Drohungen

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Mein Gehirn ist vernebelt vor Angst. Das Messer drückt gegen meine Brust und bohrt sich durch den Stoff meines Hemds. „Wo ist... wer?"

„Du weißt, wen ich meine", knurrt Greyback. Isa. Natürlich. Aber wieso weiß Greyback nicht wo sie ist?

„Ich", stammele ich, „Ich weiß nicht. Ich dachte, sie ist bei euch."

„Das war sie, allerdings. Bis sie heute morgen abgehauen ist. Und vorher haben wir", er zieht etwas aus seinem Umhang, „Das hier bei ihr gefunden." Zuerst wird mir heiß und dann eisig kalt. Er hält meinen Brief in der Hand. „Also dachten wir, du wüsstest vielleicht etwas. Aber wenn nicht..." Die Messerspitze hat nun schmerzhaft meine Haut erreicht.

„Ich weiß es wirklich nicht", beteure ich und kann nicht mehr verstecken, wie viel Angst ich habe. „Das ist mein einziger Brief. Ich habe auch einen von ihr. Aber nur einen. Und da steht auch nichts drin. Bitte. Ihr könnt euch den Brief ansehen, er ist in meinem Zimmer in meiner Schultasche."

Greyback tauscht einen Blick mit seinen beiden Komplizen, dann nickt er ihnen zu. Die zwei Todesser verlassen den Raum, während Greyback stehen bleibt. „Jetzt werden wir ja sehen, ob du lügst, Kleiner."

Heftig schüttele ich den Kopf. „Ich lüge nicht", verspreche ich mit zitternder Stimme. Greyback richtet sich endlich auf. Ich bin schon erleichtert, als Greyback wieder anfängt, mit seinem Messer zu spielen. Beinahe sanft fährt er den Schnitt in meinem Gesicht nach, der sofort wieder anfängt zu bluten. Ich beiße mir fest auf die Lippe um nicht vor Schmerz aufzustöhnen, doch ich bin klug genug, nicht vor dem Messer zurück zu weichen.

„Tut das weh?", fragt Greyback süßlich, und ich schüttele den Kopf. Im selben Moment noch verfluche ich meinen antrainierten Stolz, denn sofort schneidet die Klinge wieder tiefer in meine Haut. „Immer noch so arrogant?", fragt Greyback amüsiert, „Nicht zu fassen."

„Komm, Greyback", schaltet sich Vater wieder ein. Auch seine Stimme bebt kaum merklich. „Steck das Messer endlich weg. Wir haben es verstanden. Du hast hier das Sagen."

Greyback stößt ein bellendes Lachen aus und zeigt seine gelben Zähne. „Auf einmal so gefügig, Malfoy? Schiss vor dem bösen Werwolf? Aber nur keine Angst, in ein paar Wochen ist dein Sohn wieder so hübsch wie früher. Die meisten Leute, die in meine Gewalt kommen, haben nicht so viel Glück. Du solltest deine kleine Freundin mal sehen", fügt er an mich gewandt hinzu, „Hat sie dir in deinem Brief auch geschrieben, dass sie einen Muggel umgebracht hat?"

Entsetzt schaue ich ihn an. Das kann nicht wahr sein. „Das würde sie nicht tun."

Greyback lacht noch lauter. „Und ob. Und letzte Vollmondnacht hat sie mir dabei geholfen, einen weiteren Muggel auseinander zu nehmen. Aber ich fürchte, sie hat dabei nicht ganz so viel Spaß wie ich", stellt er gespielt bedauernd fest, „Als ich sie zuletzt gesehen habe, sah sie nicht so glücklich aus. Ich frage mich, wie das nur kommt..."

Ich senke den Kopf, damit Greyback nicht die Wut in meinen Augen sehen kann. „Weißt du", fährt er in geschäftsmäßigem Ton fort, „Eigentlich dachte ich, sie könnte mir nicht entkommen. Ich habe einen Zauber über sie gelegt, damit ich kontrollieren kann, wo sie hingeht und was sie tut. Aber das hilft mir auch nicht mehr, weil sie dummerweise ihren Zauberstab verloren hat. Und jetzt ist sie ohne Zauberstab und ganz alleine da draußen... Meinst du, das wird sie überstehen?" Ich erinnere mich daran, dass Isa so etwas in ihrem Brief erwähnt hatte. Glücklicherweise bleibt mir eine Antwort erspart, denn in dem Moment kommen die beiden Todesser wieder. Die Frau hat Isas Brief dabei und übergibt ihn Greyback, und der lässt endlich von mir ab.

Zu dritt beraten die Todesser sich mit gesenkten Stimmen, während ich bloß dastehe und mich am Schreibtisch abstütze. Mir ist schwindelig. Ob das an dem pulsierendem Schnitt in meinem Gesicht liegt oder an der Angst, erst Angst um mich und dann um Isa, kann ich nicht sagen. Wenn sie jetzt wirklich ohne Zauberstab da draußen ist, dann hat sie ein riesiges Problem. Plötzlich steigt verzweifelte Wut in mir auf. Was hat sie sich dabei gedacht, wegzulaufen? Ich habe ihr doch geschrieben, dass sie das durchstehen wird. Aber so...

Augenblicklich fühle ich mich schlecht, weil ich so etwas denke. Wäre ich so lange mit Greyback zusammen, würde ich vermutlich auch abhauen. Diese paar Minuten mit ihm reichen mir jetzt schon. Gerade, wo ich über den Werwolf nachdenke, richtet er wieder das Wort an mich.

„Scheint so", beginnt er, diesmal mit echtem Bedauern in der Stimme, „Als gäbe es tatsächlich nichts, wofür ich dich noch bestrafen müsste. Aber...", und seine Stimme wird gefährlich leise, „Ich werde das Mädchen finden. Ich werde sie aufspüren und dann werde ich sie jagen, so wie ich es für gewöhnlich mit meiner Beute tue. Und wenn ich sie dann wieder in die Finger bekomme, werde ich sie auf meine Art für ihr Weglaufen bestrafen. Also sei dir mal nicht zu sicher, ob du deine kleine Freundin nochmal in einem Stück sehen wirst."

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