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Yoongis POV
„Die Stadt ist zwar ziemlich groß, aber es ist trotzdem eine Kleinstadt", stellt Jimin fest, als wir gemeinsam ein Stück gehen, „Witzig, nicht?"
Ich betrachte die Häuser, an denen wir vorbeikommen. Manche recht groß, einige sogar bunt, viele mehrstöckig. Ich hab hier noch nicht einen dreckigen Neubau gesehen.
„Was soll daran witzig sein?", murmle ich gedankenversunken. Das klingt für mich nach einem ‚Fun Fact', der von einem Lehrer kommen könnte. Ergo: der kein bisschen funny ist.
„Na ja", meint Jimin ausweichend, „nicht witzig in dem Sinne. War vielleicht ungeschickt ausgedrückt. Ich meinte eher im Sinne von merkwürdig oder beeindruckend."
Wie kann man denn mit ‚witzig' eigentlich ‚beeindruckend' sagen wollen? Sag doch einfach ‚beeindruckend', Junge, dann ist doch alles okay?!
Aber Jimin redet einfach weiter. Irgendwie ist es toll, dass er so viel redet. Dann muss ich es nicht tun.
„Wenn man mal drüber nachdenkt... das ist schon der Wahnsinn. Also, ich lebe jetzt hier schon mein ganzes Leben lang, seit ich geboren wurde. Ich finde diese Stadt echt riesig. Ich hab Städte gesehen, die sind viel kleiner als unsere. Und trotzdem ist das hier eine Kleinstadt. Das führt mir immer wieder vor Augen, dass es noch viel größere Städte gibt und wie klein ich selbst eigentlich bin."

Es ist mir egal, dass das, was er sagt, für mich keinen Sinn ergibt. Es ist einfach schön, seine Stimme zu hören.
Er fängt an, davon zu erzählen, wie groß das Universum im Vergleich zu Großstädten ist, da schalte ich ab. Mannomann, der Typ hat vielleicht Gedanken. Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht zu fragen, ob er ‚Philosophischen Mist' als Hauptfach an der Uni belegt. Er redet so viel und doch verstehe ich so wenig. Wer ist dieser Einstein, von dem ee erzählt, und warum sagt er so kluge Sachen? Die menschliche Dummheit mit dem Universum zu vergleichen... warum bin ich da noch nicht drauf gekommen? Aber dieser Stein-Typ hat's zuerst gesagt und so wie's aussieht, hat er sich das patentieren lassen. Schade eigentlich.

„Wenn ich dir zu viel rede, dann sag mir ruhig Bescheid", höre ich ihn, etwas verlegen, sagen.
Ich sehe zu ihm herüber. Er ist stehen geblieben und hat rosa Wangen bekommen, wahrscheinlich ist es ihm unangenehm, dass er quatscht wie ein Wasserfall.
„Nein, nein", sage ich nur, „Schon okay, red weiter. Ich bin gut im Zuhören."
Dass ich vorhin im Auto reden durfte, war schon ne Menge. Es war toll, jemanden zu haben, der sich für dich interessiert und dir zuhört, wenn du etwas erzählst. Das hatte ich so noch nie. Deshalb ist jetzt Jimin dran. Ist ja nicht wichtig, dass er über Zeug redet, was ich nicht kapiere, aber Hauptsache, er kann es rauslassen und jemand hört ihm dabei zu. Dieser Jemand möchte ich für ihn sein.

„Worüber sollen wir reden?", fragt er freundlich.
Wieder muss ich feststellen, dass es ihm wirklich ernst war, als er meinte, mich mehr integrieren zu wollen. Statt mit etwas vorzubeten, will er sich jetzt scheinbar unterhalten. So richtig. Mit zwei Parteien. Eine waschechte Konversation, mit Fragen und so.
„Worüber du willst", sage ich achselzuckend.
Er lächelt und schüttelt den Kopf. „Falsch", sagt er belustigt.
Für eine Sekunde zucke ich zusammen, weil nie etwas Gutes passiert ist, wenn ich mal etwas falsches gesagt habe. Aber Jimin nimmt nur sanft mein Handgelenk und zieht mich weiter. Es überrascht mich, dass er nicht meine Hand nimmt, weil er definitiv jemand ist, der Nähe braucht. Aber wahrscheinlich merkt er wohl doch, dass er durch meine Mauer nicht hindurchkommt und kommen sollte.
Er bemerkt meinen Blick und sieht mich überrascht an. Dann lächelt er so breit, dass seine Augen verschwinden. „Sorry Yoongi", witzelt er, „Händchenhalten tue ich erst beim dritten Date...!"
Ich verdrehe die Augen, als er lachend weiterläuft und mich einfach mitschleift.

„Erzähl schon", drängt er, als er vor einem kleinen weißen Häuschen stehen bleibt, „Wir reden heute über Dinge, die du willst. Bitte. Tu mir den Gefallen und lass uns heute deinen Willen erfüllen."
Ich schweige. Würde ich jetzt etwas sagen, würde ich stottern. Er sieht mich so lieb an... Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, wenn er mühelos so hübsch ist.
Ich würde irgendwie gern mehr über ihn erfahren. Aber ich traue mich nicht, das laut auszusprechen, also zucke ich nur mit den Schultern.
Er legt den Kopf schräg und mustert mich mit seinen warmen, braunen Augen.
Mein gesamter Organismus spielt verrückt. Mir ist heiß und kalt zugleich, ich könnte Luftsprünge machen und gleichzeitig in Ohnmacht fallen, weil er so nah bei mir ist.
Verdammt, ich hatte echt geglaubt, diese seltsamen Gefühle hinter mir gelassen zu haben.
Langsam kann ich mir nicht mehr einreden, dass es mich nur nervös macht, mit einem Menschen allein zu sein, denn ich glaube, Jimin besser zu kennen. Ich habe keinen Grund, vor ihm Angst zu haben oder mich von Nervosität übermannen zu lassen.
Warum also ist das alles trotzdem noch da?
Die Wärme, wenn er lächelt oder lacht? Meine kribbelnden Ohren? Das komische Gefühl in meiner Magengegend? Mein Herz, das sich nicht entscheiden kann, in welchem Rhythmus es schlagen will? Meine Unsicherheit, alles das betreffend, was ich sage und was ich nicht sage?
Wie kann ich das alles begründen, wenn es nicht - wie anfangs gedacht - nur Schiss vor Unbekanntem ist?

Meow! [Yoonmin/Sope]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt