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Mein Körper ruhte auf etwas weichem. Es fühlte sich gut an, bequem. Nur mein Kopf machte Probleme. Wie als würde jemand mit einem Presslufthammer gegen die Kopfwand schlagen, so fühlte es sich an. Langsam öffnete ich meine Augen, nur um sie gleich wieder zu schließen. War Licht schon immer so hell? Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen. Mein Schädel fühlte sich wie Wasser an. Wie als hätte mein Hirn ein eigenes Schwimmbad. „Endlich bist du wach!",hörte ich eine etwas lautere Stimme neben mir. Ich zuckte vor Schmerz zusammen. „Musst du so laut schreien?",fragte ich Stephan mit rauer Stimme. Ein kurzer Blick zu meiner Rechten ließ mich ahnen das irgentwas nicht in Ordnung war. Seine blauen Augen verschossen Funken der Wut, aber hinter diesem Schein lugte auch Enttäuschung hervor. „Ich schreie gar nicht. Ich bin sogar sehr ruhig.",erwiederte er auf meine Vorhin gesagte Aussage, „Du hast nur einen Kater.",endete er.

Nicht nur einen Kater, sondern auch einen kompletten Blackout. Von letzter Nacht weiß ich fast nichts mehr.

Sofort schoss mir ein Gedanke in den Kopf:„Sind die Zwillinge OK?" Ich machte Anstalten aufzuspringen wurde aber von Stephan, welcher seine Hand auf meiner Schulter gelegt hatte, wieder auf die Couch gedrückt und von meinen Kopfschmerzen kurz übermannt. Ohne weitere Worte ging der etwas breit gebaute Mann weg, nur um dann wieder aufzutauchen und mir etwas auf den Couch Tisch zu stellen. „Was ist das?",fragte ich. Genervt musterte er mich:„Aspirin." Dankend warf ich ihm einen Blick zu und griff nach dem Kater Heilmittel. Nach dem ich zwei Tabletten genommen und mit Wasser runter gespült habe versuchte ich wieder aufzustehen, wurde aber von Stephan wieder auf die Couch gedrückt. „Den Kindern geht's gut.",beruhigte er mich. Er würde mich auf dem Bezug zu den Kindern nie anlügen, also beließ ich es dabei, wenn auch nur ungern. Kaum blieb ich ruhig fing er an mich mit fragen zu löchern:„Warum bist du einfach abgehauen ohne etwas zu sagen?
Wie kam es dazu das du im Suff gelandet bist und warum um Himmels Willen hast du dich überhaupt vollaufen lassen?!"

Musste ich darauf antworten? Er hatte kein Recht mich mit diesen Fragen zu verhören. Langsam kochten meine Emotionen hoch. Ich wollte in diesem Raum nicht die Drama Queen spielen und Stephan anschreien. Das wollte ich den Kindern und Nachbarn nicht zu Gute reden müssen. Also stand ich so schnell es eben mit Kopfschmerzen ging auf. „Was wird das?",fragte der Größere hinter mir irritiert. Darauf antwortete ich nicht mehr. Mein Weg war bestimmt. Schneller als ich gedacht habe das ich bin, hatte ich Willow schon in meinen Armen. Die Kleine gähnte nichts über die Situation wissend herzlich. Es zeriss mir das Herz die zwei wieder wo anders hinbringen zu müssen, doch hier wollte ich nicht bleiben. „Willst du wieder abhauen?",fragte der braunhaarige hinter mir ungläubig. Ich ließ nicht locker und machte mit dem weiter was ich angefangen hatte, schweigend. Adrian und Willow hatte ich in die Maxicosis gesetzt, auf meinem Bett meinen Koffer gepackt und stand nun im Flur. Stephan hatte mich die ganze Zeit versucht zum Reden zu bringen. Bis auf ein:„Ich bin für eine Weile mit den Kindern weg.",bekam er jedoch nichts zurück. Seine Anspannung wuchs immer weiter, das könnte ich spüren. Ich nahm meine Jacke auf und zog sie an. Dann wollte ich schon die Tür auf machen und Adrian zuerst aufnehmen, doch eine Hand legte sich auf meine. In einer Starre gefangen blickte ich dem Blauäugigen in die Augen. „Du kannst nicht ewig vor deinen Problemen davon laufen. Irgendtwann musst du mit mir reden. Ich habe ebenfalls ein Recht darauf unsere Kinder zu sehen. Für die Zwillinge ist es auch sicher angenehmer wenn wir das durch Kommunikation satt dem Gericht klären.",versuchte er mich zu beschwichtigen. Dieses blaue Meer drohte den grünen Laubwald seines Gegenübers zu überschwemmen.

Trotz dieser Gefühle, die mich zu übermannen drohten machte ich kehrt, mit beiden Kindern in der Hand und ging die Treppen hinunter. Ich hörte nur noch wie die Tür geschlossen wurde, dann griff ich auch schon nach meinem Handy und bestellte mir ein Taxi. Ich hielt die Tränen so gut es ging zurück, damit wenigstens die Babys nicht allzu viel mitbekamen. Ich stieg in das weiße Auto ein und erzählte dem Fahrer wo ich hin wollte. Skeptisch musterte er mich, wie Stephan zuvor, drehte sich dann aber um, um los zu fahren. „Nun meine Kleinen ist es endlich Zeit eure Großeltern kennen zu lernen.",flüsterte ich den beiden zu. Sie blieben für die Rest der Fahrt zum Glück ruhig.

Der Taxifahrer war so nett mir den Koffer aus dem Kofferraum zu heben und nur die Hälfte des eigentlichen Preises zu verlangen. So schusselig wie ich war hatte ich natürlich nicht an das Geld gedacht, so bezahlte ich statt 45€ nur 20€. Ich winkte ihm kurz nach, drehte mich dann aber wieder Richtung Haus meiner Eltern. Es war ein typisches „Perfekte Familie" Haus. Ein perfekter weißer Zaun um die perfekt geschnittenen Büsche herum. Das grüne saftige Gras Zentimeter genau geschnitten, mitten durch zur Tür ein dünner gepflasteter Steinweg. Die Fassade war grünlich weiß gestrichen mit perfekt geputzten Fenstern. Einen tiefen Seuftzer ausstoßend nahm ich meine Kinder in den Maxicosis vom Boden auf und machte mich auf den Weg zur Haustür. Die Klingel hatte immer noch den gleichen Ton wie schon vor 16 Jahren. Diese 'We wish you a Marry Christmas' Melodie würde ich wohl nie mehr aus dem Kopf bekommen. Ein leises Klicken und schon öffnete sich die Tür. Zu meiner Überraschung war es Mama welche im Eingang stand. Es kam selten vor das sie die Tür öffnete, außer Papa war nicht Zuhause.

„Hey, darf ich reinkommen?",fragte ich meine völlig überrumpelte Mutter beschämt. Sofort machte sie Platz und ließ mich eintreten. Es roch nach Essen. Nach Lasagne. „Die zwei Mäuse sind ja schon groß geworden."meinte meine Mutter mit einem Lächeln auf den Lippen. Zustimmend nickte ich ihr zu. Dann fragte ich ob ich für ein paar Tage hier bleiben könne da in meiner Wohnung ein Wasserrohr geplatzt sei und wir durch Renovierungsarbeiten nicht in den Räumen sein durften. Sie sollte nicht den richtigen Grund wissen weshalb ich hier war. Ich wollte ihr keine unnötigen Sorgen machen, so ging ich nach einem netten, bestimmtem „Ja" mit den Kindern die Treppe hoch zu meinem alten Jugendzimmer. Ich war dort schon Ewigkeiten nicht mehr oben. Schon als ich die weiße Holztür öffnete klappte mir der Mund auf. Es war immer noch alles so wie es war als ich meine Mutterhöhle verließ. Der Schreibtischstuhl war immer noch kaputt, stand aber auf seinem Platz. Das Bett noch ordentlich gemacht und unbenutzt, schmiss ich mich hinein. An der hellblauen Wand links neben dem Bett hangen immer noch die Plakate meiner Lieblings Bands und Sänger. Und in der Mitte des Zimmers das Beste von allen, die Balkontür. Der kleine Viereckige Laufkäfig war geputzt und ordentlich, wie als hätte Mama gewusst das ich kommen würde.

Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich hätte nicht so egoistisch sein sollen und einfach so abhauen geschweige denn mich betrinken sollen. Stephan hatte Recht ich konnte nicht ewig vor meinen Problemen davon laufen, aber für heute bin ich total ausgelaucht. Die Kopfschmerzen hatten Dank der Asperin Tabletten zwar aufgehört, jedoch hatte ich immer noch eine ordentliche Fahne und schwangte leicht auf den Beinen. Zu meinem bedauern fing Adrian genau dann an zu schreien wenn ich mich auf das Bett habe fallen lassen. Es war Fütterungszeit für die beiden nur hatte ich keine Kraft mehr. Das Adrenalin ließ komplett nach und mein Körper ließ mich erst jetzt fühlen wie schlecht es mir eigentlich ging. Ich konnte Muskeln spüren von denen ich vorher noch nicht Mal wusste das es sie gab. Durch das Schreien von meinem Jungen machte auch schon Willow mit. Sie hatte rote Augen, das konnte ich noch erkennen doch dann ließ ich meinen Kopf auf das weiche Kissen meines Jugendbettes fallen. Ein Tunnelblick eröffnete sich mir und ich bekam nichts mehr in meiner Umgebung mit. Kein Schreien, keine Sorgen, kein genaueres hinsehen mehr. Nur noch den Blick auf die weiße Wand über mir gerichtet.

Ich bin mir sicher die beiden schrien jetzt schon gut 10 Minuten. Die 10 längsten Minuten der Welt, doch ich konnte mich nicht rühren. Ich versuchte meine Hand anzuheben, musste sie aber wie angeklebt wieder fallen lassen.

Ein leises Klopfen drang zu mir hindurch. „Mandy?",fragte eine gedämpfte Stimme, „Alles in Ordnung?"

Das Kapitel ist von der lieben Romy_hi

Liebe auf komplizierten WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt