Mücke sticht und Ihnen das nicht bekommt, sind Sie dann verwandt mit der Mücke?"
Vor Überraschung vergesse ich, mir nervös die Fingernägel in die Hand zu bohren.
„Was? Ich meine, wie bitte? Ich- Ähm." Der Vergleich ist ziemlich ... interessant.
„Also?" „Ja... Ich meine nein ..." Irritiert schüttele ich den Kopf. „Nein ... aber-"
„Es gibt kein Aber" unterbricht mich Snape mit schneidender Stimme. „Wenn Sie mich nun weiter erklären ließen, was Ihr Verhalten betrifft?"
Verunsichert und aufgewühlt senke ich den Blick.
Auch wenn ich nicht direkt an so etwas glaube, meine ich, im Gefühl zu haben, dass eine Veränderung auf mich zukommt. Vielleicht nicht direkt, nicht hier und jetzt, aber ziemlich sicher bald.
„Sie müssen sich bewusst sein, dass Sie in der letzten Zeit des öfteren im negativen Sinne aufgefallen sind, Miss Greenskape." Ich nicke abwesend. Wie oft wollen die mir das noch hinhalten?
„Ich möchte, dass Sie mir Antworten geben."
Einen Moment lang schließe ich die Augen. Wenn jemand anderes als Snape vor mir stünde, jemand hitzigeres und weniger ruhig kühl, müsste ich mir wirklich Sorgen machen. Doch obwohl Snape sicherlich viel Temperament hat und um Gotteswillen verdammt einschüchternd ist, kann man sich bei ihm sicher sein, dass man nicht aus heiterem Himmel angegriffen wird oder derartiges – meistens zumindest.
„Ja, ich bin mir dem durchaus bewusst, Sir", antworte ich also mit neu gewonnener Sicherheit. Kühn erwidere ich Snapes frostigen Blick.
„Das freut mich zu hören. Doch, wenn ich fragen darf, wenn Sie dies so offen zugeben, warum nicht auch all das andere." „Dann erklären Sie mir doch einfach, wie genau Sie 'all das andere' definieren, anstatt mir irgendwelche Rätsel zu stellen."
Snape richtet sich gerade auf, auch er ist sichtlich genervt. „Wenn Sie es unbedingt so wollen", zischt er, „Die Professoren Carrow haben mich über einige unerfreuliche Dinge unterrichtet. Dass Sie den Unterricht konstant stören ist Ihre Sache – Sie haben Ihren Abschluss zu verantworten. Doch wie Sie laut meinen Kollegen mit den Mitschülern umgehen, ist nicht zu tolerieren. Meinen Sie nicht, dass man sich wenigstens ein wenig zusammenreißen sollte, wenn schon der Schulleiter ein Gespräch wünscht? Und auch, wie respektlos und ungesittet Sie sich den Autoritätspersonen in Ihrem Umfeld verhalten, ist mir zu Ohren gekommen. Doch wahrscheinlich fragen Sie sich noch immer, weshalb Sie hier sind. Immerhin sind genannte Schwierigkeiten bei ohnehin problematischen Menschen durchaus normal. Doch es geht auch um weitaus mehr. Sie-"
„Einen Moment mal!" unterbreche ich hastig. „Hören Sie sich eigentlich selber zu? Sie haben keinerlei Beweise! Woher wollen Sie wissen, dass ich mich wirklich so verhalte? Sie haben bloß die Aussagen zweier durchaus parteiischer Leute. Sie kennen mich doch ..."
„Gut", zischt Snape aufgebracht, „Dann erzählen Sie doch einmal, wie es Ihrer Meinung nach wirklich ist."
Nervös verschränke ich meine Hände hinter dem Rücken. Es ist nie eine gute Idee, Snape zu reizen. Aber vielleicht, nur vielleicht, wenn ich es ganz, ganz vorsichtig angehe, kann ich Snape überzeugen, dass seine Informationen nicht der Wahrheit entsprechen – was dieses Mal ja tatsächlich der Fall ist.
„Wissen Sie", beginne ich unsicher, „Ich ... Ich bin nicht sicher wieso, aber irgendwie ... haben die Carrows etwas gegen mich. Mag es der Fakt sein, dass ich ein ... ein ... Werwolf bin oder sonst etwas ... aber es ist so. Und was diese Anschuldigungen betrifft: Ich kann Ihnen versichern, dass nichts davon der Wahrheit entspricht. Ich ignoriere meine Mitschüler. Würde ich das nicht tun und auf sie und ihre Bemerkungen über mich eingehen, gäbe es mit Sicherheit mehr Probleme. Und ansonsten ... mache ich nichts, buchstäblich gar nichts. Das versichere ich Ihnen."
Ich hasse es, wenn mich sonstige Mitmenschen mit einem derart unbeteiligten Ausdruck einfach nur stumm ansehen und gar nichts tun. Was erwarten Leute, die so gucken? Soll man gehen, sich für irgendetwas entschuldigen? Weiterreden? Abwarten, nichts tun?
Es gibt nur eine Person, die diesen Ausdruck besser kann als Snape, und das ist Draco. Allerdings ist es bei ihm weniger wichtig, wie korrekt ich mich verhalte. Hier jedoch kommt es wahrscheinlich auf mein Verhalten an.
„Selbst wenn es so wäre, Miss Greenskape, gibt es, wie gesagt, eine weitere, klärungsbedürftige Angelegenheit." In dem Moment wünsche ich mir schon, Snape hätte weiter geschwiegen.
„Einen Lehrer schlecht zu reden ist bereits mehr als inakzeptabel. Doch ... Wie mir die Carrows zugetragen haben, mussten sie mitbekommen, wie Sie einige spitze Worte über den dunklen Lord zur Äußerung gebracht haben."
Es ist wie ein Schlag in den Magen, und ich weiß, dass ich, und vielleicht nicht nur ich, ernsthafte Probleme habe.

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