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Yoongis POV
Ich werde ihn niemals vergessen.
Den Anblick von Jiminie in diesem Theater.

Allein beim Eintreten bewundert er stumm und mit riesengroßen Augen die Architektur. Die gigantischen Säulen, die hohe Decke mit dem Kronleuchter, die Logen - zugegeben, selbst ich finde das beeindruckend.
Aber sein Gesichtsausdruck... So anerkennend, so über alle Maßen verzaubert... Herrgott, irgend etwas in mir sehnt sich danach, dass er mich mal so anschaut.

Das Schönste ist ja eigentlich, dass er meine Hand immer noch nicht losgelassen hat.
In der Schlange hielt er meine Hand.
Bei der Kartenkontrolle hielt er meine Hand.
Gut, als wir unsere Jacken abgeben mussten - was für ein komisches Konzept übrigens - da hat er meine Hand loslassen müssen.
Aber das Gefühl, das in mir aufkam, als er sie direkt danach wieder in seine genommen hat, war überwältigend.
Jedes Mal, wenn er seine kleinen Finger gegen meine Handfläche bewegt, sprühen die Funken in meinem Herzen. Es fühlt sich einfach so unglaublich gut an.

Berührungen waren mir immer ein Graus. Ich wusste, dass die kalten, ekligen Menschenhände mir nur weh tun und mich schlecht fühlen lassen.
Aber Jimin ist anders. Jimin gibt mir ein gutes Gefühl. Ein Gefühl, das ich am liebsten gar nicht wieder hergeben würde. Er ist so warm und sanft und vorsichtig. So war noch nie jemand zu mir. Wann immer er mich berührt, habe ich nicht die schlimme Vorahnung, dass er mir etwas Böses will. Und das ist bisher einzigartig.

„Yoongi, sieh nur", haucht der Junge, als wir den Saal mit den Sitzplätzen betreten.
Zugegeben... Die mit roter Seide überzogenen, gold-farbenen Sitze sehen fürchterlich edel aus. Ich habe direkt wieder ein schlechtes Gewissen, mich darauf zu setzen. Ich kann förmlich die unzähligen blauen Flecken spüren, die ich das letzte Mal davongetragen habe, als ich es wagte, mich auf so einen Stuhl zu setzen.

Aber Jimin zieht mich begeistert mit sich. Und die Freude in seinen Augen macht mich willenlos.

Es dauert überhaupt nicht lange, da hat das pfiffige Kerlchen unsere Plätze gefunden. Ich bin beeindruckt, dass das so schnell ging. Immerhin ist dieser Raum riesengroß.
Aber auf den Eintrittskarten stehen irgendwelche Zahlen, die Jimin dabei wohl helfen.

Er lässt sich auf den Sitz plumpsen und seufzt auf. Sein Blick liegt unverändert auf der enormen Bühne. Mit meinen geschärften Sinnen kann ich den starken Geruch des Parketts bis hier riechen. Frisch gebohnert...
Der schwere, tiefrote Vorhang bewegt sich. Ich wette, dahinter steht jemand und beobachtet die Menschenmenge.
Über dem Vorhang sind goldene Verzierungen an die Wand gemalt.
Alles hier sieht so kostbar aus. Das ist schon beeindruckend.

Mein Blick gleitet zu Jimin - wie von selbst, denn er ist das eigentliche Kunstwerk in meiner gesamten Umgebung.
Der Kleine bekommt das gar nicht mit.
Es ist zuckersüß, wie seine Augen die Halle scannen. Seine Blicke fliegen förmlich hin und her. Die Faszination in ihnen bringt mich schier um den Verstand.

„Gewöhn dich nicht zu sehr an den Anblick", sage ich scherzend.
Nur schwer kann Jiminie seine Augen von der Bühne wenden.
„Hm?", meint er abwesend.
Ich muss schmunzeln.
„Ich sagte: gewöhn dich nicht zu sehr an diesen Anblick", wiederhole ich.
Er sieht mich erstaunt an. „Wieso das?", fragt er etwas gekränkt.
Ich grinse breit.  „Na ja, schließlich wirst du bald in die andere Richtung schauen. Dann sitzt du nicht mehr im Zuschauerraum, sondern stehst auf dieser Bühne."
Sofort schießt das Blut in Jimins Wangen und er senkt den Kopf.
„Wie oft willst du noch rot werden, wenn ich das sage?", frage ich amüsiert, „Es ist nun einmal ein Fakt. Irgendwann stehst du da oben."
Jimin lächelt schüchtern.
„Du bist ein Spinner", sagt er kleinlaut.
„Gib's zu", kann ich es mir nicht verkneifen, ihn aufzuziehen, „Ich bin dein Lieblings-Spinner."
Jetzt lacht er wieder und grinst mich dann breit an.
„Nur, wenn du bei meiner ersten Aufführung in diesem Theater dabei bist", meint er schlagfertig.
Ich schnaube.
„Träum weiter", sage ich schnell, obwohl die Vorstellung davon, ihm stundenlang beim Tanzen zusehen zu dürfen, tatsächlich ein kleines Empfinden von Vorfreude in mir weckt.
Jimin haut mich auf den Oberarm. „Du... du herzloser... Pinguin!", sagt er stammelnd.
„Pinguin?", frage ich belustigt, „Oh nein, jetzt hast du mich aber schwer beleidigt...! Ich werde mich heute in den Schlaf weinen müssen...!"
Jimin beißt sich auf die Unterlippe und ich kann meinen Blick nicht davon abwenden, weil es verdammt anziehend aussieht.
„Mir ist auf die Schnelle nichts anderes eingefallen", sagt er peinlich berührt, „als ich deine Kleidung gesehen habe, musste ich an einen Pinguin denken. Passt eigentlich. Die sind auch so süß, wie du..."
Ich schüttle den Kopf. „Ich bin nicht süß", sage ich, „Was zur Hölle."
Jimin kichert. „Du bist süß", sagt er, „keine Widerrede. Du machst so viele süße Sachen für mich, du kannst mich in dieser Angelegenheit nicht umstimmen."
Ich verschränke die Arme vor der Brust. So eine Unverschämtheit. Ich hatte doch gerade angefangen, ihn zu mögen...
„Es sei denn", meint er versöhnlich, „Du würdest zu meiner Premiere kommen. Dann wäre das nicht süß, sondern... total lieb von dir."
Ich ziehe meine Augenbrauen hoch und musterte ihn kühl. „Das ist doch kein Stück besser", sage ich kopfschüttelnd, „Das Feilschen muss dir noch einer beibringen, Kleiner. Wenn du willst, dass jemand auf dich zukommst, musst du ihm ebenfalls entgegen kommen, kapiert?"
Jimin lacht herzlich und umfasst mit seinen beiden Händen nun meine Rechte, die auf der Lehne zwischen unseren Sitzen ruht.
„Tu doch nicht immer so kaltherzig", kichert er und sieht mich aufmerksam an, „Du würdest mit Sicherheit zu meiner Premiere kommen. Das weiß ich ganz genau."
Ich würde ihn am liebsten verspotten, woher er das angeblich wisse, ob ihn meine freundliche Art davon überzeugt habe. Aber mein Mund gehorcht meinem Gehirn nicht, als ich seinen treudoofen Dackelblick sehe. Es geht nicht, ich kann ihn nicht anfahren. Also bleibe ich stumm.
Das aber nimmt Jimin als Bestätigung. Sein Lächeln wird breiter, auch ohne meine Bestätigung. Er kennt mich leider doch schon ziemlich gut.

Meow! [Yoonmin/Sope]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt