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Yoongis POV
Es dauert eine ganze Weile, bis Jimin mich wieder loslässt.
Dann aber zieht er sich recht schnell zurück und bringt wieder mehr Abstand zwischen uns.
Seine Wangen sind gerötet und er fährt sich mit einer nervösen, wahrscheinlich automatischen Geste durchs Haar.
„Tut mir leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin", murmelt er schuldbewusst, „Es ist nur so... Weißt du, manchmal da bin ich einfach so... übermütig. Ach, es gibt kein richtiges Wort dafür, aber... ich kann meine Emotionen so selten unterdrücken. Und ich wollte dich ein bisschen trösten, du sahst so fertig aus... Entschuldigung."

Ich blinzle nur. Und sehe ihn an.
Dieser bildhübsche Mensch entschuldigt sich in einer Tour für Dinge, die gar keine Entschuldigung benötigen. Das irritiert mich, aber ich hab das schließlich selbst durch. Wie oft habe ich um Verzeihung gebeten, auch wenn es überflüssig oder gar nicht meine Schuld war? Bei mir war es, sagen wir, zum Beruf dazugehörig, dass ich immer alle Schuld auf mich genommen habe und am Ende des Tages nicht mehr an fünf Händen abzählen konnte, wie oft ich mich entschuldigen musste. Diener sind eben Schuld. Und Nekos erst recht. Nekos sollte es sogar leid tun, dass sie den Menschen ihre wertvolle Luft wegatmen.
Aber es war nicht nur mein Los der Grund dafür, dass ich mich dauernd entschuldigen musste. Es war einfach die Hierarchie des Hauses. Meine Besitzer waren immer älter als ich und selbst ihre Kinder waren in einer höhen Stellung als ich. Ich bin älter als Jimin, zwar keinesfalls höher gestellt, aber älter. Vielleicht zeigt er nur Respekt.
Oder, er tut das, was ich auch manchmal versucht habe: durch Schuld und Entschuldigungen einen guten Eindruck hinterlassen wollen. Ein Neko, der seinen Herren verständnislos anblickt, wenn er ihn ausschimpft, dass er ihm nicht die Tür aufhält? Ts, ts, ts. Unmöglich. Ein Neko, der um Verzeihung bittet, dass er nicht selbst daran gedacht hat, die Tür zu öffnen? Schon besser, oder wie seht ihr das? Entschuldigen zeigt Unterwürfigkeit und Gehorsam; wer wüsste das besser als ich?
Jimin versucht also nur, sich bei mir beliebt zu machen.
Oder?!
Vielleicht ist er auch einfach nur sehr höflich, tadele ich mich selbst.
Mein Gott. Ich mache mir schon wieder viel zu viele Gedanken über diesen Menschen!

Als ich sehe, dass er schon wieder ganz besorgt ist, fällt mir ein, dass er gerade mit mir geredet hat. Und ich war so in Gedanken, dass ich nicht geantwortet habe.
Mist.

„Schon gut", sage ich nur, „Es hat mich nur überrascht... Das ist noch nicht so häufig vorgekommen, weißt du?"
Jimin sieht mich mit großen Augen an. „Sag bloß du wurdest noch nie umarmt."
Ich verdrehe die Augen. „Nein", sage ich, „So ist es nicht. Es ist aber nur sehr selten vorgekommen und das letzte Mal ist eine ganze Weile her."
Wenn ich so überlege, dann stimmt das nicht mal. Das Menschenmädchen hat mich vorhin umarmt, als sie mich ‚wiedergefunden' hat, obwohl ich nie weg war. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, hat mir Jimins Umarmung besser gefallen. Ich sage nicht, dass ihre Umarmung nicht genauso echt und erleichtert gewesen wäre. Aber Jimin... es hat sich angefühlt, als würde er mehr Gefühle offenbaren. Es war... irgendwie wärmer. Schöner. Keine Ahnung.

„Deine Eltern...?", setzte Jimin leise an.
Meine Pupillen werden groß.
Meine Eltern. Die Einzigen auf diesem Planeten, denen ich zu 100% vertraue. Ich werde niemals jemandem so vertrauen können wie ihnen. Sie waren die Einzigen, die es jemals gut mit mir gemeint haben.
Und warum war das so? Weil sie keine Menschen sind.
Wir haben immer zusammengehalten - bis man mich fortgerissen hat.
Und wer hat das zu verantworten? Menschen.

„Ob sie dich manchmal umarmt haben?", murmelt Jimin vorsichtig.
Ich muss lächeln. Es ist ein echtes Lächeln. Ausnahmsweise ist mein Lächeln mehr als echt.
„Ja", sage ich gedankenversunken, „meine Mutter hat mich oft umarmt. Jeden Tag, bevor ich zur Schule ging hat sie mich umarmt. Damals fand ich es so albern... Gott. Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, dann hätte ich mich wahrscheinlich nie gewehrt."
Meine Gedanken werden schwer. Ich merke, dass ich nicht mehr lächle. Wie auch? Ich habe meine Eltern nie wieder gesehen. 16 Jahre lang. Ich sehe ihre Gesichter immer noch vor meinem inneren Auge, lebendig und strahlend. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann weiß ich nicht, was mit ihnen ist. Sie könnten genauso gut tot sein.

Meow! [Yoonmin/Sope]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt